cover
Feronia Petri

Nachtherrin

Erotik-Thriller





BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Titelei


Feronia Petri

Nachtherrin

 

Erotik-Thriller

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

Originalausgabe 2018

 

Copyright © 2018, Feronia Petri

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung der Autorin wiedergegeben und verbreitet werden.

 

Covergestaltung: 

Marie Wölk, Wolkenart.com

 

 

1

1

 

Jaap Corstius fühlte sich, als ob seine Kehle mit einem Reibeisen aufgerieben worden wäre. Er hatte wohl in der vergangenen Nacht zu viele Zigaretten gequalmt und auch zu viele Gläser Heineken in seiner imposanten Bierwampe verschwinden lassen. Aber trotz seiner düsteren Kater-Stimmung stand er an diesem klaren Frühlingsmorgen wieder auf seinem Posten, der aus den schwankenden Planken eines Wasserfahrzeugs bestand.

Das Spezialboot glitt durch die zahlreichen Wasserwege der niederländischen Hauptstadt. Corstius und sein schweigsamer Kollege Li Fang waren Grachtenreiniger. Insgesamt wurden jedes Jahr an die 16.000 Fahrräder aus den Kanälen gezogen, Tag für Tag eine Sisyphos-Aufgabe.

Jaap kratzte seinen Stiernacken und versuchte, nicht an die vernichtende Auswärtspleite seines Vereins Ajax Amsterdam zu denken. Diese fußballerische Mega-Klatsche hatte ihn am Vorabend getroffen wie ein Tritt in die Kronjuwelen. Demgegenüber war es fast unbedeutend, dass seine Frau Lieke seit einiger Zeit fremdging. Lieke war ihm schon lange egal.

Jaap legte den Kopf in den Nacken und genoss den kühlen Wind, der vom IJ herüber wehte und über sein heißes Gesicht strich. Er gab seinem chinesisch-stämmigen Kollegen ein Handzeichen, und Li Fang drosselte den Motor. Jaap hatte unter der Wasseroberfläche einen dunklen Schatten entdeckt.

Seine Arbeit verrichtete Jaap wie im Schlaf, er war schon seit 12 Jahren bei der Gemeinde angestellt. Jaap bediente das Krangeschirr, während Li Fang für Antrieb und Ruder zuständig war. Beide hatten sich daran gewöhnt, bei ihrem Job andauernd von Touristenhorden fotografiert und gefilmt zu werden. Wenn Jaap gute Laune hatte, gefiel ihm die Vorstellung, ein heimlicher Star bei Urlaubsdiashows in Tokio, Los Angeles oder Dubai zu sein. Doch an diesem Morgen konnte nichts seine Stimmung aufhellen, noch nicht einmal sein Horoskop, das er beim Frühstück in De Telegraaf gelesen hatte. Danach würde eine unerwartete Begegnung sein Leben auf den Kopf stellen.

Jaap senkte den Kran ins Wasser, um das mutmaßliche Fahrrad-Wrack auf den Haken zu nehmen. Er betätigte die Hydraulik, und die Stahlkralle hob sich wieder. Von der Brücke vor dem Restaurant Casa Peru sah eine japanische Touristengruppe zu. Einige von ihnen schrien entsetzt auf. Den Grund dafür erkannte Jaap im nächsten Moment.

Er hatte diesmal kein Zweirad aus der Gracht gezogen, sondern eine nackte Frauenleiche. Es war eine Weiße, soviel konnte er auf den ersten Blick erkennen. Die Frau hatte zu Lebzeiten offenbar nicht viel von Intimbehaarung gehalten, wofür Jaap vollstes Verständnis hatte. Doch ihr fehlten nicht nur die Schamhaare, sondern auch beide Hände. Sie waren ihr offenbar abgehackt worden. Jaap merkte, wie sein Magen auf diesen Anblick hin rebellierte. Doch er wollte nicht vor den Augen von dreißig kreischenden Japanern in die Gracht kotzen. Da hatte er irgendwie eine innere Sperre. Mit einer Mischung aus Ekel und Faszination konnte Jaap seinen Blick nicht von der nackten Frauenleiche abwenden. Sie musste eine aparte Schönheit gewesen sein, als sie noch gelebt hatte. Das war jetzt nur noch zu erahnen. Ihre Augenpartie hatte jemand mit schwarzem Isolierband abgeklebt. Und der Mund war zugenäht worden. Das stellte Jaap fest, als er die Tote näher zu sich hin bewegte und sie in den offenen Laderaum des Reinigungsfahrzeuges fallenließ. Immerhin musste er sie nicht berühren, denn sie hatte ja die ganze Zeit auf dem Kranarm gehangen.

