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DAVID CAY JOHNSTON

TRUMP IM AMT

»EIN PRÄSIDENT,
DER GERNE DIKTATOR WÄRE«

Aus dem amerikanischen Englisch
von Regina Berger, Robert Poth und Annemarie Pumpernig

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Sämtliche Angaben in diesem Werk erfolgen trotz sorgfältiger

Die Originalausgabe erschien 2018 unter dem Titel

1. Auflage 2018

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das des öffentlichen Vortrags, der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen sowie der Übersetzung, auch einzelner Teile. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Redaktion: André Pleintinger, Winhöring

ISBN 978-3-7110-0160-3
eISBN 978-3-7110-5225-4

Für den genialen, leider verstorbenen Wayne Barrett,
den Wegbereiter aller Trump-Reportagen

INHALT

Vorwort

1. Ein Präsident wie kein zweiter

Der Alleinstellungsfaktor

Kleptokratie im Aufwind

Einkünfte des Präsidenten

Bezahlen, nein danke!

Trumps Stellenbesetzungen

2. Trump und die vergessenen Arbeiter

Der Teufel steckt im Budget

Trump, der Jobmagier

Die Vergessenen

Der Lehrling in Washington

3. Steuern

Trump, der Steuerexperte

Trumps Steuererklärung

Trumps Mauer

4. Klimawandel? Ich nenne das Wetter!

Ein Paradies für Umweltsünder

Informationsfreiheit? Nicht mit uns!

Säuberungsaktion im Innenministerium

Die Demontage der Wissenschaft

Den Sumpf trockenlegen? Von wegen!

5. Internationale Angelegenheiten

Trump und die Saudis

Handel

Digitale Illusion

6. Bildung

Verratene Versprechen

Geld vor Geist

7. Recht und Ordnung und einiges mehr

Über dem Gesetz

Verratene Veteranen

Der Weg nach Charlottesville

Einwanderung

8. Es kommt, wie es kommen muss: Der Schwindel fliegt auf

Dank

Anmerkungen

Personenregister

VORWORT FÜR DIE DEUTSCHE AUSGABE

Donald Trump ist ein Präsident, der gerne Diktator wäre.

Als Einziger unter den politischen Führern des Westens sprach er dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan sein Lob aus, als dieser sich nach den Wahlen 2017 daranmachte, die bisher streng säkuläre Türkei hochoffiziell zu einer Hochburg des Islam mit einem autokratischen Herrscher in Ankara umzubauen. Bewunderung empfindet Trump auch für Rodrigo Duterte, den rücksichtslosen, ja mörderischen Präsidenten der Philippinen, dessen staatlich verordneten Razzien bereits über 3000 Menschen aus der Unterschicht zum Opfer gefallen sind. Von den ermordeten Männern, Frauen und Kindern wurde nachträglich behauptet, sie seien bewaffnet gewesen. Und Trump lobt Saudi-Arabien für seinen Kampf gegen den Terrorismus, ist seiner autoritären Regierung und seiner massiven Unterstützung von diversen Terrorgruppen gegenüber jedoch blind.

Besonders angetan zeigt er sich von Wladimir Putin, dem russischen Zaren des 21. Jahrhunderts, der in der Ukraine einmarschiert ist, die Halbinsel Krim annektiert hat, Ambitionen zeigt, das altrussische Reich wiederauferstehen zu lassen, und für Demokratie und individuelle Freiheit nichts als Hohn und Spott übrighat. Wenn Trump von Putin spricht, dann klingt das, als würde ein Handlanger der Mafia, der nicht weiß, dass er abgehört wird, von seinem Paten sprechen.

Als Präsident Trump gleich nach der Wahl die NATO beschimpfte, äußerten mehrere Politiker aus den baltischen und anderen Staaten mit großen russischsprachigen Minderheiten vor Journalisten die Befürchtung, Putin könnte sie in ihren Nachkriegsstatus unter russischer Besatzung zurückkatapultieren. Diese Geschichte versteht man natürlich in Europa besser als in Amerika, wo kaum jemand Tallinn, Riga oder Vilnius, oder selbst Berlin, Bern oder Wien auf der Landkarte finden würde. Einzelne Bemerkungen Trumps lassen sich bis in russische Propaganda-Medien wie Sputnik zurückverfolgen, wobei in Amerika mit diesem Namen nur der russische Satellit aus dem Jahr 1957 assoziiert wird.

Aus diesen und vielen anderen Gründen ist Trump, wie Sie auf den folgenden Seiten lesen werden, nicht nur im klassischen Sinne des Wortes ein Idiot. Nein, der aktuelle US-Präsident ist auch aus vielen anderen Gründen, die nichts mit seiner erschreckenden Ignoranz in geopolitischen, historischen, militärischen und wirtschaftlichen Dingen zu tun haben, offensichtlich ungeeignet für jedes öffentliche Amt.

Ich kenne Donald Trump seit 1988 und berichte bereits länger über ihn als jeder andere ernst zu nehmende Journalist. Bei mir stapeln sich Zehntausende Seiten an Dokumenten über den Gegenstand meiner Recherchen, die ich interessierten Kollegen jederzeit gerne zur Verfügung stelle. Die anderen vier Trump-Biografen – Timothy L.O’Brien, Harry Hurt III, Gwendolyn Blair und Michael D’Antonio – kommen übrigens zu einem ähnlichen Befund wie ich, was den Mann und die Gründe für sein Verhalten betrifft. Doch anders als meine Kollegen habe ich einen Großteil meines Berufslebens mit Nachforschungen über die Funktionsweise des Staates, vor allem in den Bereichen Steuern und Regulierung, zugebracht. Das vorliegende Buch ist mein Versuch, hinter die Kulissen zu blicken und zu verstehen, was Trump nun, da er das Weiße Haus kontrolliert, in den Vereinigten Staaten und im Rest der Welt anrichtet. Diese Geschichte macht Angst, aber wir müssen sie kennen, damit Trump, der eine Randnotiz der Weltgeschichte bleiben sollte, nicht zum Beginn eines neuen Zeitalters wird.

