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Wunschelberg
Die geheime Formel des Professor Ambigius

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Über das Buch

Das Geheimnis des Wunschelbergs

Seit der feierlichen Wiedereröffnung ist auf dem Wunschelberg mächtig was los: lustige Buden, köstliche Süßigkeiten und eine Prise Magie machen den Jahrmarkt zu einem weithin beliebten Anziehungspunkt. Emma, Jule und Mo könnten die glücklichsten Kinder der Welt sein - wenn es nur Jenny nicht gäbe. Emmas langjährige Erzfeindin lästert, streut Gerüchte und macht ihnen das Leben schwer, wo es nur geht. Als jemand behauptet, dass es in den Tiefen des Wunschelbergs gefährliche Geister gibt, glauben die drei natürlich kein Wort. Aber es bringt sie auf eine Idee, wie sie unerwünschte Gäste vertreiben könnten …

Inhaltsverzeichnis

Der Zauber naht auf bunten Schwingen

Ein Lächeln für den hohen Gast

Auch stumme Worte können erschüttern

Mit einem Grollen wächst die Feindschaft

Dunkles Verstehen in steinerner Tiefe

Wo die Wissenschaft leuchtet, verblasst fantastisches Funkeln

Auf steinernen Pfaden trifft man unverhoffte Gäste

Falsches Spiel mit alten Geistern

Der bittere Geschmack schwindender Hoffnung

Angesichts der kalten Macht erfriert die Zuversicht

In einsamer Stille spielt der Berg sein Klagelied

In einem Gefängnis aus Verzweiflung lässt man sich leicht blenden

Ist die Formel kundgetan, offenbart der Berg sein Innerstes

Lausche dem Klagen und vertraue

Der Berg gibt, der Berg nimmt

Ein neues Kapitel mit alten Geschichten

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Die Wunschelberger

Mo

Seine Lieblingsgeschwindigkeit ist schildkrötenlangsam und mit Worten geht er so sparsam um, als würde er dafür Zinsen bekommen. Man sieht ihn nie ohne Handy – das macht ihn zum wandelnden Lexikon.

Emma

Entweder hat sie ihre Nase zwischen zwei Buchdeckeln oder sie stöbert zwischen den bunten Wunschelbergbuden herum. Auf dem Jahrmarkt fühlt sie sich wie in einer wahr gewordenen Lieblingsgeschichte.

Jule

Jule ist ihr ganzes Leben mit ihrer Tante Silvie und dem ebenso klapprigen wie gemütlichen Bus Herrn Rost samt Süßigkeitenanhänger von Rummel zu Rummel gezogen. Deshalb isst sie auch Grünkohl tausendmal lieber als Popcorn.

Silvie

Jules Tante ist kunterbunter als ein Regenbogen. In ihrer Bude verkauft sie ganz besondere Süßigkeiten. Eine Prise zauberhafter Gewürze lässt jeden, der kostet, die schönsten Träume träumen.

Antonio

Mos Vater sieht man meistens mit seiner Harlekinmaske. Er jongliert die Bälle so hoch, dass man sie für Sterne halten könnte. In seiner gewissenhaften Art ist er der Sprecher der Wunschelberger.

Loretta

Sie ist nicht nur Antonios Frau, sondern auch Mos Mutter. Sie ist ebenfalls ein echter Harlekin und sorgt nebenbei dafür, dass auf dem Wunschelberg alles glattläuft.

Der Magische Gustav

Den Zauberer sieht man nie ohne seinen alten Zylinder und ohne seinen zahmen Fuchs Kasimir. Es gibt kaum ein Ohr rundum den Wunschelberg, hinter dem der immer fröhliche Magier noch keine Blume hervorgezaubert hat.

Madame Claire

In ihrem weißen Kleid scheint sie stets feengleich zu schweben. Wenn sie einen ansieht, hat man das Gefühl, dass sie einem bis tief in die Seele blickt. Kein Wunder, bei einer echten Wahrsagerin.

Fräulein Erna

Ihre Haut ist knittrig wie altes Schokoladenpapier und man sagt, sie wäre über hundert Jahre alt. Immer herausgeputzt mit Rüschen und Blümchen ist sie die Hüterin des Wunschrondells, eines alten Karussells, das jedem Mitfahrer längst verlorene Erinnerungen zurückschenkt.