Während Jaap im übelsten Zeedijk-Slang vor sich hin fluchte, meldete sich nun auch sein Kollege Li Fang zu Wort. Und dessen Satz war geprägt von echt chinesischem Pragmatismus: »Ich glaube, wir können für heute Feierabend machen.«

 

2

2

 

Der Coffeeshop nannte sich Just Reggae. Er unterschied sich nicht wesentlich von zahlreichen ähnlichen Etablissements hier in Amsterdam. Eng und gemütlich war es. Man kam sich körperlich nahe, was bei der kifferseligen Hochstimmung der meisten Gäste durchaus erwünscht war.

Auch die Frau, die sich Jasmin Lange genannt hatte, hockte in dem schlauchförmigen Gästeraum und zog langsam an einem Joint. Die Wände waren mit vergilbten Jamaika-Fotos und ungültigen Banknoten dekoriert, was Jasmin herzlich egal war. Auch der ständig laufende Fernseher störte sie nicht. Im Gegensatz zu ihr selbst verstanden die meisten anderen Anwesenden kein Wort Holländisch. In Jasmins unmittelbarer Nähe saßen ein finnischer Milchbart, eine Gruppe von US-Collegestudenten und ein verliebtes Pärchen aus Schwaben, wie Jasmin an dem Dialekt der beiden Turteltäubchen erkannte. Sie hatten sich soeben neben Jasmin auf die Bank gesetzt.

»Ist hier noch frei?«, hatte die junge Schwäbin gefragt.

»Lekker neuken, niet betalen«, antwortete Jasmin und wurde erwartungsgemäß nicht verstanden. Sie wollte sich nicht unterhalten, nicht auf Deutsch und schon gar nicht mit diesen beiden Greenhorns, die es offensichtlich für ein aufregendes Abenteuer hielten, in Amsterdam eine Tüte durchzuziehen.

Was diese Schmusebärchen wohl zu der Tatsache gesagt hätten, dass eine Profikillerin neben ihnen saß? Jasmin wirkte in ihrem gefakten PRINCETON-UNIVERSITY-Sweatshirt, ihrer Kunstlederjacke und den engen Jeans nicht besonders auffällig. Sie hatte mit Bedacht ein Outfit gewählt, mit dem sie sich nicht von tausenden anderer junger Frauen unterschied, die Jahr für Jahr die holländische Metropole besuchten.

Draußen dämmerte es bereits. Der Coffeeshop befand sich im Souterrain. Jasmin konnte von ihrem Platz aus sowohl den Eingang als auch den Thekenbereich im Auge behalten. Sie lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand, wie es ihre Gewohnheit war. Das ersparte ihr auf diese Art unangenehme Überraschungen von hinten.

Aber das, was sie nun erlebte, traf sie wie ein Schlag in die Magengrube.

Jasmin achtete nicht wirklich auf die flimmernden Fernsehbilder. Doch nun erweckte eine dramatische Moderation ihre Aufmerksamkeit: »Eine Leiche mit zugenähtem Mund und ohne Hände? Grachtenreiniger Jaap C. traute seinen Augen kaum, als er in den Morgenstunden des heutigen Tages den nackten Körper einer jungen Frau aus der Leidse Gracht zog. Der Gemeindemitarbeiter steht noch unter Schock und wird zurzeit seelsorgerisch betreut. Die Amsterdamer Polizei berief eine Pressekonferenz ein, aus der wir nun Ausschnitte senden.«

