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„Denn es hat sich herumgesprochen, dass das Unglück nicht entsteht wie der Regen, sondern von etlichen gemacht wird, welche ihren Vorteil davon haben (…)“

„Ich sehe dieses System und äußerlich ist’s lang bekannt, nur nicht im Zusammenhang (…)“

„Lasst euch nicht vertrösten! Ihr habt nicht zu viel Zeit! (…)“

(Bertold Brecht)

Xaver Schneider

Spenden?

Nein Danke!

Ein Blick hinter die Kulissen:

Erfahrungsberichte und Ansichten über die Spenden- und Patenmaschinerie

© 2017 Xaver Schneider

Autor: Xaver Schneider

Umschlaggestaltung, Fotos: Xaver Schneider

Korrektorat/Lektorat: G.H.F.

Verlag: myMorawa von Morawa Lesezirkel GmbH

ISBN: 978-3-99070-149-2 (Paperback)

ISBN: 978-3-99070-151-5 (e-Book)

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Was ist eine NPO?

Wirtschaftsimperium NPO oder die Illusion vom Spendengütesiegel

Über den Umgang mit Mitarbeitern

Paten-schaf(f)t Leid

Helfen Sie Mädchen, retten Sie Wildtiere!

Grauzone Datenschutz oder Kinder als Ware

Kolonialisierung neu

„Glücksfall“ Krieg und Katastrophe

F2F, D2D

Gott Consulting

Madagaskar

Wichtig: Fazit und Alternativen

Einleitung

Der Entschluss, dieses Buch zu schreiben, reifte nicht nur durch meine Erfahrungen, die ich in der Non-Profit-Branche gesammelt habe, sondern auch durch viele Gespräche mit Spendern und Paten. Bei der Erwähnung von zweifelhaften Vorgängen in der Welt der Organisationen reagierten Paten und Spender auffallend gleich:

Einerseits fühlten sie sich zwar in ihrem leisen Misstrauen bestätigt, dass Organisationen etwas Unlauteres verbergen könnten, klammerten sich aber dennoch an die Illusion, dass vielleicht doch irgendwie, irgendwo ein bisschen etwas Gutes mit ihrem Geld geschieht und spendeten wider besseren Wissens weiter. Somit ist dieses Buch auch entstanden, um dieser Unsicherheit der spendenden Menschen abzuhelfen und aufzuzeigen, dass es keine NPOs braucht, um Menschen und diesem Planeten zu helfen.

Aufrufe, für irgendetwas zu spenden, sind für uns schon so alltäglich geworden, dass wir sie kaum mehr hinterfragen. Üblicherweise machen wir ganz automatisch das, wozu wir von zahllosen Hilfsorganisationen und Vereinen medial aufgefordert werden: Wir spenden brav und das ständig.

Den meisten von uns verhilft die Übernahme einer Patenschaft oder die Überweisung einer Spende zu einem guten Gefühl. Man genießt die selbstzufriedene Illusion, etwas Gutes getan zu haben, ist stolz auf sich. Man ist sich sicher, großzügig gehandelt und einen kleinen Beitrag für eine vermeintlich bessere Welt geleistet zu haben. Es ist vielleicht auch ein gewisses Gefühl der Beruhigung zu spüren, denn manche Menschen sehen den weltweit ständig stattfindenden Katastrophen nur zu, als Spender oder Pate fühlt es sich aber so an, als hätte man etwas dagegen unternommen. Nicht zu vergessen auf das gesellschaftliche Image, das jeder von uns pflegt, denn erwähnt man - natürlich nur beiläufig - seine Spendentätigkeit, erhält man dafür üblicherweise Anerkennung.

Allen Überfluss und Luxus, den man erlebt und sich gelegentlich gönnt, kann man außerdem mit weniger schlechtem Gewissen genießen, wenn man sich zwischendurch mit einer Spende sozusagen die Absolution erteilt. Diesen Effekt, der den Ablasszahlungen der katholischen Kirche im Mittelalter durchaus ähnlich ist, kennen Mittelbeschaffer von Non-Profit-Organisationen ganz genau und nützen ihn für ihre Zwecke.

Was neben der Anschaffung eines Rollstuhles, der Finanzierung einer Operation, einer Reittherapie, Essenspaketen, Schulbildung, dem Ankauf von Regenwald oder Ähnlichem mit Ihrem Geld passiert, nämlich hinter den Kulissen oder in den Einsatzorten der Organisation, für die Sie spenden, wissen Sie das auch und hinterfragen Sie das jemals?

