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BLITZ-Vorschau:


Die Spur des Drachen


von G. W. Jones


Deutsche Erstveröffentlichung | Band 12


DIE SCHWARZE FLEDERMAUS
Band 11



In dieser Reihe bisher erschienen:

6001 – Der Anschlag von G. W. Jones

6002 – Der Sarg von G. W. Jones

6003 – Angriff der Schwarzen Fledermaus von G. W. Jones

6004 – Ein harmloser Fall von Angelika Schröder

6005 – Tote schweigen nicht von Margret Schwekendiek

6006 – Liga der Verdammten von G. W. Jones

6007 – Die Spione von G. W. Jones

6008 – Der Kreuzzug von G. W. Jones

6009 – Der Flammenpfad von G. W. Jones

6010 – Der Sieg der Schwarzen Fledermaus von G. W. Jones

6011 – Das Trojanische Pferd von G. W. Jones

6012 – Die Spur des Drachen von G. W. Jones




Die Hauptfiguren des Romans:

Die Schwarze
Fledermaus


Carol Baldwin


Silk Kirby

Butch O'Leary


Inspector McGrath


G. W. Jones


Das Trojanische Pferd


Aus dem Amerikanischen
von Swantje Baumgart





Diese Reihe erscheint in der gedruckten Variante als limitierte und exklusive Sammler-Edition!
Erhältlich nur beim BLITZ-Verlag, www.blitz-verlag.de, in einer automatischen Belieferung ohne ­Versandkosten und einem Serien-Subskriptionsrabatt bis zu einer Höhe von 23 %.

© 2017 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 Windeck
Redaktion: Jörg Kaegelmann
Fachberatung: Dr. Nicolaus Mathies
Illustrationen: Dorothea Mathies
Titelbild: Rudolf Sieber-Lonati
Umschlaggestaltung: Mark Freier
Satz: Harald Gehlen
Alle Rechte vorbehalten
www.BLITZ-Verlag.de
ISBN 978-3-95719-011-6

G. Wayman Jones – hinter diesem Pseudonym verbirgt sich meistens der amerikanische Autor Norman A. Daniels, so auch beim vorliegenden Roman.

Daniels wurde am 3. Juni 1905 in Connecticut geboren, brach sein Studium aus finanziellen Gründen ab und begann 1931 eine beispiellos produktive Karriere als Autor. Allein in den folgenden drei Jahrzehnten veröffentlichte er über 2.000 Geschichten: Comics, Bücher, Radio­hörspiele, aber vor allen Kriminal- und Superheldenromane. Für den Chicagoer Verlag Thrilling Publications erschuf er die Figur der Schwarzen Fledermaus und verfasste einen Großteil ihrer 62 Abenteuer, die zwischen 1939 und 1952 in den USA erschienen. Daniels starb am 19. Juli 1995 im Alter von 90 Jahren in Kalifornien.

Das Abenteuer Das trojanische Pferd erschien im November 1940 unter dem Titel The Black Bat and the Trojan Horse in dem amerikanischen Magazin Black Book Detective.



Kapitel 21 - Das Ende eines Spions


Eilige betraten weitere Personen die Bühne: ­Commissioner Warner, der Chief Inspector der Polizei sowie Männer des Federal Bureau of Investigation. Trent starrte sie mit hass­erfüllten Augen an.

„Ich wurde also getäuscht! Irgendwie haben Sie diesen Ort gefunden, aber Sie kommen zu spät. Ohne Gerichtsverhandlung kann ich nicht hingerichtet werden. Bevor Sie mich auch nur ins Gefängnis bringen können, werden meine Männer hier sein. Sie haben die wichtigsten Bereiche des Landes übernommen. Ich werde den Befehl erteilen, dass eintausend Zivilisten erschossen werden, sollte ich nicht freigelassen werden. Nein, fünftausend, denn so viel bin ich von eurer dummen Gattung wert. Wie bei allem anderen auch hat eine Demokratie zu spät gehandelt.“

„Schalten Sie das Radio ein“, befahl die Schwarze Fledermaus knapp. Als einer der FBI-Männer gehorchte, begann das Radio Tanzmusik zu spielen. Am Ende des Liedes sagte ein Rundfunksprecher lediglich das ­nächste Lied im Programm an. In seiner Stimme lag definitiv keine Hysterie. Dann wurde die Musik erneut unter­brochen, so wie es zuvor geschehen war. Derselbe ­aufgeregte ­Rundfunksprecher bellte weitere Bekanntmachungen ­heraus.

