Melanie Salvisberg

Die unzähmbare Gürbe

Überschwemmungen und Hochwasserschutz seit dem 19. Jahrhundert

Publiziert mit Unterstützung des Bundesamts für Umwelt, des Naturparks Gantrisch, des Wasserbauverbands Obere Gürbe und des Wasserbauverbands Untere Gürbe und Müsche.

© 2017 Schwabe Verlag, Schwabe AG, Basel, Schweiz

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Das Werk einschliesslich seiner Teile darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in keiner Form reproduziert oder elektronisch verarbeitet, vervielfältigt, zugänglich gemacht oder verbreitet werden.

Abbildung Umschlag: Übersichtsplan und Profile für die Verbauung der Gürbe oberhalb Blumenstein und Wattenwil, ca. 1860. Staatsarchiv des Kantons Bern, StAB AA V 116b.

Lektorat: Dominik Sieber, Zürich

Umschlaggestaltung: icona basel gmbh, Basel

Layout: icona basel gmbh, Basel

Druck: Schwabe AG, Basel

Gesamtherstellung: Schwabe AG, Basel

Printed in Switzerland

ISBN Printausgabe 978-3-7965-3715-8

ISBN eBook (ePUB) 978-3-7965-3734-9

Das eBook erlaubt Volltextsuche. Zudem sind Inhaltsverzeichnis und Überschriften u.a. verlinkt.

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Inhalt

Vorwort und Dank

1. Einleitung

2. Die Gürbe und ihre Überschwemmungen

2.1 Der Gürbelauf und die Naturgefahren

2.2 Die historischen Hochwasser der Gürbe und ihrer Zuflüsse

2.3 Schlaglichter auf vier Überschwemmungen an der Gürbe

3. Der Hochwasserschutz im Wandel

3.1 Frühe kleinräumige Massnahmen

3.2 Das Zeitalter der grossen Flusskorrektionen

3.3 Die Oberläufe geraten in den Fokus

3.4 Jahrzehnte im gewohnten Gang

3.5 Das Umdenken zum naturnäheren Hochwasserschutz

4. Die Gürbekorrektion und ihre Nachfolgeprojekte

4.1 Die Schutzstrategien bis ins 19. Jahrhundert

4.2 1855–1881: Die Grosse Gürbekorrektion

4.2.1 Mit Bittschriften und Überschwemmungen zur Korrektion

4.2.2 Die Kanalisierung und Verbauung der Gürbe

4.3 1882–1910: Intensive Bauphase mit Schwerpunkt im Oberlauf

4.3.1 Überblick

4.3.2 Das Projekt 1892

4.4 1911–1990: Unterhalts-, Wiederherstellungs- und Erneuerungsarbeiten

4.4.1 Überblick

4.4.2 Das Projekt 1938

4.5 1990–2010: Umdenken nach der Katastrophe

4.5.1 Überblick

4.5.2 Das Projekt 1993

5. Mehrwertschatzungen, Schwellentellen und Gemeindebeiträge: Gelder zur Zähmung eines Flusses

5.1 Kosten und Finanzierung der Grossen Gürbekorrektion

5.2 Die Ausgaben von 1882 bis Mitte der 1990er-Jahre

5.3 Die Gemeindebeiträge seit Mitte der 1990er-Jahre

6. Die Folgen der Hochwasserschutz- und Entsumpfungsmassnahmen

6.1 Landschaft: Ein völlig neues Bild

6.2 Landwirtschaft: Mehr Nutzland dank Meliorationen

6.3 Verkehr: Bessere Anbindung an die Zentren

6.4 Siedlung: Neue Häuser in der Talebene

7. Schlussbetrachtung und Ausblick

8. Glossar

9. Abkürzungsverzeichnis

9.1 Allgemeine Abkürzungen

9.2 Abkürzungen der wichtigen Archivquellen

10. Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

10.1 Abbildungsverzeichnis

10.2 Tabellenverzeichnis

11. Quellen- und Literaturverzeichnis

11.1 Quellen

11.2 Literatur

11.3 Datenbanken und Nachschlagewerke

12. Anhang

Anhang 1: Karte der Gemeinden im Gürbetal

Anhang 2: Chronik der historischen Schadensereignisse der Gürbe und ihrer wichtigen Zuflüsse