Wie jedes andere Unternehmen ist auch eine Sozial- oder Umweltorganisation nichts anderes als eine Firma, bei der es hinter einem hochprofessionell entworfenen selbstlosen Image knallhart gewinnorientiert zugeht. Egal, wer spendet, ob junge oder ältere Menschen, Männer oder Frauen, alle haben die Illusion, dass die öffentliche Darstellung der Gemeinnützigen und die Realität dasselbe bedeuten. Das ist ein fataler Trugschluss.

Sozialwidrigkeiten, Verschwendung von Spenden im großen Stil, Diskriminierungen, Ausbeutung von Menschen, Mobbing durch das Management gegenüber den Mitarbeitern, Hilfskolonialisierungen, Glaubensmissionierungen und die unmoralische Überzeugung sämtlicher Gemeinnütziger, dass jedes Mittel jeden Zweck heiligt, um zu Spenden und Patenschaften zu kommen, das kann sich zwar niemand vorstellen, findet aber tatsächlich statt. Teilweise nicht einmal nur intern und somit im Geheimen, sondern vor unser aller Augen, ohne, dass wir es bemerken, so abgestumpft sind wir bereits von der Bilderwelt und der Sprache der Gemeinnützigen.

Das Nonplusultra für jedes Organisationsimage ist darüber hinaus das sogenannte Spendengütesiegel. Spendenskandale waren gestern, heute gibt es dieses allseits anerkannte Siegel, das angeblich die korrekte Verwendung von Spenden- und Patengeld garantieren soll. Damit fühlt man sich als Pate und Spender auf der sicheren Seite. Das Spendengütesiegel erfüllt allerdings eher den Selbstzweck, die Öffentlichkeit zu beruhigen und ist deshalb ein perfektes Versteck und Schutzschild für alle Gemeinnützigen.

Trotz dieses Gütesiegels besteht die Möglichkeit, dass Ihre Spenden und Patenschaften nichts Gutes bewirken. Es könnte sein, dass folgendes mit Ihrem Geld passiert: Reiche Consultingunternehmen werden noch reicher, teure Fundraising-Berater werden finanziert, Werbeagenturen und Businessclass-Flüge für Non-Profit-Manager werden mit Spendengeldern bezahlt. Meetings und Workshops in 4-Sterne-Wellnesshotels haben Sie damit vielleicht ebenfalls möglich gemacht, den Kauf von Designermöbeln, Dienstwohnungen, Dienstautos und Diensthandys unterstützt, Dienstreisen rund um den Erdball werden mit Ihrem Geld unternommen und Mitarbeiter der Organisation, die auf einem anderen Kontinent leben, werden eventuell mit Spendengeld monatlich zu Besprechungen nach Mitteleuropa eingeflogen.

Ebenso könnten Sie mitgeholfen haben NPO-Manager mit beachtlichen Gehältern reich zu machen, oder fördern, dass Angestellte der Organisation für minimales Gehalt arbeiten müssen, von dem kein Überleben möglich ist, und mit endlosen Über- und Mehrstunden über die Grenzen ihrer Belastbarkeit hinaus ausgebeutet werden. Sie haben vielleicht ungesetzliche und ausbeuterische Arbeitsverträge ermöglicht und geholfen, Mitarbeiter sozialwidrig zu kündigen und sie damit in die Arbeitslosigkeit und Armut zu treiben. Eine soziale Not, die Sie mit Ihrer Spende eigentlich verhindern wollten, wurde eventuell damit erst verwirklicht. Es könnte auch sein, dass Sie Korruption unterstützt haben oder für ein Patenkind bezahlen, das es gar nicht gibt. Das alles passiert, trotz des Spendengütesiegels.

Wie es dazu kam, und, dass leider nichts davon übertrieben ist, erfahren Sie in diesem Buch, entstanden nach vielen Jahren beruflicher Tätigkeit im Non-Profit Bereich und aufmerksamer Beobachtung der Szene.

Für manches, das in diesem Buch thematisiert wird, muss man allerdings gar nicht im karitativen Bereich gearbeitet haben, um es zu verstehen. Es reicht, selbst zu spenden oder eine Patenschaft zu übernehmen oder die Stelleninserate der Gemeinnützigen zu lesen. Hilfreich ist außerdem kritisches und aufmerksames Beobachten, Zuhören und die Reflexion von globalen Zusammenhängen, um herauszufinden, dass die Spendenmaschinerie keineswegs moralisch, selbstlos und ehrlich agiert - ebenso wenig wie Paten und Spender es tun.