Das Fernsehbild wechselte. An einem langen Konferenztisch saßen brav aufgereiht Männer, einige in blauen Polizeiuniformen, andere waren in Zivil. Das Wort ergriff nun ein Kerl mit grauem Bürstenhaarschnitt und kantigem Kinn, der laut dem eingeblendeten Laufband der leitende Ermittlungsbeamte Commissaris Jan Dekker war: »Erkenntnisse über die Identität der Toten, die aus der Leidse Gracht gezogen wurde, liegen uns bisher nicht vor. Ein Abgleich mit der zentralen niederländischen Vermisstendatei ergab keinen Treffer. Wir ermitteln in alle Richtungen.«

»Woran ist die Frau gestorben? Gehen Sie von einem Gewaltverbrechen aus?«, fragte ein Reporter. Der Zivilpolizist nickte.

»Die Leiche weist Einschusslöcher im Brustbereich auf, eine Obduktion wurde angeordnet und ist zur Stunde bereits im Gange. Sobald wir genauere Erkenntnisse haben, werden wir damit an die Öffentlichkeit gehen.«

»Handelt es sich um ein Verbrechen im Rotlicht-Milieu? Wurde die Frau sexuell missbraucht?«

Der Commissaris schüttelte genervt den Kopf.

»Es ist noch zu früh, um die Polizeiarbeit auf einen bestimmten Bereich zu konzentrieren. Wir ermitteln in alle Richtungen.«

Jasmin hörte nicht mehr zu. Sie drehte den Kopf vom Fernseher weg. In ihrem Inneren kochten Erinnerungen hoch wie die Lava in einem kurz vor dem Ausbruch stehenden Vulkan.

Eine Leiche mit zugenähtem Mund. Das war die Visitenkarte von Netrix – eine Killerorganisation, zu der auch Jasmin selbst viel zu lange gehört hatte. Sie hatte mit ihrer kriminellen Vergangenheit brechen und ein neues Leben beginnen wollen. Doch in Hamburg waren die Ereignisse über sie hinweg gefegt. Es war eine Lawine aus Blut und Gewalt gewesen. Wieder hatte Jasmin mehrfach töten müssen – obwohl sie den Mord an Kriminaloberkommissar Sönke Ahlers wirklich nicht begangen hatte.

Diese Tat war ihr von der falschen Schlange Rabea Borchert in die Schuhe geschoben worden, Ahlers‘ Kollegin und Dienstpartnerin. Jasmin hatte in Amsterdam untertauchen müssen, denn ein Polizistenmord war noch ein ganz besonderes Kaliber. Jasmin glaubte fest daran, dass Rabea ihren Kollegen höchstpersönlich erschossen hatte. Aber wie sollte sie das jemals beweisen? Und wer würde ihr glauben, ihr, einer langjährigen Profi-Killerin?

Jasmin zog trotzig an dem Joint. Noch deutete nichts darauf hin, dass internationale Zielfahnder sich auf ihre Spur gesetzt hatten. Es war ihr offenbar gelungen, ihre niederländischen Wurzeln erfolgreich zu verschleiern. Sie war in Amsterdam aufgewachsen und konnte sich auf Holländisch ebenso fließend verständigen wie auf Deutsch. Dabei hatte sie sich eigentlich geschworen, niemals in die Stadt ihrer Kindheit und Jugend zurückzukehren.

Aber es gab so vieles, was Jasmin sich vorgenommen hatte. Eine friedliche bürgerliche Zukunft an der Seite von Christian, beispielsweise. Aber damit war es endgültig vorbei. Sie musste ihren Noch-Ehemann ein für alle Mal vergessen, wenn sie ihn nicht ins Unglück stürzen wollte. Und das hatte sie nicht vor, denn sie liebte ihn noch immer.

Jasmin gefiel es ganz und gar nicht, in welche Richtung ihre Gedanken drifteten. Da war es auch kein Trost, dass im Fernsehen jetzt keine Crime-Storys mehr kamen, sondern über die blamable Auswärts-Niederlage von Ajax Amsterdam lamentiert wurde. Das Thema war nicht geeignet, Jasmin von ihrem Selbstmitleidstrip abzubringen. Dafür benötigte sie eine stärkere Droge. Aber dabei dachte sie nicht an eine Substanz, die man rauchen, schnupfen oder sich in die Venen jagen konnte.

