image

Diana Salow

image

Süßer Schmerz

image

Danksagung

Es gibt viele Menschen in meinem Umfeld, denen ich sehr, sehr dankbar bin und die mich unglaublich unterstützen. Dazu zählen in erster Linie mein Mann Steffen Salow und meine Mutti Hildegard Grünes. Ein großes Dankeschön geht vor allem aber auch an Sylvia Bretschneider, Armin Tebben, Dirk Zapfe, Iris Steuding, Angela Hillenhagen, Simone Gladasch, Daniela See, Dieter Schulz, Birgit Klockow, Heidrun Lohse, Dirk Buchardt, Julia Hauenschild, Martin Reiners, Petra Heißen, Heike Mex, Laura Jakobi, Dr. Anja Dostert, Sabrina Panknin, Andre Harder, Cornelia Böttcher, Daniel Kruschinsky, Berthild und Frank Horn, Arno Pommerencke, Christian Noack, Mandy und Matthias Wittkat sowie ihre Lesergruppe »Bücher im Blut«.

Ganz herzlich möchte ich mich bei meinen Testlesern Dirk Zapfe, Angela Hillenhagen, Stefanie Roocks, Angela Diener, Anne und Karina Müller, Christine Gläser, Jörg Kapplusch, Martina und Axel Wiatr, Karola und Thomas Berger, Ralf Schultz, Petra Pundt, Marlit und Jörg Hillenberg, Helgrid Kühn, Cornelia Abbas und C. R. bedanken.

Herzlichst
Ihre Diana Salow

Inhalt

Danksagung

»Süßer Schmerz« Kommissar Bergers erster Fall

Kapitel 1: Petri Heil und Petri verschwand

Kapitel 2: Der Morgen danach

Kapitel 3: Susan

Kapitel 4: Die lieben Nachbarn

Kapitel 5: Gefühle

Kapitel 6: Exmann Werner

Kapitel 7: Marias wütender Vater

Kapitel 8: Neues Glück

Kapitel 9: Oliver und seine Tochter

Kapitel 10: Olivers Ehefrau

Kapitel 11: Erste Ermittlungen der Polizei

Kapitel 12: Chefarzt-Visite

Kapitel 13: Der fremde alte Mann

Kapitel 14: IM Fuchs und die Stasi

Kapitel 15: Olivers Rache

Kapitel 16: Rainer und seine Wut

Kapitel 17: Susans Wunsch

Kapitel 18: Kurzer Krankenbesuch

Kapitel 19: Olivers Vorhaben

Kapitel 20: Eine heiße Spur in Hamburg

Kapitel 21: Schuldgefühle

Kapitel 22: Bergers Zahnoperation

Kapitel 23: Die Psychologin

Kapitel 24: Bergers offene Fragen

Kapitel 25: Endlich raus

Kapitel 26: Olivers Geständnis

Kapitel 27: Vor dem Haftrichter

Kapitel 28: Unglaubliches Glück

Kapitel 29: Erleichterung

Kapitel 30: Zufriedenheit

Kapitel 31: Neuanfang

Kapitel 32: Aufklärung

Kapitel 33: Ausblick

»Süßer Schmerz« Kommissar Bergers erster Fall

Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen oder Gegebenheiten sind rein zufällig, nicht beabsichtigt und entsprangen meiner Fantasie.

Kapitel 1: Petri Heil und Petri verschwand

»Rudi, halt mal bitte meine Angel! Ich mache uns erst einmal ein Bierchen auf. Diese Hitze hält doch keiner aus! Nachher beißen die Fische wie verrückt und wir haben gar keine Zeit mehr zum Trinken«, lachte Paul.

»Das ist eine gute Idee! Pass auf und tritt nicht auf die Schachteln mit den Würmern hinter dir!«, erwiderte Rudi und nahm die Angel seines besten Kumpels in die Hand.

Paul ging ein Stück zurück und brachte zwei Dosen Bier.

»Fang!«, rief er und warf ihm eine Büchse im hohen Bogen zu.

Rudi konnte, die beiden Angeln haltend, nicht rechtzeitig reagieren und so landete die Büchse am Ufer und rollte auf das Wasser zu.

Paul lachte schallend.

