SPÄTHERBST-ABEND.

Inhaltsverzeichnis

»Herr Direktor – – – « sagte der Wächter des »Thiergarten«, »heute Abend war ein Herr da, welcher sich nach Ihnen erkundigte. Dann ist er in eine der Hütten im oberen Dorfe getreten. Nach einer Viertelstunde ist er herausgekommen und ist langsam weggegangen aus dem Garten.« »Schon gut, Joseph. Übrigens, die Hütten werden morgen abgebrochen – –.

Wir brauchen Platz für die Seiltänzergesellschaft und den Ballon captif.«


      »Nicht Dir und Einem gib das Gute,
welches Du gefunden auf deinen
schweren Wegen – – – gib es Allen!
      Gib auf die feige Vorsicht, gleichgesinnten
Herzen Dich zu eröffnen!
      Sei stark! Wirf’s in die Welt!
Und lass Dich kreuzigen!!«

Peter Altenberg.


Meinen schwarzen Freundinnen,
den unvergesslichen »Paradieses-Menschen«
Akolé, Akóshia, Tíoko, Djôjô, Nāh-Badûh
gewidmet.

MEYER, CONVERSATIONS-LEXIKON.
Band I., Seite 900, Ashantee:

»Negerreich in Guinea, Westküste, Goldküste. Wurde von den Engländern 130 Kilometer von der Küste zurückge-drängt. Hauptsitz der englischen Colonie an der Küste: Accra.

Der Boden des Landes ist meist leichter Lehm. Das Klima gemässigt. Zweimal im Jahre, Ende Mai, Ende Oktober, Regenzeit. Die nutzbarsten Bäume der Wälder: Palmen, Gummibäume. Hauptnahrung: Yams-Wurzel (eine unserer Kartoffel ähnliche Pflanze). Die Aschanti sind echte, kraushaarige Neger, welche das Odschi sprechen; sie sind namentlich im Teppichweben und in Goldarbeiten sehr geschickt. Es herrscht Vielweiberei. Die Religion ist Fetischismus. Die mysteriöse Aufgabe der Priester besteht hauptsächlich darin, die bösen Genien durch geheimnisvolle Ceremonien und hysterische Tänze zu beschwichtigen. Hauptstadt von Ashantee: Coomaasie. General Wolaeley rückt 4. Februar 1874 in Coomassie ein; der König räumte alle Küstenpunkte und gelobte Abschaffung der Menschenopfer, Vergleiche: Brackenbury, the Ashantee war. Stanly, Coomassie and Magdala.«

DER HOFMEISTER.

Inhaltsverzeichnis

Beim Eingange in den »Thiergarten« mit dem schwarzen Netz-Gitter und den staubigen Syringen war ein hellbraunes, von Firniss glänzendes und in der Nachmittag-Sonne bratendes Schweizerhäuschen, in welchem der Clark sass und eine Birne speiste. Er verkaufte citronengelbe Entréekarten und dunkelgrüne ermässigte für Vereine, Militärs, Habitüé’s. »Les enfans ne comptent pas« sagte er, wie wenn man sagt: »Marsch, verschwindet, Ihr habt wenig Bedeutung – – –.« In einem kleinen Käfige bei dem schwitzenden Schweizerhäuschen sassen zwei Aguti, Dasyprocta Aguti. Der Käfig-Boden war bedeckt mit Semmelstücken und Zuckerstücken.

Ein junger Hofmeister, mit einem Knaben und einem Mädchen, sagte: »Bornirte Menschen. Obst fressen sie nur! Du wirst gleich sehen.« Er gab ihnen eine kleine Pfirsich.

Die Aguti setzten sich auf die Hinterbeine und assen wie Eichkätzchen. Das junge Mädchen war ganz warm vor Verehrung und spürte es, wie alle Umstehenden den Hofmeister ebenso verehrten oder ähnlich.

»Erinnere mich, Fortunatina, morgen werde ich dir ›Brehm‹ vorlesen über diese lebendige Lieblingsspeise der Onza, Jaguare, Brasilien. Diese Zwei befinden sich im Hafen des Lebens. Aber Brod und Zucker?! Affen sind es doch nicht, par exemple.«

Dann kam man zu den Bären, welche stereotype Bewegungen ausführten und elend rochen und welche das Publikum ununterbrochen aufforderte, doch in das Bassin sich zu begeben.

»Wartet – – – « sagte der Hofmeister und warf eine ganze Semmel in das Bassin. Da musste der Bär hinein, wenn auch nur mit dem Vorderleibe.

Bei der Löwin stützte Fortunatina ihre Ellbogen auf die Holz-Barrière und blickte sie lange an. Die Löwin schlich hin und her, wie rutschend auf dem feuchten Steinboden, wie sich anschleichend, hélas, an was heran?!

Der Hofmeister stand mit dem Knaben rückwärts, welcher zum Weitergehen drängte: »Eine Löwin, was sieht man?! Eingesperrt ist sie – – –.«

Der Hofmeister blieb ruhig auf seinem Platze.

»Fortunatina und die Löwin – – – « dachte er. Er wusste gar nicht, was es bedeutete, welchen Inhalt es habe. Wie eine Ballade fühlte er es, welche noch Niemand gedichtet hat. Die Ballade ist da, will geboren werden von einem Dichter, ganz in das Leben hinaus gestellt sein. Im Kopfe eines Menschen befindet sie sich bereits, drängt zum Tageslichte, will Gesang werden – – – Fortunatina und die Löwin! Der Hofmeister stand ruhig da. Das kleine Mädchen wandte sich um, erröthete, lächelte verlegen, machte sich bereit zu gehen.

»Es ist keine Schande, in Thiere sich hineinzuträumen« dachte der Hofmeister. Er legte lächelnd seine wundervollen väterlichen Hände auf die Schultern des Kindes.

Fortunatina träumte: » – – – plötzlich, mitten in der Nacht, ertönt ein Gebrüll, welches gleichsam die ganze Natur erbeben macht – – –. Ein Schlag mit der Tatze ist im Stande, ein Rind zu fällen – – –. Man hat Beispiele, dass – – –. Afrika. Afrika. Kaltblütigkeit, Entschlossenheit haben oft im letzten Momente den kühnen Jäger – – –.«

Sie blickte auf den Hofmeister. Dieser aber trug eine breite Pepitahose, ein dunkles Saccó und einen kleinen braunen Filzhut. Ferner einen Stock rnit einem Hirschgeweihgriffe und einen Zwicker mit Goldeinfassung. Ganz in gelbem Leder sollte er dastehen! Jedesfalls in Gamaschen.

Sie gingen weiter.

Man hörte das Geräusch von eisernen Castagnetten, dumpfen Holztrommeln, Messingringen.

Sie kamen zu dem Tanzplatze der Aschanti.