„Das ganze Land befindet sich in den Händen des Feindes. Unsere Armee wurde zerschlagen. Die Navy ist Tausende Meilen weit weg, auf gefälschte Befehle hin. In diesem Augenblick verhandeln Offizielle Bedingungen für den Frieden ...“

„Sehen Sie?“, höhnte Trent. „Komme ich jetzt frei, oder ist es Ihr Wunsch, Selbstmord zu begehen? Die erste Bedingung für den Frieden wird euer Tod sein, wenn ich nicht freigelassen werde.“

„Hören Sie nur weiter zu“, erwiderte die Schwarze ­Fledermaus.

„Wir sind geschlagen!“, fuhr die Radiostimme fort. „Das Weiße Haus wurde gerade zerstört.“ Dann veränderte sich die Stimme plötzlich, begleitet von Gelächter. „Wie mache ich mich, Jungs? War das realistisch oder nicht?“

Trents Grinsen wandelte sich zu einem angstvollen Blick. Seine Männer zuckten regelrecht zusammen.

„Die Übertragung war gefälscht“, erklärte die ­Schwarze Fledermaus. „Wir haben ihre Kabel schon vor Stunden angezapft und mit einem Mikrofon verbunden. Ein ausgebildeter Radiosprecher brachte Ihnen die Nachrichten, die Sie hören wollten, aber ihr ganzes Komplott ist zusammengebrochen, Trent. Diese kleinen perforierten Karten, die Sie Ihren Helfern geschickt haben, die haben uns sehr geholfen. Sie waren sich Ihrer selbst viel zu sicher. Die Art, wie Sie um Spenden gebeten haben, um sie zur Ergreifung von Spionen zu verwenden, war ein Meisterwerk an Arroganz, denn Sie hatten vor, dieses Geld für die Finanzierung des Spionagerings zu verwenden.

Sie haben sogar Werbeplakate im ganzen Land aufgestellt, doch die dienten einem wichtigeren Zweck. Auf den Rückseiten einiger Plakate waren in bestimmten Bereichen Straßenkarten und vollständige Anweisungen für Ihre Männer aufgedruckt. Mit deren Hilfe konnten sie Waffen, Unterschlupf und Sympathisanten finden, die sie unterstützten. Die perforierten Karten wurden einfach nur auf richtige Straßenkarten gelegt, und dann zeigte jede Perforation den Standort einer Tafel, auf der diese Anzeige stand. Ihre Männer mussten nur noch die Werbeplakate aufsuchen. Doch als sie das taten, liefen sie Polizei und FBI-Leuten in die Arme, die dort aufgestellt waren!

Ihre jahrelangen Intrigen waren sinnlos, Trent. Jede Person, die sie in dieses Komplott hineingezogen haben, wurde entlarvt und verhaftet. Es war clever, das geben wir alle zu. Ihre Männer wussten nichts. Wenn sie aufgegriffen wurden, konnten sie nichts sagen. Bis zu dem Tag und der Stunde, die Sie festgelegt haben, würden sie ahnungslos bleiben.“

Plötzlich sprang Trent auf. „Nun gut, meine Herren“, erwiderte er höflich. „Ich habe diese Rolle nur gespielt, um zu sehen, wie gut ich bin. Ja, ich habe diese Bande von Spionen angeführt, doch nur, um sie alle zu entlarven. Ich hatte geplant, die gesamte Gruppe den Behörden zu übergeben. Allerdings standen einige mysteriöse Personen dahinter, und die Dinge liefen aus dem Ruder. Zumindest dachte ich das. Diese Sendung hat mich so erschreckt, dass es mich beinahe zwanzig Jahre meines Lebens gekostet hätte.“