Überall auf der Welt kommen autoritäre Kräfte ans Ruder. Im Rückblick wird das 20. Jahrhundert vielleicht als der 75-jährige Krieg zwischen Kommunismus und Kapitalismus, von 1905 bis zum Fall der Berliner Mauer 1989, beschrieben werden. Und das noch junge 21. Jahrhundert? Wird man unsere heutige Zeit als die Ära eines sozialen Tsunami sehen, der, ausgelöst durch die Ängste großer Minderheitengruppen vor der rasanten Verbreitung von Wissen und technologischem Fortschritt, den Planeten unter sich begrub? Die nostalgische Sicht einer Vergangenheit, die in den rosigsten Farben erscheint, hat rund um den Globus Fundamentalisten an die Macht gespült. Man denke nur an die Taliban in Afghanistan, die nicht konkret zu lokalisierende al-Qaida, die Evangelikalen in den USA, die Ultraorthodoxen in Israel, den nationalistischen Hindu Narendra Modi in Indien, Berlusconi in Italien, Duterte auf den Philippinen und, etwas weniger krass, Shinzo Abe in Japan. Nicht vergessen dürfen wir natürlich Putin mit seinen Fantasien von Großrussland, der dem, was er als die Dummheit der Demokratie bezeichnet, nicht nur in Russland, sondern am liebsten weltweit ein Ende setzen möchte.

Sollte ich recht behalten, wird dieser politische und soziale Tsunami irgendwann mangels Energie einfach auslaufen. Man kann versuchen, ihn aufzuhalten, aber er wird seine Gegner überrollen, bis er von selbst verebbt.

Daher: Was können Journalisten wie ich anderes tun, als die Machenschaften der zunehmend autoritären Kräfte zu protokollieren, anzuprangern und die Menschen vor dem Kommenden zu warnen, damit sie vorbereitet sind und sich schützen können? Genau das sollten wir nämlich als unsere Aufgabe sehen – in der Hoffnung, dass wir nach dem Rückzug des Tsunami immer noch als freie Menschen aus der Flutwelle auftauchen. Wir dürfen die Hoffnung nicht aufgeben, dass der edle menschliche Geist immer stark genug sein wird, seine Kraft zu entfalten. Er darf sich nicht unter den Stiefeln autoritärer Mächte zertreten lassen, deren Herrschaft auf die Vernichtung von Freiheit, Brüderlichkeit und Integrität ausgerichtet ist.

Donald Trump ist eine klare und sehr reale Gefahr für die gesamte Welt. Schon als Präsidentschaftskandidat kündigte er an, Atomwaffen einsetzen zu wollen. Als Präsident twittert Trump ganz beiläufig über die Ermordung aller 25 Millionen Einwohner des verarmten Nordkorea, weil dessen Diktator sich in Reden über ihn lustig machte und am ohnehin sehr eingeschränkten Raketenprogramm seines Landes feilt. Dass die nordkoreanischen Atomwaffen allein der Abschreckung dienen, um dem Land eine feindliche Invasion zu ersparen, wird Trump nie verstehen. Glücklicherweise hat der für das US-Atomwaffenarsenal zuständige General bereits erklärt, seine Leute würden über die nötigen Mechanismen verfügen, um sich allen illegalen Befehlen zum Abfeuern oder Abwurf von Nuklearwaffen zu widersetzen.

Intelligente Politiker überall auf der Welt haben leichtes Spiel mit Trump, weil er nicht nur ignorant und bar jedes strategischen Denkens ist, sondern zugleich über die emotionale Reife eines Dreizehnjährigen verfügt. Sein Leben ist eigentlich eine griechische Tragödie – ein Mann, gefangen in der etwas peinlichen Phase des Übergangs von der Kindheit zum Erwachsenenalter. Überlagert wird all das von seinem bösartigen Narzissmus, wobei Trumps psychische Probleme ihm anders als dem Narziss der griechischen Götter- und Heldensagen bisher zugutegekommen sind. Nur dank dieser Probleme ging er aus vier Strafverfahren vor Grand Juries als freier Mann hervor, konnte fast eine Milliarde Dollar Schulden anhäufen und schließlich Präsident der Vereinigten Staaten werden.

Trump darf ungestraft mit der sexuellen Belästigung von Frauen prahlen; er hat Freunde, die Prostituierte für ihr Schweigen bezahlen; er behauptet ungeniert, Christ zu sein, obwohl er Menschen, die den christlichen Glauben leben, als »Verrückte«, »Idioten« und »Schwachköpfe« bezeichnet; er hat viel mehr Zeit für Golf als Barack Obama, und er ist die personifizierte Kakistokratie, ein griechischer Begriff, der die Regierung durch die Allerschlechtesten bezeichnet.

Wie also konnte Trump zum Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika aufsteigen? Sind die Amerikaner denn verrückt geworden? Wie gelang es ihm, 62 984 825 Menschen so zu hintergehen, dass sie ihn schließlich sogar wählten? (Hillary Clinton erhielt übrigens mehr, nämlich 65 853 516 Stimmen.) Und was bedeutet es für die Welt, dass gerade ein Donald Trump im Weißen Haus sitzt? Diese und andere Fragen beschäftigen mich auf meinen Reisen durch die Welt, auch in den Vorträgen, die ich an fünf Freitagen in Folge auf fünf Kontinenten hielt und währenddessen ich dieses Vorwort für die deutsche Ausgabe meines Buches schrieb.

Die Antwort beinhaltet eine wichtige Lehre, die sich die politischen Führer jeder Demokratie vor Augen halten müssen, damit ihre Gesellschaften nicht auch in amerikanische Zustände oder, schlimmer noch, in die Gewalt abgleiten. Eine Gesellschaft, deren Ziel die unbegrenzte weitere Bereicherung ihrer reichsten Mitglieder zu sein scheint, während das Gros der Bevölkerung ignoriert oder, wie in den USA, wirtschaftlich weiter geschwächt wird, riskiert früher oder später den eigenen Untergang. Möglicherweise werden wir das Ende der zweiten amerikanischen Republik erleben, aber wir könnten auch Zeugen des Erwachens einer neuen Bewegung werden, die Amerika mehr Gleichheit, weniger Kriegstreiberei und mehr soziales Verantwortungsgefühl für seine Menschen bringt. Die kommenden Wahlen werden es zeigen.

Spät am Abend des 8. November 2016, als die Wahlergebnisse vorlagen und Donald Trump als nächsten Präsidenten auswiesen, obwohl er knapp drei Millionen Stimmen hinter seiner Rivalin lag, hätte niemand überraschter sein können als Donald Trump selbst. Er verdankte seinen Sieg nur einem kleinen Sicherheitsventil in der amerikanischen Verfassung, dem Wahlmännerkollegium, das eigentlich zum Schutz vor inkompetenten oder verrückten Präsidentschaftskandidaten konzipiert wurde. Die Wahlmänner stellen ein Kontrollinstrument dar, sollte es zu einem Massenwahn oder einer Herrschaft des Mobs kommen. Das war die Sorge, die die Verfassungsväter und Begründer der zweiten amerikanischen Republik umtrieb. (Die erste Republik, die auf den Konföderationsartikeln beruht hatte, scheiterte nach sieben Jahren an fehlenden Mechanismen zur Einhebung von Steuern und zur Regulierung des Handels.)