Rudi fluchte und legte vorsichtig die Angeln ab. Dann ging er ans Ufer heran, um die jetzt durchgeschüttelte Dose aufzuheben. »Komm mal schnell her! Da vorne … da liegt doch jemand?«, stotterte Rudi aufgeregt.

Paul schlürfte bereits sein Bier und wischte sich den Schaum mit dem Handrücken von der Oberlippe. Er stellte die Dose ab und ging ebenfalls ans Ufer. »Tatsächlich! Wahnsinn …« Er blickte prüfend nach oben. »Der Kerl ist bestimmt von der Grotte gestürzt. Wer weiß, wie lange er dort schon liegt?«, fragte Paul laut.

Die Männer wateten mit ihren Gummistiefeln durch das schlammige Wasser und mussten aufpassen, dass sie das Gleichgewicht nicht verloren. Unzählige große, kleine und vor allem spitze Steine mussten sie auf dem Weg zu dem im Wasser liegenden Mann überwinden. Dabei kämpften sie mehrfach um ihr Gleichgewicht.

Es handelte sich tatsächlich um einen Mann. Er war am Kopf blutüberströmt und lag in seiner nassen Kleidung auf dem Rücken. Sein Oberkörper ragte halb aus dem Wasser und lehnte an einem größeren Stein. Die Beine waren im flachen Schlamm eingesunken.

»Oh Gott, der ist tot!«, rief Rudi.

»Meinst du?«, fragte Paul.

»Ja, der ist bestimmt von dort oben gesprungen. Da ist ein Zaun um die Grotte, da fällt man nicht so einfach runter«, gab Rudi fachmännisch von sich. »Dem kann keiner mehr helfen«, fuhr er fort. »Schau doch mal in seine Taschen, ob er irgendwas dabei hat!«

Paul kramte in der halb unter Wasser liegenden Hosentasche des Mannes und zog eine Brieftasche und ein Handy heraus. Er untersuchte die Geldbörse. »Ein Ausweis ist nicht dabei. Nur Geld.« Dann bekam er Gewissensbisse. »Rudi, ich weiß nicht … Lass uns abhauen«, bat Paul seinen Kumpel und guckte in alle Richtungen. Er prüfte, ob jemand das Geschehen beobachtet hatte.

»Ach, der ist doch mausetot.« Rudi wischte die Bedenken seines Freundes beiseite. »Nimm das Geld und lass uns schnellstens verschwinden! Dem hilft keiner mehr, aber von den paar Piepen können wir uns auf den Schreck wenigstens noch ein Schnäpschen kaufen.«

Die Angler packten hektisch ihre schmuddeligen Klamotten zusammen und entnahmen das Geld aus der feuchten Brieftasche des verunglückten Mannes. Das Handy und die leere Geldbörse warf Rudi in hohem Bogen weit in den See hinein. Paul schüttete das Wasser aus dem alten Plastikeimer, den er schon für den Fischfang vorbereitet hatte. Dann rannten sie, so schnell sie konnten, mit ihren Angelsachen, dem Rucksack und dem Eimer von der Steingrotte im Burggarten davon.

Auf der Schlossbrücke kam ihnen eine ältere, gepflegte Dame, die mit ihrem kleinen Dackel spazieren ging, entgegen. Rudi schrie: »Rufen Sie schnell die Polizei! Dort liegt ein toter Mann an der Grotte. Wir haben leider kein Telefon dabei.«

Die Dame erschrak, kramte sofort ihr Handy aus der Handtasche und gab zitternd den Notruf 110 auf dem Display ein. »Ja, hier ist Hermine Böttcher, ich stehe auf der Schlossbrücke mit zwei Anglern, die gerade einen toten Mann an der Steingrotte im Burggarten gefunden haben. Bitte kommen Sie schnell!« Die Dame schaute sich um und hatte in ihrer Aufregung gar nicht bemerkt, dass die zwei Angler zwischenzeitlich längst verschwunden waren.

Die saßen mit blassen Gesichtern in ihrer naheliegenden Stammkneipe, dem Bünger Loch in der Stiftstraße, und tranken auf den Schreck erst einmal ein Bier und einen Korn. Rudi und Paul zog es oft in diese Gaststätte. Im Bünger Loch, das nun schon seit über 135 Jahren existierte, schenkte die Kneiperin großzügigerweise oft Freibier aus.