Im Fokus dieses Buches stehen europäische Non-Profit-Organisationen, insbesondere im deutschsprachigen Raum. Namen von Organisationen werden Sie in diesem Buch vergeblich suchen. Missstände jeder Art und Weise, im kleinen oder großen Stil, sind in dieser Branche so allgegenwärtig, dass sich jede Organisation angesprochen fühlen und dieses Buch als dringende Anregung zu Änderungen betrachten sollte, egal wie bekannt, wie groß oder klein, wie eingesessen und angesehen oder weitgehend unbekannt sie auch sein mag.

Gleichzeitig werden in diesem Buch aber nicht nur Organisationen, sondern auch das Verhalten von Paten und Spendern kritisch beleuchtet. Sie sind schließlich die kritiklosen Financiers von Non-Profit-Organisationen und agieren oft ebenfalls wenig selbstlos, obwohl sie sich das einreden bzw. es ihnen eingeredet wird. Jeder Spender und Pate ist im Grunde ein Kunde, zu spenden und eine Patenschaft zu übernehmen gehört somit zu unserem Konsumverhalten. Auch dieses Thema wird hier behandelt.

Dieses Buch versteht sich nicht als Investigationsjournalismus, sondern ist eine Kombination aus Erfahrungen und persönlichen Ansichten zur Sinnhaftigkeit bzw. Sinnlosigkeit von Spenden und Patenschaften. Es beinhaltet außerdem Vorschläge für sinnvollere Alternativen zu Spenden.

Abschließend ist zu sagen, dass alle hier geschilderten Erfahrungen und Gesprächsauszüge Realität sind, so unvorstellbar manches auch klingen mag.

Was ist eine NPO?

…oder auch NGO, NRO. Diese Abkürzungen stehen für Nichtregierungsorganisation (NRO), Non-Governmental Organisation (NGO) oder Non-Profit-Organisation (NPO). Allen diesen Begriffen ist gemeinsam, dass diese Vereinigungen regierungsunabhängig und gemeinnützig agieren und keine wirtschaftlichen Gewinnziele verfolgen, sondern sich sozial und umweltpolitisch engagieren. Einige haben auch kulturelle Ziele oder unterstützen etwa Bildungsmaßnahmen. In diesem Buch geht es allerdings ausschließlich um Sozial- und Umweltschutzorganisationen, sowohl mit kirchlichem Hintergrund als auch nicht konfessionell. In diesem Buch wird bewusst die Abkürzung NPO, Non-Profit-Organisation, verwendet, da dies den Kontrast zwischen dem offiziellen Ziel einer solchen Organisation und der Realität noch stärker hervorhebt.

Obwohl eigentlich regierungsunabhängig, erhalten einige NPOs zusätzlich zu ihren Einnahmen aus Spenden, Patenschaften, Firmensponsorings, Produktverkäufen und Hinterlassenschaften auch staatliche Unterstützung, was große Auswirkungen auf die Aktivitäten der Organisation hat, denn mit dem Staat möchte man es sich nicht verscherzen und kooperiert deshalb kritiklos mit diesem wichtigen Partner. An die große Glocke werden daher staatliche Hilfsmittel meist nicht gehängt, sondern eher verschwiegen, da es dem Ruf der Unabhängigkeit der NPO schaden könnte.

Firmenkooperationen werden im Gegenteil dazu seltsamerweise überwiegend stolz nach außen kommuniziert, da Non-Profit-Organisationen oftmals nur dann Firmenspenden erhalten, wenn sie im Gegenzug dafür Werbung für dieses Unternehmen machen, das sie so großzügig beschenkt. Allfällige Missstände in dem betroffenen Unternehmen werden deshalb ignoriert. Auf Fotos mit riesigen werbewirksamen Schecks posieren sämtliche Geschäftsführer, die der NPO und der Firma, stets in einträchtiger Harmonie. Ob der finanzstarke Sponsor in Wahrheit Produkte herstellt, die gesundheitsschädlich sind, er vielleicht eine fragwürdige Personalpolitik verfolgt, die Umwelt zerstört, etc., ist der NPO zumeist völlig gleichgültig. Wichtig ist einzig und alleine (Spenden-)Geld, mit moralischen Kleinigkeiten hält man sich nicht auf.

Egal, ob staatliche Förderungen oder Firmenkooperationen, schon hier wird die Ambivalenz von Organisationen zwischen öffentlich politisch korrektem Auftreten und nicht vorhandener Moral hinter den Kulissen spürbar.