Weil aber das Wahlmännerkollegium noch nie zur Verhinderung eines inkompetenten oder verrückten Präsidentschaftskandidaten benötigt worden war, verkümmerte dieses Instrument, und fast alle Amerikaner, einschließlich der Politiker, haben seinen Zweck längst vergessen. Leider hat es sich als Ventil zur Kontrolle des Machtmissbrauchs durch Inkompetente und Verrückte nicht bewährt.

Trumps Wahlkampfteam verbrachte übrigens fast den ganzen Wahltag bei nettem Small Talk mit Journalisten. Alle rechneten damit, dass Hillary Clinton als 45. Präsidentin der Vereinigten Staaten aus den Wahlen hervorgehen würde. Natürlich mussten Trumps Gefolgsleute in dieser Situation an ihre Karrieren denken, an zukünftige Wahlen, in denen sich gute Beziehungen zu Journalisten lohnen würden. Sie erklärten den Reportern, ihre diversen hässlichen Ausritte während des Wahlkampfes würden ihnen aufrichtig leidtun, aber Trump hätte sie nun mal angeordnet und gemeint, das sei ohnehin nichts Persönliches.

Als nach und nach die Wahlergebnisse eintrafen, wurde bald klar, dass Trump sehr viel mehr als nur die 13 Südstaaten gewonnen hatte. Die Aufständischen des Jahres 1861 – diese Bundesstaaten hatten damals einen Krieg vom Zaun gebrochen, dem jeder 50. Amerikaner zum Opfer fallen sollte. Grund war der Irrglaube der abtrünnigen Konföderierten, Gott selbst würde ihnen die Sklaverei auftragen, weil Afrikaner Untermenschen seien, Eigentum, das man kaufen, verkaufen, misshandeln und sogar töten könne, wie es einem beliebe. Die Folgen dieses Krieges sind, wie wir sehen werden, noch überall in Amerika spürbar, und Trump appelliert unverhohlen an den Rassismus seiner Landsleute.

Hillary Clinton hingegen ist eine bibeltreue Methodistin, die regelmäßig mit ihren Mitarbeitern betet, wenngleich das nur wenigen Amerikanern bekannt ist. Den Anschluss an die Evangelikalen oder Wähler in den traditionellen Industrieregionen der USA hat sie nie gefunden. Als gute Methodistin spricht sie nicht über ihre religiösen Überzeugungen und Erfahrungen. Vor allem aber gelang Hillary Clinton kein bodenständiger Wahlkampf, der die Leute an die Urnen gebracht hätte, und nur darauf kommt es an. Hätten sie nur 77 744 Amerikaner in drei Schlüsselstaaten – Pennsylvania, Michigan und Wisconsin – mehr gewählt, wären ihr auch die Stimmen der Wahlmänner sicher gewesen.

Wie auch immer – niemand konnte überraschter sein als Donald Trump selbst, dass er die Wahl zum 45. Präsident der Vereinigten Staaten gewonnen hatte. Noch längere Zeit danach hörte man ihn bisweilen sagen: »Die Demokraten hätten eigentlich gewinnen müssen.«

Trump ist der Sohn eines emporgekommenen Immobilienbesitzers, der als Mieter mit Betrug an der Regierung und durch die Diskriminierung von Schwarzen und Puerto-Ricanern reich geworden war. Er ist der Enkel eines Deserteurs der deutschen Armee, den es 1885 nach Amerika verschlug und der im ausgehenden 19. Jahrhundert im amerikanischen Westen und im Yukon-Territorium mit Bordellen sein Glück machte.

Trump selbst blickt auf ein Leben als Trickbetrüger zurück und ist, nachdem er es bis ins Weiße Haus geschafft hat, in dieser Disziplin praktisch zum Weltmeister aufgestiegen. Trotzdem weiß man in den USA nur wenig über ihn, weil die Medien des Landes versagen, vor allem das Fernsehen, das über öffentlich zugängliche Informationen nicht oder zumindest nicht umfassend und relevant berichtet. So kamen in der New York Times vom Tag der Ankündigung von Trumps Kandidatur im Juni 2015 bis zur Wahl 17 Monate später nur vier Mal die Begriffe »Trump« und »Mafia« im selben Artikel vor, und das eher beiläufig.

Trump hat seine Lieferanten wiederholt betrogen. Ein Richter urteilte, er habe konspirativ am Betrug von 200 illegalen polnischen Arbeitern mitgewirkt und ihnen ihren Lohn vorenthalten. Trump hat immer wieder Immobilien-Investoren hintergangen, Steuerbetrug sogar zugegeben, und er wurde zweimal als Steuerhinterzieher verurteilt. Er hat den Trump Tower und andere Gebäude mithilfe von zwei der größten und gefährlichsten Gangster Amerikas gebaut, Anthony »Fat Tony« Salerno und Paul »Big Paul« Castellano, den Paten der Mafia-Familien Genovese und Gambino in New York. Er betreibt seit Jahrzehnten Geschäfte mit Vertretern des russischen organisierten Verbrechens, die aus der alten Sowjetunion ausgewiesen wurden und daraufhin die Zentralen ihrer Syndikate nach Brighton Beach in Brooklyn verlegten. Trump hat mit seiner Trump University, einer inzwischen von den Behörden geschlossenen Pseudo-Universität, im Zusammenwirken mit anderen Schwindlern »Studiengebühren« von bis zu 35 000 Dollar ergaunert. Nach seiner Wahl musste er 25 Millionen dieser »Studiengebühren« für eine wertlose, wenige Stunden dauernde Ausbildung an die betrogenen Studenten zurückzahlen. Er verwendete die unter seinem Namen laufende gemeinnützige Stiftung gesetzwidrig dazu, Gemälde von sich selbst zu kaufen, die heute in seinen Immobilien hängen. Seine Ehefrau ist ein ehemaliges Porno-Model, wobei Trump auch als republikanischer Präsidentschaftskandidat keine Einwände gegen die schlüpfrigen Lesbenszenen auf einer Matratze vor einer nackten Wand hatte, die im Sommer 2016 in der New York Post erschienen. Wahrscheinlich war er es selbst, der die Fotos freigegeben hatte. Schlimmer noch erscheint Trumps jahrzehntelange Verbindung zu einem bedeutenden internationalen Drogenhändler, den ich hier nur kurz erwähne, weil ich bereits in meinem Buch Die Akte Trump (The Making of Donald Trump) aus öffentlichen Aufzeichnungen darüber berichtet habe.

