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Heinz Bonfadelli, Thomas N. Friemel

 

 

Medienwirkungsforschung

 

6., überarbeitete Auflage

 

 

 

 

 

 

 

UVK Verlagsgesellschaft mbH · Konstanz

mit UVK/Lucius · München

Ein umfassendes, nach Themengebieten gegliedertes Literaturverzeichnis finden Sie als kostenloses Zusatzmaterial zum Buch unter:

www.utb-shop.de/medienwirkungsforschung-3362.html

 

 

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Prof. Dr. Heinz Bonfadelli lehrte bis 2015 am Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich.

 

 

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Prof. Dr. Thomas N. Friemel lehrt am Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich.

 

 

 

 

 

 

 

Online-Angebote oder elektronische Ausgaben sind erhältlich unter www.utb-shop.de.

 

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

 

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

 

1. Auflage 1999
2. Auflage 2001
3. Auflage 2004
4. Auflage 2011
5. Auflage 2015
6. Auflage 2017

 

6. Auflage: UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz und München 2017
Einbandfoto: © iStock.com/ClarkandCompany
eBook-Produktion: Pustet, Regensburg

 

UVK Verlagsgesellschaft mbH
Schützenstr. 24 · D-78462 Konstanz
Tel. 07531-9053-0 · Fax 07531-9053-98
www.uvk.de

 

UTB-Band Nr. 3451
ISBN 978-3-8252-4699-0 (Print)
ISBN 978-3-8463-4699-0 (ePUB)

Vorwort

Seit jeher interessieren sich die Menschen für die Wirkungen von Sprache und Kommunikation, und dies trifft – nicht zuletzt wegen ihrer großen Verbreitung – speziell auf die modernen Massenmedien zu. Es erstaunt darum nicht, dass sich die Publizistik- und Kommunikationswissenschaft (z.B. Dröge/Weissenborn/ Haft 1969; Schenk 1987), zusammen mit anderen Disziplinen wie Psychologie (vgl. Six/Gleich/Gimmler 2007; Batinic/Appel 2008), aber auch Soziologie (vgl. Neumann-Braun/Müller-Doohm 2000; Jäckel 2011, 2012), schon früh mit dem Thema Medienwirkungen zu beschäftigen begonnen hat. Diese intensive sozialwissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Effekten der Medien ist nicht zuletzt als Reaktion auf eine starke praxisorientierte Nachfrage von Wirtschaft und Medien (Stichwort: Werbewirkungen), Staat und Politik (Stichworte: Propaganda und Wahlkampf), aber auch von Kulturkritik und (Medien-) Pädagogik (Stichworte: „TV als Droge im Wohnzimmer“, „Baller-Games und Aggressivität“ oder „Internetsucht“ und „Handy“-Abhängigkeit) zu verstehen.

Weil Wirkungen von Medien jedoch flüchtig und kaum je direkt erfahrbar sind, führt Nichtwissen gepaart mit Überschätzung nicht selten zu Schuldzuweisungen und Vorwürfen an die Medien. An dieser „Sündenbockrolle“ sind die Medien selbst nicht unschuldig, stellen doch Journalisten im Gefolge spektakulärer Gewaltereignisse (z.B. Massaker an US-Schulen wie in Columbine 1999) meist einen (direkten) Einfluss oder eine Mitverantwortung der Medien (Stichwort: Mediengewalt) fest.

Eine solche Fokussierung auf gesellschaftlich problematische und sozial unerwünschte Medienwirkungen von Propaganda, Werbung und Gewalt verdrängt aber andere, durchaus positive Leistungen der Medien wie die Vermittlung von politischer Information (Stichwort: TV-Nachrichten) oder der Einsatz von Medien zur Gesundheitsprävention und zur Umweltsensibilisierung (Stichwort: öffentliche Kommunikationskampagnen). Hinzu kommt, dass in journalistischen Medientexten immer wieder vorschnell und unkritisch die Meinung vertreten wird, die Medienwirkungsforschung selbst sei nach wie vor über das Wirkungspotenzial der Medien uneins bzw. verfüge gar nicht über ein konsentiertes und empirisch abgesichertes Grundlagenwissen.

Angesichts der hohen Relevanz von Medienwirkungen nicht nur für Praktiker aus Politik, Werbung, Medien, Bildung und Kultur, sondern ebenso in der publizistik- und kommunikationswissenschaftlichen Forschung und Lehre erstaunt es, dass im deutschen Sprachraum lange Zeit keine aktuellen Einführungen in die Medienwirkungsforschung verfügbar waren. Diesem Mangel sollte das 1999 veröffentlichte Lehrbuch „Medienwirkungsforschung I: Grundlagen und theoretische Perspektiven“ abhelfen. 2002 folgte Band II zu den Anwendungen der Medienwirkungsforschung in den Bereichen Politik, Wirtschaft und Kultur. Beide Bände wurden 2004 aktualisiert.

Zusammen mit Thomas Friemel erfolgte 2011 eine restrukturierte Neuauflage in einem Band, die nun als grundlegend überarbeitete und aktualisierte 6. Auflage der „Medienwirkungsforschung“ vorliegt. Insbesonders wurde versucht, den durch Internet und Social Web bewirkten Veränderungen in Richtung Medienkonvergenz auch für die Medienwirkungsforschung Rechnung zu tragen. Auch wurde die didaktische Ausrichtung des Lehrbuchs durch neu aufgenommene Lernziele am Anfang jedes Kapitels sowie durch zusätzliche Merksätze, Übungsaufgaben und kommentierte Literaturangaben optimiert.

Das vorliegende Lehrbuch bietet eine breit angelegte Einführung sowohl für Studierende der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft als auch für Praktiker in den Medien und in der Öffentlichkeitsarbeit. Es fokussiert die zentralen theoretischen Perspektiven der Medienwirkungsforschung. Neben der Erörterung der wesentlichen Basiskonzepte werden methodische Fragen erläutert, und nicht zuletzt wird auch der Stand der empirischen Forschung dargestellt.

Im ersten Kapitel steht der Gegenstand der Medienwirkungsforschung als Grundlage im Zentrum, d.h. die vielfältigen Wirkungsphänomene, die darauf bezogenen Fragestellungen, die Forschungsentwicklung sowie die dazu formulierten theoretischen Erklärungsversuche und Forschungsmethoden. Die folgenden Kapitel 2-4 sind ist nach den Phasen im Kommunikationsprozess gegliedert und behandelt Fragen der Medienzuwendung bzw. Mediennutzung, gefolgt von der Rezeptionsforschung und den Theorien zu postkommunikativen Wirkungsphänomenen wie Veränderung von Wissen und Einstellungen. Die weiteren Kapitel 5-7 fokussieren drei verschiedene Kontexte, in denen sich Medienwirkungen manifestieren: thematischer Kontext, interpersonaler Kontext und gesellschaftlicher Kontext. Und Kapitel 8 verortet als Fazit idealtypisch die Ansätze der Medienwirkungsforschung im gesellschaftlichen Kontext.

Noch ein Hinweis zur Zitationsform: Bei mehreren Quellenverweisen erfolgt dies in der zeitlichen Reihenfolge des Erscheinens der Beiträge und Studien: beginnend mit den ältesten und endend mit den aktuellsten Veröffentlichungen. Dies erleichtert den Nachvollzug der Entwicklung der Medienwirkungsforschung.

