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Belinda Jones

Unterwegs mit

Bodie

Eine Frau, ein Hund, eine Reise, ein neues Leben

Aus dem Englischen von Nadine Lipp

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Die Originalausgabe erschien 2017 unter dem Titel

Sämtliche Angaben in diesem Werk erfolgen trotz sorgfältiger Bearbeitung ohne Gewähr. Eine Haftung der Autoren bzw.

1. Auflage

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das des öffentlichen Vortrags, der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen sowie der Übersetzung, auch einzelner Teile. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Gesetzt aus der Minion Pro, Cafeteria, SantElia Rough, VAG Rounded

Medieninhaber, Verleger und Herausgeber:

Satz: MEDIA DESIGN: RIZNER.AT

Für Winnie

Bodies erste und größte Hundeliebe

2007–2017

Inhalt

Prolog

Teil eins – Findet Bodie

Kapitel1 – Liebe auf das erste »Sitz«

Kapitel2 – Im Hundetollhaus

Kapitel3 – Eine ganz neue Welt

Kapitel4 – Als Bodie Winnie traf

Teil zwei – Highway zum Glück

Kapitel5 – Der Roadtrip

Kapitel6 – Die Hundemasseurin

Kapitel7 – Abenteuer in Santa Barbara

Kapitel8 – Bo Derek auf dem Fahrrad

Kapitel9 – Das hundefreundliche Drive-in-Kino

Kapitel 10 – Hundebier am Moonstone Beach

Kapitel 11 – Big Sur Bakery

Kapitel 12 – Cocktails bei Doris Day

Kapitel 13 – Strandtreffen

Kapitel 14 – Kennel Nr. 5

Kapitel 15 – Der Hundebürgermeister

Kapitel 16 – Oh, San Francisco

Kapitel 17 – Das Snoopy-Museum

Kapitel 18 – Hunde-Happy-Hour in Napa

Kapitel 19 – Fou Fou Le Blanc

Teil drei – In Oregon

Kapitel 20 – Ich liebe Weed

Kapitel 21 – Die Hundeshow

Kapitel 22 – Bobbie, der Wunderhund

Kapitel 23 – Der Oregon Garden

Kapitel 24 – Portland muss merkwürdig bleiben

Kapitel 25 – Der Doggie Dash

Kapitel 26 – Der Rudellauf

Kapitel 27 – Das Tiermedium

Kapitel 28 – Jugendliebe

Kapitel 29 – Die Aussicht vom Mount Tabor

Teil vier – Der Weg nach Hause

Kapitel 30 – Mürrischer Hund

Kapitel 31 – »Bad to the Bone«

Kapitel 32 – Die Oregon Dunes

Kapitel 33 – Strafzettel für zu schnelles Fahren

Kapitel 34 – Geheimnisvolle Bäume

Kapitel 35 – Schutzengel

Kapitel 36 – Die Reise mit Charley

Kapitel 37 – Ein märchenhaftes Ende

Über die Autorin

Über den Hund

Über den Blog

Top-Tipps rund ums Reisen mit Hund

Hundeappetit! Belindas Tipps für einen Restaurantbesuch mit Hund

Dank

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Er mag Autoreisen!

Pryor’s Planet über Bodie

Prolog

Vor Bodie war ich mir absolut sicher, ein totaler Katzenmensch zu sein. Im Alter von fünf Jahren hatte ich zwar eine kurze Spitzmaus-Episode, das aber nur, weil mein getigerter Kater Tibbles sie aus dem Blumenbeet ausgegraben hat, woraufhin ich versucht habe, das zierliche Nagetier durch Mund-zu-Mund-Beatmung wiederzubeleben.

Meine Mutter war entsetzt. Eine Katze mit dreckigen Pfoten im Haus war schon viel zu viel für sie.

»Hast du Tibbles gesehen?«, fragte sie jeden Abend, wenn sie mich ins Bett brachte.

»Es sah so aus, als ginge er raus …«, antwortete ich vage, als hätte ich ihn dabei erwischt, wie er seine Schnurrhaare mit Kölnischwasser betupft und seinen Filzhut zurechtgerückt hätte – dabei lag er festgeklemmt unter der Decke, an meinen Füßen.

Sobald meine Mutter das Zimmer verließ, hob ich den oberen Teil der Bettdecke an, und er robbte sich durch den Deckentunnel zum Licht. Er atmete einen Moment lang die kühlere Luft ein, dann legte er seinen Kopf auf mein Kissen, und wir schliefen Nase an Nase ein.

Ich war selten von ihm getrennt. Als meine Eltern sich scheiden ließen, bestand ich darauf, ihn jedes Wochenende zu meinem Vater und wieder zurück zu transportieren. Ich nahm ihn auch bei Wohnungsbesichtigungen mit, denn »ihm musste das neue Heim ja auch gefallen«.

Als ich mit neunzehn Jahren nach London ging, um Journalismus zu studieren, war ich gezwungen, mir meine Dosis an Straßenecken zu holen: Es gab keine unter parkenden Autos versteckte Katze, die ich nicht für eine Liebkosung herauslocken konnte. Zehn Jahre später, als mich meine Arbeit für verschiedene Magazine nach Los Angeles führte, engagierte ich mich ehrenamtlich als Katzenbetreuerin in einem Tierheim, der Glendale Humane Society. Die amerikanischen Kätzchen waren ebenso süß wie die britischen, aber jedes Mal, wenn ich an den Hundegehegen vorbeiging, sah ich weg und schreckte wie ein Gefängnisneuling zurück, während die hartgesottenen Verurteilten an den Eisentüren klapperten und Blechnäpfe gegen die Stangen stießen, spotteten und schrien und heulten.

Warum veranstalteten sie immer so ein Spektakel? Es fühlte sich sehr bedrohlich an, dieses Hervorstürzen und Zähnefletschen. Ich war immer sehr erleichtert, wenn ich im Katzenraum angekommen war, wo meine Katzenschwestern gemächlich herumschlichen und sich im Sonnenlicht dehnten – es war wie in einem Wellnesscenter. Ich suchte mir das bedürftigste Kätzchen aus, streichelte es, genoss sein Schnurren und blickte aus dem Fenster zu den Hunden: diese ganze angestaute Energie, das Gehen und Laufen, nach dem sie sich sehnten. Aber ich war ihnen nicht behilflich. Ich hatte nicht nur Angst und war ungeschickt, ich konnte mich darüber hinaus viel besser mit dem Tagesprogramm der Katzen identifizieren – auch ich lag gerne den ganzen Tag herum.

Doch als der Frühling sein frisches Grün entfaltete, begann der Wandel.

Teil eins

Findet Bodie

Kapitel 1

Liebe auf das erste »Sitz«

Es war schon fast unheimlich, wie es sich anbahnte.