Bitte bedenken Sie bei der Lektüre dieses neuen Buches eine grundlegende Tatsache: Trump trat das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten ebenso unvorbereitet an, wie er eine Stelle im Stadtrat einer amerikanischen Kleinstadt angetreten hätte. Vor seinem Einzug ins Weiße Haus hatte er keinen einzigen Tag im öffentlichen Dienst gestanden. Dennoch behauptet Donald Trump von sich, der weltweit führende Experte auf fast allen Gebieten zu sein, vom Einsatz von Atomwaffen bis hin zur Steuerpolitik.

Die Unterschiede zwischen Sunniten und Schiiten sind Trump genauso unbekannt wie die Gründe für deren weltpolitische Bedeutung. Trump hat keine Ahnung, was den Wahhabismus ausmacht oder dass Saudi-Arabien der weltgrößte Förderer des Terrorismus ist, wie Sie in diesem Buch lesen werden. Er ahnte bei seinem Amtsantritt nicht im Geringsten, dass seit Tausenden Jahren Feindschaft zwischen dem chinesischen und dem koreanischen Volk herrscht und warum uns das interessieren sollte.

Trump bewarb sich mit dem Versprechen um das Präsidentenamt, jede seiner Entscheidungen werde dem amerikanischen Arbeiter zugutekommen. Wie Sie in diesem Buch feststellen werden, vergaß er dieses Versprechen im selben Augenblick, als er sein Amt antrat. Er schwor, mit Handelspartnern, vor allem mit China, hart ins Gericht zu gehen. Nun, auch das passierte nicht.

Gleich nach seinem Einzug ins Weiße Haus kippte Trump die Transpazifische Partnerschaft TPP, immerhin ein Handelsabkommen zwischen zwölf Staaten des Pazifischen Raums. Ich gehörte selbst zu den Kritikern von TPP, da das Abkommen Konzernen mehr Macht geben sollte, insbesondere in Form von Monopolen und Immaterialgüterrechten. Diese Dinge gehen auf Kosten der Bevölkerung. Ich verstand aber auch etwas, das Trump nicht verstand – TPP sollte dazu die nen, China in Schranken zu halten. Anstatt nun Änderungen vorzuschlagen, erklärte Trump, überhaupt kein Interesse an multilateralen Handelsabkommen zu haben. Er vollzog eine Wandlung vom Kritiker Chinas als einem Land, das seine Währung manipuliert und amerikanische Jobs stiehlt, zum begeisterten China-Anhänger. Sie werden in diesem Buch von wirtschaftlichen Gefälligkeiten lesen, die das chinesische Regime Trump und seiner Tochter Ivanka gewährte – ein gutes Beispiel, wie leicht unser Präsident sich von strategischen Denkern, die über Führungsqualitäten und eine dezidierte Wertehaltung verfügen, über den Tisch ziehen lässt. Im Gegensatz zu Xis Haltung – »Wir sind hier, um zu bleiben, und werden die Welt in die Zukunft führen« – besteht die Philosophie Trumps ausschließlich in der Verherrlichung von Trump dem Großen aus dem Trump Tower.

Dank der ersatzlosen Streichung des Handelsabkommens TPP befindet sich China nun in einem enormen Aufwind. Die von Peking initiierte Regional Comprehensive Economic Partnership gewinnt bereits an Konturen. Es handelt sich dabei um einen Zusammenschluss von 15 pazifischen Staaten und Indien. Außerdem arbeitet China unter den Arbeitstiteln »One Belt« und »One Road Initiative« an der Neubelebung der Seidenstraße. Es möchte so seine Transport- und Handelspolitik von Shanghai bis Großbritannien ausdehnen und gleichzeitig die Beziehungen zu Südasien und zum Nahen Osten stärken. Zugleich kracht es im Gebälk der amerikanischen Infrastruktur, und während ich diese Zeilen schreibe, liegt der von Trump für den ersten Tag seiner Präsidentschaft versprochene Plan immer noch nicht vor.

Doch wie reagiert unser Präsident auf all das? Gar nicht. Trump hungert das US-Außenministerium und diverse andere Behörden aus. Wie Sie hier lesen werden, befindet er sich auf einem Feldzug zur Zerstörung einer kleinen US-Behörde, die bisher höchst erfolgreich Exporte in Schwellenländer angebahnt und so Fabrikarbeitsplätze für Amerikaner geschaffen hat. Womöglich werden Sie sich bei der Lektüre dieses Buches fragen, in welchem Interesse die Handlungen und Unterlassungen von Donald Trump und seiner Administration liegen, all die unbesetzten Stellen in Behörden, die der Friedenssicherung und der US-Wirtschaft dienen sollten – im Interesse seiner Wähler? Der Vereinigten Staaten? Oder im Interesse der Welt?

Trumps eigene Worte beweisen uns, dass er weder, wie er immer behauptet, ein Genie ist, noch überhaupt logisch denken kann. Zahlreiche seiner Aussagen, die sicher keinem Drehbuch entstammen, werden von den Medien einfach ignoriert, weil man sie, höflich ausgedrückt, als »Wortsalat« abtut. Dieser Wortsalat jedoch sagt viel aus – über das Chaos im Kopf dieses Präsidenten, über seine fehlende Konzentration und Unfähigkeit, auch nur einen Gedankengang kohärent zu Ende zu führen. Trumps Aussagen erscheinen oft auch nach längerer Analyse noch absolut sinnfrei. Sie schaffen es kaum in die Nachrichten, oder höchstens kleine Ausschnitte daraus, weil sie im Fernsehen und in den Printmedien nicht gut herüberkommen und so schwierig zu verfolgen sind, dass ein Leser, der nicht darauf vorbereitet ist, rasch das Interesse verliert und lieber anderswo weiterliest.

Trumps Ausführungen sind bombastische Absurditäten, wie wir sie vielleicht von einem Betrunkenen in einer Bar oder einem Verrückten auf der Straße erwarten. Schon in mittlerem Alter war Trump so selbstgezogen und substanzlos wie heute. Damals konnte er allerdings noch ganze Sätze bilden. Seine hier wiedergegebenen wörtlichen Aussagen sind jedenfalls ganz sicher nicht die wohlinformierten, disziplinierten und auf Politik fokussierten Kommentare, die man von einem Präsidenten der USA erwarten darf, vor allem wenn man dessen Befugnis zum Einsatz von Nuklearwaffen berücksichtigt.

Tief in seinem Inneren weiß Trump, dass der permanente ostentative Hinweis auf seine intellektuelle und auch körperliche Überlegenheit reiner Unsinn ist, was erklärt, warum er so oft sagt: »Ich bin so eine Art smarter Typ.«

Stellen wir uns vor, Angela Merkel, deren weltweiter Einfluss mit der Präsidentschaft Trumps noch gestiegen ist, würde derart dünkelhaft und selbstherrlich über sich sprechen. Was geschähe, würde der norwegische Premierminister, der österreichische Kanzler oder auch der Wiener Bürgermeister ebenso unzusammenhängende Gedankenfetzen von sich geben wie Trump, und das immer und immer wieder? Welche politischen und sonstigen Reaktionen wären da zu erwarten? Vielleicht würde man denken, der oder die Betreffende hätte einfach ein Bier zu viel gekippt und sollte am besten ausschlafen. Oder würde man auf eine gestörte Person tippen, die gar keinen Alkohol braucht, um betrunken zu erscheinen?