 

Zürich, Mai 2017 Heinz Bonfadelli & Thomas N. Friemel

1  Medienwirkungen als Forschungsbereich

 

Lernziele

  1. Sie lernen als Grundlage das Forschungsfeld der Medienwirkungsforschung kennen, d.h. den Gegenstand mit seinen Themen und Problemen.
  2. Sie können die wichtigsten Medienwirkungsphänomene, ihre Dimensionen und die darauf bezogenen Fragestellungen unterscheiden.
  3. Sie kennen die historische Entwicklung der Wirkungsforschung und können die drei wichtigsten Phasen mit den leitenden Theorien unterscheiden.
  4. Sie verstehen die wichtigsten Methoden und Untersuchungsanlagen und die damit verbundenen Probleme der Medienwirkungsforschung.

 

Im ersten einleitenden Kapitel wird die Beschäftigung der Kommunikationswissenschaft und Medienforschung mit den Wirkungen der Massenmedien auf die einzelnen Menschen und die Gesellschaft sowohl in einer historischen Perspektive als auch in systematischer Absicht dargestellt und verortet. Bezogen auf die Entwicklung und den Stand der Medienwirkungsforschung interessieren Fragen wie: Was ist der Gegenstand der Wirkungsforschung und welche Probleme untersucht sie? Welche Fragen werden gestellt? Wie werden Medienwirkungen erklärt und verstanden: Auf welche Ursachen werden sie zurückgeführt? Und durch welche Instanzen und Prozesse sind sie vermittelt? Welche Methoden werden bei der Beantwortung dieser Fragen angewandt, und welche Forschungen sind durchgeführt worden?

1.1 Gegenstand

Wissenschaft als Theoriebildung und empirische Forschung reagiert oft mehr oder weniger direkt auf soziale Probleme, zu deren Verständnis und Lösung sie beitragen will bzw. soll. Finanzielle Ressourcen werden hierzu mobilisiert in Abhängigkeit der gesellschaftlich empfundenen Dringlichkeit sowie der Stärke des bestehenden Änderungswillens. Solche außerwissenschaftlichen Prioritäten – z.B. öffentliche Diskurse über „Mediengewalt“ oder „Handy-Sucht“ – können auch binnenwissenschaftliche Prioritäten beeinflussen.

Die Suche nach den Ursachen eines Problems und darauf bezogenen Erklärungsmöglichkeiten geschieht meist im Rahmen eines außerwissenschaftlichen Vorverständnisses, das bestimmt, wie ein Problem gesehen wird. Derartige Problemdefinitionen können bestimmte Fragestellungen oder Faktoren als Ursachenzuschreibungen in den Vordergrund rücken und andere ausblenden: etwa die Frage nach der Wirkung von Mediengewalt, aber nicht nach dem Umgang mit Gewalt in den Medien oder dem Beitrag der Medien zur Entstehung von Aggressivität, aber nicht nach Angst im Alltag (Röser 1997: 438ff.). Zu fragen ist darum: Welche Alltagsprobleme haben zur Herausbildung der Medienwirkungsforschung geführt und waren bzw. sind für deren Entwicklung von Bedeutung?

1.1.1 Medienwirkungen als gesellschaftliches Problem

Seit jeher sind die Möglichkeiten der intendierten Beeinflussung durch Mittel der Kommunikation (Rhetorik) und Massenkommunikation (Propaganda) bei verschiedensten gesellschaftlichen Akteuren auf Interesse gestoßen. Dies gilt im besonderen Maße für die modernen Medien, die einerseits potenziell große Publika erreichen, deren Auswirkungen andererseits wegen ihrer technischen Vermittlung und Einseitigkeit sowie ihres dispersen Publikums flüchtig und kaum sichtbar sind. Dabei geht es sowohl um das vermutete unspezifische Wirkungspotenzial von Fernsehen, Internet, Computerspielen oder der Mobilkommunikation in Form von Suchtverhalten, als auch um den Medien zugeschriebene soziale Probleme wie Essstörungen, Komatrinken, Sexsucht, Geschlechterstereotype, Diskriminierung von Migranten, Politikverdrossenheit oder Gewalt (Schweiger 2013: 15). Die jeweiligen Medieneffekte werden normativ (Bonfadelli 2013) unter negativem Vorzeichen und allenfalls mit Zitaten von sog. „Experten“ emotional kontrovers diskutiert. Und speziell Laien neigen zur Überschätzung des Wirkungspotenzials der Medien, was in der Folge zur Projektion einer Sündenbockrolle auf die Medien führt.

Ein Interesse an Medienwirkungen bekunden verschiedenste gesellschaftliche Instanzen. Im Folgenden werden einige zentrale Akteure vorgestellt.

Medienkonzerne und Rundfunkunternehmen

Die Kluft zu den Rezipienten und der Orientierungszwang an ihnen – Stichwort „Ökonomie der Aufmerksamkeit“ – sowie zunehmende Kommerzialisierung im Medienbereich (Frey-Vor/Siegert/Stiehler 2008: 40ff.; Siegert/Brecheis 2017: 69ff.) erzeugen ein starkes Interesse an Leserschafts- und Publikumsforschung als Instrumente der Kommunikationsoptimierung: redaktionelles Marketing, Redesign des Zeitungslayouts (Bucher 1996; Bucher/Schumacher 2012) oder Usability von Internetangeboten (Böhme-Dürr/Graf 1995; Bucher/Jäckel 2002; Groner/Raess/ Sury 2008). Die Forschung bleibt jedoch meist beschränkt auf Einzelfälle, d.h. auf ein bestimmtes Medium und seine Inhalte. Und ein Großteil dieser Wirkungsstudien wird von den Medien selbst in Auftrag gegeben oder durchgeführt.

Medienschaffende

Im Unterschied zu den Medienunternehmen scheint das Interesse der Medien-schaffenden an Medienwirkungen eher ambivalent zu sein: Inwieweit sollten sie mögliche Effekte ihrer Medienprodukte auf Rezipienten antizipieren und in ihrer Arbeit vorausschauend mitberücksichtigen? Unterliegen sie einer Verantwortungsethik? – Solche normativen Ansprüche, etwa im Gefolge von Kriegsberichterstattung erhoben oder ausgelöst durch Reality-TV und Talkshows, werden meist mit Verweis auf die Informationspflicht des Journalismus zurückgewiesen.

Werbewirtschaft

Aufgrund ihrer Finanzierung durch Werbung müssen Medien für die Werbewirtschaft Angaben über ihre Reichweitenmachen, was zur Werbeträgerforschung als Leserschafts-, Hörer-, Zuschauer- und Internetforschung führte (Meyen 2004; Frey-Vor/Siegert/Stiehler 2008); stimuliert wurde im Gefolge auch die Werbewirkungsforschung (Schenk/Donnerstag/Höflich 1990; Brosius/Fahr 1996; Spanier 2000; Schönbach 2009; Brosius/Jandura 2010; Weber/Fahr 2013; Hüsser 2016), zur Zeit speziell auch zur Online-Werbung (Siegert et al. 2016).