Franz im Glück

Der nette Kerl im gelb-braun karierten Anzug betreibt eine einmalige Losbude. Jedem Glücklichen zieht er haargenau den Gewinn hervor, den er sich schon jahrelang gewünscht hat – egal, ob derjenige das wusste oder nicht.

Kasimir

Der zahme Fuchs versteht jedes Wort und ist schlauer als so mancher Mensch. In jeder zwicklichen Lage ist er zur Stelle. Aber man darf ihn auch einfach mal ausgiebig zwischen den Ohren kraulen.

Meister Sinister

Der Hüter des Spiegelkabinetts ist so undurchschaubar wie sein schwarzes Mantel. Mit seinen blitzenden Schlangenaugen scheint er jedem bis tief in die Seele zu blicken. Aber ist er wirklich so kalt, wie er sich gibt?

Der Mittelgroße Konfusio

Der liebenswerte Kindskopf hat ständig tausend verrückte Ideen für noch verrücktere Apparate auf Lager. Egal ob Konfolomat oder Geisterhöhle, er tüftelt stets an einer neuen Attraktion herum. Für Jule, Mo und Emma ist er fast schon wie ein großer Bruder.

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Der Zauber naht auf bunten Schwingen

Konnte man Gerüche träumen?

Eine Prise Lavendel, ein Hauch Vanille und etwas Zimt. Jule setzte sich in ihrem Bett auf und blinzelte ins morgendliche Dämmerlicht, das durch die geschlossenen Jalousien hereinfiel. War da nicht ein Geräusch gewesen? Ein Knarzen? Schritte!? Sie lauschte. Tante Silvies Atem klang regelmäßig zur ihr. Auf einer Matratze am Boden schlummerte ihre Freundin Emma – fast völlig lautlos.

Da! Jetzt wieder!

Leise wisperten die Dielen Jule etwas zu. Ein sanfter Windhauch ließ ihre Haare zittern.

»Ist da wer?«, flüsterte sie.

Ihr Herz raste, dass es fast wehtat.

Aber es war wieder still. Da war nichts und niemand. Nur dieser Geruch: Zimt, Vanille und eine Prise Lavendel. Ein Duft, der seit einer Ewigkeit Vergangenheit war. Jule kuschelte sich in ihre Decke. Mit dem seltsam vertrauten Geruch in der Nase schlief sie nur Sekunden später ein. Tief und fest.

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Langsam kletterte die Sonne zwischen den zwei Spitzen des Wunschelbergs in den blauen Himmel. Die drückende Schwüle der vergangenen Tage war verschwunden und die Luft vom Gewitterregen der Nacht blitzeblank gewaschen. Die bunten Buden, Wohnwagen und Zelte waren geschlossen, alle Wunschelberger schlummerten noch in ihren Kojen. Nur Emma war schon auf. Leise kletterte sie aus Herrn Rosts Bauch. Sie gähnte, streckte sich und atmete tiiiiief ein. Etwas berührte sie am Bein. Etwas Warmes, Flauschiges.

»Kasimir!« Sie ging in die Hocke und der zahme Fuchs mit dem rotlodernden Fell strich ihr wie eine Katze um die Beine. Emma ließ ihren Blick hinauf zu den Felsenohren schweifen. Friedlich ragten die beiden Bergspitzen in den morgenroten Himmel. Kasimir hüpfte Emma auf den Schoß und schnüffelte mit seiner Schnauze vorsichtig an ihrer Nase. Dann hopste der Fuchs wieder auf den Boden und lief mit einem ungeduldigen Brummen hin und her.

»Du hast auch Hunger, oder?« Emma blinzelte ihm zu. »Ich bin schwer dafür, dass die anderen endlich aufstehen und wir frühstücken.«

Kaum hatte sie ausgesprochen, erklang über ihr ein Geräusch. Ein Rauschen, ein Zischen und Flattern: Ein Vogelschwarm zog zwischen den Bergspitzen über ihren Kopf hinweg! Es waren keine Gänse oder Krähen oder sonst irgendwelche heimischen Vögel. Die Tiere hatten kunterbunt leuchtende Federn und lange gebogene Schnäbel. Sie stießen schrille Rufe aus. Wieder und wieder drehten die Vögel Achten rund um die Spitzen des Wunschelberges. Ein schwirrendes, lärmendes Flatterkarussell.