Jedes Mal, wenn ich vor die Tür trat, fühlte ich mich angezogen von jedem vorbeilaufenden Hund, sei es ein stapfender, watschelnder Koloss oder ein zierlicher, stolzierender mit Stecknadelbeinen. Sobald ich mich ihnen näherte, drehte sich die Welt nur noch im Zeitlupentempo, und ich fühlte mich wie in einer dieser Shampoowerbungen, in der die Frau ihre kaskadenartig fallenden Locken schüttelt – nur dass es in diesem Fall ein goldenes Schwingen von Spanielohren war oder die Gräser-im-Wind-Bewegung eines Schäferhundfells, das mich verzauberte.

In einem Comic würden sich die Augen der Hunde schließen, und ihr Gesichtsausdruck würde mir wissend bedeuten: »Es ist Zeit …«

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Zunächst konnte ich diese plötzliche, dringende Anziehung nicht verstehen. Normalerweise reagiere ich nach dem Ende einer Beziehung sehr sensibel auf jedes Pärchen, das ich sehe – sehnsuchtsvoll denke ich an das Gemeinschaftsgefühl, an öffentliches Liebkosen und die verträumten Blicke –, aber dieses Mal war alles, was ich in den Pärchen sah, bevorstehender Schmerz. Wussten sie denn nicht, dass Glück nur eine Phase war und der Herzschmerz gleich um die Ecke wartete? Die Verbindung, nach der ich mich am meisten sehnte, war die zwischen Mensch und Hund.

Vielleicht auch, weil sie sicherer und ehrlicher zu sein schien. Hunde verlassen einen nicht. Man kommt nicht eines Tages nach Hause und findet einen Koffer vor der Tür oder einen Lebewohl-Zettel am Kühlschrank. Hunde entlieben sich nicht. Und vor allem verlassen Hunde einen nicht, um Piraten in Somalia zu bekämpfen.

Im Vergleich zu anderen Schlussmach-Strategien vermute ich, dass Nathans eine richtig gute war. Man kann mit dem Personaleinsatzprogramm der US-Marine nicht diskutieren. Man kann aber dennoch darüber klagen, dem Himmel mit den Fäusten drohen und fragen, warum-warum-warum man nach zwanzig Jahren voller Blindgänger endlich einen guten Mann trifft und er einem weggenommen wird.

Selbstverständlich überstehen viele Paare diese sechsmonatigen Trennungen. Und ich hatte mir das auch vorgenommen. Sogar als es eine anschließende Mission nach Russland geben und er danach fast fünftausend Kilometer von mir entfernt in Virginia stationiert werden sollte, mit der Folge, dass wir nur zwei oder drei Wochen im Jahr hätten zusammen sein können.

Während ich dabei war, die Angst vor einer Fernbeziehung zu mildern, indem ich sie zu einer künstlerischen Lebensform erklärte, sagte Nathan, er könnte mir angesichts einer solchen Unsicherheit keinerlei Versprechungen machen. Er war nur realistisch. Sogar verantwortungsbewusst. Aber alles, was ich hörte, war die Abweisung. Er sagte, ich sei die Liebe seines Lebens, aber er ließ mich los.

Ich ging in die Knie, als ich dabei zusah, wie sich meine Träume vom Liebesglück, von einem quietschenden Baby und jemandem, bei dem ich mich nachts geborgen fühle, im Smog von Los Angeles auflösten. Ich war einundvierzig Jahre alt und hatte gerade angefangen zu glauben, dass meine Zeit endlich gekommen war. Und nun fühlte ich mich wie das Mädchen, das ihr Glück nicht fassen kann, weil der Schulhengst sie ausführen will, nur um dann herauszufinden, dass alles auf einer Wette basiert. Erniedrigt durch meine eigene Hoffnung.

Dennoch wollte ein Teil von mir nicht akzeptieren, was geschehen war. Warum sollten sich die Dinge endlich in meiner Reichweite aufstellen, nur um dann weggerissen zu werden? Musste ich jetzt tatsächlich wieder zu dem Weg zurückkehren, auf dem ich mich zuvor befunden hatte? Plötzlich war alles, was ich mir jemals erhofft hatte, weg. Mein Leben war noch nie so leer. Nicht einmal das Schreiben, das sonst immer meine Rettung war, konnte mich trösten.

Während ich in eine düstere Welt der Desillusion und Verzweiflung abtauchte, waren alle um mich herum der Meinung, dass ich gerade rechtzeitig den Absprung geschafft hatte – das Leben an der Seite eines Marineoffiziers wäre kein Zuckerschlecken gewesen. Das konnte ich nicht leugnen. Das Jahr, das wir zusammen verbracht hatten, war bereits eine Herausforderung, und ich war sehr weit davon entfernt, Militär-kompatibel zu sein. Also war es vielleicht besser so. Irgendwann würde auf den Schmerz Erleichterung folgen, nicht wahr? Ich hatte in so vielen anderen Bereichen Glück. Nur in der Liebe nicht. Irgendwann würde dieses Gefühl, eine lebensverändernde Liebe erlebt zu haben, nicht mehr echt erscheinen. Irgendwann würde auch ich auf die seltsame Vorstellung, es hätte halten können, pfeifen. Irgendwann würde ich dazu zurückkehren, einfach ich zu sein.

Aber im Moment ging es darum, wie ich den nächsten Tag überleben sollte.

Eine Sache war mir klar: Diesmal würde ich das nicht alleine überstehen. Ich brauchte Hilfe von einem metaphorischen Heiligen Bernhard, wenn nicht sogar von einem echten. Vorzugsweise mit einem riesigen Whiskybehälter um den Hals.

Es ist Zeit …

Man sagt, man soll sich nach einer Trennung keinen Hund zulegen, weil man zu bedürftig und emotional aus dem Gleichgewicht ist, um eine ausgewogene, wohlüberlegte Entscheidung zu treffen.

Das stimmt. Ich habe jedoch erst davon erfahren, nachdem ich es getan habe.

Alles, was ich zu der Zeit wusste, war, dass ich mich fühlte, als würde ich auf der Stelle verglühen, wenn ich keinen Abnehmer für all meine versetzte Liebe fände. Mir war nicht klar, dass mein Motiv so eindeutig zu durchschauen war.

»Oh, ich verstehe, sie versucht, ihren Freund zu ersetzen!«, krähte mein Vermieter, als der lokale Ableger des Tierschutzbundes anrief, um zu überprüfen, dass in meinem Wohnhaus Tiere erlaubt sind.

Das Gefühl, entblößt zu werden, wuchs, als ich das Bewerbungsblatt durchlas.

Grund für die Adoption. Bitte umkreisen Sie einen der folgenden Punkte:

• Spielpartner, Familienhund

• Wachhund

• Sport-/Bewegungsmotivation

• Gefährte

Mein Kopf wurde bei der letzten Option heiß.

Sie wissen Bescheid. Sie wissen, wie alleine ich mich fühle. Sie wissen, dass ich keine Beziehung zu einem Menschen aufbauen kann und deshalb auf einen Hund zurückgreife.