In Amerika stößt all das auf wenig Aufmerksamkeit. Tatsächlich ignorieren meine Kollegen die Tatsache, dass Trumps Wortmeldungen so inkohärent sind, und entschuldigen sie mit der Kürze und dem starken Narrativ. Deshalb geben sie auch immer nur kurze Auszüge und nie den gesamten Text wieder. Trump wird oft zusammenfassend und nie direkt zitiert, sodass die meisten meiner Landsleute keine Ahnung von den wirren Gedanken ihres Präsidenten haben.

Wenn ein Betrunkener in einer Bar Blödsinn redet, kümmert das niemanden. Doch wenn der Blödsinn aus dem Mund des Präsidenten der Vereinigten Staaten kommt, muss die ganze Welt zuhören, das Gehörte abwägen und wissen, dass Amerika auf Hilfe angewiesen ist, wenn es das bleiben soll, was es unserer Meinung nach ist, nämlich das Land mutiger und freier Menschen.

David Cay Johnston
November 2017

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EIN PRÄSIDENT WIE KEIN ZWEITER

DER ALLEINSTELLUNGSFAKTOR

Es ist ein einziger Faktor, der die Präsidentschaft Donald Trumps von allen 44 Präsidentschaften vor ihm unterscheidet. Ob diese nun herausragend, eher blass oder von Korruption geprägt waren, hatten sie doch etwas gemeinsam, was der Amtsführung Trumps nun fehlt.

Mit der Proklamation der amerikanischen Verfassung im Jahr 1789, eines damals radikal anmutenden Experiments der Selbstregierung, schlug George Washington einen neuen Ton an, von dem er hoffte, dass alle seine Nachfolger ihn beherzigen mögen. Jeder Anflug von Verkommenheit und Selbstherrlichkeit, wie sie europäische Monarchen mit ihrem Anspruch auf Gottesgnadentum an den Tag legten, sollte durch die getragenen Worte der Verfassung im Keim erstickt werden. Aber nicht nur Worte spielten eine große Rolle, auch Washingtons Grunderwerbspolitik war von Belang. Als er plante, ein Grundstück aus dem Eigentum des neu konstituierten Staates zu erwerben, ging er vor wie jeder andere Immobilienkäufer. Er legte ein Angebot vor, das schließlich den Zuschlag erhielt.

Thomas Jefferson, der in der Unabhängigkeitserklärung den edlen Gedanken verewigte, dass alle Menschen »gleich geschaffen« sind (er selbst hielt bis an sein Lebensende Sklaven), besiegelte mit dem »Louisiana Purchase«, dem Kauf der riesigen französischen Kolonie westlich des Mississippi, die Entwicklung der Nation in Richtung Westen. Er orientierte sich in seinem Bemühen um die beste Politik zum Nutzen der Nation und ihrer Bürger an wissenschaftlichen Grundsätzen.

Abraham Lincoln ist die Befreiung der Sklaven zu verdanken, die den Vertretern der Konföderation nach deren Auffassung auf Geheiß ihres christlichen Gottes als Eigentum übergeben waren. Der Schock über Lincolns Ermordung bescherte den Vereinigten Staaten drei Verfassungszusätze, die allen Menschen dieselben verfassungsmäßigen Rechte zubilligen.

Theodore Roosevelt stellte sich in einer Zeit geballten Reichtums, wie ihn die bis dahin von schrecklichstem Elend geprägte Welt noch nie gesehen hatte, gegen die Wohlhabenden – nicht weil sie Geld hatten, sondern weil sie ihren privilegierten Status missbrauchten. Er nutzte seine Regierungszeit dazu, die schlimmsten Auswüchse der »Übeltäter des Wohlstands« einzudämmen.

Franklin D. Roosevelt überwand seinen »Geburtsfehler«, ein Sohn aus gutem Hause zu sein, weil ihm klar war, dass er die Nation durch nachhaltige Reformen aus der schlimmsten Wirtschaftskrise herausführen musste, bevor er sie auf einen Krieg gegen die Nationalsozialisten und ihre Verbündeten vorbereiten konnte.

Dwight Eisenhower erkannte das enorme Wirtschaftspotential seines Landes und hinterließ mit dem fast 90 000 Kilometer umfassenden Interstate-Highway-System seinen persönlichen Fußabdruck. Außerdem stellte er die ersten afroamerikanischen Kinder, die die Central High School in Little Rock besuchten, unter den Schutz der 101st Airborne Division.

John F. Kennedy forderte seine Landsleute auf, nicht zu fragen, was ihr Land für sie tun könnte, sondern stattdessen zu fragen, was sie für das Land tun könnten. Und er schickte die Menschheit auf die Reise zum Mond.

Lyndon B. Johnson setzte sich über den in seiner Jugend herrschenden Rassismus hinweg und erkämpfte den Civil Rights Act, den Voting Rights Act und Medicare. Mit diesen Gesetzen erreichte er erhebliche Verbesserungen für Menschen mit Behinderung und für ältere Bürger. Später verhedderte er sich allerdings im Vietnamkrieg.

Richard Nixon unterzeichnete die ökologischen Vorreitergesetze Clean Air Act und Clean Water Act, gründete die Umweltagentur Environmental Protection Agency (EPA) und kämpfte trotz seiner zahlreichen Verbrechen für ein nationales Gesundheitswesen, bis er dem Land schließlich durch seinen Rücktritt einen patriotischen Dienst erwies.

Ronald Reagan richtete die Nation auf Gedeih und Verderb neu aus, weil er von den negativen Auswirkungen des New Deal auf den Wohlstand im Land überzeugt war. So ebnete er, ohne es ahnen zu können, der Präsidentschaft Donald Trumps den Weg.

Selbst der schlechteste aller Präsidenten verfügte wie alle seine Vorgänger und Nachfolger über eine für die Demokratie entscheidende Eigenschaft, die in der Administration Trump vergeblich zu suchen ist.

Als Chester Arthur, der aus dem politischen New Yorker Sumpf stammte, nach der Ermordung von James Garfield eher zufällig ins Präsidentenamt kam, wies er seine kriminellen Kumpane an, sich vom Weißen Haus fernzuhalten. Arthur wollte das ihm so unerwartet zugefallene Amt keinesfalls besudeln und leitete die Professionalisierung der Bundesbeamten ein. Indem er den Kongress dazu brachte, den Pendleton Civil Service Reform Act zu verabschieden, bekämpfte er zugleich die bisherige Klientelwirtschaft.