Jasmins Rauschmittel kam in diesem Moment auf zwei Beinen durch die offenstehende Tür des Coffeeshops herein. Der Mann war ein hochgewachsener und sehr athletisch wirkender Schwarzer. Seine abgetragene Kleidung aus der Heilsarmee-Sammlung deutete darauf hin, dass er in der Rotlichtmilieu-Hackordnung ganz unten stand. Kein Drogen- oder Prostitutions-Protzer mit dicken Goldketten und Porsche-Schlüssel in der Designer-Jeanstasche. Dieser arme Teufel hatte vermutlich noch nicht mal einen sicheren Schlafplatz.

Trotzdem war er in Jasmins Augen genau der Richtige.

Das schien der Rasta-Man hinter der Theke anders zu sehen. Er kam nach vorne und wedelte mit den Armen, als ob er eine lästige Fliege verscheuchen wollte. Dass der Neuankömmling dieselbe Hautfarbe hatte wie er selbst, spielte anscheinend keine Rolle.

Jasmin stand auf.

»Weshalb stresst du denn hier herum?«, fragte sie mit rauer Stimme auf Holländisch. Der Rasta-Lockenkopf deutete auf den großen Afrikaner.

»Der Kerl ist ein Schnorrer. Er hat nichts auf der Naht. Ich habe ihn hier noch nie was kaufen sehen.«

»Nun halt‘ mal die Luft an, Süßer. Ich spendiere ihm einen Kaffee, und ich könnte auch noch eine Portion White Widow vertragen. Der Typ ist nämlich zufällig mein Freund.«

Der Coffeeshop-Angestellte grinste anzüglich.

»Ach, so ist das. Dabei spricht er doch gar kein Niederländisch. Naja, wo die Liebe hinfällt …«

»Willst du philosophieren oder verdienen?«

Jasmin legte Geld auf den Tresen. Der große Afrikaner hatte den Wortwechsel mit einem Gesichtsausdruck grenzenlosen Unverständnisses verfolgt. Doch sein Blick sagte Jasmin, dass sie ihm gefiel. Mehr verlangte sie für den Moment gar nicht. Sie brachte ihn mit Gesten dazu, sich neben sie auf die Biertischbank zu setzen. Nun wurde es dort wirklich eng. Aber die Collegestudenten waren schon ziemlich dicht und kriegten kaum noch etwas mit.

Das deutsche Abiturientenpärchen hatte andere Probleme. Wie Jasmin mit klammheimlicher Freude bemerkte, vertrug die kleine Schwabenschnalle das starke holländische Gras nicht. Ihr Antlitz hatte jedenfalls eine grünliche Färbung angenommen. Sie kämpfte mit der Übelkeit und musste von ihrem Freund nach draußen geschleift werden. Nun hatten Jasmin und ihre neue Bekanntschaft etwas mehr Platz. Aber sie suchte trotzdem den ständigen Körperkontakt. Der Rasta-Man servierte den Kaffee und das Gras, zog sich dann feixend zurück.

Während Jasmin einen neuen Joint rollte, machte sie die notwendigste Konversation. Nach und nach bekam sie aus dem Afrikaner heraus, dass er Damas hieß und aus Äthiopien stammte. Sein englischer Wortschatz beschränkte sich auf zwei Dutzend Begriffe, Deutsch oder Niederländisch sprach und verstand er offenbar überhaupt nicht. Aber er hatte immerhin kapiert, dass Jasmin auf ihn stand.

»Jasmin«, sagte sie, deutete mit ihrem Daumen auf sich selbst. Damas lächelte, das konnte er ziemlich gut. Sie nahm seine Hand und führte sie ungeniert an ihre Brust. Er zuckte zusammen, als ob er eine heiße Herdplatte berührt hätte. Aber immerhin beließ er seine Finger auf ihrem Busen, und das war in Jasmins Augen schon mal ein sehr gutes Zeichen.

»Wo wirst du heute Nacht schlafen?«, fragte sie erst auf Deutsch, dann auf Holländisch. Das Dauerlächeln blieb.