„Eine gute Geschichte“, lobte die Schwarze ­Fledermaus. „Aber wie erklären Sie die Tatsache, dass vier pensionierte Militäroffiziere Ihnen, und nur Ihnen, gewisse Militärgeheimnisse anvertrauten, die bald ­darauf in die Hände der Mächte gelangten, die Sie repräsentieren? Sie wussten, dass den Offizieren klar werden würde, dass niemand außer Ihnen diese Informationen hätte weiterleiten können, und daher haben Sie sie vernichtet. Anfangs glaubte ich, dass Sie darauf aus waren, alle fähigen Offiziere umzubringen, um die Verteidigung dieses Landes auszubremsen. Ich denke, Ihre eigenen Männer dachten das ebenfalls. Doch es gelang Ihnen nicht, ­Colonel Catlin zu töten, nachdem er sie darüber informiert hatte, dass die Behörden beabsichtigten, einige Nester von Spionen zu durchsuchen. Sie benachrichtigten diese Spione, und daraufhin blieben die Durch­suchungen ergebnislos.

Aber Sie wussten nicht, dass Colonel Catlin zurück­gerufen worden und ein aktives Mitglied des militärischen Geheimdienstes war. Er erhielt ein Telegramm, welches ihn darüber informierte, dass die Spione gewarnt worden waren. Er hatte Sie im Verdacht und plante, Sie vor der Versammlung bloßzustellen, die Sie einberufen hatten. Sie sind ihm zuvorgekommen, doch glücklicherweise habe ich genug von dem Telegramm gefunden, um eine Kopie davon zu bekommen.“

Trent breitete seine Hände in einem wilden Appell aus.

„Haben Sie vergessen, dass ich in der A.E.F. gedient habe, dass ich schwer verwundet wurde? Sehen Sie sich mein Gesicht an, meine Haare! Glauben Sie, ich wende mich den Leuten zu, die mich beinahe getötet hätten? Bestimmt verdiene ich eine günstige Auslegung aufgrund widriger Umstände.“

„Sie haben recht“, sagte die Schwarze Fledermaus. „Ich hatte Sie im Verdacht, doch ich konnte mich nicht dazu durchringen, zu glauben, dass ein Mann von Ihrem Rang und mit Ihrer Geschichte irgendwie zu einem Spion werden konnte. Dieser Zweifel besteht nun jedoch nicht mehr, denn Sie sind gar nicht Philip Trent. Sie sind Baron Otto von Dahlke, einer der besten Spione im Ersten Weltkrieg! Ihre Fingerabdrücke beweisen es. Kurz vor dem Waffenstillstand wären Sie beinahe gefangen genommen worden, doch Ihnen gelang die Flucht. Sie flohen zu den deutschen Linien, wo Sie von Ihren eigenen Leuten verwundet wurden. Man brachte Sie in ein deutsches Krankenhaus, und dort wurde ein ungeheurer Plan geschmiedet, um Sie als Philip Trent in die Vereinigten Staaten zu bringen, welcher tatsächlich getötet worden war. Sie übernahmen seine Identität und gaben für eine gewisse Zeit einen leichten Fall von Amnesie und ein Kriegstrauma vor. Sie wurden in dieses Land zurückgeschickt. Kurz bevor Sie ankamen, starb Philip Trents Schwester auf geheimnisvolle Weise, vermutlich durch Ihre Agenten, denn nur sie hätte wissen können, dass Sie nicht Philip Trent sind. Ein Mann namens Roscoe Bell hat Sie gesponsert. Sie zogen aus dem Ort im Mittleren Westen fort, in dem Trent gelebt hatte, und kamen in diese Stadt. Bell baute sie geschäftlich auf, weil ihm im Gegenzug große Exportgeschäfte versprochen wurden. Sie behielten Trents Tagebücher gut versteckt in Ihrem Haus, damit Sie seine Geschichte zur Einsicht­nahme hatten, falls irgendetwas geschehen sollte, wofür Sie sich an Trents Vergangenheit hätten erinnern müssen.“

Zwei FBI-Leute brachten Roscoe Bell herein. Mit weißem Gesicht deutete er auf Trent.

