Die Heilkräfte von Apfel, Traube und Kastanie sind beeindruckend. Ob bei Darmerkrankungen, Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Kreislaufbeschwerden, Grippe oder Hautproblemen – die kostbaren Inhaltsstoffe dieser Früchte helfen. Auch bei Kosmetika und Badezusätzen entfalten sie ihre Wirkung.
Christina Niederkofler hat die Hausmittel vieler Volksheiler gesammelt, kommentiert und übersichtlich zusammengefasst.
Mit Rezepten und Tipps für Hausapotheke und Küche von:
• Hildegard von Bingen
• Maurice Mességué
• Kräuterpfarrer Weidinger und vielen mehr
Abkürzungen:
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Edition Raetia, Bozen 2017
1. Auflage
ISBN 978-88-7283-608-8
E-Book ISBN 978-88-7283-623-1
Cover: Dall’O & Freunde
Druckvorstufe: Typoplus, Frangart
Lektorat: Ex Libris Genossenschaft, Bozen
Coverfoto: Anna Huber
Anregungen an info@raetia.com
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Die Angaben und Anwendungen in diesem Buch wurden sorgfältig geprüft. Autorin und Verlag lehnen jedoch jegliche Haftung für allfällige Schäden, die sich aus dem Gebrauch oder Missbrauch der hier vorgestellten Informationen ergeben, ab. Die in diesem Buch enthaltenen Ratschläge ersetzen nicht eine ärztliche Therapie.
Vorwort
Einleitung
Der Apfelbaum in der Volksmedizin
Blütenknospe
Blüte
Blatt
Frucht/der Apfel
Schale
Kerne
Dreckapotheke Apfel
Dörrapfel
Baumrinde
Apfelsaft
Apfelwein
Wein und Apfel
Apfelpektin
Apfelmolke
Apfelessig
Der Apfel als Schönheitsmittel
Apfelbaumholz
Der Apfelbaum, ein Ort zum Kräfteschöpfen
Die Rebe in der Volksmedizin
Die Signatur der Rebe
Rebtropfen
Weinrebenblüte
Laub und Ranken
Frucht/die Traube
Traubensaft
Gedörrte Weintrauben
Kerne: klein, aber oho
Der Wein als Heilmittel
Mulsum
Rotwein und Weißwein als Pharmakon
Medizinalweine – Wein als Medizinpferd
Der „Nuie“ – der neue Wein
Weinessig
Schnaps als Heilmittel
Weingeist
Weinbrand
Weinstein
Rebholz
Weinfeste in Südtirol – Volksmedizin der etwas anderen Art
Gedanken zu Wein und Gesundheit
Die Edelkastanie in der Volksmedizin
Knospe/Gemme
Blüte
Blatt
Homöopathie: Castanea sativa
Kastanienkätzchen
Frucht/die Kastanie
Kastanienflocken
Getrocknete Kastanien/Kastanienmehl
Gebratene Kastanien
Gekochte Kastanien
Kastanienöl
Kastaniensalz
Heliopathie
Maroni-Sauna
Maroni-Saunaaufguss
Kastanien für die Schönheit
Rinde und Holz
Kastanie als Aphrodisiakum
Baumheilkunde: der Baum als Vermittler
Licht und Farbe
Kunst und Kastanie
Der Eisacktaler Keschtnweg: Wandern für die Gesundheit
Anwendungen und Anleitungen
Kochrezepte
Quellen
Bildnachweis
„Einem jeglichen lant wechst sein krankheit selbs/sein arznei selbs/sein arzt selbs …“
Theophrastus von Hohenheim, genannt Paracelsus (1493–1541)
Die Apfelanlagen, Weinberge und Kastanienselven prägen nicht nur Südtirols Landschaftsbild, sondern auch das Bruttosozialprodukt. Der Bioanbau von Apfel, Traube und Kastanie nimmt stetig und rasch zu und somit können die Früchte nicht nur als Genussmittel, sondern – wieder – als Heilmittel in Betracht gezogen werden.