Staat

Propagandabestrebungen, etwa während des I. oder II. Weltkriegs, haben viel zur Herausbildung der modernen Wirkungsforschung beigetragen. Ein Großteil der amerikanischen Sozialwissenschaftler – z.B. Carl I. Hovland – arbeitete damals im Auftrag der Armee (Lowery/DeFleur 1995). Von Interesse war dabei z.B. die Frage: Wie können Filme zur Information und Motivation der Soldaten beitragen? Zudem hat die Wirkungsforschung im Zusammenhang mit der Evaluation von öffentlichen Kommunikationskampagnen zur Gesundheitsprävention oder zum Umweltbewusstsein (Bonfadelli/Friemel 2010; Rice/Atkin 2013) an Bedeutung gewonnen. Befunde der Medienwirkungsforschung bildeten zudem die Basis für medienpolitische Entscheidungen wie z.B. bei der Begleitforschung zu den Pilotprojekten mit Kabelfernsehen in Deutschland oder zur Einführung der Lokalradios (Becker/Schönbach 1989), auch in der Schweiz (www.bakom.admin.ch).

Parteien

Der Stellenwert der Medien als wichtige Propagandamittel im Wahlkampf führt einerseits zu immer mehr und auch umfassenderer politischer Werbung und PR (Pfetsch/Dahlke 1996; Röttger 2009), andererseits zu einem Druck auf die Wirkungsforschung, politische Einflussmöglichkeiten der Medien als „Propaganda“ und „Persuasion“ zu erforschen (O’Keefe 2002; Perloff 2008; Cialdini 2010; Dillard 2010; Ajzen 2012; Dillard/Shen 2013; Holbert/Tchernev 2013; Wirth/Kühne 2013). – Ein frühes Beispiel sind die Wahlstudien von Paul F. Lazarsfeld (Langenbucher 2008) in den 1940er-Jahren in den USA (vgl. Kap. 6.2.1); und in jüngerer Zeit haben Emotionen in der persuasiven Kommunikation eine größere Bedeutung erlangt (Nabi 2009; Pfau 2009; Dillard/Seo 2013; Wirth 2013).

Kulturkritik

Seit dem Aufkommen des Films zu Beginn des 20. Jahrhunderts sind die Medien periodisch zum Ziel kulturkritischer Vorwürfe geworden: Günther Anders (1961), Marie Winn (1977), Jerry Mander (1978), Neil Postman (1985), Pierre Bourdieu (1998), Joshua Meyrowitz (2009). Verschiedenste Institutionen und Gruppen wie Kirchen, Schulen oder Ärzte haben im Zeitverlauf den Medien Film, Radio, Comics, Fernsehen, Video, der Rockmusik, Computerspielen oder dem Handy vorgeworfen, „eine Droge zu sein“, „Gewalt anzustiften“, „die Lesefertigkeiten zu beeinträchtigen“ oder „die Sitten herabzusetzen“. Solche Vorwürfe haben die Forschung zum Thema Medienwirkungen stark beeinflusst. Beispiele sind in den USA die Payne-Fund-Film-Studies der 1920er-Jahre oder 1972 der NIMH-Bericht des Surgeon General’s Scientific Advisory Committee zur TV-Gewalt (Lowery/DeFleur 1995), das DFG-Forschungsprogramm „Medienwirkungen“ in den 1980er-Jahren (Schulz 1992), die Studie „Safer Internet for Children“ der Europäischen Kommission (2007) oder das Forschungsprojekt „Mediatisierte Welten“ der DFG ab 2010 (Krotz/Despotović/Kruse 2017).

Rezipienten

Begriffe wie „Beeinflussung“ bzw. „Persuasion“ durch die Medien, „Irreführung“ durch Werbung oder „Manipulation“ durch Medienpropaganda im Sinne von Medienmacht werden von den Nutzern der Medien selbst gebraucht, so z.B. von Eltern zur Rechtfertigung erzieherischer Maßnahmen. Im Allgemeinen dürfte das Problembewusstsein des Publikums bezüglich „Medienwirkungen“ jedoch eher gering sein, erlebt dieses doch Medienzuwendung als eigenaktives und selbstgesteuertes Verhalten, während die sog. „Anderen“ als stark beeinflusst betrachtet werden: Third-Person-Effekt (vgl. Kap. 6.5). Dies gilt speziell für negativ bewertete Wirkungen wie politische Propaganda, Werbung oder Mediengewalt. Allerdings spielen bei der Zuwendung zu Medien und der Auswahl von Medienangeboten Qualitätsurteile der Rezipienten eine wichtige Rolle, was sich in der angewandten Forschung äußert (Beck/Schweiger/Wirth 2004; Fretwurst/Bonfadelli 2012).

1.1.2 Themenfokus: Medienkompetenz

Die oben angesprochene Kulturkritik an den Medien und ihren Wirkungen hat nicht zuletzt zur Entwicklung von (schulischer) Medienerziehung bzw. Medienpädagogik beigetragen, welche auf Medienkompetenz (engl. media literacy, media skills) als basale Fähigkeit im Umgang mit Medienangeboten in der heutigen Mediengesellschaft fokussiert. Deren Ziel ist es, Menschen zu kompetenten Mediennutzern zu erziehen. Kompetenter Medienumgang heißt, je nach medienpädagogischem Ansatz (Schorb 2003) anders gewichtet: a) aus einem vielfältigen Medienangebot selbstbestimmt und bedürfnisorientiert auszuwählen, b) Medienbotschaften angemessen verstehen und bewerten zu können, c) Medieneinflüsse zu erkennen und aufarbeiten zu können, d) Medien hinsichtlich ihrer gesellschaftlichen Relevanz zu analysieren und zu bewerten und e) Medien selber gestalten zu können (Aufenanger 2002; Six/Gimmler 2007; Hugger 2008; Trepte 2008). Von Bedeutung sind ungleiche Zugangschancen (van Dijk 2009; Friemel 2016) und Kompetenzen im Umgang mit dem Internet (Friemel/Signer 2010), aber auch die Sensibilisierung bezüglich Risiken (Livingstone/Hadden 2011). – Medienerziehung kann nach der Meta-Analyse von Jeong/Cho/Hwang (2012) durchaus wirksam sein.

Zwischen Medienkompetenz und Medienangeboten auf der einen Seite sowie Mediennutzung und Medienwirkungen auf der anderen Seite bestehen vielfältige und komplexe Wechselwirkungen. Die Medienpsychologin Hertha Sturm hat sich schon früh im Rahmen ihres rezipienten-orientierten Ansatzes (Sturm 1981, 1982) mit den Konsequenzen speziell der medienspezifischen Angebotsweisen des Fernsehens und den kognitiven wie affektiven Voraussetzungen eines kompetenten Medienumgangs von Heranwachsenden auseinandergesetzt und Folgerungen für die Medienpädagogik und eine rezipientenorientierte Mediendramaturgie (Sturm 2000) formuliert.

Prämisse

Die Forschungen von Hertha Sturm basieren auf der Prämisse, dass nicht nur Medieninhalte wie z.B. Gewalt, sondern auch formale Angebotsweisen der Medien ihre Auswirkungen auf die Rezipienten haben. Umgekehrt erwerben die Heranwachsenden im Prozess der Mediensozialisation, d.h. im steten Umgang mit inhaltlichen Angeboten und formalen Codes der verschiedenen Medien z.B. Fernsehen vs. Printmedien, eine je anders akzentuierte Medienkompetenz.