Anhang 3: Liste der Hochwasserschutzprojekte 1855–2010

Vorwort und Dank

Dieses Buch geht aus einem am Historischen Institut der Universität Bern angesiedelten und vom Schweizerischen Nationalfonds unterstützten Forschungsprojekt hervor, das von den Hochwasserschutzakteuren der Gürbe initiiert und mitgetragen wurde. Das Bundesamt für Umwelt, der Wasserbauverband Obere Gürbe und die Waldabteilung 5 des Kantons Bern beteiligten sich finanziell sowie durch die Bereitstellung ihres Wissens und ihrer Akten am Projekt. Ohne sie wäre dieses nie zustande gekommen. Auch das Tiefbauamt des Kantons Bern, der Wasserbauverband Untere Gürbe und Müsche, der Naturpark Gantrisch und verschiedene Gemeinden des Gürbetals stellten mir freundlicherweise ihre Dokumente zur Verfügung. Sehr herzlich danke ich den Mitgliedern der Projekt- und Kontaktgruppe: Ernst Nussbaum vom Wasserbauverband Obere Gürbe, Otto Naef vom Bundesamt für Umwelt, Adrian Fahrni vom Tiefbauamt des Kantons Bern, Philipp Mösch von der Waldabteilung 5 des Kantons Bern, Heinrich Wildberger vom Wasserbauverband Untere Gürbe und Müsche, Christine Scheidegger vom Naturpark Gantrisch, Martin Frey von der Gemeinde Wattenwil und Hans-Ulrich Tanner als Vertreter der Landwirtschaft gaben mir wichtige Anregungen und ermöglichten den Zugang zu den wertvollen Quellen. An dieser Stelle möchte ich mich auch bei den zahlreichen Gürbetalerinnen und Gürbetalern und anderen an der Gürbe interessierten Personen bedanken, die mir alte Schriftstücke, Karten, Fotografien und sogar Filme zur Verfügung stellten. Das Material ist eine grosse Bereicherung und das Interesse, auf welches das Thema stösst, hat mich motiviert.

Beim Schwabe Verlag bedanke ich mich besonders bei Julia Grütter Binkert, die das Buch kompetent betreut hat. Dominik Sieber danke ich für das umsichtige Lektorat. Das Bundesamt für Umwelt, der Naturpark Gantrisch, der Wasserbauverband Obere Gürbe und der Wasserbauverband Untere Gürbe und Müsche haben durch ihre grosszügige finanzielle Unterstützung das Erscheinen des Buches möglich gemacht.

Besonderen Dank schulde ich dem Team der Abteilung für Wirtschafts-, Sozial- und Umweltgeschichte des Historischen Instituts der Universität Bern, speziell Christian Rohr und Christian Pfister. Jonas Beck, meiner Familie und meinen Freunden, die mich immer unterstützen, gilt schliesslich mein letzter und grösster Dank.

Bern, im Juli 2017

1. Einleitung

Vor 200 Jahren hat das südlich der Stadt Bern gelegene Gürbetal noch völlig anders ausgesehen als heute: Wo die Gürbe gegenwärtig gerade und unauffällig durch die flache, fruchtbare Talebene fliesst, bahnte sich der Fluss früher mal in vielen Windungen, mal mehrarmig einen Weg durch ausgedehnte Sumpfgebiete in Richtung Aare. Kies- und Sandbänke, Schilffelder und Auwaldstreifen säumten die Ufer. Im Gebirgsteil stürzte das Wasser das steile Gelände hinunter und frass sich immer tiefer in die Bergflanke hinein. Der Gewässerraum wurde kaum genutzt, und fast alle Siedlungen und Verkehrswege befanden sich entlang der hochwassersicheren Seitenhänge des Tals [Abb. 1.1].

Abb. 1.1: Landeskarte der Schweiz, Ausschnitt Gürbetal. 1:100 000. Nicht massstäblich dargestellt.

Quelle: swisstopo. Reproduziert mit Bewilligung von swisstopo (BA16062).

In Gang gesetzt wurde die massive Veränderung durch die Grosse Gürbekorrektion, im Zuge derer das Gewässer ab 1855 innert weniger Jahrzehnte begradigt, kanalisiert und durch Wildbachverbauungen gesichert wurde. Dieser Eingriff sollte das überschwemmungsgeplagte Tal nicht nur vor weiteren Fluten schützen, sondern auch landwirtschaftlich besser nutzbar machen. Die Situation verbesserte sich durch die Korrektion merklich und viele Hektar Land konnten urbar gemacht werden, was weitreichende Folgen für die Wirtschafts-, Verkehrs- und Siedlungsentwicklung hatte. Dennoch zeigte sich bereits nach wenigen Jahren Bauzeit, dass die Gürbe nicht wie erhofft zähmbar war. Nach wie vor ereigneten sich schadenbringende Hochwasser, die nicht nur die sich noch im Bau befindlichen oder gerade eben fertiggestellten Schutzbauten beschädigten, sondern immer wieder auch Verheerungen an Häusern, Strassen, Feldern und Wald anrichteten. Nach Abschluss der Grossen Gürbekorrektion 1881 wurden daher Ergänzungsprojekte nötig. Zusätzlich wurden im oberen Einzugsgebiet grosse Gebiete ehemaliger Alpweiden mit Schutzwald aufgeforstet. Die wiederkehrenden Schadensereignisse und später auch die zunehmende Überalterung der Bauten führten dazu, dass das Werk nie abgeschlossen werden konnte und an der Gürbe bis heute grosse Schutzprojekte umgesetzt werden. Während über viele Jahrzehnte mit der Absicht gebaut wurde, die Überschwemmungen gänzlich zu verhindern, entsprechen die jüngeren Projekte den neuen wasserbaulichen Grundsätzen, nach welchen die verschiedenen Gewässerabschnitte differenziert betrachtet werden und die Flüsse und Bäche – soweit möglich – wieder naturnäher gestaltet werden.

