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»Technologie erkennt keinen Grundsatz der Selbstbegrenzung an – beispielsweise im Hinblick auf Größe, Geschwindigkeit oder Gewalttätigkeit. Daher besitzt sie nicht die positive Fähigkeit, sich selbst auszugleichen, zu regeln und zu reinigen. Im ausgeklügelten System der Natur wirkt die Technologie und insbesondere die Supertechnologie der modernen Welt wie ein Fremdkörper.«

Ernst Friedrich Schumacher
(Deutsch-britischer Ökonom)

»Der Hochfrequenzhandel hat nichts mit konkreten Ideen, Plänen und Wünschen konkreter Menschen zu tun, sondern verkündet die Herrschaft des Geldes mit Maschinen.«

Horst Köhler
(Ehemaliger Bundespräsident Deutschlands und Ex-IWF-Direktor)

»Vieles von dem, was wir über ökonomische Phänomene wissen wollen, lässt sich ohne technische, ganz zu schweigen von mathematischen Verfeinerungen der üblichen Denkweise und ohne eine ausgefeilte Behandlung statistischer Zahlen entdecken und feststellen.«

Joseph Schumpeter
(Österreichischer Ökonom)

4. Weg mit den Menschen

Geldroboter ersetzen zunehmend die menschliche Arbeitskraft. Doch anstatt sinnvollen Mehrwert zu generieren, beschleunigen sie lediglich gescheiterte Verhaltensweisen.

Der Wunsch vom großen Geld wurde in Paris an diesem Apriltag des Jahres 2016 wohl nirgendwo so intensiv herbeigesehnt wie im Palais des Congrès im 17. Arrondissement. Während draußen in den Straßencafés an der Avenue de la Grande Armée Touristen und Einheimische den sonnigen Frühlingstag genossen, diskutierten mehrere hundert Topmanager der Finanzindustrie auf der TradeTech-Konferenz im Inneren des kantigen Gebäudes die Entwicklungen ihrer Branche.

Eigentlich war alles vorbereitet für eine gelungene Veranstaltung: Goldman Sachs, Morgan Stanley, Credit Suisse und viele andere globale Finanz­akteure konnten als Sponsoren gewonnen werden. Die Anzahl der Teilnehmer war beträchtlich und die Rednerliste war besetzt mit prominenten Experten aus den unterschiedlichsten Bereichen der Finanzwirtschaft.

Doch obwohl die Konferenz ihr 15-jähriges Bestehen feierte, die Veranstalter ein »Champagner-Gewinnspiel« und eine »Crystal-Abend-Party« organisierten, war der Großteil der Teilnehmer nicht in Feierlaune. Die Zeiten, in denen die Branche die Korken der großen Champagnerflaschen lautstark knallen ließ und den Traubensaft in Überfluss aus Kristallgläsern genoss, waren nur noch Erinnerungen an die Vergangenheit. Ungewissheit, bange Erwartungen und geplatzte Zukunftsträume prägten den Tag.

Getrunken wurde der Schaumwein nun aus Plastikbechern, in einem mittelgroßen Teilbereich des Palais des Congrès, das weder Reichtum noch Macht ausstrahlt oder gar eine historisch ehrfürchtige Vergangenheit vorzuweisen hat. Mit einem schlecht frequentierten Einkaufszentrum im Erdgeschoss, samt seinen halbteuren Modegeschäften, wirkt der Bau auch nicht wie ein Erfolgsversprechen für die digitale Zukunft der Branche. Wohl eher repräsentiert er die triste Gegenwart vieler Industrievertreter.

Die Teilnehmer nahmen zur Eröffnung im großen Konferenzraum Platz, der mit seinen leicht ansteigenden Sitzreihen, der großen Leinwand und der düsteren Lichtgestaltung an einen Kinosaal erinnerte. Popmusik dröhnte aus den Lautsprechern. Auf den schwarz gepolsterten Sitzen lag ein Lebkuchen mit dem Konferenzlogo aus Zuckerguss. Der Saal war von Beginn an gut gefüllt, überwiegend mit Männern im mittleren Alter, die ziemlich uniform in dunkle Anzüge gehüllt waren.