Südtirol ist insgesamt ein Heilmittel. Seine vielfältige Landschaft mit den unterschiedlichen Klimazonen und der entsprechenden Fauna und Flora sorgen dafür, dass der Mensch sich erholen, regenerieren und zur Besinnung kommen kann. Südtirol stillt die Sehnsucht nach dem Heil-Sein, nach dem Nach-Hause-Kommen. Es ist reich an Orten, an denen Aufgewühltes sich besänftigen kann, wo Seele und Gemüt zur Ruhe kommen, wo das Herz weit wird und der Kopf abkühlt, wo sich Räume öffnen für klärende Einsichten und wo das Auge sich sattsehen kann an heilsamer Schönheit. Südtirol bietet eine aufregende Vielfalt an Majestätischem und Erhabenem, an beglückender Ursprünglichkeit und freundlicher Beschaulichkeit. Hier ist es möglich, dem Göttlichen zu begegnen und an die eigene Gotteskindschaft als Geburtsrecht erinnert zu werden und zu glauben. In Südtirol geboren zu sein, ist ein verpflichtendes Vorrecht, und hier Gast sein zu dürfen, ebenso.
Gewachsenes und Produziertes, das unter solchen Voraussetzungen entsteht, lagert Wirk- und Heilkräfte in besonderer Intensität ein.
Zu allen Zeiten haben Menschen all das als Heilmittel genutzt, was ihnen als Nahrungsmittel in ihrem unmittelbaren Lebensraum zur Verfügung stand. Getreide, Milchprodukte, Honig, Garten-, Feld-, Wald- und Wildfrüchte und eben auch Obst und Nussfrüchte wurden zu Heilzwecken verwendet, getreu der Empfehlung des großen und genialen Arztes und Heilers Theophrastus von Hohenheim, genannt Paracelsus (1493–1541): „Eure Nahrungsmittel seien eure Heilmittel und eure Heilmittel seien eure Nahrungsmittel.“
Das vorliegende Buch beschäftigt sich vorrangig mit der Heilkraft von Apfel, Traube und Esskastanie, den edelsten Gaben der Natur in Südtirol. Das Buch beschreibt deren heilsame Anwendungsformen in der Volksmedizin.
Unter „Volksmedizin“ sind all jene Mittel und Maßnahmen zu verstehen, die vom sogenannten Volk zur Heilung von kleineren und größeren Beschwerden bei Mensch und Tier angewendet wurden und werden; ihren Ursprung hat die Volksmedizin in altem, meist mündlich überliefertem Wissen. Ich berufe mich auch auf Ärzte und Heilkundige, deren Erkenntnisse und Verordnungen mir aus alten Texten zugänglich waren oder von denen ich über die Studien anderer Texte Kenntnis bekommen habe.
Es erscheint mir an dieser Stelle wichtig darauf hinzuweisen, dass ich mich nicht als Garantin für Heilerfolge betrachte. Ich bin weder für Erfolg noch für Misserfolg bei der Anwendung der vorgestellten Rezepturen verantwortlich.
Ich verstehe mich als Mittlerin zwischen den Zeiten, die Einblick gewährt in ihre Sammlung.
Die Angaben zu Mengen, Koch- oder Backdauer, Temperatur und Einnahme überlieferter Rezepte sind aus heutiger Sicht häufig ungenau und sind von mir so übernommen worden. Es liegt also im Ermessen des Anwenders, die Rezepte sinnvoll zu nutzen. In den volksmedizinischen Rezepturen für Kräuteranwendungen finden sich Maßangaben wie „eine Handvoll“ oder „ein Griff“. Ein Griff ist die Menge an Heilkräutern, die mit Daumen, Zeige- und Mittelfinger gefasst werden kann. Der Mensch war – und darf es heute noch sein – das Maß aller Dinge, auch bei der Verwendung der Arzneimittel.