Befunde

Nach Hertha Sturm (1984, 2000) waren es vorab fernsehtypische Charakteristika, welche die Herausbildung von kognitiven Fertigkeiten als formale Medienwirkungen beeinflusst haben. Ihre dazu formulierten Thesen wurden in der Folge zum Teil empirisch überprüft (vgl. Bickham/Schmidt/Huston 2012):

  1. Schnelligkeit und Aufmerksamkeitserfordernis. Das Medium Fernsehen erfordert wegen der Schnelligkeit seiner sprachlichen, aber auch bildlichen Angebotsweisen vom Rezipienten eine kontinuierlich gespannte Aufmerksamkeit, was die Bildung eigener Vorstellungen behindert und Kreativität sowie Phantasie unterdrückt.
  2. Kurzfristigkeit und rascher Wechsel. Ständig rascher Wechsel von Themen und Bildfolgen sowie unvollständige Handlungsabläufe stellen hohe Anforderungen an die Informationsverarbeitung. Interpretierende und reflektierende Leistungen brauchen Zeit; diese werden aber durch das TV erschwert: „fehlende Halbsekunde“. Dies führt längerfristig zu nachlassenden Aufmerksamkeitsspannen. Vor allem Kinder sind begrenzt aufnahmefähig, ermüden rasch und nehmen einzelne Eindrücke eher unverbunden wahr.
  3. Fremdgesteuerte Informationsaufnahme. Im Gegensatz zum Lesen kann die Informationsaufnahme beim Fernsehen weder angehalten noch den individuellen Voraussetzungen der einzelnen Rezipienten angepasst werden, was das Verständnis und das Lernen beeinträchtigt.
  4. Dominanz des Bildes und Text-Bild-Schere. Zuschauer hangeln sich dem anschaulichen Bilderfluss entlang; weil die Bildebene jedoch oft nur Nebeninformationen enthält, erfolgen notwendige aktive Verstehensleistungen nur vereinzelt. Die Tiefen- bzw. Strukturinformation der Textebene wird wegen der Konzentration auf Bilder nur ungenügend aufgenommen und verstanden. Dementsprechend gering bleibt die Erinnerungsleistung (vgl. Wember 1976; Brosius/Birk 1994; Winterhoff-Spurk 2001: 43ff.).
  5. Interferenz-Effekte. Die rasche Abfolge von mitunter ganz verschiedenen Inhalten beim Fernsehen – z.B. Nachrichten – erschwert deren Aufnahme. Es kommt zu Vermischung in der Erinnerung. Zusammenfassende, synthetisierende Leistungen unterbleiben.
  6. Diskrepanz zwischen Information und Affekt. Ursache der schlechten Erinnerung bei TV-Nachrichten wird nicht zuletzt auf die Diskrepanz zwischen emotionalem Bildgehalt und sachlichem Off-Ton zurückgeführt. Hoch emotionalisierte Meldungen z.B. in sog. „Bad News“ bzw. Katastrophenberichte behindern die kognitive Verarbeitung und Erinnerung der nachfolgenden Nachrichten (Mundorf et al. 1990; Mundorf/Laird 2002).
  7. Zeigarnik-Effekt. Schließlich geht einer der Befunde dahin, dass Gefühle, die Zuschauer beim Fernsehen mit Fernsehhelden verbinden, sehr stabil sind (vgl. Kap. 3.3 zu parasozialer Interaktion). Im Gegensatz dazu wird das mit den gleichen Personen verbundene Wissen viel rascher vergessen. Frage: Welche Folgen hat es, wenn vertraute TV-Akteure aus Serien plötzlich verschwinden: Verlust- und Trennungsangst bei Kindern. Zudem erzeugen auch nicht abgeschlossene Handlungen Dissonanzen, was als „Zeigarnik-Effekt“ bezeichnet wird.

Übertragung auf Neue Medien

Im Unterschied zur medienzentrierten Perspektive von Hertha Sturm gingen Reeves/Nass (1996) in ihrer „Media Equation“-Perspektive davon aus, dass allgemeine (sozial-)psychologische Gesetzmäßigkeiten bezüglich Wahrnehmung, Gedächtnis und Informationsverarbeitung direkt auf den Umgang mit dem Computer übertragen werden können. Nach ihnen besteht kein Unterschied zwischen „realer Welt“ und „Medienwirklichkeit“. Folgende Gesetzmäßigkeiten wurden empirisch überprüft (vgl. Krämer et al. 2016: 404ff.):

  1. Höflichkeit. Menschen verhalten sich auch Computern gegenüber höflich, d.h. auch dort gelten Regeln wie: Es ist höflich, sich zu verabschieden, sich beim Reden anzuschauen oder kommunikative Prämissen wie Wahrhaftigkeit oder Verhältnismäßigkeit einzuhalten.
  2. Interpersonale Distanz. Räumliche Arrangements bestimmen die Intensität von Reaktionen, d.h. auch mediale Nähe evoziert Aufmerksamkeit.
  3. Interpersonale Bewertungen wie Lob. Alle Menschen lieben es, gelobt zu werden; dies gilt auch für die PC-Interaktion.

1.1.3 Entwicklung und Steuerung der Forschung

Vermeintliche Auswirkungen der Massenmedien und neu von Internet und Social Media wurden kontinuierlich thematisiert – und zwar meist vor dem Hintergrund einer alltagsweltlichen Konzeption von Medienallmacht. Dies ist mit ein Grund, dass die Erforschung individueller und gesellschaftlicher Medienwirkungen als Forschungsproblem die Entwicklung der Kommunikationswissenschaft in den USA (Roberts/Bachen 1981; McLeod/Kosicki/Pan 1991; Sparks 2002; Preiss et al. 2007; Bryant/Oliver 2008; Nabi/Oliver 2009; Potter 2014; Perloff 2015; Rössler et al. 2017) lange Zeit dominiert hat. Für die Entwicklung der Wirkungsforschung war nicht unproblematisch, dass außeruniversitäre Erkenntnisinteressen einen starken Einfluss ausübten, und zwar nicht nur auf die Auswahl der untersuchten Probleme, sondern auch auf das Verständnis der Medienwirkungen, die theoretischen Ansätze und methodischen Zugriffe (Lowery/DeFleur 1995).

Diese Themensteuerung in der Wirkungsforschung zeigt sich in Form von wissenschaftlichen „Moden“, welche die Forschungsaufmerksamkeit steuern. Im Bereich „Kinder und Jugendliche“ äußert sich dies wie folgt: Die Erforschung der Auswirkungen von Fernsehgewalt verlagerte sich Ende der 1970er-Jahre auf prosoziale (sozialverträgliche) Effekte, in den 1980er-Jahren standen Werbewirkungen wie das Verstehen von Werbebotschaften im Zentrum (Wartella/Reeves 1985) und zu Beginn der 1990er-Jahre kam es in den USA wie in Europa zu einer Renaissance des Problems Mediengewalt (Friedrichsen/Vowe 1995; Merten 1999). Neu folgten Studien zum Umgang der Heranwachsenden mit PC und Internet (Brown/Cantor 2000; Buckingham 2002; Livingstone/Haddon 2009), mit Fragestellungen zur Interaktivität (Lin 2009; Metzger 2009), zur Vermischung von massenmedialer und interpersonaler Kommunikation oder zu deren Glaubwürdigkeit und Qualität (Groebel 1997; Winterhoff-Spurk/Vitouch 1989; Schorr 2000; Beck/Schweiger 2001; Schulz 2008). Neu ist eine intensivere Beschäftigung mit den affektiven Wirkungsphänomenen unterhaltender Medienangebote zu konstatieren (Zillmann/Vorderer 2000; Bryant/Miron 2002; Nabi 2009; Vorderer/Hartmann 2009; Wirth 2013, 2014).