Und dann dämmerte mir: Wenn es schwarz auf weiß in einem amtlichen Formblatt steht, dann bin ich nicht alleine mit meinem Alleinsein, dann bin ich nicht die einzige Person, die auf diese Art die Hand ausstreckt. Vielleicht muss man sich dafür überhaupt nicht schämen. Gewiss, auf eine bestimmte Weise fühlte ich mich durch diese Auflistung in meinem Vorhaben auch unterstützt – diese Leere, die ich zu füllen hoffte … Es konnte funktionieren! Und ein Hund wäre genau das Richtige.

Aber welcher Hund? Bei über einer halben Million ungewollter Hunde in den USA, aus denen man wählen kann, wie würde ich da wissen, welcher für mich bestimmt ist? Und würde ich ihn finden, bevor er sich in der Euthanasie-Statistik einreiht? (Ernüchternde sechzig Prozent der Streuner werden getötet.)

Ich begann mit dem Auswahlprozess im Internet.

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Ich wusste: Ich wollte keinen Handtaschenhund – nichts, worauf ich mich aus Versehen setzen oder das ich mit dem Staubsauger aufsaugen könnte. Was ich wirklich wollte, war ein Exemplar, das mich umstoßen konnte. Je größer und haariger, desto besser. Im Grunde ein Chewbacca auf allen vieren.

Tagelang war ich auf einen Tibetischen Mastiff namens Dharma fixiert, ich war fasziniert von den zusammengekniffenen Alte-Seele-Augen und dem fluffigen Schwanz. Die Idee, meine Arme um diesen warmen Körper zu legen und dabei vollkommen eingehüllt zu werden, gefiel mir. Dann aber las ich, dass der Tibetische Mastiff nachts bellt und dass dies zu Problemen mit den Nachbarn führen kann.

Akitas gefielen mir gut, aber irgendetwas an ihrer würdevollen Haltung deutet darauf hin, dass sie ihr makelloses Fell lieber so makellos behalten und es nicht mögen, wenn man es ordentlich zerzaust. Ich habe auch gelesen, dass sie einen dominanten Charakter haben und einen Besitzer brauchen, der Kontrolle ausüben kann. So jemand bin ich nicht.

Also ging ich zu Huskies über.

Schlittenhunde fand ich schon immer sehr beeindruckend – das präzise Muster ihres zweifarbigen Fells, der Schwung der weiß-blauen Augen –, aber sie passen natürlich nicht ins ewig sonnige Kalifornien, und wenn sich mein Bedürfnis, Menschen zufriedenzustellen, auf Hunde übertragen sollte, könnte das Ganze damit enden, dass ich dem Hund zuliebe nach Sibirien auswanderte.

Es gab da noch eine Rasse, die mir gut gefiel: der Chow-Chow. Diese Hunde sehen wirklich aus wie eine Mischung aus einem Teddybären und einem Löwen. Sie sind so rund und weich und haben zur Krönung diese wie eine Haarhalskrause abstehenden Haare. Ich mochte vor allem die Bernsteinfarbtöne ihres Fells im Kontrast zu den bläulich-schwarzen Zungen, die aussehen, als hätten sie Schwarze-Johannisbeere-Hustenbonbons gelutscht. Es war mir egal, dass sie als reserviert gelten und »nicht so motiviert sind wie andere Hunde, ihre Herrchen/Frauchen zufriedenzustellen«, da ich Katzen gewohnt war und ihre Missachtung sogar liebenswert fand.

(Diesen Punkt der Liste »In der Therapie ansprechen« hinzufügen.)

Doch dann erfuhr ich, dass mein Vermieter keine Chow-Chows erlaubte. Dabei hatte er sie mal gezüchtet. Ich vermutete, dass es etwas mit ihrem Ruf »Zuerst beißen und erst dann Fragen stellen« zu tun hatte. Offenbar liegt es daran, dass sie über kein peripheres Sehen verfügten, aber diese Erklärung wird der Person mit der Zahnmarkierung im Schenkel kein Trost sein.

Also sah ich mir jede andere Rasse an – von drahtigen Windhunden bis zu glatten Weimaranern –, aber egal, wie verführerisch die Pose war, Chow-Chows blieben mein heimlicher Favorit, und ich fand immer wieder einen Weg zurück zu Chow-Chow-Onlinelisten und verliebte mich so sehr in einen zotteligen alten Kerl, dass ich tatsächlich zum Tierheim Pasadena Humane Society fuhr, um ihn zu treffen.

Als ich freudig dort ankam, sagte Kerry, die Mitarbeiterin, die damit beauftragt war, mir zu helfen, Leo sei keine gute Wahl für eine unerfahrene Erstbesitzerin, und bestand darauf, dass ich mir eine wacklige Aufstellung von Streunern ansah. Mein Blick kehrte immer wieder zu Leos Käfig zurück. Er war neun Jahre alt, also nicht wirklich unter den Begehrtesten bei einer Adoption. Konnte ich ihn denn nicht wenigstens treffen? Schließlich gab sie nach und ließ mich im Spielbereich warten. Sobald er reinkam, bäumte er sich auf und umklammerte mich mit seinen zerlumpten Pfoten.

»RUNTER!« Sie zog ihn zurück.

»Oh, das macht nichts!« Ich freute mich tatsächlich über seine Zuneigung.

»Er hat ein ernsthaftes Bums-Problem.«

»Oh«, erschrak ich.

Ich hatte nicht verstanden, was seine Umklammerung bedeutet hatte; ich dachte, er wollte mich nur umarmen. Die alte Geschichte …

»Glauben Sie mir, Sie sind das bald satt«, sagte Kerry, während Leo es sieben weitere Male in ebenso vielen Minuten versuchte.

Die Wahrheit ist: Wenn sie nicht so vehement darauf bestanden hätte, dass er eine schlechte Idee für mich ist, wäre er jetzt bei mir zu Hause. Ich befand mich tatsächlich nicht in der Lage, scharfsinnig und objektiv zu urteilen. Alles, was ich wollte, war, das Tierheim als eine andere Person zu verlassen, als die ich es betreten hatte. Eine andere als die traurige, zurückgewiesene. Ich wollte mich dreimal im Kreis drehen und eine hüpfende, neue Hundebesitzerin sein und lachend über Gänseblümchenfelder laufen. Ich wollte etwas Positives und Überraschendes zu erzählen haben, wenn ich gefragt werden sollte, was es Neues gab. Ich wollte mich selbst aus dem Sumpf herausziehen, indem ich etwas Großes tat, etwas Irreversibles und Herausforderndes.