Christina Niederkofler
Große Heiler und Volksmediziner aus allen Jahrhunderten, wie Hildegard von Bingen, Paracelsus, Pfarrer Künzle, Pfarrer Kneipp, Pfarrer Weidinger, Maurice Mességué und Susanne Fischer-Rizzi haben den Apfel als gutes Diät- und Heilmittel in ihren Rezeptsammlungen aufgenommen. Regelmäßiger Apfelgenuss hat einen tief greifenden Einfluss auf alle Organe und auf den Stoffwechsel.
Bei Maurice Mességué, dem berühmten französischen Arzt und Pflanzenheilkundler, fand ich folgende Empfehlung: „Sollten Sie nur einen Baum pflanzen können, dann muss es unbedingt ein Apfelbaum sein.“ Und er fügt als Begründung das alte Sprichwort an: „Iss einen Apfel am Tag und du hast dir den Doktor gespart.“
Ein mir unbekannter Gedichteschreiber hat entsprechend und ganz im volksmedizinischen Geist ein „Lob dem Apfel“ angestimmt.
„Eines solltest du dir merken:
Wenn du schwach bist, Äpfel stärken!
Äpfel sind die beste Speise,
für zu Hause, für die Reise,
für die Alten, für die Kinder,
für den Sommer, für den Winter.“
Die große Heilkundige und christliche Mystikerin des Hochmittelalters Hildegard von Bingen (1098–1179), die dem Apfel als Heilmittel allergrößte Beachtung beimisst, empfiehlt ihn bei Migräne, diesen heftigen Attacken von meist einseitigem Kopfschmerz mit Übelkeit. Sie schlägt hierfür einen Ölauszug aus Apfelblütenknospen vor.
20 g frische Apfelblütenknospen in 100 ml Olivenöl ansetzen und eine Woche lang auf die sonnige Fensterbank stellen. Dann abfiltern und vor dem Schlafengehen die Schläfen damit sanft massieren.
Einen schönen, beruhigenden Tee, der sich auch als Einschlafhilfe eignet, ergibt die Apfelblüte.
Getrocknete Apfelblüten und etwas Apfelschale zu einem Blütenabsud kochen, mit Bienenhonig und 10 Tropfen Baldrianwurzeltinktur anreichern und vor dem Zubettgehen trinken.
Aus der wunderbar reinen und klaren Blüte des Holzapfels (malus sylvestris) wird eine potente Bachblütentinktur hergestellt. Crab apple aktiviert ganz allgemein Reinigungsund Entgiftungsprozesse. Es unterstützt die Lust, nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich „alte Kleider“ abzulegen, eingefahrene Verhaltensweisen zu ändern und das eigene Lebensprogramm zu überdenken, aufzufrischen oder zu erneuern. Crab apple ist auch nützlich, eine Umstimmung im Körper zu erwirken, etwa bei immer wiederkehrenden Infekten.
Einnahmeempfehlung: Wenn es schnell gehen soll, träufelt man vier Tropfen direkt aus dem Originalfläschchen auf die Zunge und lässt sie dort zerlaufen.
Standardmäßig greift man besser zum Wasserglas: Zwei Tropfen der Essenz in ein Glas Wasser ohne Kohlensäure geben und verrühren. Davon trinkt man schluckweise über den Tag verteilt.
Junge, eben ausgetriebene und ungespritzte Blättchen kann man zu Salaten oder zu Gemüse verarbeiten. Sie lassen sich in der Küche integrieren, sind sozusagen eine Apotheke am Teller. Die Blätter enthalten wertvolle Bitterstoffe für die Aktivierung und Regulierung der Lebertätigkeit.
Bei Hildegard von Bingen finden sich frische Apfelbaumblätter als Universalheilmittel für die Augen.
Dieses Rezept aus Apfelblättern und -blütenknospen zusammen mit Rebtropfen findet sich auf Seite 50.