Warren G. Harding ist für den Teapot-Dome-Bestechungsskandal bekannt, bei dem er seinen kriminellen Geschäftsfreunden aus der Ölindustrie in die Hände arbeitete. Zugleich förderte er aber auch Jungunternehmen, die später den Wohlstand der Nation und den Fortschritt ankurbelten, etwa in den Bereichen Luftfahrt, Autoindustrie und Straßenbau sowie im Rundfunk.

John Adams erinnert mit seinen Alien and Sedition Acts am ehesten an Trump (und Nixon). Die vier Gesetze schränkten die Einwanderung ein und erleichterten dem Präsidenten die Verfolgung politischer Feinde – wie Trump es ebenfalls vorhat. Eines dieser Gesetze blieb lange genug in Kraft, um noch im Jahr 1942 die Internierung von US-Bürgern japanischer Herkunft rechtlich zu decken. Trotzdem blieb Adams in seiner Amtsführung frei von Skandalen, ging sorgsam mit den Staatsfinanzen um und gründete die moderne Navy.

Was unterscheidet nun all diese amerikanischen Präsidenten von Donald Trump? Manche inspirierten die Menschen mit ihren großen Taten, während andere sich im Klein-klein verzettelten. Einige waren Reformer, andere entschlossene Bewahrer des Status quo. Es gab eloquente Amtsinhaber, die der öffentlichen Debatte Eleganz verliehen, während andere unbeholfen, ja geradezu derb wirkten. Präsidenten wie Barack Obama waren moralisch integer und achteten auf eine tadellose Amtsführung, während andere wie Bill Clinton nicht gerade für ihre Triebkontrolle bekannt waren.

Allen gemeinsam aber ist, dass sie das Wohl der Vereinigten Staaten und ihrer Bürger im Auge hatten. Einige Präsidenten verhalfen Amerika zu Ruhm und Wohlstand, andere versuchten es zumindest, wenn auch mit weniger Erfolg. Manche gingen große politische Risiken ein, um das Land voranzubringen. Einer dieser Präsidenten war Lyndon B. Johnson, der es einfach nicht ertragen konnte, dass Menschen ein Jahrhundert nach dem Ende des Bürgerkriegs nur ihrer Hautfarbe wegen unterdrückt wurden. Johnson wusste, dass seine Haltung die Demokraten auf Generationen hinaus den Süden kosten würde, aber er tat, was seiner Ansicht nach im besten Interesse des Landes war, obwohl er seiner eigenen Partei damit Schaden zufügte.

In der Präsidentschaft Trump geht es jedoch einzig und allein um Donald Trump. Punkt. Ende.

Das sagt er selbst immer wieder. Doch weil er dazwischen einstreut, wie sehr er alle Menschen liebe und wie wunderbar er seine Aufgabe erfülle, glauben Millionen von Amerikanern, er vertrete ihre Ansichten, obwohl er nicht einmal mit sich selbst einig ist. Wer aber genau und mit der nötigen Portion Skepsis zuhört, versteht, was Trump sagt: Er brüstet sich damit, dass es in seiner Präsidentschaft ausschließlich um ihn gehe, und wird nicht müde zu betonen, wie großartig er sei. Er protzt mit den Heerscharen seiner Bewunderer und seinem Verhandlungsgeschick, ja er erklärt, er habe es in der Hand, einen Atomkrieg auszulösen, wie bereits im Zuge seiner Kampagne klargestellt wurde. Trump versucht mit aller Kraft andere dazu zu nötigen, seine innere Leere auszufüllen. Er hat ein mitleiderregendes Bedürfnis nach Aufmerksamkeit und öffentlicher Bewunderung.

In seinem Amt ist er so beschäftigt, dass ständig Bilder eines übernächtigten und rasant alternden Präsidenten durch die Medien geistern. Trump ist nicht der Typ, der bis lange nach Mitternacht Memos studiert und sich von Regierungsexperten in schwierigen Themenbereichen wie Wirtschaft, Weltpolitik, Wissenschaft, Handel oder auf anderen Gebieten beraten lässt. Stattdessen verharrt er, wie Mitarbeiter im Weißen Haus berichten, täglich stundenlang vor dem TV-Gerät. Mit der Fernbedienung in der Hand zappt er durch die verschiedenen Kanäle, um die neuesten Trump-Nachrichten zu verfolgen. Wenn ihm nicht gefällt, was er zu sehen bekommt, versendet er grimmige Tweets, häufig in den frühen Morgenstunden.

Tony Schwartz, Verfasser des Bestsellers The Art of the Deal, weiß, was Trump antreibt. Schwartz erklärte der Dokumentarfilmerin Libby Handros, es sei doch ganz einfach: »Donald Trump wäre am Boden zerstört, würde niemand ihn beachten.«

Trump scherte sich zeit seines Lebens nie um Konventionen und Gesetze. Das hatte ihn sein Vater Fred, dessen Geschäftspartner mit den Mafia-Familien Gambino und Genovese verkehrte, schon als Kind gelehrt. Trump selbst war lange Zeit eng mit der Mafia verbunden, aber auch korrupte Gewerkschaftsbosse und ausgewählte Schwindler gehörten zu seinen Gefolgsleuten. Sogar mit einem internationalen Drogenhändler, der wie viele andere von den für beide Seiten lukrativen Vereinbarungen profitierte, pflegte Trump freundlichen Umgang.

Diese lebenslangen Erfahrungen erklären wohl, warum er und seine Entourage häufig reden, als sei das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten diktatorisch angelegt – eine zutiefst antiamerikanische Vorstellung. Anstatt eines Präsidenten mit bestimmten Pflichten und verfassungsbedingt begrenzten Befugnissen hören sich Trump und seine Helfer an, als wäre er ein absolutistischer Herrscher, vor dem alle wie Höflinge artig zu buckeln haben. Tatsächlich sagte eine der am längsten gedienten und engsten Mitarbeiterinnen Trumps genau das. Omarosa Manigault, die Trump als Kandidatin seiner Fernsehsendung The Apprentice kennengelernt hatte und dort öfter aufgetreten war, war Trumps Kampagnenleiterin für die afroamerikanische Community.

»Jeder Kritiker, jeder Lästerer wird sich noch vor Präsident Trump verneigen müssen«, erklärte Manigault in der Fernsehdokumentation Frontline. »Ich meine alle, die je an Donald gezweifelt, sich gegen ihn gestellt oder ihn herausgefordert haben. Es ist die beste Rache überhaupt, zum mächtigsten Mann im Universum aufzusteigen.« Trump ernannte sie zur Kommunikationsleiterin des Office of Public Liaison im Weißen Haus, des Verbindungsbüros zu den Einzelstaaten und Kommunen, eine Funktion, in der sie mit speziellen Interessengruppen zu tun hat.