»Don‘t understand.«

Jasmin faltete ihre Hände, legte sie an ihre linke Gesichtshälfte und schloss die Augen. Diese Pantomime verstand Damas. Er antwortete mit einer Geste der Ratlosigkeit. Offenbar wusste er noch nicht, wo er sein müdes Haupt betten sollte. Jasmin schenkte ihm ein Lächeln, von dem sie wusste, dass es bei den meisten Männern den Verstand sofort zwischen die Beine rutschen ließ. Auch bei Damas funktionierte das.

Es war nicht zu übersehen, dass sich seine Second-Hand-Hose in der Lendengegend gewaltig ausbeulte. Genau das brauchte Jasmin jetzt, um ihre unstillbare Sehnsucht wenigstens für ein paar Stunden zu vergessen. Der Joint war schnell aufgeraucht, und Jasmin warf die Kippe achtlos in den Aschenbecher. Ihren Kaffee hatte sie kalt werden lassen. Aber sie war sicher, dass ihr Kreislauf bald auch ohne Koffein gewaltig in Schwung kommen würde.

Das Gespräch mit Damas gestaltete sich schwierig. Jasmin hatte einmal gelesen, dass in Äthiopien mehr als 80 Sprachen gesprochen wurden, von denen sie leider keine einzige beherrschte. Und der afrikanische Flüchtling hatte mit seinen wenigen englischen Begriffen bereits sein Limit erreicht. Also wurde Jasmin noch eindeutiger, indem sie sich vorbeugte und ihm einfach ihre Zunge zwischen seine breiten Lippen schob.

Damas versteifte sich. Sie führte sich vor Augen, dass in seiner Heimatkultur Frauen wahrscheinlich nicht besonders offensiv waren. Aber darauf konnte sie jetzt keine Rücksicht mehr nehmen. Jasmin war es gewohnt, sich zu nehmen, was sie wollte. Und sie wollte diesen Mann, und zwar so bald wie möglich. Also stand Jasmin erneut auf und zog den Äthiopier hinter sich her.

»Viel Spaß noch!«, rief der Rasta-Man und machte eine obszöne Geste. Jasmin zeigte ihm grinsend ihren Mittelfinger. Sie hatte den rauen Charme Amsterdams niemals wirklich vermisst, denn in Hamburg herrschte ein ähnlicher Tonfall. In dieser Hinsicht waren die beiden Metropolen Schwesterstädte. Aber sie schleppte Damas ja gerade deswegen ab, weil sie Hamburg und ihre dortigen Erlebnisse vergessen wollte.

Jasmin ging Hand in Hand mit Damas vom Oudezijds Voorburgval in Richtung Recht Boomsslot. Dort hatte sie sich unter falschem Namen ein sündhaft teures Apartment gemietet, aber diese Investition rechnete sich für Jasmin. Sie wollte nicht in billigen Hostels oder Hotels unterkommen, von denen es in Amsterdam mehr als genug gab. Außerdem hatte sie sich an die Touristenhorden zwar sehr schnell wieder gewöhnt, aber manchmal nervten die Menschenmassen sie ungemein. Recht Boomssloot war eine ruhige Straße, jedenfalls für Amsterdamer Verhältnisse. Sie mochte den alten Baumbestand und das stille Grachtenwasser direkt unter ihrem Schlafzimmerfenster.

Inzwischen war es dunkel geworden, die Straßen füllten sich mit feierwütigem Jungvolk, berauscht von Bier, Dope oder beidem. Jasmin spürte, dass Damas‘ Hand in der ihren plötzlich zu zittern begann. Und dann erblickte sie den mutmaßlichen Grund dafür.

Eine Fuß-Polizeistreife, die ihnen direkt entgegenkam.

Ob Damas illegal in Europa war? Danach hatte sie ihn nicht gefragt. Wie auch, angesichts ihres bescheidenen gemeinsamen Vokabulars. Jasmin selbst hatte auf den ersten Blick nichts zu befürchten. Zwar wurde sie theoretisch wegen mehrfachen Mordes gesucht, aber ihre falschen Papiere waren die besten, die man für Geld kaufen konnte. Von ihrer Prämie einer halben Million Euro nach dem Mord an einer jungen Araberin war jedenfalls noch genug übriggeblieben.