„Alles, was die Schwarze Fledermaus sagt, ist wahr. Ich schwöre es. Von Dahlke kam hierher und richtete sich als Philip Trent ein. Später, als eine andere Macht sein Vaterland regierte, wurde er zum Leiter aller geheimdienstlichen Tätigkeiten der Vereinigten Staaten ernannt. Er wurde zum Anhänger seines neuen Vaterlandes. Ich steckte bis zum Hals mit drin, und so brachten sie mich dazu, von ­Elkin zu verstecken, drohten mir, mich umzubringen, wenn ich mich weigern sollte. Aber jetzt, wo ich frei von denen bin, werde ich reden, in Ordnung? Ich habe diese Sendung gehört. Wenn von Dahlkes Pläne aufgegangen wären, wäre genau das passiert. Ich bin jetzt ein armseliges Exemplar der amerikanischen Gesellschaft, aber glauben Sie mir, ich werde tun, was ich kann, um das wiedergutzumachen!“

„Sie sehen also“, fuhr die Schwarze Fledermaus fort, „ein Netz hat sich um sie herum zugezogen, Trent alias von Dahlke. Zuerst werden Sie des Mordes angeklagt, des Mordes an Anton Morino. Er wollte nie für Ihren Spionage­ring arbeiten, doch Sie zwangen ihn dazu, indem Sie ihm drohten, seine Verwandten in Österreich umzubringen. Doch Morino erreichte einen bestimmten Punkt und konnte nicht weiter. Er weigerte sich gar, mir zu vertrauen und krachte durch ein Fenster, um zu entkommen. Dann beging er einen tödlichen Fehler. Im Wissen, dass Philip Trent mit allen Mitteln gegen Spione kämpfte, kam er zu Ihnen. Er hatte Angst, der Polizei Bericht zu erstatten, weil er involviert gewesen war. Sie müssen ihn gebeten haben, von Elkin eine Falle zu stellen, doch in Wirklichkeit stellte sich Morino selbst eine Falle. Sie hatten Angst, irgendein Risiko einzugehen, dass er vielleicht mit jemand anderem gesprochen hatte, also gaben Sie den ­FBI-Leuten den Tipp, von Elkins Reisebüro zu durchsuchen. Dort brachten Sie Morino um. Ich kann beweisen, dass ­Morino Sie kurz vor dem Mord gesehen hat. Commissioner ­Warner ist Ihnen nur einen Block vom Gebäude entfernt begegnet, aber das wusste ich nicht. Außerdem befinden sich auf beiden Seiten Ihres Hauses Appartementhäuser. Die haben Pförtner, und diese Leute sind unglaublich gut darin, sich an Gesichter zu erinnern. Sie erinnern sich sogar, dass die ermordeten Offiziere oft zu Ihnen zu Besuch kamen. Sie haben den Officers Club ins Leben gerufen, damit Sie ständig in Kontakt mit Männern stehen, die wissen, was vor sich geht. Einige von ihnen haben vielleicht sogar den echten Philip Trent gekannt. Aber die Verletzungen, die Sie erlitten hatten, lieferten Ihnen ein gutes Alibi für Ihr verändertes Aussehen und die Tatsache, dass Sie sich vielleicht nicht an alles erinnern konnten. Sie haben für die Versammlung die Bühne aufgebaut, sodass Ihre Spione leicht entkommen konnten. Sie haben alle Männer geradeheraus aufgefordert, sich Ihre Rede anzuhören, sodass die Spione ungesehen durch einen Hintereingang hinausgehen konnten. Vorletzte Nacht haben Sie von ­Elkin geschickt, damit er bei einer Versammlung Ihren Platz einnimmt, aber von Elkin erkannte die Bedeutung nicht. In der Nacht sollten Sie in einer Nachrichtensendung einen Spendenaufruf machen. Sie machten eine Aufnahme, die in der Versammlung übertragen werden sollte, während von Elkin als Strohmann erschien.“

Trent schloss die Augen und tat einen tiefen Atemzug.

„Sehr gut“, sagte er steif. „Solchen Beweisen kann ich nicht widersprechen. Aber eines werde ich sagen. Die Schwarze Fledermaus hat meine Pläne ruiniert, also werde ich die Schwarze Fledermaus entlarven. Es ist Tony Quinn! Ja, Tony Quinn ... der blinde Mann!“

Die maskierte Gestalt hinter Trent stieß ihn mit der Waffe an.

„Schauen Sie sich um, von Dahlke. Schauen Sie zur Tür. Dort steht zufällig Captain McGrath ... mit Tony Quinn! Ich wollte nicht, dass ein blinder Mann verdächtigt wird, meine Rolle zu spielen. Ich wusste, dass Sie ihn verdächtigen, und ich habe Schritte unternommen, um zu beweisen, dass es unmöglich Tony Quinn sein kann.“

Trent starrte Tony Quinn an, der neben McGrath stand. Quinns Augen starrten leer geradeaus, offensichtlich nichts sehend.