Das letzte Kriterium klingt vielleicht seltsam – wer braucht zusätzliche Herausforderungen in seinem Leben? Aber nach all den Jahren, in denen ich die Freiheit über alles gestellt hatte, fühlte ich mich nun ohne Wurzeln und ohne Bindung – und das war das Problem. Ich wollte Verantwortung. Ich wollte in der Lage sein zu sagen: »Oh, würd ich total gern, aber ich kann nicht, ich muss nach Hause und den Hund füttern.«

Ich konnte also nicht mit leeren Händen fahren, das ging einfach nicht. Ich fragte sie, ob ich mir die Käfige alleine anschauen konnte, nachsehen, ob es andere Optionen gab, die wir bisher übersehen hatten. Ein Paar kam gerade herein, also ließ sie mich unbeaufsichtigt herumlaufen. Was für eine Erleichterung! Nun konnte ich mich von meinem Instinkt leiten lassen. So komisch das auch klingen mag, aber man muss seinen Hund auch physisch attraktiv finden. Das Gute ist, dass jeder einen ganz anderen Geschmack hat – manche mögen eingedrückte Gesichter, andere eine aristokratisch anmutende, knochige Ästhetik oder erhöhte Backenknochen. Es gibt einen Hund für jeden – aber wo war meiner?

Während ich zwischen den Käfigen herumlief, hatte ich das Gefühl, ich scrolle durch die Fotos eines Datingportals. Nein, nicht dich … Hmmm, vielleicht … Und dann sah ich diesen rauflustigen gelb-weißen Kerl, der aussah wie eine frühe Bleistiftskizze für einen Comic. Als sich unsere Augen trafen, bekam ich das Herzrasen, auf das ich gewartet hatte. Ich kniete mich neben den Käfig, und er kam direkt zu mir, ganz sanftmütig, aber mit einer klaren Botschaft: »Ich bin einsam und muss gerettet werden.« Und ich schmolz dahin.

Ich wollte loslaufen und Kerry finden, aber ich hatte Angst, er könnte mir in meiner Abwesenheit weggeschnappt werden, also bewachte ich zehn Minuten lang seinen Käfig. Ich blickte immer wieder den Gang hinunter, in der Hoffnung, Kerry zu sehen, und dann wieder zur anderen Seite, ob sich Neuankömmlinge auf Beutezug näherten. Endlich tauchte sie auf.

»Tadaaa!« Ich gestikulierte wild.

»Oh, nein.«

»Nein?« Meine Mundwinkel fielen herab.

»Nicht für eine Erstbesitzerin.«

»Wirklich?«, seufzte ich verzweifelt. »Aber warum?«

Sie sah sich um, beugte sich zu mir: »Er hat eine Katze getötet, eine mannshohe Mauer erklommen, einen Mann gebissen.«

Ich schaute zu diesem kleinen Fellbüschel: »Du hast all das getan?«

»Was soll ich sagen«, schien er zu antworten, »wir haben alle mal einen schlechten Tag.«

»Er braucht einen erfahrenen Besitzer«, insistierte Kerry.

Ich war dennoch angetan. Das mit der Mauer konnte man als athletisch betrachten. Der Mann, um den es ging, war wahrscheinlich ein Dieb. Aber die Katze … Ich könnte mir nie verzeihen, wenn er das in meiner Anwesenheit wiederholen würde.

»Okay«, murmelte ich. »Ich schau mich weiter um.«

Und das tat ich. Jeden Abend durchforstete ich das Internet auf der Suche nach der Hundeliebe meines Lebens. Jedes Mal, wenn ich dachte: »Er ist es!«, wurde ich zurückgewiesen. Wie bei meinem Männergeschmack sah es so aus, als würde ich fatalerweise ausschließlich von Typen mit dunkler Vergangenheit und asozialen Angewohnheiten angezogen werden.

Eines Tages kam eine Freundin vorbei und fand mich mit tränenverschmiertem Gesicht vor.

»Hör dir das mal an«, schniefte ich. »Irgend so’n Typ, der Zwangsversteigerungshäuser bewertet, geht in dieses dunkle Haus, benutzt den Blitz, um das Badezimmer zu fotografieren, denn da ist kein Licht, und als er zu Hause ankommt und sich die Bilder ansieht, stellt er fest, dass da ein Hund in der Ecke versteckt war. Er wusste nicht, dass er da war, er hatte keinen Ton von sich gegeben. Also kehrt er zurück und findet das schwache kleine Hündchen, so dünn, dass man sein Gerippe sehen kann. Es hat einen Monat lang kein Fressen oder frisches Wasser bekommen, denn

seine Besitzer haben es im Badezimmer angekettet, als sie das Haus verlassen haben. Kannst du dir das vorstellen?«

»Das ist ja schrecklich.«

»Es wird noch schlimmer!« Ich fuhr mit weiteren Verlassensund Missbrauchsgeschichten fort, bis meine Freundin keine weitere mehr hören konnte und verzweifelt fragte: »Warum legst du dir nicht einfach einen glücklichen Hund zu?«

Das war ein Aha-Erlebnis.

Bis zu diesem Zeitpunkt ging ich davon aus, dass man sich einen Hund aus dem Heim zulegte, um aufgrund seiner tragischen Geschichte Mitgefühl anzuhäufen und ihn dann mit Liebe zu überschütten, bis es ihm besser ging.

Das war immerhin meine Herangehensweise an menschliche Beziehungen. Meine (eindeutig fehlerhafte) Theorie war: Wenn ich ein trauriges Herz glücklich machen kann, wird es mich nie verlassen.

Die Idee, mich mit einem Lebewesen zusammenzutun, das bereits glücklich war und keine Reparatur brauchte, sondern nur ein Zuhause, das war eine Offenbarung.

Am nächsten Tag fuhr ich zum Farmers Market in Studio City und sah, dass gerade eine Straßenadoption abgehalten wurde. Das ist ziemlich populär in Kalifornien – Rettungsgruppen bekommen die Aufmerksamkeit der Passanten, indem sie einen vorübergehenden »Laden« eröffnen, oft vor einem der großen Tierbedarfsläden, mit deren Erlaubnis selbstverständlich. Dieser »Laden« war neben einer Bank an einer geschäftigen Fußgängerkreuzung und bestand aus ungefähr einem Dutzend mit Tüchern abgedeckten Hundeboxen, um die Tiere vor der Sonneneinstrahlung zu schützen. Ich wusste bis zu jenem Zeitpunkt nicht, dass die Hunde- und Tierrettung Pryor’s Planet durch den Comedian Richard Pryor gegründet wurde und dass die attraktive Frau mit dem kurzen schwarzen Haar, die neben dem Laufgitter stand, seine Witwe Jennifer war.

Während ich mir die größeren Hundeboxen anschaute, machte mein Herz einen kleinen Sprung als ich einen Chow-Chow entdeckte. Mit nur einem Auge. Doppelter Sprung. Sofort vergaß ich meinen Schwur, die Mitgefühlstimme zu unterdrücken. Ich fiel auf die Knie neben seine Box und wollte dieser ältesten aller Rassen meinen Respekt zollen. Selbstverständlich ignorierte er mich. Neben ihm stand ein stämmiger Mischling mit kurzem Fell, den ich ignorierte.