Eine zeitliche Fixierung der Forschung auf bestimmte Medien ist ebenso zu beobachten, ohne dass der Gesamtkonstellation der Medien genügend Aufmerksamkeit geschenkt würde. Jedes „neue“ Medium hat so nach seiner Einführung die Wirkungsforschung für eine gewisse Zeit dominiert: Presseforschung um die Jahrhundertwende, Film- und Radioforschung in den 1920er- und 1930er- sowie 1940er-Jahren und die durch das Thema „Gewalt“ dominierte TV-Forschung in den 1960er- und 1970er-Jahren sowie Computerspiele in den 1980er-Jahren. Die Einführung der sog. „Neuen Medien“ und die damit verknüpften Legitimationsprobleme – speziell in Europa – lenkten die Aufmerksamkeit in Form von Begleitforschung ab Mitte der 1980er-Jahre zudem auf Fragen der Nutzung und Akzeptanz sowie der sozialen Auswirkungen von Bildschirmtext, Kabelpilotprojekten (Deutschland) und der Versuchsphase mit lokalem Rundfunk (Schweiz). Ab Mitte der 1990er-Jahre besetzten Computer, Multimedia, Internet und Web ,2.0 zunehmend die Forschungsagenda (Lievrouw/Livingstone 2002; Mundorf/Laird 2002; Rössler 2007; Lin 2009; Metzger 2009; Jandura/Fahr/Brosius 2013).

Auf theoretischer Ebene prägten markante Paradigmenwechsel die Entwicklung der Wirkungsforschung (Donsbach 1995: 52ff.; Brosius 1997: 12ff.; Jäckel 2008: 65ff.; McQuail 2010: 451ff.; Neuendorf/Jeffres 2017): Neben den drei Hauptphasen (Medienallmacht – Medienohnmacht – moderate Effekte; vgl. Kap. 1.3) sticht der in den 1970er-Jahren vollzogene Wechsel weg vom Einstellungswandel und hin zu kognitiven und affektiven Wirkungen ins Auge.

In methodischer Hinsicht stieg seit den 1980er-Jahren das Interesse einerseits an qualitativen Rezeptionsstudien (Rössler/Hasebrink/Jäckel 2001; Rössler/Kubisch/ Gehrau 2002) – etwa in der Tradition der Cultural Studies (Hall 1981, 1999; Miller 2009) – und andererseits an medienpsychologischen Prozessen, welche Medieneffekte mediatisieren (Trepte/Reinecke 2013; Krämer et al. 2016; Wirth 2013).

Zusammenfassend kann wegen des oben konstatierten wissenschaftsexternen Problemdrucks und der durch die Medienentwicklung induzierten Prioritäten der Forschung festgehalten werden, dass bestimmte Problembereiche des Feldes „Medienwirkungen“ in der Vergangenheit intensiv bearbeitet worden sind, während zu anderen weniger empirische Studien existieren. Zudem haben die vielen beschränkten Einzelstudien mit monomedialer Fixierung zu keiner übergreifenden und integrativen Theoriebildung geführt (Berghaus 1999: 181; Bilandzic 2014). In theoretischer Hinsicht sollten Medienwirkungen deshalb vermehrt als komplexe, längerfristig ablaufende und dynamische Prozesse, die nicht nur das Einzelindividuum, sondern makrotheoretisch soziale Systeme im umfassenden Sinn betreffen, thematisiert und mittels Mehrebenendesigns im Medienvergleich analysiert werden (Schulz 1982: 64ff.; Pan/McLeod 1991: 144ff.; Donsbach 1995: 67; McQuail 2010: 451ff.; Perse 2001: 14f.; Schweiger 2013; Falkenburg/Peter 2013).

1.1.4 Definitionen von Medienwirkungen

Mit welchen Phänomenen befasst sich die Medienwirkungsforschung? Was versteht man eigentlich unter dem Forschungsgegenstand „Medienwirkungen“ (Kepplinger 1982; Merten 1982, 1991; Schenk 1998; McQuail 2010: 463)?

Die Dominanz von angewandter Forschung und wissenschaftsextern gesetzten Forschungsthemen hatte lange Zeit zur Folge, dass sich die Medienwirkungsforschung an einem restriktiv definierten Wirkungsbegriff orientierte. Die überwiegende Mehrheit der empirischen Forschungen in den USA befasste sich nur mit dem Typus der intendierten, kurzfristigen Beeinflussung von Meinungen, Einstellungen und Verhaltensweisen bei einzelnen Rezipienten durch bestimmte, vorab persuasive Medieninhalte, was sich auch in den älteren Monografien der deutschsprachigen Rezeption der amerikanischen Wirkungsforschung niederschlug (Schramm 1964; Dröge/Weissenborn/Haft 1973; Hackforth 1976). Und dies, obwohl allein die Unterteilung nach 1) physischen vs. inhaltsbezogenen, 2) kognitiven vs. einstellungsbezogenen vs. verhaltensmäßigen, 3) individuellen vs. interpersonalen vs. gesellschaftlichen Einstellungsdimensionen insgesamt 18 Wirkungsphänomene ergibt. McLeod/Kosicki/Pan (1991) unterscheiden sogar 192 Typen von Wirkungen aufgrund sieben dichotomer Dimensionen: 1) Mikro vs. Makro, 2) Veränderung vs. Stabilisierung, 3) kumulativ vs. nicht kumulativ, 4) kurz- vs. langfristig, 5) Einstellungen vs. Kognitionen vs. Verhalten, 6) diffus vs. inhaltsspezifisch, 7) direkt vs. bedingt (vgl. Perse 2001: 17).

Abb. 1: Typen von Medienwirkungen

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(Quelle: nach McQuail 2010: 466)

Der allmähliche Wandel hin zu einem breiteren und umfassenderen Verständnis von Medienwirkungsphänomenen (vgl. Abb. 1) äußert sich ebenfalls in den unterschiedlichen Definitionen von Medienwirkung, die der Medienwirkungsforschung in ihren verschiedenen Phasen zugrunde lagen (vgl. auch Schweiger 2013: 19):

 

Definitionen: Medienwirkungen

Maletzke (1963: 190): Wirkungen als sämtliche Prozesse, die sich in der postkommunikativen Phase als Folgen der Massenkommunikation abspielen und in der eigentlichen kommunikativen Phase alle Verhaltensweisen, die aus der Zuwendung des Menschen zu Aussagen der Massenkommunikation resultieren.