„Damit wäre das geklärt“, sagte die Schwarze ­Fledermaus. „Ich denke, das ganze Schauspiel ist nun vorbei. Ich bewundere Ihre Cleverness, von Dahlke. Niemand, der jahrelang die Identität eines Anderen ­übernehmen kann, ist ein Idiot. Anfangs habe ich jeden außer Ihnen verdächtigt. Anwalt Tolly, weil er so viele enge Verbindungen mit Leuten wie Ihnen hatte. Aber Tolly hat nur versucht, dabei zu helfen, hilflose Verwandte in dieses Land zu bringen. Major Rankin verhielt sich auch seltsam. Seine Entführung hat er nicht einmal gemeldet, außer seinen direkten Vorgesetzten, weil er jede Form der Publicity verabscheute. Er konnte Ihren Männern in der Verwirrung, die ich verursachte, entkommen. Ich hätte ...“

Von Dahlke schoss plötzlich herum und landete mit dem ausgestreckten Arm einen Treffer auf das Kinn der Schwarzen Fledermaus. Dann rannte er zur Tür. Für einen Augenblick stand er frei, bis die Maschinenpistolen an den Fenstern stotternde Explosionen des Todes ausstießen. Von Dahlke zögerte. Blind starrend richtete er sich für eine Sekunde gerade auf und fiel dann mit dem Gesicht voraus zu Boden.


*


Tony Quinn wurde in McGraths Wagen nach Hause gefahren. Silk stand an der Tür, um ihn hineinzulassen.

„Ich schätze, ich habe mich wohl völlig in Ihnen getäuscht, Quinn“, sagte McGrath zerknirscht. „Es tut mir leid.“

Doch als McGrath davongefahren war, stieß Silk ein leises triumphierendes Lachen aus.

„Ich denke, ich habe das ziemlich gut gemacht, Sir, aber das war nichts verglichen mit der Art und Weise, wie Sie sich darum hätten kümmern können. Der Spion hätte nicht fliehen können, wenn Sie die Maske und den Umhang an meiner Stelle getragen hätten.“

„Es ist schon recht so“, sagte Quinn. „Männer wie er sind weniger gefährlich, wenn sie tot sind. Weißt du, ich dachte, es wäre Trent, gleich, nachdem er und Warner mir über die Straße geholfen haben und dieses Auto auf uns zu raste. Trent hat nicht den geringsten Versuch unternommen, mich aus dem Weg zu stoßen. Eigentlich hat er meinen Arm sogar so fest gehalten, dass Warner mich nicht aus der Schusslinie des Wagens bringen konnte. Selbstverständlich konnte ich ihnen das nicht sagen, ohne mich selbst als die Schwarze Fledermaus zu entlarven. Also, Silk, das verlangt nach einer Feier. Carol und Butch werden bald hier sein. Wir haben eine Gruppe von Männern besiegt, die planten, unser Land zu vernichten. Ich hoffe, das wird den Leuten endgültig klarmachen, was ein ­Trojanisches Pferd in unserer Mitte zu tun vermag. Wir müssen zäher werden. Wir müssen stärker werden, härter als diese Gangster im Ausland. Nach diesem Fall weiß ich, dass sie so bekämpft werden müssen, wie sie selber kämpfen ... ohne Gnade, mit voller Härte.“

„Ich glaube“, erwiderte Silk sanft, „dass die Bedrohung durch die Nazis aus Amerika kein weiteres Norwegen, Holland, Belgien oder Frankreich machen werden, wenn Sie für uns kämpfen ...“



Kapitel 1 - Redefreiheit


Der Mann war dünn, hatte ein listiges Gesicht und war eine äußerst unvorteilhafte Erscheinung in seinem abgetragenen und schmutzigen braunen Anzug. Doch irgendeine seltsame Laune der Natur hatte ihn mit einer schlagfertigen Zunge ausgestattet. Er startete seine Aktion, indem er zuerst ein Gespräch mit einem Passanten begann, während seine laute Stimme ihm weitere Zuhörer verschaffte. Die meisten von ihnen waren junge Männer ohne Arbeit, die einen Großteil ihrer Zeit damit verbrachten, die Kriegsberichte vor den Zeitungsständen zu betrachten.