Er brachte zudem seine Lebensphilosophie mit ins Weiße Haus, eine Philosophie, die jedem politischen Kompromiss und der Erkenntnis, dass andere Amtsträger in ihrer Heimat andere Interessen und Bedürfnisse haben als die USA, diametral entgegensteht. Über viele Jahre hinweg und in zahlreichen Foren hat Trump diese seine Lebensphilosophie bis ins Detail dargelegt. Und sein Verhalten deckt sich genau mit seinen Ansichten über das Leben.

Es war Trump selbst, der seine gesamte Lebensphilosophie in ein einziges Wort gepackt hat – Rache.

»Ich revanchiere mich richtig gerne«, schreibt Trump in einem seiner Bücher und fügt hinzu: »Du musst dem Gegner an die Gurgel gehen, volle Kanne!« In der Öffentlichkeit und in seinen Büchern spricht Trump wiederholt von der Freude, die es ihm bereitet, das Leben von Menschen zu zerstören, die sich seiner Meinung nach illoyal verhalten. Dass Trump anders als George Washington keine moralischen Grenzen kennt, hängt mit seinem tief sitzenden Narzissmus zusammen. Doch anders als der Narziss der Mythologie, der ein trauriges Ende fand, als er in dem Teich ertrank, der sein Spiegelbild zeigte, brachte Trumps Narzissmus ihn an einen Platz, wo er eigenen Aussagen zufolge schon seit Jahrzehnten hätte sein sollen – ins Weiße Haus.

In den letzten Jahren widersprach Trump immer wieder dem Glaubenssatz, man solle seinen Feinden auch die andere Wange hinhalten. Alle, die sich an dieses biblische Wort halten, verunglimpft er als »Narren« und »Idioten«. Die vielen Priester und Pastoren, die sich im Wahlkampf für Trump einsetzten und seine Aussage, er sei Christ, unwidersprochen durchgehen ließen, müssen das wohl überhört haben. Darüber sollte man nachdenken, zumal Jesus Rache aus tiefstem Herzen ablehnte und im Neuen Testament wahrlich keine Empfehlung zu finden ist, Rache zu üben. Rache ist das Credo der Diktatoren und Mafiabosse. Diese drohen mit Vergeltung, wirtschaftlichem Ruin, Gewalt oder Schlimmerem, um andere auf ihre Linie zu zwingen. Dass Trump Omarosas Aussage, Gegner würden sich noch vor ihm verneigen müssen, stillschweigend zustimmt, und dass er sie anschließend zur Kommunikationsleiterin ernannte, zeigt, was Trumps Präsidentschaft so anders macht als jede andere vor ihm. Sie beruht auf der offenen, ja öffentlich bekundeten Missachtung der Verfassungsgrundsätze. Als Präsident brachte er eine Reihe von Personen mit extremen Ansichten ins Weiße Haus, einige von ihnen islamophob, einige weiße Nationalisten, einige xenophob und viele in ihrer wissenschaftlichen Ahnungslosigkeit geradezu Ebenbilder Trumps. Wie später noch zu sehen sein wird, verfügen die meisten von ihnen über keinerlei Qualifikation für ihre jeweilige Funktion. Gemein ist ihnen nur, dass Trump sie für »großartige Leute« hält. Für diese Kandidaten sicherte er sich die Zustimmung einer Mehrheit der Senatoren – und dies, obwohl einige seiner Aspiranten als Ignoranten enttarnt.

Die meisten der fast 4000 von Trump zu besetzenden Stellen, von Botschafterposten bis hin zu Behördenleitern, harren immer noch ihrer zukünftigen Amtsinhaber. Doch auf lange Sicht bieten vor allem die zahlreichen politischen Kandidaten, die es kaum je in die Schlagzeilen schaffen, Anlass zur Sorge. Diese Funktionen werden häufig auf Zuruf und aus Trumps Umfeld besetzt, ein Phänomen, das in allen Administrationen anzutreffen ist. Doch diesmal ist alles anders.

Trumps Administration platzierte an allen Stellen innerhalb der Regierung »politische Termiten«. Deren Aufgabe ist, so Steve Bannon, Trumps ehemaliger Chefstratege im Weißen Haus, die »Dekonstruktion des Verwaltungsstaates«. Bannon meint damit laut eigener Aussage die Zerschlagung der staatlichen Instrumente für Steuern, Handel, Aufsichtsmaßnahmen und dergleichen, mit denen die Administration in Washington ihren Aufgaben nachkommt. Am Ende soll nicht nur ein kleiner Regierungsapparat stehen, wie ihn sich die Republikaner seit jeher wünschen. Ziel ist eine Regierung, die sich zuallererst um die Privilegierten im Land kümmert und nicht um jene, die Hilfe in Form von vernünftiger Bildung, sauberem Wasser und all den anderen Grundlagen einer gesunden Gesellschaft im 21. Jahrhundert benötigen. Diese Termiten verrichten ihr Werk unbemerkt, manchmal sogar unter extremer Geheimhaltung. Soweit bekannt, schüchtern sie Wissenschaftler ein und drängen sie aus ihren Posten, lassen staatliche Aufzeichnungen verschwinden oder vernichten sie sogar. Diese Aufzeichnungen würden aber oft benötigt, um zum Beispiel Gesetze in Bereichen wie Umwelt und Sicherheit am Arbeitsplatz durchzusetzen.

Aber halt – Trumps Administration hat sehr wohl eine wesentliche Veränderung für mehr Gleichheit in Amerika zustande gebracht. Dank Trump haben psychisch Kranke heute weitgehend dieselben Rechte auf Waffenbesitz wie gesunde Mitmenschen.

Das vorliegende Buch ist mein Versuch, Trumps Handeln als Präsident zu einem Gesamtbild zusammenzuführen. Damit steht es im Widerspruch zu den leider völlig zusammenhanglosen Aussagen des Präsidenten, die man wohlmeinend als Wortsalat bezeichnen könnte. Vieles von dem, was folgt, wurde bereits in den Medien zur Sprache gebracht, vieles ist neu.

Die USA haben heute eine Administration, die bewusst versucht, die staatlichen Strukturen mit den am schlechtesten qualifizierten und aggressivsten Termiten zu unterminieren und zum Einsturz zu bringen.