Als großer Befürworter des Obstverzehrs im Allgemeinen und des Apfelgenusses im Besonderen ist mir der bayrische Pfarrer Sebastian Kneipp (1821–1897) begegnet, der als Naturheilkundiger das Zusammenspiel von Ernährung und Bewegung beim Menschen sowie die Wirkung von Pflanzen erforschte. Vor allem verfocht Kneipp die Heilkraft von Wasser.
Seinem Grundlagenwerk „So sollt ihr leben“ aus dem Jahr 1889 entnehmen wir Folgendes: „Eine vielfach bestätigte Thatsache ist es, dass neben der Wasserkur eine kleine Apfelkur, wie man sie früher getrieben, von außerordentlich großer Wirkung ist, indem eine solche Kur ungemein auf Ableitung der schlechten Stoffe wirkt.“
Übrigens: Kneipp findet den Apfel „am zuträglichsten und besten im ungekochten Zustande“.
Am häufigsten wird der Apfel als das Herz stärkend, einem Herzinfarkt vorbeugend und die Verdauung auf vielfältige Weise anregend benannt. Dabei beeinflusst er gleichermaßen wirksam so gegensätzliche Beschwerden wie Durchfall und Verstopfung, je nachdem, in welcher Darreichungsform er zubereitet wird.
Der Kräuterpfarrer und legendäre Volksmediziner Hermann-Josef Weidinger (1918–2004) beschreibt den Apfel als bestes Mittel gegen den Herzinfarkt. Es sei nie zu spät, aber auch nie zu früh, etwas dagegen zu unternehmen und also täglich mindestens einen Apfel zu essen. Er empfiehlt hierzu pektin reiche Sorten wie Lederrenette, Ontario, Schöner aus Boskoop, Roter Boskoop und den Berner Rosenapfel. Wohl dem, der solche Sorten noch im Anger stehen hat!
An anderer Stelle rät Weidinger, zur Vorbeugung der Arteriosklerose täglich ab dem „Wintersterben“, also mit Winterbeginn, zwei Äpfel zu essen und dies fortzusetzen bis Ende März.
Hierher gehört auch der Vorschlag, mit Äpfeln den zu hohen Cholesterinspiegel zu senken.
Dazu mischt man einen Esslöffel Weizenkleie mit einem zu Mus geriebenen Apfel und isst diesen Brei abends vor dem Schlafengehen.
In allen mir zur Verfügung stehenden Quellen begegnete mir der Ratschlag, den Apfel am Abend zu verzehren, er gilt gar als Einschlafhilfe wegen seiner beruhigenden Wirkung. Der französische Kräuterpapst und berühmte Naturarzt Maurice Mességué verspricht nach dem Verzehr einen besonders guten Schlaf und weist darüber hinaus auf die desinfizierende Wirkung des Apfels hin, der für weiße, gesunde und kariesfreie Zähne sorge.
Es ist bekannt als vorzügliches, wohlmundendes und nahrhaftes Babyfutter. Besonders bei Durchfallerkrankungen hat sich Apfelmus bewährt – allerdings roh und ohne Zuckerzugabe.
In hohen Tönen lobt Pfarrer Weidinger das Apfelmus als zuverlässiges Hausmittel. Er empfiehlt, dreimal am Tag einen Apfel mit Schale zu reiben und diese „schwammige Füllmasse“ dem Magen zuzuführen, sodass schädliche Darmrückstände und Gase aufgesaugt werden und rasch den Darmausgang finden. Er benennt sogar zwei bestimmte Apfelsorten, die sich dafür hervorragend eignen: die Lederrenette und der Schöne aus Boskoop.
Übrigens: Apfelmus für Kinder braucht nicht den Umweg über die Apotheke oder den Supermarkt zu machen – der Weg vom Baum zum Menschen ist nicht nur der kürzeste, sondern auch der gesündeste.