Der Fremde senkte seine Stimme, sobald Polizisten vorbeikamen, und seine Zuhörerschaft wuchs niemals auf mehr als ein halbes Dutzend Personen. Doch von seinen Lippen tropfte Gift, das Gift einer Schlange, die zusammengerollt im Gras verborgen liegt und darauf wartet, dass sie aus dem Hinterhalt angreifen kann.

„Was also geschieht?“, fragte er die Gruppe, die um ihn herum stand. „Wir werden erwachsen und finden keine Arbeit. Das ist das Problem mit dieser Art Regierung, die sie Demokratie nennen. Sie sollten Jobs für uns schaffen, und sie sollten uns auch gut bezahlen. Wir sind genauso schlau wie die Vögel, die Millionen machen, aber wir bekommen nicht genug zu essen. Nun bringen sie uns dazu, dass wir uns schulen und vielleicht für sie kämpfen. Warum sollten wir kämpfen? Damit diese verfluchten Millionäre ihren Kaviar essen und Champagner trinken können? Jepp, während wir schon froh sein werden, wenn wir Bohnen bekommen. Jeder Trottel, der eine Waffe mit sich herumschleppt und für Millionäre kämpft, ist verrückt. Heutzutage lebt es sich besser in Deutschland oder in Italien. Dort arbeiten diese reichen Jungs für Leute wie uns, wisst ihr?“

Ein Junge, nicht älter als siebzehn, bahnte sich mit den Ellenbogen seinen Weg und trat näher heran.

„Mister, sagen Sie uns, dass wir nicht kämpfen sollen, wenn dieses Land in den Krieg zieht? Ist es das, was Sie sagen wollen?“

„Darauf kannst du wetten, Kleiner. Das ist genau das, was ich euch einzuhämmern versuche. Ich bin genauso abgebrannt wie der Rest von euch Jungs. Ich weiß nicht mal, wo ich heute Nacht schlafen werde oder wo ich meine nächste Mahlzeit herbekomme. Aber eine Waffe nehmen und Kugeln abfeuern für ein Land, das sich nicht darum schert? Ich nicht! Und ihr Jungs, ihr solltet das auch kapieren. Ehe ihr euch verseht, legt man das, was von euch übrig ist, in ein Grab wie einen Haufen untergepflügte Baumwolle. Kämpft nicht! Arbeitet nicht einmal in Munitionsfabriken. Hört nicht auf die Reden der Kriegstreiber. Alles, was die wollen, sind Gewinne aus dem Verkauf von Waffen und Kugeln, um damit andere Trottel wie uns zu erschießen.“

Während der Fremde sprach und die kleine Gruppe junger Männer zu seinen Gunsten beeinflusste, fuhr ein schäbig aussehendes Coupé rückwärts so dicht an den Bordstein heran, dass es den Sprecher beinahe umfuhr. Wissend, dass er seine Zuhörerschaft im Griff hatte, warf der Sprecher dem Fahrer des Wagens nur einen wütenden Blick zu und sprach weiter. Was er predigte, kam einer Revolution gleich, und er untermauerte dies mit falschen Argumenten, die aber für die jungen Männer, die um ihn herumstanden, leicht verständlich waren.


*


Die Tür des Coupés wurde geöffnet. Die gesamte linke Seite des Wagens neigte sich zur Gosse hin, als der Fahrer ausstieg. Er war ein bulliger Kerl von einem Mann mit Fäusten so groß wie Boxhandschuhe. Irgendwann einmal war seine Nase mit einem unnachgiebigen Gegenstand zusammengestoßen, wobei der Nasensattel geplättet worden war. Sein Gesicht war breit und für gewöhnlich glatt, doch nun lagen Sorgenfalten auf seiner Stirn.

Während er dastand und dem Sprecher zuhörte, gruben sich diese Falten tiefer und tiefer. Seine Augen wurden schmaler, und seine dicken Finger verkrampften sich. Schließlich, so als hielte er es nicht mehr aus, bewegte sich der große Mann nach vorn. Mit einer Armbewegung stieß er einige der Leute beiseite und baute sich direkt vor dem Sprecher auf.