Sie fragten sich beim zweiten Bier, ob wohl irgendjemandem irgendwann einmal so etwas passiert war. »Also da werde ich nicht noch mal angeln. Hoffentlich hat uns keiner gesehen«, flüsterte Paul.

»Der Kerl war tot und die Alte hat die Polizei gerufen«, erwiderte Rudi gelassen.

»Hattest du den Puls gefühlt?«, fragte er besorgt.

»Nein«, antwortete Rudi leise und sichtlich genervt.

»Und wenn der Kerl doch nicht tot war?«, flüsterte Paul.

»Jetzt hör doch auf! Der war tot. Und wenn nicht, haben sich die Alte oder die Bullen bestimmt gekümmert.« Er hob seinen rechten Arm und gab der Wirtin so zu verstehen, dass diese noch zwei Bier bringen sollte.

Später nahm Paul den noch feuchten Fünfziger aus dem Rucksack und bezahlte großzügig die Getränke sowie einige offene Rechnungen bei der Wirtin.

Kapitel 2: Der Morgen danach

Maria war am Ende ihrer Kräfte und erwachte am Morgen des 2. Juni in einem Einzelzimmer. Ein kleiner Raum, ein heller Schrank, ein riesiges Bett, ein moderner Stuhl und nichts weiter. ›Wo bin ich und was mache ich hier?‹, fragte sie sich. Von starken Medikamenten benebelt, lag sie auf dem Rücken im Bett. Beide Handgelenke waren am Bettgestell mit schmalen Ledergurten fixiert. Maria kam langsam in der psychiatrisch-geschlossenen Abteilung des Schweriner Klinikums zu sich.

Auf dem Nachttisch stand eine weiße Plastiktasse mit dem Aufdruck ›Klinikum Schwerin‹. Wie sie in die Klinik gekommen war, daran konnte sie sich nicht erinnern. ›Bin ich krank oder was ist passiert?‹, fragte sie sich. Sie sah ihr linkes verbundenes Handgelenk an und vermutete unter dem starken Mullverband eine Verletzung. ›Was habe ich bloß angestellt oder wurde ich überfallen?‹, das waren ihre nächsten Gedanken. Sie hatte großen Durst, konnte aber aufgrund der Fixierung ihrer Hände am Bettgestell aus der liegenden Position nicht hochkommen und schon gar nicht die Tasse auf dem Nachttisch nehmen und trinken.

Maria kam langsam und allmählich zu sich. Sie murmelte leise ihren Namen: »Maria Kremer«. Sie nannte den Wochentag (Sonntag) und schätzte die Zeit auf acht Uhr. Sie konnte nicht auf ihre Uhr oder ihr Handy schauen. Mit diesen Angaben, die sie leise nochmals vor sich hinsprach, beruhigte sie sich etwas. Sie hatte mal gelesen, dass, wenn man verrückt wird, man wohl zuerst das Zeitgefühl verlieren würde. Sie wusste nun wieder, dass sie jahrelang Demütigungen und körperliche Gewaltausbrüche ertragen und erduldet hatte. Sie hatte sich weder bei ihrer Familie noch bei Freunden offenbart. Nie hatte sie irgendjemanden um Hilfe gebeten.

Sie hatte einen abscheulichen Geschmack im Mund, fühlte sich ungepflegt und schwitzte unter der dünnen weißen Bettdecke in diesem kleinkarierten Kliniknachthemd. Das grün-weiße Hemd war vorne geschlossen, hinten hielt es nur mit einem Schleifenband zusammen. ›Wie spät es wohl ist?‹, grübelte sie. Die Sonne schien bereits in ihr Zimmer. Es roch nach Desinfektionsmitteln. Die Stille um sie herum war unheimlich. Die gestärkte und ziemlich harte Bettwäsche lud nicht gerade zum Träumen ein. Sie starrte, auf dem Rücken liegend, die weiße Decke an und überlegte krampfhaft, wie sie in die Klinik gekommen sein könnte.

Plötzlich hörte sie Schließgeräusche an der Tür. Mehrere Personen traten in ihr Einzelzimmer. ›Dr. Martin Sperber – Chefarzt Psychiatrie‹, las sie auf einem Plastik-Namensschild. Ein in strahlendem Weiß gekleidetes Gefolge von Assistenzärzten und jungen Schwestern wünschten Maria einen »Guten Morgen!«.