»Hä? Papageien? Die gibt’s hier doch nich’, oder?« Im Zeitlupentempo stieg eine gähnende, zerzauste Gestalt mit einer dickrandigen Brille auf der Nase aus einem der Wagen. Mos raue, schlaftrunkene Stimme war kaum zu hören. Trotz seiner Müdigkeit schaffte er es allerdings, auf seinem Handy herumzudrücken, um Papageien-Recherche zu betreiben.

»Vergessen? Hier gibt’s alles, was es eigentlich nicht gibt«, erwiderte Emma, den Blick noch immer staunend in den Himmel gerichtet, wo die bunten Vögel weiter ihre Kreise zogen.

Auch in die anderen Wohnwagen kam jetzt Leben. Hölzerne Jalousien ratterten nach oben, Türen wurden aufgestoßen, Fensterläden klapperten.

Geweckt von dem Gezwitscher kamen nach und nach die Wunschelberger an die frische Morgenluft. Zuerst trat Madame Claire aus ihrem Zelt – ach was, in ihrem weißen, scheinbar wolkenweichen Kleid schwebte die Wahrsagerin geradezu. Das knittrig-faltige, ururalte, aber doch jung gebliebene Fräulein Erna trippelte aus dem Wohnwagen neben ihrem Wunschrondell. Einladend leuchtete das brombeerrot-grashüpfergrün-seeräuberschatzgoldengestreifte Zeltdach des Karussells im Morgensonnenschein. Silvie und Jule sprangen aus Herrn Rost, ihrem geliebten Bus, mit dem sie jahrelang durch die Lande gezogen waren. Der Magische Gustav stieg mit einem fröhlichen »Was für ein wunschelschöner Morgen das nur wieder ist!« aus seinem Sternen-Wohnwagen, Franz im Glück kletterte aus der Koje hinter seiner Losbude und auch Antonio und Loretta, Mos Eltern, gesellten sich zu der bunten Truppe dazu – noch mit vergessenen Klecksen ihrer Harlekin-Schminke im Gesicht. Als Letztes kam der Mittelgroße Konfusio vom oberen Plateau herunter auf die Zauberwiese.

Und dann, gerade als alle Wunschelberger – alle, bis auf den düsteren Meister Sinister, Hüter des Spiegelkabinetts – ihre müden Knochen aus den Wagen bewegt und ihre verwunderten Blicke zum Himmel gehoben hatten, wurde es still. Genauso plötzlich wie der Vogelschwarm aufgetaucht war, war er wieder am Horizont verschwunden.

Jule sah mit einem Kopfschütteln zu Emma und Mo. »Die haben sich aber ziemlich verflogen!«

»Tausende Kilometer weit«, erklärte Mo mit Blick auf sein Handy. »Papageien gibt’s auf allen Kontinenten – aber nich’ in Europa.«

»Vielleicht hat sich der Wunschelberg für heute einen ganz besonderen Wecker ausgedacht«, überlegte Emma laut.

»Das passt zu dem alten Racker!«, lachte der Magische Gustav und rückte sich seinen zerknautschten Zylinder, den er vermutlich nicht mal im Bett abnahm, zurecht. »Obwohl es mich schon wundert, dass er nach all dem, was in der letzten Woche hier los war, kein bisschen müde ist!«

Da zwitscherte es im Baum neben ihnen. Zwei der bunten Vögel saßen auf einem Ast.

»He! Ksch-ksch! Ihr müsst zu euren Kumpels, schnell!«, rief Jule.

Mit einem Schrei stoben die beiden Winzlinge in die Luft. Höher und höher, bis sie nur noch kleine Punkte waren.