Eine andere Frau, Trudy, stellte mir beide vor. Der Chow-Chow drehte mir plötzlich den Rücken zu, und da gab es ja auch noch das Verbot meines Vermieters, aber ich war dabei, keins dieser Details wirklich ernst zu nehmen. Ich hörte, wie Trudy erzählte, dass der andere Hund, Bodie, ideal wäre für eine Erstbesitzerin, ideal für jemanden, der in einer kleinen Wohnung wohnt, ideal für jemanden, der gerne reist – er würde sehr gerne im Auto reisen.

»Hmmmm …«

»Möchten Sie ihn kennenlernen?«

Ich sagte nur Ja, um höflich zu sein und um dem Chow-Chow ein bisschen mehr Zeit zu geben.

Sie führte Bodie zu einer niedrigen Ziegelwand. Ich setzte mich hin, er tat es mir nach und lehnte seinen pelzigen Rücken an meinen nackten, in einem Flip-Flop steckenden Fuß.

Und das war alles, was es brauchte. Eine Bewegung und er hatte mich rumgekriegt.

»Er ist so ein gelassener Kerl«, sagte Trudy und faltete und knitterte sein Gesicht, bis er aussah wie ein Shar-Pei. »Man kann alles mit ihm machen, es macht ihm nichts aus.«

Verkauft – und ein zweites Mal verkauft. Ich mochte diese leicht reizbaren Tiere nicht, die sich windeten und drehten, sobald man sie anfassen wollte.

»Wissen Sie, welcher Rasse er angehört?«

Sie zögerte.

»Sie können mir alles erzählen, und ich glaube es; ich bin noch sehr neu in der Hundewelt.«

»Die Ohren lassen auf einen Hirtenhund schließen«, antwortete sie und forderte mich auf, die samtige Dicke zu fühlen.

Groß, schlau und sehr wachsam. Das klang gut.

»Der breite Körper?«

»Pitbull«, sagte sie leise.

»Ist schon okay«, versicherte ich ihr, »ich verfolge die Hundeflüsterer-Sendung Dog Whisperer. Ich habe keine Vorurteile.«

»Jeder sieht etwas anderes in ihm: Akita, Australian Cattle Dog …«

Und dann gähnte er ausgiebig und rollte dabei die Zunge heraus wie einen Hubba-Bubba-Streifen. Und da sah ich die bläulichvioletten Streifen unter der Zunge und die Punkte auf ihr.

»Ist auch ein wenig Chow-Chow in ihm?«

»Höchstwahrscheinlich.«

Ich grinste. Ein Chow-Chow, der nicht wie einer aussah und nicht als einer eingeordnet wurde. Das war so durchtrieben, dass es mir ausgesprochen gut gefiel. Wir hatten einen Gewinner!

Während ich jeden Fleck seines Fells verinnerlichte, erzählte mir Trudy ein bisschen etwas über seine Geschichte, wie er als Streuner in den Hauptstraßen von South Central L. A. aufgegriffen wurde, wahrscheinlich weil seine Besitzer ihr Haus verloren hatten. Da die Obdachlosenheime keine Tiere aufnehmen, wurde er wohl ausgesetzt und war auf sich selbst gestellt. Man kann sich kaum vorstellen, wie dieser lächelnde Kerl durch L. A.s Unterwelt gewandert ist, in der brennenden Sonne und ohne einen Grashalm weit und breit. Wo hat er geschlafen? Was hat er zu fressen gefunden, als er im Straßenmüll gewühlt hat? Als er von der Tiernothilfe Animal Control aufgegriffen wurde, hatte er Husten und einen Schnupfen. Sie haben ihn in ihren Transportwagen gepackt und in ein Heim gebracht, wo die Aufnahme auf einen Monat beschränkt ist. Niemand kam, um ihn zu reklamieren. Niemand wollte ihn mit nach Hause nehmen. Also wurde er in den Todestrakt geschickt. Buchstäblich Stunden bevor er umgebracht werden sollte, hat Pryor’s Planet ihn befreit. Seitdem war er bei verschiedenen Pflegefamilien, zuletzt bei Musikern.

»Sie haben erzählt, er läuft sehr gern.«

Ich blickte zu ihm hinunter wie er ruhig in der Sonne saß, mit geschlossenen Augen; vielleicht träumte er wie ich von einem Gänseblümchenfeld.

»Was meinen Sie?«

Mein Herz raste. Ich wusste, dass ich ihn haben wollte. Pryor’s Planet wollte, dass ich ihn nehme. War ich vorschnell? Plötzlich wurde mir das Ausmaß meiner Entscheidung bewusst. Das hier bedeutet: ab jetzt jeden Tag den ganzen Tag für die nächsten etwa zehn Jahre für ihn da zu sein. Es geschah so schnell! Ich hatte längere Zeit darauf verwendet, meine letzte Zahnbürste auszusuchen. Und dennoch hörte ich mich sagen: »Sagen Sie mir, was ich machen muss, und ich tue es.«

Kapitel 2

Im Hundetollhaus

Und so kam der Tag für den Hausbesuch. Pryor’s Planet besteht darauf, das zukünftige Zuhause des Hundes zu überprüfen, bevor die Adoption genehmigt wird. Ich finde, das ist ein hervorragender Grundsatz, und um ihren Standards zu genügen, war meine Wohnung so sauber wie nie zuvor.

Ich schritt die glänzenden Dielen ab, ordnete die Vase mit den Frischblumen neu und fragte mich, ob er meine Wohnung mögen würde, wie er reagieren würde. Es war drei Tage her, dass wir uns getroffen hatten – würde er mich wiedererkennen?

Ding-dong!

Und da kam er, eifrig schnüffelnd, kein bisschen vorsichtig, was ich für ein gutes Zeichen hielt. Noch besser wurde es, als ich mich in der Nähe des Fensters hinsetzte, um den Rest der Papiere auszufüllen, und er zu mir tappte und sich gewissenhaft neben mich setzte, als wüsste er genau, warum er hier war: »Du bist also mein neues Frauchen. Das ist toll! Ich bin einverstanden.«

Und dann fing ich an, Tausende Fragen zu stellen, die mir plötzlich einfielen.

»Um wie viel Uhr wird er morgens wach?«

»Er wird sich Ihrem Rhythmus anpassen.«

»Und dann bringe ich ihn gleich zum Pinkeln raus?«

»Genau. Am besten Sie legen sich die Klamotten abends schon hin, Klamotten, die man einfach und schnell überziehen kann.«

Ein kurzer Moment des Unbehagens überkam mich – ich verlasse das Haus nie, ohne geschminkt zu sein.

»Und wo sollte er schlafen?«

»Wo auch immer es für Sie okay ist.«

»Und während ich arbeite …«

»Wird er wahrscheinlich einfach an Ihren Füßen liegen.«

Oh, diese Vorstellung gefiel mir. Stille Gesellschaft.