Sie hatte auch keine Angst vor zwei holländischen Streifenpolizisten. Sie war schon mit ganz anderen Gegnern fertiggeworden, obwohl sie momentan keine Waffe bei sich hatte. Aber ein Kampf bedeutete Aufsehen, und das wollte sie unbedingt vermeiden. Bisher war sie immer gut damit gefahren, sich den Habitus einer unbedarften Touristin zuzulegen.

Ihre beste Tarnung war dabei ein kleiner Falt-Stadtplan, den sie auch in diesem Moment demonstrativ in der Hand hielt. Trotzdem beschleunigte sich auch ihr Pulsschlag, als die Polizisten immer näher kamen.

»Be quiet«, raunte sie Damas zu. »Everything will be okay.«

Jasmin wusste nicht, ob er sie wirklich verstand. Aber vielleicht machte ja wirklich der Ton die Musik. Sie bildete sich jedenfalls ein, dass der große Afrikaner etwas ruhiger wurde. Die Uniformierten hielten offenbar Jasmin und Damas für ein harmloses Pärchen, von denen keine Gefahr ausging. Die Beamten beschleunigten nun ihre Schritte, denn ein Stück weit hinter Jasmin und Damas waren zwei Gruppen von Betrunkenen aneinander geraten. Jasmin bekam mit einem Ohr mit, dass ein Polizist über Sprechfunk Verstärkung anforderte.

Jasmin stieß langsam die Luft aus ihren Lungen und streichelte Damas‘ große Hand.

»Meine Nerven sind nicht mehr die besten, Damas. Ich galt einmal als eiskalte Tötungsmaschine, kannst du dir das vorstellen? Nicht, dass ich damals Skrupel gehabt hätte. Höchstens am Anfang, aber dann hat Keder mich in die Geheimnisse seines Handwerks eingeführt. Ich habe von diesem Mann sehr viel gelernt, aber irgendwie war er auch mein Untergang. Aber vielleicht habe ich mir mein Leben auch selbst vermurkst, fürchte ich.«

Der Afrikaner verstand offenbar kein Wort, denn Jasmin war in die deutsche Sprache verfallen. Aber er schien interessiert zuzuhören, und so redete sie einfach weiter.

»Keder wollte mich an sich ketten. Als ich von ihm schwanger war, musste ich einfach abtreiben. Das ging nicht, verstehst du? Ich wollte nicht die Brut dieses Gewaltverbrechers in mir tragen. Obwohl – ich bin ja eigentlich selbst eine Schwerkriminelle. Eine Mörderin, die sich moralisch über andere Ganoven erhebt. Ist das nicht lustig? Bin ich nicht eine elende Heuchlerin? Aber ich habe wenigstens versucht, auszusteigen. Ich wollte ja aufhören, als ich Christian kennenlernte. – Mist, ich wollte doch gar nicht mehr an Christian denken. Und auch nicht an diese Polizistenhure Rabea, die sich ihm an den Hals geworfen hat und unsere Liebe zerstören wollte.«

Damas‘ Augen blitzten in seinem dunklen Gesicht auf. Nun hatte er Jasmin verstanden, wenn auch nur teilweise.

»Christian?« Er sprach den Namen Englisch aus. »Me Christian too. Jesus Christ is everything.«

Der Afrikaner schlug ein Kreuzzeichen in die Luft. Jasmin war einen Moment lang sprachlos angesichts dieses Missverständnisses. Sie hoffte nur, dass Damas‘ Religiosität ihn nicht daran hindern würde, sie zu vögeln.

»Sicher, Damas. Jesus Christus ist alles, finde ich auch. Vielleicht wird er mir ja sogar meine Sünden vergeben, wenigstens einige davon. Und heute Nacht wollte ich noch eine weitere hinzufügen.«

Sie erreichten das Haus am Recht Boomssloot erreicht. Das schmale restaurierte Haus aus dem 16. Jahrhundert wurde im Erdgeschoss von einer Rechtsanwaltskanzlei mit Beschlag belegt, die nachts geschlossen war. Im zweiten Stockwerk lebte ein stocktauber Ex-Kapitän der holländischen Kriegsmarine, dessen Pflegerin erst in den Morgenstunden erscheinen würde. Und in der ersten Etage befand sich das von Jasmin angemietete Apartment.