Was die Größe und Ausrichtung betrifft, sind NPOs äußerst unterschiedlich, da gibt es nichts, was es nicht gibt. Die Spannweite reicht von weltweiten Netzwerken mit vielen tausenden Mitarbeitern und einem Budget von hunderten Millionen Euro, bis zu Gemeinnützigen, die aus einem ganz kleinen Team von wenigen Mitarbeitern und einigen hundert Spendern bestehen. Auch die Liste der Einsatzgebiete für Spenden ist bekanntermaßen grenzenlos und umfasst einen großen Bereich - von zwischenmenschlichen Angelegenheiten bis zum Schutz der Umwelt und der Erhaltung der Artenvielfalt.

Wirtschaftsimperium NPO oder die Illusion vom Spendengütesiegel

Mit Spenden- und Patengeld zu wirtschaften bedeutet, mit der Ausnutzung von Hilfsbereitschaft und Emotionen sichere Einnahmen zu verzeichnen. Das ist ungemein praktisch, braucht man doch nur schockierende Bilder vom täglichen Weltgeschehen, von Kriegsschauplätzen und Naturkatastrophen in die Medien zu bringen, schon fließt das Mitleid und somit das Geld. Die zunehmend größere Konkurrenz durch immer mehr Organisationen ist zwar lästig und man versucht sich deshalb ständig gegenseitig auszuspionieren, zu vergleichen und sich an Mittelbeschaffung und Werbemaßnahmen zu übertrumpfen. Trotz der vielen Mitbewerber am Markt, bleibt am Ende aber doch immer noch reichlich vom Spendenkuchen für jede Organisation übrig.

Wie kann eine Non-Profit-Organisation nun zu einem Wirtschaftsimperium werden, Gewinne gibt es ja doch eigentlich nicht? Im herkömmlichen Sinne nicht, aber trotzdem geht es in vielen Fällen um Millionen an Euro, die eine NPO einnimmt. Diese werden für das Spendengütesiegel alljährlich von Wirtschaftsprüfern durchleuchtet, die Verwendung von zweckgebundenen Spenden- und Patengeldern überprüft und Kontrollen durchgeführt, ob Spenden in die richtigen Kanäle fließen. Dass Gewinne heimlich in die privaten Taschen der Non-Profit-Geschäftsführer verschwinden, sollte damit ausgeschlossen sein, oder zumindest nach kurzer Zeit auffallen und dann öffentlich gemacht werden. Somit ist das Spendengütesiegel angeblich das Non-plus-ultra an Sicherheit für jede NPO, eine werbewirksame Garantie für die zweckgemäße Verwendung von Spenden- und Patengeld.

Tatsache ist aber, dass ständig haufenweise Spendengelder zweckentfremdet verwendet und in hohem Bogen für Dinge verschwendet werden, die sich kein Spender und Pate jemals vorstellen kann. Begonnen von teuren Dienstreisen in alle Länder dieser Erde, über Dienstautos, Dienstwohnungen, Diensthandys, Teammeetings in 4-Sterne Hotels, üppige Firmenessen, bestens bezahlte Führungsetagen und spitzenmäßig honorierte Consultingfirmen, etc., wie in der Einleitung beschrieben. Das Spendengütesiegel nützt da überhaupt nichts.

Einzelne schwarze Schafe in der NPO-Branche, die sich mit Spendengeld privat bereichert haben, gab es natürlich schon immer. Heutzutage ist es aber gar nicht mehr nötig, Betrug so plump durchzuführen, indem man Spendengeld auf ein privates Konto abzweigt, bzw. ist das durch das Spendengütesiegel auch schwer(er) möglich. Alle diese Verschwendungen, wie oben beschrieben, laufen unter dem Budgettitel „Verwaltungskosten“ denn es ist klarerweise nicht verboten und sogar nötig, allgemeine, nicht zweckgebundene Spenden für die Erhaltung einer Organisation zu verwenden.

Nur, was man unter „Verwaltung“ versteht und welche Summen man dafür ausgibt, da gibt die moderne NPO-Geschäftsführung etliche Beispiele, wie man Betrug am Spender ganz legal und elegant, unter dem sicheren Schirm des Spendengütesiegels, durchführen kann. Anstatt sich mit geschenktem Geld bescheiden und sozial zu verhalten, wie es einer Non-Profit-Organisation zustehen sollte, wurden in den letzten Jahren Vorgangsweisen etabliert, die man üblicherweise aus Politik, Wirtschaft, Banken und Industrie kennt. Die Maxime lautet: Gespart wird an den Gehältern der untersten Personalhierarchie, weiter oben und ganz oben wird geprotzt, mit allem Möglichen, wie oben beschrieben. Alles legal und unter dem Deckmantel des Spendengütesiegels.