Und wann sollte ich ihm zu fressen geben? Wie viel Auslauf braucht er? Ist es okay, ihn zum Hundepark zu bringen? Kann man ihn alleine in der Wohnung zurücklassen?

Auf die letzte Frage antwortete Trudy, ich sollte mir am besten eine Hundebox besorgen.

»Wirklich?« Das überraschte mich, denn ich dachte, er hätte schlechte Erfahrungen mit dem Eingesperrtsein gemacht.

»Hunde finden es gemütlich, ihren eigenen Raum zu haben«, versicherte sie mir. »Sie können eine Decke darüberlegen, damit es geschützter und gemütlicher wirkt.«

»Und ich schließe ihn dort einfach ein?« Ich war immer noch nicht überzeugt.

»Das ist okay für ihn.«

Wir gingen den Pryor’s-Planet-Vertrag durch; es ging darin vor allem darum, dass ich ihre Telefonnummer – und meine – an sein Halsband heften sollte, und wenn ich ihn loswerden wollte, sollte ich mich zuallererst bei ihnen melden.

Trudy erklärte mir dann, dass er gerade kastriert wurde und ich darauf achten sollte, dass er nicht an den Fäden zupfte. »Sie fallen einfach ab, wenn die Naht verheilt ist«, versicherte sie mir.

Und dann stand sie auf und ging zur Tür.

»Also …«, zögerte ich.

Sie drehte sich um.

»Gehört er jetzt mir? Kann er bleiben?«

Sie lächelte und nickte. »Er ist ganz der Ihre.«

Ich konnte es kaum glauben. Ich dachte, sie käme nur für eine erste Runde, ginge wieder und … aber das war’s schon! O Grundgütiger!

In dem Moment, in dem die Tür zufiel, fragte ich mich, was zum Teufel ich getan hatte. Ich beobachtete Bodie, wie er hin und her lief, seine Nägel klapperten auf dem gelackten Holz, und es hörte sich an, als hätte ich einen wilden Keiler in meiner Wohnung herumlaufen – ungewohnt und fremd. Ich war die schleichende Lautlosigkeit der Katzen gewohnt. Und er war so robust und stämmig. Meine Wohnung war ziemlich klein, und er schien überall zu sein: im Schlafzimmer, im Badezimmer, in der Küchenecke und dann wieder zurück im Wohnzimmer. Was genau sollte ich mit ihm tun? Wäre er eine Katze, würde er bereits schlafen. Stattdessen schauten mich seine braunen Augen erwartungsvoll an. Ich schaute zurück, ohne zu verheimlichen, dass ich planlos war.

Da fiel mir ein, dass ich keinerlei Hundeausstattung besaß – ich wollte nicht vermessen sein und hatte mich mit dem Kauf eines Hundebettes und Napfes zurückgehalten. Ich hatte nicht einmal Hundefutter. Wie schrecklich! Das war, wie ein Neugeborenes nach Hause zu bringen und weder ein Kinderzimmer eingerichtet zu haben noch eine Rassel zu besitzen.

Also beschloss ich, dass uns unser erster Spaziergang zu einem Tierbedarfsladen führen würde.

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Es stellte sich heraus, dass man keine Expertin im Gassigehen wird, wenn man die Sendung Dog Whisperer schaut. Ich wusste, er sollte nicht vor mir herlaufen, ich wusste, ich musste das Tempo bestimmen. Er sollte auch nicht ziehen. Aber Bodie war so überdreht aufgrund seiner neuen Umgebung, dass er ständig im Zickzack vor mir herlief, die zu lange Leine verwickelte sich im Gebüsch, dann schoss er nach vorne, nur um ganz plötzlich wieder stehen zu bleiben. Es war nur ein zehnminütiger Weg, aber auf diese Art konnten wir froh sein, wenn wir bis zum Sonnenuntergang ankommen würden. Meine Vorstellung von einem netten Spaziergang im Gleichschritt war anders.

»O nein! Nicht in das Blumenbeet!«

Er begann den Torf herauszuwühlen – ohne ersichtlichen Grund.

Als ich ihn wegzog, fing er an umherzuspringen und zwang mich dazu, ständig die Leine von einer Hand in die andere zu nehmen, um mich zu entknoten, dann zog er mich mit einer Kraft, die Schultern auskugeln konnte.

Da verstand ich die Vorteile eines Spitzes oder die eines Bichon Frisé. Wenn sie Amok laufen, hebt man sie einfach hoch und tut sie in die Tasche. Bodie war aber so kräftig! Zum Glück hatte ich mir keinen Größeren geholt, ich wäre …

»Oh mein Gott!«

Er hat gerade auf meinen Fuß gepinkelt. Und ich habe Flip-Flops an.

Ich legte einen Zahn zu, um schneller zu den Experten zu gelangen.

Zwischen einem Frozen-Joghurt-Laden und einem Nagelstudio befindet sich das Catts & Doggs, und es hatte mich mit seinem besonderen Stil schon seit Längerem neugierig gemacht. Würden Sie einen Tierladen schwarz ausmalen? Das Logo ist aus handgebogenem Metall. Als wir eintraten, nahm Bodies Aufregung zu – seine Nase zuckte bei der berauschenden Geruchsmischung aus Erdnussbutter und (wie ich später herausfinden sollte) getrockneten Bullen-Penissen, auch bekannt als Bully Sticks.

Ein unfassbar süßer Typ namens Andy kam mir direkt zu Hilfe, begrüßte Bodie wie seinen lang vermissten Sohn und half mir, eine leichtere, kürzere Leine auszusuchen. Eine, die meine Hände nicht so aussehen ließe, als hätte ich Vieh mit dem Lasso eingefangen.

»Ich weiß nicht, warum sie so schwarz geworden sind«, sagte ich mit einem Stirnrunzeln und blickte auf die blaue Leine, mit der mir Bodie gebracht wurde.

Doch dann hielt Andy seine rußigen Handflächen hoch.

»Ich denke, es kommt von seinem Fell.«

Da erblickte ich die Full-Service-Hundewäsche hinter den Regalen mit den Schweineohren.

»Wäre gerade ein Termin frei?«

Andy sah im Kalender nach, und wir hatten Glück.

»Kommen Sie einfach in einer Stunde wieder.« Andy griff nach Bodie.

»Oh.« Ich zögerte. »Wäre es okay, wenn ich die ersten Minuten noch hier stehe, einfach nur, um sicherzugehen, dass er okay ist? Ich hab ihn erst heute bekommen.«

»Ja klar, kein Problem.«

Ich sah zu, wie er Bodie in den schwarzen Bereich führte, der mit hüfthohen Wannen und riesigen Trockenhauben ausgestattet war. Nach einigen Minuten hatte Bodie einen weißen Schaumkopf, was seine pechschwarze Nase betonte. Er wirkte nicht, als würde er sich dem Prozedere widersetzen, er sah nur leicht gedemütigt aus.