Sie grüßte leise zurück und schaute alle Personen abwechselnd an.

Die Ärzte beobachteten Maria während der Visite. Sie lag da wie ein verletztes, krankes Tier, dem man helfen wollte, aber nicht sicher war, wo man genau ansetzen sollte. Maria schämte sich und wirkte hilflos. Der junge Chefarzt sprach zu ihr und die Oberschwester notierte jede Einzelheit auf einem Blatt der Krankenakte, die sie vor ihrem fülligen Körper hielt.

»Wir können sie nicht mit so starken Beruhigungsmitteln behandeln. Die Leberwerte waren bereits bei Einlieferung der Patientin grenzwertig«, sprach Chefarzt Sperber zu seinen aufmerksam zuhörenden Assistenzärzten.

Eine Krankenschwester meinte, gesehen zu haben, dass die Patientin eine größere Menge Beruhigungstabletten bei sich trug. Sie hatte bei Marias Ankunft in der Klinik deren Brille vom Gesicht genommen und sie in das Brillenetui ihrer Handtasche getan, in dem die Pillen versteckt waren.

Maria stellte sich aus Scham benommen und sog jedes Wort aller um sich versammelter Menschen ein. Nach ein paar Minuten verschwanden die Ärzte und Schwestern so schnell, wie sie gekommen waren. Sie begann erneut zu grübeln und versuchte, sich zu erinnern, warum sie in der Klinik war und nicht in ihrem gemütlichen Bett in ihrem Haus in der Schweriner Schlossgartenallee.

Im Aufenthaltsraum der psychiatrischen Station saßen zeitgleich die Schwestern der Frühschicht bei einem hektischen Frühstück. Sie aßen belegte Brote, tranken ihren frisch aufgebrühten Filterkaffee und hörten nebenbei leise Hintergrundmusik des örtlichen Radiosenders. Eine junge Krankenschwester berichtete von ersten Gehversuchen ihres Nachwuchses.

»Pst!«, sagte die Oberschwester und deutete auf das Radio. »Seid mal leise!«

Sie hörten dem Nachrichtensprecher zu: »… im Burggarten einen älteren Mann aufgefunden, der nach ersten Aussagen eines Polizeisprechers von der Grotte gestürzt sein muss. Und nun der Wetterbericht.«

Während der Unterhaltung, in der jede Schwester ihren Kommentar zu der gehörten Nachricht loswerden wollte, klingelte das Telefon der Station. Aus dem Lautsprecher über der Tür vernahmen die Schwestern, dass in der Notaufnahme dringend ein Arzt gebraucht würde. Die Frauen standen auf und packten ihre Brotschachteln zusammen. Sie schoben ihre Stühle zurück und jede Einzelne machte sich an ihre gewohnte Arbeit.

Maria lag in ihrem Krankenbett und atmete die frische Luft ein. Die Stationsschwester hatte, bevor sie hinausgegangen war, das Fenster weit geöffnet. Nach der morgendlichen Visite waren der Patientin die Schnüre von den Handgelenken genommen worden. Sie war noch etwas wackelig auf den Beinen, konnte sich aber nunmehr in ihrem Zimmer, das weiter verschlossen blieb, frei bewegen. Maria nahm ihr Handy aus der Hosentasche ihrer Jeans, die sauber gefaltet auf einem Stuhl lag, und rief eine ihrer älteren Schwestern an. »Hallo, ich bin es. Maria. Ich liege im Krankenhaus. Mach dir bitte keine Sorgen! Ich bin bald wieder zu Hause. Es ist nur ein kleiner geplanter Routineeingriff. Ich habe dir vorher nichts gesagt, weil ich dich nicht beunruhigen wollte. Grüß bitte alle von mir und besucht mich bitte nicht! Ich muss jetzt Schluss machen. Der Akku ist gleich leer und ich darf hier nicht mit dem Handy telefonieren.« Sie ließ ihre geschockte Schwester nicht zu Wort kommen, beendete das kurze Gespräch und war froh, die Stimme einer vertrauten Person für einen Moment gehört zu haben. Aber auch, dass sie auf keine Gegenfrage antworten musste. Ein schlechtes Gewissen begann sich in ihr breitzumachen.