Nicht nur sie, auch die wenigen anwesenden Frauen, gaben sich realistisch. »Es ist eine Zeit der Unsicherheit in der Welt und in der Finanzwirtschaft«, so Danielle Mensah. Die erfolgreiche Finanzmanagerin trägt in ihrer Funktion als Head of Cash Markets für den europäischen Börsenbetreiber Euronext die Verantwortung für Millionen Euros. An der TradeTech hielt sie auf der hell erleuchteten Bühne eine durchaus selbstkritische Eröffnungsrede mit Blick auf die jüngere Vergangenheit: »Wir mussten härter und mit weniger Geld arbeiten.«1

Als viel beschworener Rettungsanker dient in solchen Reden immer wieder der Begriff Innovation. Nicht etwa, weil einem ein zukünftiger Finanzmarkt als große Vision vorschwebt, der seiner Aufgabe als Dienstleister für die Realwirtschaft wieder gerecht wird; ein Finanzmarkt, der in Zukunft einen sinnerfüllten Fortschritt für die Gesellschaft ermöglicht. Nein, man möchte das, was man ohnehin schon seit Jahrzehnten falsch macht, lediglich effizienter machen; die alten Strukturen und Handelspraktiken nicht radikal verändern, sondern lediglich bestehende Verhaltensweisen automatisieren und beschleunigen.

Und wer auch in Zukunft ein Stück vom Gewinnkuchen abhaben will, wer im Wettbewerb der Beschleunigung überleben möchte, muss auf der Roboterwelle vorne mit surfen. Wer sich bequem auf dem offenen Meer dahintreiben lässt, gelangt nicht ans rettende Ufer, er wird von der Überlegenheit der Technik gnadenlos aussortiert. In einem Bericht der Invest­mentbank Goldman Sachs heißt es, dass rund 4,7 Billionen US-Dollar des Umsatzes der Finanzindustrie durch »neue, technologieunterstützte Teilnehmer gefährdet« sind.2

Viele der alten Herren, die es sich in Paris im großen Konferenzsaal gemütlich gemacht hatten, werden davon betroffen sein. Für sie klingt Automatisierung aber noch immer wie ein hohles Schlagwort aus einer anderen Zeit, wie eine Aufgabe für die nächsten Generationen. Die neuen technischen Möglichkeiten entfachen bei ihnen keine Neugierde, eher Sorge und Angst darüber, dass die Erfahrung, mit der man in den letzten Jahrzehnten gutes Geld verdiente, für die Zukunft nicht mehr reicht. Dass ihnen die Energie fehlt, sich zu wandeln und sich der Digitalisierung anzupassen. Vielleicht ahnen sie aber auch nur, dass Innovation schlichtweg heißt, sich selbst wegzurationalisieren. »In früheren Zeiten, vor etwa zehn Jahren, arbeiteten in einer Investmentbank zwischen 80 und 100 Aktienhändler. Heute sind vielleicht noch acht von ihnen übrig«, so der Konferenzteilnehmer Remco Lenterman, der Topmanager beim US-amerikanischen Geldroboter Citadel.3

Der Grund dafür ist einfach. Roboter sind effizienter und günstiger: Während eine menschliche Arbeitsstunde in Europa rund 45 Euro kostet, bezahlt man für einen Roboter lediglich fünf Euro.4 Anspruch auf Urlaub oder Karenzzeit stellt er auch nicht und wenn er kaputt geht, tauscht man ihn einfach aus. Für die überwiegende Anzahl an Finanzhändlern ist damit kein Bedarf an Menschen mehr vorhanden. In einer Welt der maschinellen Effizienz sind sie lediglich fehlerhafte Fremdkörper. Emotionale Wesen, die nicht in der Lage sind, rationale Entscheidungen zu treffen, sondern die bereits jede »Handlung etwa 230 Millisekunden vor ihrer Ausführung unbewusst entschieden« haben, wie es in Branchenmagazinen behauptet wird.5 Mit Robotern, deren blitzschnelle Entscheidung auf einer vorprogrammierten logischen Kombination von Informationen basiert, können sie nicht mehr mithalten.

Nun schrauben Geldroboter keine Autos zusammen oder füllen Chips in Plastiktüten. Sie wirken nicht so spektakulär wie jene, die einem menschlichen Wesen ähnlich sind und alten Menschen in Zukunft den Alltag erleichtern. Trotzdem kann man sie als Roboter bezeichnen, da sie die Fähigkeit besitzen, Daten zu analysieren, sie autonom zu verarbeiten und aus der daraus gewonnenen Erfahrung zu lernen.

Geldroboter sind im Kern Algorithmen, Millionen von Codezeilen, die eine Handlungsanleitung bilden. Ähnlich wie ein Kochrezept beschreiben sie, was genau in welcher Situation zu tun ist. Doch im Gegensatz zu Menschen, die ein Kochrezept ausführen und bei denen am Ende, wegen kleiner Unregelmäßigkeiten, der Kuchen nicht aufgeht, folgen Geldroboter konsequent und präzise dem vorgeschriebenen Handlungsablauf.