„Hören Sie, Mister“, sagte er langsam. „Ich war vielleicht nicht auf dem College, wissen Sie? Ich weiß auch nicht viel, aber die Art, wie Sie reden, gefällt mir nicht. Es gibt eine Menge Ärger auf der Welt, und sie sind dabei nicht sehr hilfreich. Also, warum halten Sie nicht einfach Ihre Schnauze und hauen ab, he?“

Der Sprecher stieß ein paar Flüche aus und schüttelte seine Faust so dicht vor dem Gesicht des großen Mannes, wie er konnte.

„Ich sage, was ich will. Dieses dämliche Land erlaubt die Redefreiheit. Niemand kann mich stoppen. Nicht Sie, nicht die Polizei, auch nicht die Armee oder die Navy ...“

„Jepp?“, grollte der große Mann. „Vielleicht nicht mal die Marines, he? Aber ich kann das, du kreischendes Stinktier. Noch ein Ton von dir, und ich werde den Bürgersteig mit dir kehren. Du wirst der Besen sein, klar?“

„Ich sollte Sie verhaften lassen“, schrie der Sprecher. „So spricht niemand mit mir. Jemand soll mir einen Polizisten herholen!“

Mehr konnte er nicht sagen, denn eine dieser riesigen Fäuste schoss hervor. Die Finger packten seine Krawatte und er spürte, wie er vollständig vom Bürgersteig gehoben wurde. Er begann, mit den Armen zu rudern und um Hilfe zu schreien. Die, die ihm zugehört hatten, wichen zurück. Sie wollten keinen Ärger mit diesem Riesen, der genau das tat, was sie insgeheim selbst hatten tun wollen.

Plötzlich drehte der riesige Mann seinen Gefangenen herum, packte ihn an den Knöcheln, als sei er nichts als eine Bauchrednerpuppe, und schüttelte ihn heftig. Ein Strom aus Silber fiel aus den Taschen des Redners, dann noch einige andere kleine Gegenstände und schließlich eine Rolle zusammengeklammerte Geldscheine. Die silberne Klammer löste sich, als das Geld auf den Bürgersteig fiel, und die Scheine flatterten herum; fünf davon waren Einhundertdollarscheine, und dann gab es noch ein Dutzend Fünfziger und zahlreiche Zwanziger, Zehner und Fünfer.

„Hey!“, schrie einer der Jünglinge. „Der Bursche hat gesagt, er sei arbeitslos wie wir. Schaut euch die Kohle an, die er hat! Er hat uns belogen, als er über Millionäre sprach und sagte, wir sollten nicht für sie kämpfen. Er ist selbst ein Millionär. Jungs, seht euch an, wie dieser große Kerl den Bürgersteig mit ihm wischt.“

„Jepp“, sagte ein anderer Junge kalt. „Geschieht ihm recht. Wir waren ein Haufen Trottel, dass wir ihm zugehört haben. Ich hoffe, er bricht sich den Hals.“


*


Eine Polizeipfeife schrillte. Vier Streifenpolizisten kamen herbeigerannt, begleitet von einem Sergeant. Er schaute den großen Mann kurz an und griff nach seinem Totschläger. Doch als die Polizisten näher kamen, hörte der große Mann auf, sein Opfer zu schütteln.

„Setz ihn ab, Atlas“, befahl der Inspektor. „Eine falsche Bewegung, und ich verpass dir eine.“

Der große Mann hatte sein Opfer noch immer an einem Knöchel gepackt. Er hielt ihn über der Gosse und ließ los. Dann breitete er seine Hände in einer Geste der Bestürzung aus.

„Aber sehen Sie, Sarge, dieser Bursche hat gegen die Vereinigten Staaten geredet. Er hat gesagt, das Land wäre nicht gut und dass niemand dafür kämpfen sollte. Er hat gesagt, dass er lieber in Europa leben würde. Ich bin ­vielleicht kein kluger Kerl, aber mir gefällt nicht, was er gesagt hat, also dachte ich mir, ich zeige ihm mal, was ich denke.“

„Das stimmt, Sergeant.“ Einige der Jünglinge kamen näher. „Er sagte, wir sollten nicht kämpfen, selbst wenn wir eingezogen werden. Ich hätte ihm selbst gern eine reingehauen.“

„Wer sind Sie?“, fragte der Inspektor den großen Mann.