Berelson/Steiner (1964, dt. 1972: 334): Wirkungen als jeder Wechsel im Verhalten des Publikums als Folge der Tatsache, dass es einer bestimmten Kommunikation ausgesetzt war.

Dröge/Weissenborn/Haft (1973: 34): Wirkungen als von einem Stimulusfeld bewegter Meinungs- und Einstellungspunkt auf einem entsprechenden Meinungs- oder Einstellungskontinuum, das jeweils themenspezifisch konstruiert werden kann.

Schulz (1982: 51ff.): Der Begriff Medienwirkungen umfasst in einem weiten Sinn alle Veränderungen, die – wenn auch nur partiell oder in Interaktion mit anderen Faktoren – auf Medien, bzw. deren Mitteilungen zurückgeführt werden können. Diese Veränderungen können sowohl direkt die Eigenschaften von Individuen, Aggregaten, Systemen, Institutionen betreffen, wie auch den auf andere Weise induzierten Wandel dieser Eigenschaften.

Hasebrink (2002: 374): Medien wirken, wenn unter Wirkung die gegenseitige Beziehung zwischen Medienangeboten und Rezipienten im Sinne einer wechselseitigen Beeinflussung verstanden wird, im Zuge derer sich alle Beteiligten selbst verändern.

 

1.2 Fragestellungen

Der komplexe Wirkungsbegriff (Schulz 1982) und die stärkere Berücksichtigung des Faktors „Zeit“ (McQuail 2000) legt ein breites Spektrum möglicher Wirkungsphänomene als Gegenstand der Medienwirkungsforschung frei, das nicht mittels einer einzigen übergreifenden Theorie erschlossen werden kann. Um die Frage nach den Wirkungen der Massenmedien überhaupt sinnvoll angehen zu können, ist Differenzierung notwendig (Hackforth 1976, 1977; Chaffee 1977; Brosius 1997; Schweiger 2013): Sie kann sich a) am Spektrum möglicher Medienwirkungen orientieren oder b) Medienwirkungen nach Dimensionen aufgliedern.

1.2.1 Spektrum möglicher Medienwirkungsphänomene

Differenziert man die Vielfalt möglicher Medienwirkungen nach den Phasen im Kommunikationsprozess, so ergeben sich drei große Bereiche von Wirkungen, die sich nach verschiedenen Wirkungsphänomenen untergliedern lassen.

 

Merksatz

Prozessorientiert lassen sich Medienwirkungen nach drei Phasen unterscheiden: 1) im Vorfeld der Kommunikation (präkommunikative Phase), 2) während des Kommunikationsprozesses (kommunikative Phase) und 3) nach der Medienzuwendung (postkommunikative Phase).

 

Präkommunikative Phase: Mediennutzung (vgl. Kap. 2)

Mediennutzung. Eine wichtige, aber oft übersehene Medienwirkung besteht darin, dass diese überhaupt genutzt werden. Die Zuwendung zu den Medien ist aber alles andere als selbstverständlich, erfordert sie doch Ressourcen als zeitliche, finanzielle, mentale Kosten (Hastall 2009).

Fragen: Einbau der Medienzuwendung in Alltag und Tagesablauf (Röser 2007; Röser/Thomas/Peil 2010; Naab 2013): Zeitstrukturierung? Viel- vs. Wenignutzer? Substituierung von (Freizeit-)Aktivitäten durch Mediennutzung? Wieso werden gewisse Online-Angebote genutzt, aber andere nicht? Einfluss von Neuen Medien auf bestehende Nutzungsmuster: Komplementarität vs. Konkurrenz?

Motive: Uses & Gratifications U&G. Mediennutzung ist nicht gleich Mediennutzung. Hinter der sichtbaren, faktischen Nutzung können verschiedene kommunikationsrelevante Bedürfnisse und Erwartungen stehen und je nach Motivation des Mediennutzers sind auch je spezifische Effekt zu erwarten (vgl. Kap. 2.5).

Fragen: Wie zielgerichtet bzw. bedürfnisorientiert ist die Medienzuwendung? Wie groß ist der Stellenwert habitueller Nutzung? Welcher Art sind und welche Struktur haben die hinter der Mediennutzung liegenden Bedürfnisse? Was ist die je spezifische Funktionalität der Medien bezüglich Befriedigung von Bedürfnissen? Wie ist das Verhältnis zwischen Angebot von Medieninhalten und kommunikationsrelevanten Bedürfnissen? (Schweiger 2007: 60ff.; Haradikis 2013)

Kommunikative Phase: Medienrezeption (vgl. Kap. 3)

Aufmerksamkeit und Verstehen. Die während der Kommunikation ablaufenden kognitiven Prozesse wie Aufmerksamkeit, Verstehen, Verarbeitung, Umsetzung der Medienbotschaften wurden lange Zeit vernachlässigt (Anderson 2017).

Fragen: Wie orientieren sich Nutzer auf Websites und wie wird deren Glaubwürdigkeit beurteilt (Bucher 2008)? Wie schreiben Nutzer im Rezeptionsprozess der objektiven Medienrealität subjektiven Sinn zu? Wie interagieren vorhandenes Vorwissen, Interessen und Prädispositionen sowie Decodierungskompetenzen auf Seiten des Rezipienten mit den inhaltlichen und formalen Angeboten der Medien? Welche Konsequenzen hat der stete Umgang mit bestimmten Medien (TV) für die Herausbildung der Lese-/Medienkompetenz?

Affekte. Emotionale Medieneffekte während und auch nach der Mediennutzung (z.B. Anschlusskommunikation) etwa im Zusammenhang mit dem Konsum von Unterhaltungsangeboten blieben lange Zeit wenig erforscht (Vorderer 2001; Nabi 2009; Wirth 2013, 2014): z.B. „Angst-Lust“ bei TV-Gewalt oder Identifikation vs. parasoziale Interaktion mit TV-Helden (vgl. Kap. 3.3 und 3.4).

Postkommunikative Phase: Medienwirkungen (vgl. Kap. 4-7)

Einstellungswandel. Vor allem die klassische Wirkungsforschung hat sich mit dem Einfluss der Medienberichterstattung auf das Meinungsklima, d.h. auf Stabilität und Wandel von Einstellungen befasst (Klapper 1960). Heute stehen Beziehungen zwischen Konstanz und Konsonanz der Berichterstattung und der Entwicklung des Meinungsklimas im Zentrum der Forschung (vgl. Kap. 4.3).

Agenda-Setting. Vor dem Problem der Beeinflussung von Einstellungen stellt sich die Frage, wie durch die Medienberichterstattung mögliche Einstellungsobjekte als Themen der Öffentlichkeit sichtbar und dringlich gemacht werden. Wie ergeben sich Themenprioritäten sowohl bei den Stakeholdern als Kommunikatoren in Form von „Agenda-Building“ als auch bei den Rezipienten in Abhängigkeit der Medienangebote als „Agenda-Setting“ (vgl. Kap. 5.1)?

Framing & Kultivierung. Direkt gemachte Erfahrungen beziehen sich nur auf einen kleinen persönlich überschaubaren Bereich. Die Mehrzahl der Erfahrungen über die weitere Umwelt ist jedoch medial vermittelt bzw. medialisiert. Diese Medienrealität muss als konstruiert bzw. geframt verstanden werden, die auch gesellschaftliche Interessenverteilungen spiegelt.