Für die Neuausrichtung des Bildungsministeriums wählte Trump eine reiche Erbin ohne theoretischen oder praktischen Bildungshintergrund, dafür aber mit dem starken Bedürfnis, Schulen wie Wirtschaftsunternehmen führen zu lassen und der Religion wieder mehr Raum im Klassenzimmer zu verschaffen. Im Ressort Wohnbau und Stadtentwicklung entschied sich der Präsident für einen pensionierten Arzt ohne administrative Erfahrung und ohne Wohnbaukompetenz, der erklärte, die ägyptischen Pyramiden seien keineswegs Pharaonengräber, sondern Getreidespeicher gewesen. Finanzminister wurde unter Trump ein Wall-Street-Banker, der sein Vermögen hauptsächlich mit der Versteigerung überschuldeter Wohnhäuser gemacht hat. Die Umweltschutzbehörde EPA wird jetzt von einem Anwalt geleitet, der geschworen hat, die Behörde, der er vorsteht, zu zerstören.

Nachdem Trump FBI-Direktor Comey gefeuert hatte, weil dieser es ablehnte, ihm persönliche Treue zu schwören und die Russland-Untersuchungen einzustellen, ernannte er einen Juristen zu dessen Nachfolger. Der hatte allein im vergangenen Jahr über 17 Millionen Dollar mit der Vertretung korrupter Banken verdient. Geldwäsche und andere Betrugsfälle, die ihnen zur Last gelegt werden, sind genau jene Tatbestände, deren Untersuchung bekanntlich dem FBI obliegt.

Gesundheitsminister, eine Funktion, in der man die Amerikaner eigentlich vom Rauchen abhalten sollte, ist heute ein Arzt, der Aktionär einer Tabakgesellschaft war.

Und viele Fakten aus der Trump-Administration sind kaum oder gar nicht bekannt. Ständig wettert der Präsident, seriöser Journalismus sei nur »fake news«, profitiert aber zugleich von Organisationen, die erfundene Geschichten und verdrehte Fakten in Umlauf bringen oder zu Angelegenheiten, die sie nicht wegwischen können, standhaft schweigen.

Einen Blick auf die Realität erhaschten wir etwa im August, als der Meinungsforscher Peter D. Hart ein Dutzend Leute mit unterschiedlichen politischen Ansichten zu einem Treffen nach Pittsburgh bat. Alle erklärten unisono, Trump sei ihnen peinlich, doch jene, die ihn gewählt hatten, hielten ihm zumindest vorerst die Stange. Die interessantesten Ergebnisse brachten Harts Fragen nach Robert Mueller, dem Sonderermittler und Leiter der Russland-Untersuchung, die Trump unbedingt stoppen will. Vier Personen, allesamt Trump-Wähler, hatten nicht die leiseste Ahnung, wer Mueller war. Es gibt wenig, was Trump so sehr in die Hände spielt wie Unwissenheit.

Harts Gruppe in Pittsburgh erinnert uns an etwas, was jeder Trickbetrüger wissen muss: Menschen sehen, was sie sehen wollen, sie hören, was sie hören wollen, und sie glauben, was sie glauben wollen. Sie lassen es zu, dass ihre Hoffnungen und Wünsche jede Skepsis im Keim ersticken. Solange ihnen Fakten, auf die sie sich keinen Reim machen können, nicht direkt ins Gesicht springen, werden die Bewunderer von Trickbetrügern die Welt immer durch die vertrauensselige, verzerrte Brille sehen, die sie sich selbst zurechtgebastelt haben.

Trump war sein Leben lang ein Trickbetrüger. In The Art of the Deal prahlt er, durch Täuschung und Betrug reich geworden zu sein. Er erklärt voll Stolz, Bankkredite über Milliarden Dollar einfach nicht bedient zu haben. Er hat Tausende von Menschen betrogen, die unbedingt wissen wollten, was denn nun das Erfolgsgeheimnis Trumps sei, und für das »Gold Elite Program« der Trump University bis zu 35 000 Dollar bezahlten. In einem Werbevideo erklärte Trump, seine Universität biete eine bessere Ausbildung als die führenden Wirtschaftsuniversitäten einschließlich der Alma Mater, die er selbst besucht hatte. Gerichtsverfahren zwangen ihn jedoch dazu, auszusagen und Dokumente vorzulegen, die beweisen, dass er mit den »Studierenden« keinerlei solche Erfolgsgeheimnisse teilte. Es gab kein einziges Treffen zwischen Mitgliedern der Fakultät und Trump. Die Professoren erwiesen sich als eilig rekrutierte Manager ohne Erfahrung im Immobilienbereich, immerhin das zentrale Fachgebiet dieser »Universität«. Nach gerichtlichen Klagen zahlte Trump 25 Millionen Dollar an die Betrogenen zurück, um die Wogen dieses Betrugsfalls zu glätten und von den Mauern des Weißen Hauses fernzuhalten.

Wenn er eine größere Öffentlichkeit betrügen will, beruft sich Trump auf obskure Medien. Menschen, die ihre Informationen aus diesen Quellen beziehen, sind überzeugt, Trump werde ständig attackiert, nur weil er das Richtige tue. Für Millionen Amerikaner, darunter, so sagen die Umfragen, etwa die Hälfte Republikaner, ist Trump der große Held. Sie glauben, er werde von den Demokraten verfolgt, die mit Journalisten gemeinsame Sache machen. Trump nennt sie einfach »Volksfeinde«. Die Extremeren unter den Trump-Anhängern sagen, die Demokraten wollen Amerika durch die Einführung der Scharia zerstören. Verschrobene Ansichten wie diese haben in der Ära Trump Hochkonjunktur, was wiederum TV-Komikern und Kabarettisten jede Menge Munition liefert. Ihre Gags und Witze, so präzise in den Fakten und treffsicher im Ton sie auch sein mögen, amüsieren diejenigen, die ohnehin nicht auf Trump hereingefallen sind. Sie stärken aber zugleich die Entschlossenheit jener, die ihre Hoffnungen und Träume auf Trump projizieren. Allen, die die Fakten nicht kennen, erscheint diese Art von Humor unfair, unehrlich und einfach nur abstoßend.

Wie elend müssen sich doch republikanische Kongressabgeordnete fühlen, die in privaten Gesprächen Trump häufig jede Eignung für das Amt absprechen, weil sie ihn für ebenso ignorant wie instabil halten. Doch sich gegen Trump zu wenden, wenn die Hälfte der Wähler ihn für einen Halbgott oder zumindest für die letzte Hoffnung auf eine bessere Zukunft hält, wäre politischer Selbstmord. Viele dieser Leute wissen, dass es das Ende ihrer Karriere bedeuten kann, Trump herauszufordern. Trump wiederum ist klar, dass er, wenn er im Amt bleiben möchte, die Republikaner so weit einschüchtern muss, dass ihnen das Wort Impeachment, Amtsenthebung, niemals über die Lippen kommen wird.