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Jetzt, da alle wach waren, konnte es losgehen: Holztisch an Campingtisch an Wackeltisch wurde eine lange Frühstückstafel auf die Zauberwiese inmitten der Buden aufgestellt. Jeder brachte seinen Lieblingsfrühstückshappen mit und bald musste man sich Sorgen machen, dass die lange Tafel unter dem Gewicht der vielen Leckereien zusammenkrachen würde: Fräulein Ernas berühmte Pflaumen-Nougat-Marmelade, duftende Brötchen, dampfender Kakao, eine badewannengroße Schale Obstsalat und eine Platte voll mit kleinen Törtchen: Jedes in einer anderen Farbe und jedes mit einer ganz besonderen Gewürzprise, die jedem, der einen Bissen nahm, unweigerlich ein Lächeln ins Gesicht zauberte.

Zwischen Tellergeklapper und Gabel-Messer-Löffel-Klirren schwelgten die Wunschelberger in Erinnerungen an die vergangene Woche.

»Tag für Tag wird der Zauber etwas größer!« Der Magische Gustav legte die Handflächen aneinander, schloss die Augen, nickte einmal – und als er die Hände langsam wieder öffnete, krabbelte dort eine regenbogenfarbene Raupe. Er pustete sie sanft an – und als bunt gestreifter Schmetterling erhob sie sich von seiner Hand und flog in den blauen Himmel.

Obwohl die Wunschelberger Gustavs Zaubereien nur zu gut kannten, hatten alle vor Staunen die Luft angehalten. Mit einem leisen Raunen atmeten nun alle gleichzeitig wieder aus.

»Ja, wer hätte das gedacht, dass der alte Wunschelberg noch einmal so jung wird!«, grinste Franz im Glück.

»Wer hätte gedacht, dass wir mit all unseren Runzeln die jungen Leute noch so begeistern!«, fügte Fräulein Erna hinzu und zupfte schmunzelnd an ihrem gerüschten Blümchenkleid.

»Die Leute sind dermaßen begeistert. Als hätten sie all die Jahre darauf gewartet, dass wir mit unserem Rummel weitermachen«, sagte Antonio.

»Und es spricht sich überall herum und jeden Tag kommen ein paar mehr!«, ergänzte Loretta mit einem glücklichen Funkeln in den Augen.

»Auweia.« Mo grinste. »Nicht dass der Berg bei dem Ansturm ins Wackeln gerät!«

Jule kicherte, dann seufzte sie leise. »Wenn Mama und Papa doch auch dabei sein könnten.«

»Deine Eltern leben hier bei uns weiter«, wandte sich Madame Claire an Jule und hielt ihre Hand fest an ihr Herz gedrückt. »Mit tausend bunten Geschichten von damals!«

Jule lächelte ihr zu. »Danke«, flüsterte sie.

Antonio rutschte ein Stück zu seinem Sohn und legte einen Arm um Mos Schultern. »Genau, ab jetzt ist alles kunterbunt! Noch viel mehr, als es früher je gewesen ist.«

Loretta nickte und schmatzte Mo von der anderen Seite einen Kuss auf die Stirn.

»Muss’n das sein?«, stieß der übertrieben genervt hervor. Doch eigentlich war er ohne Ende darüber froh, wie sich seine Eltern hier oben auf dem Wunschelberg verändert hatten. Seit ihrer Rückkehr an diesen besonderen Ort waren sie viel offener und herzlicher geworden.

Da bemerkte Mo, dass Jule ihn ansah. »Is’ was, Jule?«

Sie machte den Mund auf – aber dann winkte sie schnell ab.

»Wo steckt denn Sinister?«, fragte Emma und blickte in Richtung des Spiegelkabinetts. »Ich dachte, nachdem er Konfusio vor dem Blitz gerettet hat, ist er … nun, nicht mehr so komisch

»Er ist so undurchschaubar wie ein schwarzes Tuch«, erwiderte Madame Claire.

»Und deswegen ist er besonders gruselig«, überlegte Emma. »Bei ihm, weiß man nie, was er vorhat. Wen er mag, wen er hasst. Ob er einem hilft – oder ganz im Gegenteil.«

Weiter kam Emma mit ihren Grübeleien nicht. Denn in dem Moment begann das Geschirr auf dem Tisch leise zu klirren. Der Kakao in Emmas Tasse schwappte über. Mo rutschte der feinsäuberlich gestapelte Schokokeks-Marmeladen-Turm vom Brot. »He! Was’n das?«, rief er.