„Welche Länder kennt ihr noch nicht? Dorthin machen wir dieses Jahr Dienstreisen. Bitte aber nur dorthin, wo es nach der Arbeit Spaß gibt!“, heißt es beispielsweise etwa beim Meeting der Teamleiter ganz entspannt. Spendengeld scheint es für die Führungsetagen schließlich stets im Überfluss zu geben. Die Arbeit bei Dienstreisen zu den Hilfsprojekten ist zweitrangig, die hat man in einigen Stunden oder wenigen Tagen erledigt, wichtig ist oftmals das Vergnügen, das nachher, wieder auf Spenderkosten, stattfindet. Strandoder Nachtleben, Sightseeing im ganzen Land und Dienstessen. Immer perfekt organisiert und betreut von den Kollegen vor Ort, die nicht nur die tägliche Verwaltungsarbeit erledigen, sondern auch noch als Fremdenführer, Fahrer und Gesellschafter für die europäischen Kollegen herhalten müssen. Ebenfalls auf Spendenkosten.

In der NPO-Führungsebene gönnt man sich nicht nur oftmalige internationale Dienstreisen, auch die Selbstdarstellung der Geschäftsführer hat sich sehr gewandelt, klebt heute an ihr doch kein soziales Image mehr. Moderne Non-Profit-Manager brauchen, wenn sie nicht wollen, keine schmutzigen Kinder mehr zu streicheln, keine Bäume mehr zu pflanzen oder mit einem Safarianzug kostümiert Tiere umarmen, um von der Presse fotografiert zu werden, in die Medien zu gelangen und um authentisch zu wirken. Die Zeiten haben sich geändert. Die Non-Profit-CEOs, sprich Geschäftsführer/innen, erscheinen heute professionell abgelichtet in Wirtschaftsblättern, Tageszeitungen und Hochglanzmagazinen, im Fernsehen, Radio und in den Spenderzeitschriften. Sie geben Interviews und fabulieren von Bilanzen, Köpfen, Einnahmen, Währungskursen, Personal-Recruiting, Outsourcing, Konkurrenzverhalten, kurz Zahlen und Fakten, von Umstrukturierungen und Einsparungsmaßnahmen, wie richtige Wirtschaftsbosse. Das alles soll beim Spender und Paten als „professionell und transparent“ wahrgenommen werden. Nebenbei jammert man publikumswirksam über geringere Spendeneinnahmen, den Wahrheitsgehalt dieser Aussage sollte man immer ganz besonders anzweifeln, und nebenbei wird eine berührende, zwischenmenschliche Begegnung, ein Naturerlebnis oder ähnliches erwähnt, damit man nicht allzu kühl vom (Spender-)Publikum wahrgenommen wird. Solche aufgeblasenen Persönlichkeiten haben mit Bescheidenheit und sozialen Zielen oder Engagement für die Natur nicht das Geringste am Hut. Sie repräsentieren selbstgefällig, elegant oder sportlich gestylt und vergessen vor allem nie auf die Mittelbeschaffung, die sie mit ihrem Interview ankurbeln möchten.

Stolpern Sie über ein solches Interview, ist großes Misstrauen gegenüber der NPO angebracht, egal wo so ein Interview abgedruckt oder gesendet wird. Lassen Sie sich nie von der angeblichen Korrektheit und Professionalität blenden, die hier dargestellt wird. Dieses gut inszenierte Theater inklusive abgedroschener Phrasen, teils aus der Wirtschaftswelt, teils aus dem Reich der rührenden Märchen, verbirgt erfahrungsgemäß fragwürdige interne Vorgänge, die man versucht mit äußerer Glätte zu verschleiern.

In einem Wirtschafts- oder Industrieunternehmen muss immer Geld für die Pflege der Marke da sein, oder auf Englisch „Brand“, die Grundlage der Mittelbeschaffung. Dasselbe gilt heute auch für die Non-Profit Welt. Für das „Branding“, gibt es in großen Organisationen eigene Mitarbeiter. Je verbreiteter und allgegenwärtiger der Name, sprich die Marke, je makelloser der Ruf einer Organisation durch die Öffentlichkeitsarbeit, die PR-Abteilung, dargestellt wird, desto mehr Spenden können gesammelt werden.

Für Werbekampagnen und die Pflege der Marke ist bei NPOs daher immer jede Menge Budget da, ja, muss da sein, selbst wenn man dafür einige Mitarbeiter in anderen Abteilungen opfern muss. Die Konkurrenz schläft schließlich nie.