Fragen: Verhältnis von Alltags-, Medien- und sozialer Realität? Einfluss der Medienrealität auf die Perzeption und Konstruktion sozialer Realität wie Framing-Effekte (vgl. Kap. 5.2), auf politische Ansichten oder die Kultivierung von Vorstellungen über Gewalt, Geschlechterrollen oder Körperbilder (vgl. Kap. 7.3)?

Wissensklüfte. Obwohl die Medieninformationen, im Gegensatz etwa zum Schulsystem, öffentlich, d.h. prinzipiell allen zugänglich sind, werden die verschiedenen Medien als Informationsquellen von den einzelnen sozialen Segmenten der Gesellschaft ungleich genutzt.

Fragen: Wie unterschiedlich sind die Nutzungsmuster der verschiedenen sozialen Segmente? Wie entwickelt sich die sog. „Digital Divide“ als ungleicher Zugang zum und Nutzung des Internet? Besteht die Gefahr einer wachsenden Kluft zwischen den Gut- und den Schlecht-Informierten? Welche Faktoren fördern oder hemmen die homogene Ausbreitung von medienvermitteltem gesellschaftlichem Wissen (vgl. Kap. 7.1 und 7.2)?

Wissen – Einstellungen – Verhalten. Obwohl durch medienvermittelte Information gelernt und die Bildung von Meinungen und Einstellungen beeinflusst wird, gibt es eher wenig gesichertes Wissen zur komplexen Dynamik von Wissen, Einstellungen und den dadurch beeinflussten Verhaltensweisen, z.B. zum Thema „Klimawandel“. Als Herausforderung für die Forschung stellt sich die Aufgabe, genauer zu spezifizieren, unter welchen Bedingungen Wissen, Einstellungen und Verhalten zusammengehen und wann nicht (vgl. Kap. 4.2.7).

Meso- und Makroeffekte. Wirkungsforschung befasst sich im Rahmen von sozialpsychologischen Theorien vorab mit individuellen Medieneffekten der Mikroebene. Eine Berücksichtigung von Effekten auf soziale Netzwerke wie Dyaden, Gruppen, Familie, Kommunen etc. ist aber dringlich (vgl. Kap. 6). Dabei ginge es auch um nichtinhaltliche Rückwirkungen auf den sozialen Bereich, die durch das Vorhandensein des Mediums an sich oder durch seine soziale Präsenz erfolgen.

Fragen: Einfluss des Fernsehens auf die Struktur von Politik: Medialisierung (Lundby 2009)? Medien und inszenierte Pseudoereignisse? Schweigespiralen-Effekte auf das Meinungsklima (vgl. Kap. 6.8)?

 

Merksatz

Thematisch-inhaltlich lassen sich Medienwirkungen nach drei Bereichen unterscheiden: 1) kognitive Wirkungen als Verarbeitung und Wissenserwerb, 2) affektive Wirkungen als Beeinflussung von Emotionen und 3) konative Wirkungen der Medien auf das Verhaltender Mediennutzer.

 

1.2.2 Dimensionen der Medienwirkungen

Die Darstellung des Spektrums möglicher Medienwirkungen verdeutlicht, dass sich der Wirkungsbegriff auf heterogene Wirkungsphänomene bezieht. Nur eine systematische Analyse dieser unterschiedlichen Wirkungstypen nach zugrunde liegenden Dimensionen wird die Theoriebildung und Forschung weiterbringen (Brosius 1997: 24ff.; Berghaus 1999: 181ff.; Perse 2001: 23ff.; Schweiger 2013: 19ff.).

Themen und Zielgruppen. Effekte können nach Themen differenziert werden: Wirkung von politischer Kommunikation bei Wahlen und Abstimmungen (McLeod/Kosicki/McLeod 2002; Schulz 2008), Werbung (Schenk/Donnerstag/Höflich 1990; Stewart/Pavlou/Ward 2002), Gewalt (Friedrichsen/Vowe 1995; Merten 1999; Kunczik/Zipfel 2006), Sexualität und Pornografie (Harris/ Barlett 2009) oder Unterhaltung (Zillmann/Vorderer 2000; Vorderer/Hartmann 2009). Eine Ordnung nach Zielgruppen ergibt Wirkungen bei Kindern und Jugendlichen (Comstock/Paik 1991; Buckingham 2002), Familien (Schäfer 2007; Bickham/Schmidt/Huston 2012), Frauen (Klaus 1998; Böck/Weish 2002), Minoritäten (Mastro 2009) oder Viel- vs. Wenignutzern (Gerbner 2000). Und die Darstellung von Personen nach Geschlechter- und Berufsrollen (Klaus 1998; Holtz-Bacha 2008) beeinflusst Wahrnehmung und Bewertung dieser Gruppen. Sowohl Themen als auch Zielgruppen definieren Forschungsfelder mit spezifischen Fragestellungen, theoretischen Perspektiven und Befunden wie Werbewirkungsforschung oder Mediengewaltforschung.

Verortung im Kommunikationsablauf. Im zeitlichen Ablauf des Kommunikationsprozesses lassen sich drei Wirkungsphasen abgrenzen: a) Präkommunikative Wirkungen beziehen sich auf Phänomene wie Medienselektion, aktive Informationssuche und Nutzungsmotive, die vor dem Kommunikationsakt stehen; b) als kommunikative Wirkungen gelten die während der Kommunikation selbst ablaufenden Prozesse wie Aufmerksamkeit und Verstehen oder emotionale Aktivierung; und c) postkommunikative Wirkungen sind jene Einflüsse, die nach abgeschlossener Kommunikation feststellbar sind (vgl. Kap. 1.2.1).

Wirkungsbereiche. Postkommunikative Wirkungen beziehen sich auf die Frage „Worauf wirken die Medien?“ Es lassen sich folgende Typen abgrenzen: a) Medieneffekte als Erwerb von Wissen z.B. aufgrund der Nutzung von Nachrichtensendungen oder als Verbreitung von Kenntnissen in der Entwicklungskommunikation, b) als Beeinflussung von Meinungen und Einstellungen oder Auslösung von Emotionen und c) als Verhaltensbeeinflussung.

Faktoren im Wirkungsprozess. In der klassischen Wirkungsforschung wurde untersucht, welche der einzelnen Faktoren welchen Anteil am Wirkungsgeschehen haben: Kommunikator – Medium – Aussage – Rezipient (Klapper 1960).

Kurz- vs. langfristige Effekte. Viele Befunde der klassischen Medienwirkungsforschung basieren auf Laborexperimenten und befassen sich darum nur mit kurzfristigen Wirkungsphänomenen. Longitudinale Studien zu längerfristigen Effekten im Zeitverlauf sind in der Forschung nach wie vor eher selten. Aber nur so können auch längerfristige Prozesse der Beeinflussung von Individuen und Gesellschaft durch Massenkommunikation im Gegensatz zu den kurzfristigen Wirkungen untersucht werden (McQuail 2000; 2010).