Damas blieb vor Staunen der Mund offen stehen, als Jasmin ihre Wohnungstür aufschloss und ihn hereinbat. Sie hatte sich natürlich für ein möbliertes Objekt entschieden. Als Jasmin aus Hamburg fliehen musste, hatte sie nur ihre Kleider und 500.000 Euro in bar bei sich. Sie war keine Frau, die an materiellen Dingen hing. Aber sie konnte sich von Menschen nicht lösen, und das war in ihren Augen viel schlimmer.

Jasmin warf Damas einen prüfenden Blick zu. Ob er sich von der eleganten modernen Einrichtung mit den Designer-Ledersofas und dem Flachbildschirm aus skandinavischer Produktion einschüchtern ließ? Oder würde er Jasmin nun für eine Reinkarnation der Königin von Saba halten und angesichts ihres unermesslichen Reichtums nicht mehr von ihrer Seite weichen wollen?

Sie leerte ihre Bierflasche im Handumdrehen, ging vor Damas auf die Knie und öffnete ohne viel Federlesens seine Hose. Der große schwarze Schwanz sprang ihr entgegen. Er hatte sich noch nicht zu seiner vollen Pracht entfaltet, aber das wollte sie schnell ändern.

Damas schien sein Glück kaum fassen zu können. Wie aus weiter Ferne hörte sie seine Stimme, die nun ganz weich war. Er flüsterte Sätze in einer Sprache, die sie nicht verstand. Aber der Tonfall ließ vermuten, dass Damas nicht mit Koseworten sparte. Diesen Ausgang des Abends hatte er gewiss nicht erwartet, als er den Coffeeshop betreten hatte und von dem Rasta-Man so rüde empfangen worden war.

Sie ließ den Schwanz aus ihrem Mund flutschen und kam federnd vom Boden hoch. Damas schaute sie verständnislos an. Wusste er wirklich nicht, was jetzt geschehen würde? Jasmin hatte sich schon damit abgefunden, dass sie beim Sex mit ihm selbst das Zepter schwingen musste. Und eigentlich war ihr das auch ganz Recht. Für sie war die Hauptsache, dass sie das bekam, was sie wollte.

Der Äthiopier konnte seinen Blick nicht von ihr abwenden. Weit hatte er die Augen aufgerissen, sein Mund stand halb offen. Der Adamsapfel hüpfte schnell auf und ab. Es gab keinen Zweifel daran, dass Jasmin ihn in ihren Bann schlug.

Ihr Mund verzog sich zu einem verführerischen Lächeln, während sie ihre linke Brust hob und an dem Nippel zu saugen begann. Dem Afrikaner fielen fast die Augen aus dem Kopf.

Damas verstand natürlich kein Wort. Aber seine Gestik war eindeutig. Sehnsuchtsvoll streckte er Jasmin seine muskulösen Arme entgegen. Sie ließ sich nicht lange bitten. Es störte sie auch nicht, dass ihr Lover immer noch vollständig bekleidet war, wenn man von seinem unternehmungslustig hochragenden Schwanz absah. Jasmin hatte ihre eigene Stimmung so hochgeschaukelt, dass sie kein weiteres Vorgeplänkel mehr ertragen konnte.

Fasziniert beobachtete Jasmin, wie der schwarze Pflock langsam zwischen ihren hellen Schenkeln verschwand. Sie hockte nun breitbeinig auf Damas‘ Schoß, klammerte sich an ihn und grub ihre starken Finger tief in seinen Bizeps. Ihr Griff war so hart, dass sie ihm gewiss wehtat. Aber Damas schien keine Schmerzen zu spüren. Die Laute, die nun aus seiner Kehle drangen, hörten sich eher nach kaum zu bändigender Ekstase an.

Sondern an einer Kugel oder einer Messerklinge.