Die Marke eines Unternehmens wird durch effektive Werbung und Öffentlichkeitsarbeit gestärkt, das ist in jeder Branche gleich. NPOs nutzen heute vielfältige Kanäle für ihre Mittelbeschaffung und damit Pflege ihres (Marken) Namens. Durch welche Werbemaßnahme die NPO auch immer an ihr Geld kommt, spielt im Endeffekt beim Spender leider keine Rolle, ebenso wie in der produzierenden Wirtschaft. Ob ein Kinderschokoriegel gesund ist und wie er produziert wurde, danach fragt schließlich auch niemand, er wird auf Grund effektiver Werbemaßnahmen und weil er klebrig süß ist, gekauft. Man muss es nur psychologisch ausgeklügelt und ebenfalls süßlich angehen, die moderne Non-Profit-Bettelei, schon ist man ebenso reich wie ein Wirtschaftsunternehmen. Moral und Skrupel werden als Verkleidung angezogen, als Kostüm, dahinter protzt die NPO-Mittelbeschaffung auf Kosten von Spendengeld.

Der erzielte Reichtum einer Non-Profit-Organisation durch effektive Mittelbeschaffung zeigt sich intern etwa an Schulungen. Dafür werden Mitarbeiter um den ganzen Erdball geflogen, trotz der modernsten Kommunikationstechnologien die, nach einer einmaligen Investition, das auf Dauer billiger lösen könnten.

Man leistet sich außerdem teure Fachleute für Werbung, Grafik und Mittelbeschaffung, um die Konkurrenz zu überflügeln. Für juristische Beratungen etwa hinsichtlich Datenschutz und Personalentwicklung fliegt man Fachleute aus allen Winkeln der Erde ein, bzw. begibt man sich für eine Besprechung auch einmal einen Tag an das andere Ende des Kontinents, um am Abend wieder zurückzufliegen. Gibt es Übernachtungen für Non-Profit-Manager, dann oftmals in 4-Sterne Hotels, die aber, angeblich, einen NPO-Nachlass gewähren. Das wird zumindest zur Beruhigung den Mitarbeitern aufgetischt, die leise Kritik an der Verschwendung der Spendengelder üben.

Ende des Jahres nehmen diese Verschwendungen oft noch zu, denn keine Abteilung mag zugeben, dass das Abteilungsbudget nicht komplett verbraucht wurde. Bevor man also Gefahr läuft, nächstes Jahr vom Geschäftsführer weniger zugestanden zu bekommen, wird mit Spendengeldern noch einmal so richtig geprasst, damit auch wirklich alles ausgegeben wurde, wofür auch immer.

Andererseits gibt es auch NPOs, die intern Spendengeld nach allen Regeln der Kunst verschwenden, sich nach außen hin aber sparsam präsentieren, etwa mit dem Sitz der Organisation, der in einer besonders heruntergekommenen Umgebung oder in einem fast schon baufälligen Haus angemietet wird. Die Mitarbeiter müssen dann zwar jeden Tag während der Arbeit oder beim Gang zur Arbeit und nach Hause Angst haben, aber der Schein der Sparsamkeit wird zumindest nach außen hin gewahrt. Oder die Organisation möchte sich mit einer Firmenadresse in bekannter, eleganter Umgebung als seriös darstellen. In Wahrheit sitzen die Mitarbeiter aber dann zusammengepfercht in einem kleinen Raum mit einem winzigen Fenster, alles andere wäre zu teuer. Auch hier geht der Schein über das Sein, denn die NPO-Adresse ist top, hinter den Kulissen aber ein Flop.

Apropos Dienstreisen: So wie in der Wirtschaft eine Geschäftsniederlassung im Ausland besucht wird, sind es im Non-Profit-Bereich die sogenannten Projektbesuche. Dabei werden die von der Organisation Unterstützten besucht, beobachtet, sowie befragt, ob sie sich gut entwickeln und ob sie sich bewusst sind, welche Gnade ihnen wiederfährt. Meistens erfolgt irgendwann während des Besuches die kollektive Umarmung oder zumindest werden eifrig Hände geschüttelt, was alles fotografisch festgehalten wird, um auf der NPO-Homepage, der nächsten Spendenzeitung und der Spendenkampagne veröffentlicht zu werden oder in den Räumlichkeiten der NPO als Poster zu glänzen. Dienstreisen, die nur zur Anschaffung von neuem Fotomaterial durchgeführt werden, sind keineswegs selten. Mit frischem Fotomaterial von Afrikanern, Südamerikanern und Asiaten, die in allen Gemüts- und Lebenslagen, farbenprächtig, fröhlich, berührend, leidend oder armselig in die NPO-Kamera schauen, möchte man letztendlich das Spendenverhalten anregen, deshalb lohnt sich die Geldverschwendung so eines Projektbesuches, so hofft man wenigstens.