Die Wiese vibrierte unter ihren Füßen, sodass sämtliche Gänseblümchen verwundert mit den Köpfen wackelten.

»Hört ihr das?«, fragte Silvie. Alle lauschten.

Jule hob den Kopf zum Himmel. »Klingt wie ein riesiges Flugzeug – aber ich seh keins!«

»Das ist nicht da oben, das ist unter uns. Das ist der Berg!«, stieß Emma hervor.

Doch bevor sie der Sache näher auf den Grund gehen konnten, war es wieder still.

Kein Klirren, kein Beben, kein Grollen.

»Vielleicht hat der Berg was vom Gewitter heute Nacht aufgehoben – und jetzt ausgespuckt?«, überlegte Mo.

»Oder unser Wunschelberg hat eine Erkältung – zu viel Aufregung in den letzten Tagen!«, schlug der Magische Gustav vor.

»Kein Grund zur Sorge. Auf dem Wunschelberg ist es so sicher wie …« Franz im Glück bückte sich und hob etwas von Boden auf. »… in einem Schneckenhaus!«

Da legte Fräulein Erna eine Hand wie einen Schirm vor die Stirn, blickte Richtung Bergkuppe und klatschte in die Hände. »Ha! Da kommt schon der erste Besuch – und das um diese Uhrzeit! Die Leute im Tal können vom Wunschelberg wahrhaftig nicht genug bekommen!«

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Ein Lächeln für den hohen Gast

»Das ist doch …« Antonio sprang auf, zupfte sich die Serviette aus dem Hemdkragen und wischte sich damit einen Marmeladenklecks aus dem Mundwinkel. Mit ausgestreckter Hand eilte er auf den nicht ganz schlanken Herrn im perfekt sitzenden Anzug mit dem schütteren grauen Haar zu. Zu der schicken Aufmachung trug der Besucher eine bunt gestreifte Krawatte.

»Herr Bürgermeister! Was für eine Ehre! Herzlich willkommen auf dem Wunschelberg!«

Der Mann erwiderte Antonios Händedruck und schob seine ziemlich teuer aussehende Brille ein Stück die Nase hoch. »Die Freude ist ganz meinerseits! Glückwunsch zur großen Wiedereröffnung. Die Leute im Ort sind begeistert von Ihrer Vorstellung. Das hier …« Er deutete auf die Dame an seiner Seite, »ist Frau Zausel vom Stadtanzeiger. Wir dachten, wir nutzen die Gunst der Stunde für ein paar Fragen und einen Schnappschuss. Für einen netten Artikel in der Zeitung! Alles Werbung, wissen Sie?«

»Foto?! Ich bin doch noch gar nicht richtig angekleidet!« Fräulein Erna zupfte an ihrem gerüschten Morgenrock. So schnell, wie man es einer Über-neunzig-wenn nicht-sogar-Hundertjährigen nicht zugetraut hätte, verschwand sie in ihrer Bude, um sich ein schickeres Kleid anzuziehen und das Näschen zu pudern. Auch die anderen strichen sich ihre Kleidung zurecht und übten schon mal das passende Lächeln für das Pressefoto.

»Ich gehör gar nicht mit aufs Bild«, meinte Emma, während sich alle in Position stellten, und wollte weghuschen. »Ich bin doch gar keine Wunschelbergerin!« Emma lebte eigentlich mit ihren Eltern unten in der Stadt. In einem weiß gestrichenen Reihenhaus in einer grauen, schnurgeraden Straße. Seit die kunterbunten Wagen auf den Wunschelberg gekommen waren, hatte sie aber jede freie Minute hier verbracht. Und weil Ferien waren, erlaubten ihre Eltern sogar ab und zu, dass sie bei Jule im Wohnwagen übernachtete.

»Pfff, natürlich gehörst du zu uns!« Mo erwischte sie am Ärmel und zog sie zurück an seine Seite.

»Also ich frag mich ja schon die ganze Zeit, warum du hier ständig herumhängst!«, neckte Jule. Aber Emma sah sofort, dass sie grinste. »Quatsch, du bist doch Familie!«, fügte sie lachend hinzu.

Emma strahlte von einem Ohrläppchen zum anderen.

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