Ich beschloss, dass es wohl das Beste war, ihn der Sache zu überlassen, und ging in den Laden nebenan, um einem Granatapfel-Frozen-Joghurt samt Topping zu frönen. Ich war dankbar für die Atempause und fragte mich, wann er wohl seinen ersten Haufen macht. Vielleicht sollte ich mehr Tüten besorgen. Wer weiß, wie oft er muss. Ich schüttelte mich ein wenig – es würde so eklig werden. Ich konnte kaum glauben, dass ich mich in eine Situation gebracht hatte, in der ich mich nun täglich darum kümmern musste. Was, wenn ich dabei würgen müsste? Oje, was für ein Pärchen wir abgeben werden.

Ich schaute auf die Uhr. Es war noch viel Zeit.

Ich hoffte wirklich, dass ich das Richtige getan hatte. Ich hoffte, ich würde eine fähige Hundebesitzerin sein. Plötzlich überkam mich das Gefühl, dass da so viel war, das ich nicht wusste. Ich musste unbedingt mehr darüber lesen. Ich fragte mich auch, wann ich herumerzählen sollte, dass ich ihn offiziell adoptiert hatte. Meiner Mutter hatte ich gesagt, das sei nur vorübergehend. Warum? Tja, sie klang so entsetzt. Als wäre ich mir der Verantwortung nicht bewusst.

»Du weißt, Hunde brauchen jeden Tag Auslauf?«

»Ja.«

»Und Futter. Jeden Tag.«

»Ja.«

»Sie machen viel mehr Arbeit als Katzen.«

»Ich weiß.«

»Und was, wenn du mal verreist bist?«

»Na, ich werde ein paar Futtereinheiten in der Tiefkühltruhe hinterlassen, und er sollte sich dann in der Nachbarschaft bereits gut auskennen.«

Mein Vater hingegen war total dafür: »Besser so als eine weitere schlechte Entscheidung in Sachen Männer.«

Was sollte ich sagen? Er hatte den Nagel auf den Kopf getroffen.

Zum Glück dachten alle meine Freunde aus L. A., dass es eine gute Idee war.

»Jaaaa! Mach’s!!!!«, ermutigten sie mich.

Das mag ich so an Kalifornien – alle sind so übereifrig und zupackend! Handle jetzt, nachdenken kannst du später!

Mein Handy surrte. Der Hundesalon im Catts & Doggs – Bodie war fertig!

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Wie nach allen professionellen Verschönerungen stolzierte das Subjekt mit neu entdeckter Zuversicht und Selbstachtung.

»Sieh mich an!«, sagte Bodie ganz energiegeladen und stolz. »Sieh nur, wie hübsch ich bin!«

»Er hat ja eine komplett andere Farbe!«, staunte ich über seine Verwandlung von Rostig-Braun zu Honigblond. »Und wie weich er ist! Fühlen Sie mal, er ist so weich wie ein Teddybär.«

Andy lächelte. »Er ist ein guter Hund.«

»Wirklich?« Ich schaute zu ihm hoch, in Erwartung einer weiteren Bestätigung.

»Vertrauen Sie mir. Sie können sich ja vorstellen, wie viele Hunde wir hier zu sehen bekommen. Alles unterschiedliche Temperamente. Sie haben einen guten.«

Nun war es an mir, mich vor Stolz aufzuplustern.

Freudig aufgeregt suchte ich eine Grundausstattung zusammen – ein Bett, zwei Näpfe, einen großen Sack gesundes Futter und eine lange orange Spielschlange. Und dann stellte ich fest, dass ich all das unmöglich zu Fuß nach Hause bringen konnte und also den Wagen holen musste. Bodie war tatsächlich ein toller Mitfahrer. Im Grunde wuchs meine Bewunderung für ihn mit jeder Stunde. Bettelten und winselten nicht alle Hunde beim Abendessen am Tisch? Bodie schaute nicht einmal in meine Richtung, während ich aß. Ich hatte keine Probleme damit, dass er auf Möbel sprang, aber jedes Mal, wenn ich ihn aufs Sofa oder Bett lockte, sprang er gleich wieder runter, um ergeben neben mir auf dem Boden zu liegen. Schuhe blieben unzerkaut, Türen unzerkratzt. Er war einfach tiefenentspannt.

Und dann lief die Wirkung der Medikation aus.

Kapitel 3

Eine ganz neue Welt

Am ersten Morgen, an dem ich aufwachte und Bodie mit irre funkelnden Augen und einem im Zeichen höchster Alarmbereitschaft ausgestreckten Schwanz sah, dachte ich, ich würde träumen und ließ meine Lider wieder zufallen. Dann begann jedoch das Jaulen, und mir wurde klar: »Dieser Hund ist real, und er muss mal!«

Ich sprang aus dem Bett und zog mir das an, was ich mir hingelegt hatte, wie von Trudy empfohlen. Dann beging ich den Fehler und sah in den Badezimmerspiegel. Die dunkelvioletten Schatten unter meinen Augen ließen mich im Kontrast zu der blassen Haut aussehen wie ein Junkie, und quer über der Wange hatte ich tiefe Druckspuren vom Kissen. Kurzum, ich sah fürchterlich aus.

Bodie winselte wieder.

Ich denke nicht, dass ich eine besonders eitle Person bin – ich will nur nicht mutwillig Menschen erschrecken. Deshalb schminke ich mich immer, bevor ich das Haus verlasse. Immer. An jenem Tag aber nicht.

Ich verzog das Gesicht, öffnete die Hintertür und eilte hinunter zum Grasstreifen vor dem Haus. Bodie schnüffelte herum, hob dann sein Bein an einen Baum und begann einem ordentlichen Strahl seinen Lauf zu lassen. Ich blickte nur kurz auf, in der Hoffnung, dass keine Nachbarn auf dem Weg zur Arbeit an mir vorbeiliefen, und da sah ich, dass ich nicht alleine war. Die ganze Straße entlang standen Menschen in Pyjamahosen und Kapuzenpullovern, das Haar durcheinander, die Augen gerötet, manche mit einer Kaffeetasse in der Hand, und alle warteten, dass sich die Blase ihrer Hunde leerte.

Ich lächelte. Das waren meine neuen Gefährten.

Da ich nun schon wach war und auch die passenden Schuhe anhatte, beschloss ich, ich könnte auch ein wenig weitergehen, auf einen morgendlichen Spaziergang.

Früher waren meine Ausgangsrunden immer zielgerichtet – den Hügel hinunter zu Trader Joe’s Supermarkt, einige Blöcke nach links zu Little Dom’s zum Abendessen –, heute aber ließ ich Bodies Nase den Weg finden.

Und was für eine Nase das war! Seine olfaktorische Faszination für jedes Blatt, jede Straßenlaterne, jede Gehwegplatte begeisterte mich. Alles schien einen besonderen Reiz zu haben. Sieh nur, diese Messingnägel an dieser Tür sind bestimmt aus Marokko. Und da, der spitze Kamm dieser Paradiesvogelblume! Wow, das ist ja ein cooler Oldtimer-Mustang – an diese Reifen würde ich gern pinkeln. Okay, ich weiß, dass dieses Straßenschild eine Sackgasse anzeigt, aber lass uns trotzdem hier hochlaufen, wer weiß, was wir dort finden?