Vor Ort wird bei dem Projektbesuch manchmal nicht nur geplaudert und fotografiert, sondern es werden gelegentlich auch die Finanzen durchleuchtet, die NPO-Mitarbeiter für ihre Arbeitsweise gelobt oder zurechtgewiesen, und danach wendet man sich endlich den Schönheiten des fremden Landes zu. Das Land wird besichtigt, oder zumindest die nähere Umgebung, unter Berücksichtigung aller touristischen Aspekte. Finanziert mit Spendengeld. Die Kollegen vor Ort äußern aus Angst vor Jobverlust keinerlei Kritik an diesem Verhalten, obwohl sie gerade wie brave oder unartige Kinder behandelt wurden und auch noch als Reiseleiter fungieren müssen. Außerdem denken sie erfahrungsgemäß daran, dass ihr eigenes Gehalt minimal ist und sie mit dem Geld, das der Langstreckenflug des europäischen Kollegen kostet, einen bis mehrere Monate leben könnten.

Selbst wenn bei internationalen Non-Profit-Organisationen Reisen nicht immer vermeidbar sind, wird höchst selten Wert darauf gelegt, vorher alles zu unternehmen, damit diese so selten wie möglich und mit so wenigen Mitarbeitern wie möglich abgehalten werden. Das spielt bei der Konzeption aber kaum jemals eine Rolle, denn Spendengeld gibt es schließlich genug.

Neben den Fernreisen gibt es erfahrungsgemäß zahlreiche andere Situationen, in denen ganz legal Spendengeld verschwendet wird, etwa Teamleiter-Meetings und Teamleiter-Buildings im Ausland oder in teuren Hotels, damit auch die unterste Managementebene motiviert wird und auf kreative Art und Weise ihre „Komfortzone“ verlässt.

Verschwendung gibt es auch hinsichtlich der Entwicklungsstrategien der Gemeinnützigen. Ganz branchenunabhängig wird der Schein ständig wichtiger als das Sein. Im Non-Profit-Bereich wird es ebenfalls immer moderner, den strategischen Teil der Arbeit durch immer mehr Manager aufzublasen, den operativen Teil aber auszuhungern. Sprich, die unterste Ebene der Mitarbeiter, diejenigen, die die tägliche, eigentliche Arbeit leisten, werden immer weniger. Ausgefeilte Strategien hinsichtlich der Entwicklung der Organisation, der Kommunikation, der Marke, der Richtlinien, wird als wichtiger erachtet, als die Qualität der Verwaltungsarbeit und die Projektarbeit an sich. Daher geht man in Non-Profit-Organisationen immer mehr dazu über, entweder Verwaltungs- und Projektmitarbeiter durch neue Computerprogramme, Praktikanten und Freiwillige zu ersetzen oder man konzentriert zumindest die Arbeit von zwei Angestellten auf einen. Gehen zwei Mitarbeiterinnen in Mutterschutz, wird z.B. nur eine Vertretung anstatt zwei aufgenommen. Beliebt ist außerdem die Schaffung von Teilzeitjobs mit einem Gehalt, das dem Taschengeld für einen Schüler gleichkommt und von dem niemand überleben kann. Oder man presst zwei Teilzeitjobs in einen, endlose Überstunden inklusive. Dabei kommt es logischerweise zu einem Qualitätsverlust der Arbeit, was vom Management aber gerne in Kauf genommen wird. Quantität wird weit über Qualität gestellt. Hauptsache, die NPO-Strategien werden durch viele neue Manager täglich neu erfunden. Diese künstlich erzeugten Führungsetagen haben in Wahrheit nicht mehr viel zu tun. Das Rad täglich neu zu erfinden ist schlichtweg unmöglich. Die Manager müssen aber beschäftigt werden, um den Schein der Wichtigkeit einer NPO aufrecht zu erhalten. Das oberste Management erfindet deshalb Pseudoarbeit, die keinen Sinn macht, die viele Chefs aber beschäftigt hält. Zahlreiche Meetings mit den wenigen verbliebenen operativen Mitarbeitern werden etwa täglich einberufen, bei denen ständig dieselben Inhalte wiedergekäut werden und einzig dazu dienen, diesen vielen Führungskräften Arbeitsinhalte zu geben, die eigentlich keine mehr haben. Der ohnehin schon mit Arbeit überlastete operative Mitarbeiter ist somit gezwungen, in Meetings ständig dieselben Aufstellungen, Richtlinien, Analysen und Texte zu präsentieren und zu besprechen. Das sind Vorgänge, die man aus allen Branchen kennt, aber in Non-Profit-Organisationen werden sie mit Spendengeld finanziert. Von flachen und wenigen Hierarchien, um die Verwaltungskosten gering zu halten, kann im Spendensektor keine Rede sein. Protz wie in Wirtschaftsunternehmen auf Kosten von Spendern also auch durch unnötige Führungskräfte.