„Butch ... Butch O’Leary. Ich wollte nichts Böses, aber ein Mann kann sich das nicht ewig anhören ...“

„Hey“, schrie der Sergeant plötzlich. „Fangt diesen Aufrührer! Er kriecht durch die Gosse und versucht abzuhauen.“

Zwei Streifenpolizisten stürzten sich auf den Redner und zerrten ihn zurück. Er rappelte sich auf, starrte Butch O’Leary an und versuchte noch einmal, den Einfluss seiner Stimme zu nutzen.

„Ich bin Hans Hofer, Bürger der Vereinigten Staaten. Ich kann sagen, was ich will und wo ich will. Dieser Affe hat mich angegriffen. Ich verlange, dass er verhaftet wird.“

„Okay, Sweetheart“, sagte der Sergeant. „Murphy, ruf den Wagen. Was Sie betrifft, Mr. Hofer, sie kommen besser auch mit. Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie Sie versucht haben, diesen großen Burschen zu treten. Das reicht für eine Körperverletzung, also sind Sie auch dran.“

Zehn Minuten und sechs Wortwechsel später hielt ein Streifenwagen an. Butch schluckte, als er ihn sah, und machte einen Satz, als ein Streifenpolizist seinen Arm berührte.

„Gehen wir, Kumpel. Was ist los, möchtest du nicht mit dem Wagen fahren? Komm, ich sage dir, was wir tun. Du fährst vorne beim Fahrer mit, und jeder wird glauben, dass du ein Zivilpolizist bist.“

„Meine Güte, danke!“ Butch lächelte zum ersten Mal. „Aber ist das nicht gegen die Regeln oder so?“

„Vielleicht ist es das. Aber wenn wir einen Kerl wie dich festnehmen müssen, dann tun wir das auf die nette Art. Und dieser dürre Trottel ist sowieso ein gefährlicher Bursche. Wenn wir dich mit ihm hinten reinsetzen, dann wird er vielleicht brutal und verletzt dich. Setz dich auf den vorderen Sitz und keine Widerrede.“

Eine Menschenmenge hatte sich versammelt, sie reckten die Köpfe und drängelten. Die sich zerstreuenden Zuhörer des verhafteten Sprechers schoben sich durch die Menge und erklärten, was geschehen war. Ein leises Summen verärgerter Stimmen veranlasste den Sergeant, sich besorgt umzusehen. Er drängte seinen Gefangenen zum hinteren Teil des Wagens.

„Nein!“, schrie Hofer. „Ich werde nicht wie ein gewöhnlicher Gefangener in diesem Ding fahren. Ihr könnt mich nicht dazu zwingen.“

Der Sergeant sagte kein Wort. Er packte Hofer nur hinten am Hals und an seinem Hosenboden. Hofer stieß heftig gegen das Frontblech des Transporters und begann zu heulen. Als sich die verdrahteten Türen schlossen und der Wagen davonrollte, folgten ihm verächtliche Rufe.


*


Eine Stunde später stand Butch O’Leary vor dem Richter eines Nachtgerichts und versuchte, zu erzählen, was geschehen war.

„Ich schätze, ich bin schuldig, aber ich habe ihn nicht geschlagen. Ich hab ihn nur irgendwie ein bisschen geschüttelt. Ich mag’s nicht, wenn Leute sagen, dieses Land wär nicht gut, Richter, und genau das hat er getan. Vielleicht hätt’ ich mich um meinen eigenen Kram kümmern sollen, aber ich bin nicht schlau wie Sie oder jeder andere hier drin. Es tut mir nicht leid, was ich getan hab, und ich werde nicht versprechen, dass ich’s nicht wieder tu. Also sollte ich vielleicht ins Gefängnis gehen.“

Der Richter rückte seine Brille zurecht, räusperte sich und schaute den Sergeant fragend an, der die Verhaftung vorgenommen hatte.

„Haben Sie die Fingerabdrücke dieser beiden Männer genommen? Haben Sie! Alle Aufzeichnungen dieser Art, die Mr. Butch O’Leary betreffen, sollen hiermit vernichtet werden. Er ist kein Krimineller.“