Während er mich hierhin und dorthin führte, hatte ich ein zunächst unerklärliches Gefühl der Vertrautheit. Nach vierzig Minuten dämmerte es mir: Ich war auch mal so. Neugierig und eigenwillig-enthusiastisch, immer nach vorne ziehend, begierig bis zur Ungeduld, immer auf der Suche nach dem nächsten Abenteuer. Nathan hatte sogar gesagt, dass ihn mein »Überschwang« als Erstes an mir angezogen hatte. Dieses Ich erschien mir nun sehr weit weg zu sein. Ich fragte mich, ob es möglich war, dieses Level an Vitalität zurückzugewinnen oder ob ich für immer ermattet und erschöpft bleiben würde.

Plötzlich versetzte das Sichten eines Eichhörnchens Bodie in Aufruhr. Als das lebhafte graue Tierchen den nächstbesten Baum hochschoss, sprang er ihm nach und tänzelte dann aufgeregt auf seinen Hinterbeinen. Sogar als wir um die Ecke gebogen waren, hüpfte er noch aufrecht und brachte einen Morgenjogger zum Stolpern. Es war, als würde ich meinen Hund zu einem vertikalen Spaziergang ausführen.

Und das war lustig!

Das einzige Problem war das Häufchen. Beziehungsweise sein Ausbleiben. Nichts an jenem Morgen, auch nicht am Abend und nichts am folgenden Tag. Zuerst konnte ich mein Glück nicht fassen, ich hatte den einzigen nicht kackenden Hund der Welt abbekommen! Aber am dritten Tag begann ich mir ernsthaft Sorgen zu machen. Während unserer morgendlichen Runde hinterließ ich Trudy eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter. Ich wollte wissen, ob das normal war – und in dem Moment, in dem ich das Telefon ausschaltete, machte er es. Ich war so erleichtert, dass ich einen triumphierenden Freudentanz veranstaltete, gleich dort auf dem Los Feliz Boulevard, zu Stoßverkehrszeiten.

»Guter Junge, Bodie!«

Es fühlte sich wie eine Ehre an, alles nun hinter ihm aufzuheben, und ich hüpfte den ganzen Weg nach Hause, schwang das blaue Plastiktütchen, als wäre es ein Geschenk von Tiffany.

Das viel Seltsamere war aber, dass er den Gefallen unbedingt zurückgeben wollte: Jedes Mal, wenn ich zum Badezimmer ging, folgte er mir hinein und wartete dienstbeflissen, während ich auf dem Klo saß. Ich hätte ihn verscheucht, aber er schien sehr zufrieden mit seiner Wache.

»Siehst du, du kannst auf mich zählen. Sogar auf dem Klo!«

Vielleicht musste sich sein ehemaliger Besitzer ein Bad mit anderen teilen, und das Schloss war kaputt, sodass Bodie gezwungen wurde, Wache zu stehen. Nichts konnte ihn von seinem Posten wegbringen – nicht einmal wenn das Klo so eng war, dass er mit dem Kopf in meinen heruntergelassenen Schlüpfer rutschte, sich darin verfing und aussah, als trüge er einen Mundschutz.

»Es ist so schön, dich wieder lachen zu hören«, seufzte meine Mutter am Telefon. »Bodie scheint das Tonikum zu sein.«

»Oh, das ist er«, bestätigte ich.

Seine Tollpatschigkeit war purer Slapstick. Es gab nur drei Holzstufen an meiner Hintertür, und es verging kein Tag, an dem er sich nicht auf ihnen langlegte, vor lauter Vorfreude und Ungeduld vor seinem Spaziergang. Er machte Scooby-Doo-Geräusche, wenn jemand die Briefkästen in der Nähe meiner Vordertür befüllte oder leerte. Er streckte seine Vorderbeine aus wie Superman, wenn er sich auf den Bauch legte und sein Gesäß abflachte wie ein Frosch oder ein gegrilltes Hähnchen. Vielleicht war es eine Art, die Innenseite seiner Oberschenkel zu kühlen, aber es amüsierte mich jedes Mal. Vor allem, wenn seine Oberlippe einseitig an seinem Zahnfleisch festklebte und er aussah wie ein Comic-Bösewicht, der die Zähne fletscht.

Hin und wieder ertappte ich mich dabei, wie ich laut gluckste und dachte, »Mensch, ich kann es noch! Ich kann mich immer noch amüsieren und freuen. Wer hätte das gedacht?«

Im Wesentlichen kreisten alle meine Gedanken im wachen Zustand um Bodie – alles, was ich wollte, war, ihm einen schönen Tag zu machen und zu versuchen, jeden seiner Seufzer oder Augenbrauenrunzeln zu entziffern. Ich konnte nicht hinter ihm hergehen, ohne mich hin und wieder runterzubücken, um ihn zu streicheln. Aber ich würde nicht sagen, dass es zu diesem Zeitpunkt schon Liebe war. Ich hatte ihn erst seit zwei Wochen, und wir waren beide vorsichtig; wir fragten uns scheinbar beide, ob diese neue Präsenz in unseren Leben genauso flüchtig sein würde wie die anderen. Ich konnte sagen, dass er sich immer noch vorbildlich benahm. Er starrte mich weiterhin nicht an, während ich aß. (Auch wenn er sonst jede meiner Bewegungen grundsätzlich überwachte, was mich verwirrte, denn es war, als hätte ich die Crew einer Reality-TV-Show im Haus, die mich ständig verfolgte.) Auch schlief er weiterhin nicht auf meinem Bett …

Aber eines Tages war mein Freund Tezz aus Vegas in der Stadt und kam auf einen kurzen Drink vorbei. Wir waren so stark in ein Gespräch über seine letzte Show vertieft, dass wir nicht bemerkten, dass Bodie aus dem Weinglas trank, das Tezz auf dem Boden abgestellt hatte. Ich weiß nun, dass Trauben wahres Gift für Hunde sind, aber zu dem Zeitpunkt war alles, was ich wahrnahm, ein Hemmungsverlust – Bodie schlief die ganze Nacht auf meinem Bett. Am nächsten Morgen wachte er mit einem erschrockenen Gesichtsausdruck auf, vergrub sein Kinn wieder in der Decke und keuchte, als würde er sagen: »Was habe ich getan?«

»Ich weiß, Bodie, du bist nicht die Sorte Hund. Wir werden es nie wieder erwähnen.«

Ab diesem Zeitpunkt schlief er nachts immer neben mir. Oder, genauer, er lag diagonal auf der Matratze, was schräge Verdrehungskünste meinerseits erforderte, damit wir beide genug Platz hatten.