Einseitige Vergünstigungen für die Non-Profit-Führungsriege und Kündigungen von operativen Mitarbeitern rufen logischerweise Demotivation, Neid, Intrigen, Mobbing, Enttäuschungen und somit auch Krankenstände bei den NPO-Mitarbeitern hervor. Chronische Arbeitsüberlastung der untersten Mitarbeiter nach Kündigungen zahlreicher Kollegen, aufgeheizte Konkurrenz oder aufgezwungene Arbeitszeitverkürzungen verschlechtern das Arbeitsklima ebenfalls massiv. Wertvolles Spendengeld wird auch auf diese Weise verschwendet.

Diese interne Verschwendungssucht wird vom Management gelegentlich versucht zu rechtfertigen. Die Investitionen in die Stärkung der Marke, die Mittelbeschaffung, in Schulungen, straffere Strukturen, etc., hätten sich gelohnt, verteidigt sich die Führung. Sämtliche Maßnahmen wären nötig, bekommen die Mitarbeiter regelmäßig zu hören und die Chefs werfen mit erfundenen Zahlen um sich. Aber: Wer die Macht hat, hat das Recht, somit sind Zahlen ohnehin völlig irrelevant. Die für sie passenden Phrasen werden den Mitarbeitern gegenüber einfach in regelmäßigen Abständen verlautet. Wiederholt man nämlich eine Phrase unzählige Male, wird diese irgendwann zu einer internen Richtlinie, die man als Mitarbeiter besser kommentarlos und unreflektiert hinnimmt, möchte man seinen Arbeitsplatz nicht gefährden.

Die Mitarbeiter der untersten Ränge bleiben somit auf der Strecke. Mit den Ausgaben für Prunk und Protz der oberen Hierarchie hätte man ihre miserablen Gehälter anheben können, was allerdings nie ein Thema ist, denn gleichzeitig mit der Verschwendung werden auch alle sozialen Gebote und Moral über Bord geworfen.

Die Spirale an Verschwendungs- und Geltungssucht des Managements dreht sich bei den Gemeinnützigen immer schneller, das soziale Gewissen wird gleichzeitig immer geringer. Das Engagement, die Leidenschaft und der Einsatz für Menschen, auch Mitarbeiter der untersten Hierarchie gehören dazu, sind nur noch eine blasse Erinnerung an längst vergangene, abschätzig belächelte Zeiten und werden als nostalgische Gefühlsduselei Ewiggestriger abgetan.

Die Gier nach Macht, Selbstdarstellung und Geld hat in den obersten Etagen der Non-Profit-Szene längst Einzug gehalten, nach außen hin geschickt versteckt hinter ausgeklügelten PR-Texten, schockierenden Bildern von Katastrophen, geschlachteten Tieren und gerodetem Regenwald. Intern lenkt man die Mitarbeiter mit Konkurrenzdruck und Kündigungsangst von dieser Protzsucht ab. Ständige Angst davor arbeitslos zu werden, bündelt sehr effektiv alle Energien, die man vorher für Reflektion, Motivation und für Solidarität mit Kollegen eingesetzt hat.

Für Verschwendung braucht man viele Spendeneinnahmen, deshalb hat sich in den letzten Jahren auch die Art des Personals in der Welt der Gemeinnützigen verändert. Neue Werte, neues Personal.

Ob Einnahmen durch den Verkauf von Waren oder der Vermarktung von menschlichem oder tierischem Leid erzielt werden, macht finanziell keinen Unterschied. Man muss es nur geschickt anstellen. NPOs halten sehr erfolgreich ständig nur die Hand zum Betteln auf, genießen aber erstaunlicherweise großes Ansehen in der Bevölkerung. Bettler, die uns auf der Straße begegnen und dasselbe machen, verurteilen und verachten wir hingegen zumeist.