Inhaltsspezifische vs. inhaltsdiffuse Effekte. Die Unterscheidung bezieht sich auf die Frage: Was wirkt überhaupt (Donsbach 1995: 59/60)? Die Betonung kurzfristiger Wirkungsphänomene hat eine Bevorzugung inhaltsspezifischer Effekte von konkreten Inhalten zur Folge gehabt. Inhaltsdiffuse Wirkungen ganzer Programme oder sogar von Medien wurden weniger untersucht.

Fragen: Folgen der Einführung „Neuer“ Medien wie z.B. des Fernsehens in den 1960er-Jahren in den USA oder des Privatfernsehens in den 1980er-Jahren in Deutschland auf die Familie, Konsequenzen der Programmvermehrung auf die Kanalwahl, Unterschiede zwischen AV- und Printmedien bezüglich Verarbeitung und Wissenerwerb, Effekte formaler Angebotsweisen von Medien wie Kurzfristigkeit, schnelle Schnittfolgen u.a.m. beim Fernsehen (Kepplinger 1987; Sturm 1984) oder die Interaktivität des Internets (Lin 2009).

Intendierte vs. nichtintendierte Effekte. Unbeabsichtigte Medienwirkungen beziehen sich auf die Folgen des Medienumgangs z.B. im Zusammenhang mit Prozessen der Sozialisation; demgegenüber umfassen die intendierten Medieneffekte etwa die Effektivität von Kommunikationskampagnen (Rice/Atkin 2013) oder von persuasiver politischer Propaganda (Dillard/Shen 2013).

Direkte vs. indirekte Effekte. Medienberichterstattung kann den interpersonalen Austausch in sozialen Gruppen und Netzwerken anregen und erleichtern, was in einem zweiten Schritt indirekt etwa durch Anschlusskommunikation die Bedeutungszuweisung und Färbung von Themen beeinflussen kann (Schenk 1997: 163; Rogers 2002: 199; Friemel 2013; Gehrau/Goertz 2010; Sommer 2010).

Intensität vs. Verbreitung. Im öffentlichen Diskurs dominieren Phänomene von intensiven bzw. starken Medieneffekten (Brosius/Esser 1998) wie z.B. Nachahmungstaten im Gefolge der Rezeption von Gewaltfilmen. Davon unterschieden werden muss die Frage nach der Verbreitung von u.U. nur wenig intensiven Effekten z.B. im Gefolge einer Kommunikationskampagne.

Stabilisierung vs. Veränderung. Gemeint ist die Unterscheidung zwischen Medieneinflüssen auf Einstellungen und Verhaltensweisen, die beim Menschen schon bestehen und diese verstärken bzw. abschwächen und dem Erlernen und der Ausführung von neuen Verhaltensweisen wie der Diffusion von Innovationen (vgl. Kap. 6.3), die ohne Medieneinfluss sich nicht ereignen würden, z.B. bei Kommunikationskampagnen mit innovativen Zielsetzungen.

Abb. 2: Hierarchie möglicher Medienwirkungen

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(Quelle: Berghaus 1999: 182)

Zusammenfassend hat Berghaus (1999) aufgrund der Feststellungen, dass Medienwirkungen einerseits kein monolithischer Block sind, sondern differenziert zu betrachten sind, aber andererseits auch die Gefahr einer beliebigen Aufsplitterung in verschiedenste Dimensionen von Wirkungen besteht, ein Modell zu deren Systematisierung (vgl. Abb. 2) vorgeschlagen. Es unterscheidet drei Stufen mit abnehmender Bedeutung: 1) Das soziale Umfeld (Familie, Gruppenbindungen und persönliche Kommunikation) liefert Selektionskriterien für die Beurteilung und Wahl von Medien und gibt gleichsam die Leseart für Medienbotschaften vor. 2) Das Medium selbst ist mehr als seine Inhalte. Es enthält eine mächtigere „Message“, die der Wirkung einzelner Medieninhalte vorausgeht. 3) Themen und Informationen bilden die größten Wirkungspotenzen von Medieninhalten. Dagegen werden Meinungen und Einstellungen im sozialen Umfeld gebildet, dort stabil gehalten und in „looking-glass“-Manier in Medieninhalte hineinprojiziert.

1.2.3 Tendenzen der Medienwirkungsforschung

Ab den 1970er-Jahren ist eine Neuorientierung in der Medienwirkungsforschung erkennbar und ab 2000 hat die zunehmende Medienkonvergenz – Stichwort „Online-Kommunikation“ – zu neuen meta-theoretischen Diskussionen Anstoß gegeben. Damit hat sich auch das Verständnis von Medienwirkungen selbst verändert. Folgende Akzentverschiebungen sind erkennbar (Clarke/Kline 1974; Chaffee 1977; McLeod/Reeves 1980; Mahle 1985; DFG 1986; Bryant /Zillmann 2009; Brosius 2013; Schweiger 2013):

Inhaltsspezifische vs. kommunikationsspezifische Effekte. Die Wirkungsforschung der 1960er-Jahre hat sich vor allem mit den Effekten von spezifischen Medieninhalten befasst. Neu wird stärker das kommunikative Verhalten der Rezipienten untersucht: Warum suchen bestimmte Akteure in bestimmten sozialen Situationen bei bestimmten Medien gewisse Informationen oder nicht?

Medienkonvergenz. Online-Kommunikation hat zu einer Konvergenz der einzelnen Medien geführt, was ein Überdenken der theoretischen Ansätze der Wirkungsforschung nötig macht, welche den Einfluss einzelner unabhängiger Medien wie TV oder Zeitung fokussieren (Kleinen-von Königslöw/Förster 2014).

Effekte als Produkt oder Prozess. Die klassische Wirkungsforschung ist auf ein eher statisches Konzept von Wirkung als postkommunikatives Produkt der Beeinflussung festgelegt. Im Gegensatz dazu steht die Theorieanpassung der digitalen Medienwelt von Medienwirkung als aktives, durch den Rezipienten gesteuertes sinnhaftes Interaktions- und konstruktives Rezeptionsgeschehen.

Einstellungen vs. Kognitionen. Die Betonung von kommunikationsspezifischen und prozessorientierten Wirkungen seit den 1970er-Jahren geht zusammen mit einer Abwendung vom klassischen Einstellungskonzept: Kognitive Medieneffekte wie Wissenserweiterung oder Informationssuche, aber auch affektive Auswirkungen sind als fruchtbare Forschungsgebiete entdeckt worden.

Effekthierarchie. Das Einstellungskonzept der klassischen Wirkungsforschung impliziert eine hierarchische Interpretation des Wirkungsprozesses: Wissen führt zur Bildung von positiven oder negativen Einstellungen (Affekt) und diese wiederum steuern Verhalten. Diese lineare Umsetzung als Lernhierarchie gilt nicht generell, d.h. es müssen auch andere Konstellationen analysiert werden wie z.B. die Dissonanz-Attributions-Hierarchie: Verhalten ® Affekt ® Wissen oder die Low-Involvement-Hierarchie: Affekt ® Verhalten ® Lernen (vgl. Kap. 4.4.3).

Mikro- vs. Makroebene. Medieneffekte sollen nicht nur auf der Ebene des einzelnen Menschen angegangen werden. Individuelle Wirkungen können nämlich nicht additiv zu gesamtgesellschaftlichen Konsequenzen zusammengefasst werden. Gefordert ist eine systemhaftereMehrebenenansätze