Das Buch will die Hochwasserschutzgeschichte der Gürbe nachzeichnen und untersuchen, wie stark sich das Tal durch die Gürbekorrektion und ihre Nachfolgeprojekte verändert hat. Dank der langen Verbauungsgeschichte – schliesslich wurden im Oberlauf seit 1855 ohne Unterbruch und im Unterlauf mit nur wenigen Pausen grosse Schutzprojekte durchgeführt – lässt sich die Entwicklung des Hochwasserschutzes in der Schweiz anhand dieses Gewässers beispielhaft aufzeigen. Interessant sind dabei nicht nur die technischen Entwicklungen, sondern auch der Wandel der Erwartungen an die Schutzmassnahmen.

Zum Verständnis der Thematik ist es wichtig, die historischen Hochwasser soweit als möglich zu rekonstruieren. In einem ersten Schritt wird in diesem Buch daher die Chronik der historischen Schadensereignisse der Gürbe und ihrer Seitenbäche vorgestellt. Sie verdeutlicht nicht nur das Ausmass der Hochwassergefahr, sondern zeigt auch auf, weshalb stets neue Projekte initiiert werden mussten. Der Hauptteil des Buchs konzentriert sich dann auf die Hochwasserschutzgeschichte: Wie entwickelte sich der Hochwasserschutz in der Schweiz? Welche Massnahmen wurden seit dem 19. Jahrhundert an der Gürbe vorgenommen? Wie waren die Projekte organisiert und wie wurden sie finanziert? Welche Schwierigkeiten und Konflikte entstanden bei der Umsetzung der Schutzmassnahmen? Ein letzter Schwerpunkt liegt schliesslich auf den Folgen der Hochwasserschutz- und Entsumpfungsprojekte. Im Zentrum der Untersuchung stehen die Jahre 1855 bis 2010, wobei teilweise auch ein Blick weiter zurück geworfen oder die Gegenwart beziehungsweise die Zukunft in den Blick genommen wird.

Als Grundlage für die Erarbeitung der Hochwasserschutzgeschichte der Gürbe dienten die historischen Dokumente. Sie sind glücklicherweise noch zahlreich vorhanden, so dass eine grosse, vielfältige Quellensammlung zusammengetragen werden konnte. Diese erlaubt es, das Thema aus breiter Perspektive zu untersuchen und dabei besonders die Vorgänge und Entwicklungen auf der lokalen Ebene zu beleuchten. Besonders umfangreich sind die schriftlichen Zeugnisse: Neben dem Verwaltungsschrifttum der zuständigen Kantons- und Bundesstellen oder den Protokollbüchern und der Korrespondenz der Schwellengenossenschaften sind beispielsweise auch die alten Schwellenreglemente oder die Gesetze und Verordnungen noch erhalten [Abb. 1.2]. Aufschluss liefern zudem verschiedene Bilddokumente wie alte Karten und Pläne, technischen Zeichnungen oder Fotografien.

Abb. 1.2: Erstes Protokollbuch der Schwellengenossenschaft Obere Gürbe (1883–1930).

Die in verschiedenen Archiven gelagerten Protokollbücher der ehemaligen Schwellengenossenschaften liefern Informationen zu den Überschwemmungen und den Hochwasserschutzprojekten, aber auch zu alltäglichen Themen wie dem Gewässerunterhalt oder der Höhe der Schwellentellen.

Quelle: StAB V Obere Gürbe 1.

Die aussergewöhnlich gute Quellensituation ist vor allem den verschiedenen öffentlichen und privaten Archiven zu verdanken: Das Staatsarchiv des Kantons Bern, das Bundesarchiv, das Archiv des Tiefbauamts des Kantons Bern (Oberingenieurkreis II), das Archiv des Wasserbauverbands Obere Gürbe, das Archiv des Wasserbauverbands Untere Gürbe und Müsche, das Archiv der Schwellenkorporation Fallbach, das Archiv des Forstreviers Wattenwil sowie die Gemeindearchive Wattenwil und Mühlethurnen lieferten wertvolle Dokumente.

Das Buch basiert auf einer wissenschaftlichen Forschungsarbeit, die auf Anregung der Hochwasserschutzakteure der Gürbe erstellt wurde. Für die vorliegende Publikation wurde diese Dissertation gekürzt, neu zusammengestellt und reich bebildert. Die Texte sind grösstenteils neu formuliert, wobei einige Passagen auch übernommen wurden. Die vollständige Arbeit wurde unter dem Titel Der Hochwasserschutz an der Gürbe. Eine Herausforderung für Generationen (1855–2010) ebenfalls im Schwabe Verlag veröffentlicht. Interessierte finden darin viele ergänzende Informationen zum Hochwasserschutz an der Gürbe und in der Schweiz, Ausführungen zu methodischen und theoretischen Fragen, einen ausführlichen Forschungsstand sowie die vollständigen und kommentierten Quellen- und Literaturangaben.