Ein Geldroboter, der mit einem Finanzprodukt an einer Börse handelt, bestimmt die einzelnen Auftragsparameter, etwa ob der Handelsauftrag eingeleitet werden soll, den Zeitpunkt, Preis bzw. Quantität des Auftrags und wie der Auftrag nach seinem Abschicken mit eingeschränkter oder gar keiner menschlichen Beteiligung bearbeitet werden soll. Rund 90 Prozent der Transaktionen am Finanzmarkt werden bereits von Algorithmen ausgeführt.6

Und weil Geschwindigkeit an den Finanzmärkten ein wesentlicher Erfolgsfaktor ist, machen sie das, was sie tun sollen, immer schneller, eben hochfrequent. Gemäß dem EU-Recht zählen zu den Hochfrequenzhändlern jene »algorithmischen Handelstechniken«, die gekennzeichnet sind durch eine Infrastruktur zur Minimierung der Übertragungszeit sowie durch einen Algorithmus, der »ohne menschliche Intervention« das Order-Management durchführt.7 Das natürlich blitzschnell – also mindestens zwei Nachrichten pro Sekunde für ein einziges Produkt, oder mindestens vier Nachrichten pro Sekunde für alle Finanzprodukte an einer Börse im Tagesdurchschnitt, so sieht es das EU-Recht vor.8

Die sehr weit gefasste Definition des europäischen Gesetzgebers umfasst einen Großteil der algorithmischen Computerhändler. Denn viele Experten vertreten die Meinung, dass man erst »ab 1000 Mitteilungen pro Sekunde« von Hochfrequenzhandel sprechen kann.9 So uneinig man sich in der Definitionsfrage war, so einig ist man sich jedoch über den Einfluss der Algorithmen: »Der Hochfrequenzhandel« sei eine der »signifikantesten Entwicklungen der Marktstruktur in den letzten Jahren«, schreibt etwa die US-amerikanische Finanzmarktaufsichtsbehörde Securities and Exchange Commission (SEC) in einem Bericht.10

Eine Tatsache, die sich auch an den nackten Zahlen belegen lässt. Im Dezember 2014 untersuchte die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichts­behörde (ESMA) in einer Studie den Marktanteil von Hochfrequenzhändlern in der Europäischen Union. Die Lebenszeit von Orders beim Handeln von 100 verschiedenen Aktien in neun unterschiedlichen EU-Mitgliedstaaten wurden dafür erforscht. Das Ergebnis war deutlich: 43 Prozent des gehandelten Werts, 49 Prozent der Trades und sogar 76 Prozent der Orders wurden als Hochfrequenzhandel eingestuft.11

Der Hochfrequenzhandel ist damit ein wesentlicher Machtfaktor an den europäischen Börsen. Durchgeführt zu 48 Prozent von sogenannten Proprietary Trading Firms, Unternehmen mit Namen wie Virtu Financial, Flow Traders oder Optiver, die auf eigene Rechnung handeln. Rund 46 Prozent von ihnen sind Mischunternehmen, die sowohl Eigenhandel betreiben, als auch als Multi-Service-Broker-Dealer tätig sind, darunter befinden sich globale Konzerne wie Goldman Sachs oder die Citigroup. Ein geringer Teil von rund sechs Prozent sind Hedgefonds.12

Der Marktanteil der Geldroboter in Europa ist seit der ESMA-Studie im Jahr 2014 gewiss weiter gestiegen und hat sich den geschätzten 80 Prozent in den USA wohl bereits angenähert. Die Hochfrequenzhändler sind eben »die dominante Komponente im Markt und können ihn in fast allen Bereichen in seiner Performance beeinflussen«, wie es die SEC formulierte.13

Der große gesellschaftliche Fortschritt sind die Geldroboter nicht. Sie machen im Wesentlichen nichts Neues, nichts, was die Händler in den 1980er- und 1990er-Jahren nicht mehr oder weniger auch schon gemacht haben. Und sie machen auch nichts, das den Finanzmarkt im Sinne des Gemeinwohls verbessert. Das alte System, von dem spätestens seit der Finanzmarktkrise klar ist, dass es funktionsuntüchtig ist, wird lediglich schneller, effizienter und automatisiert. Wer irgendwann einmal davon geträumt hat, dass Technik am Finanzmarkt hilft, die Gesellschaft zu einem besseren und fairen Ort zu machen, der wurde im Bezug auf die Geldroboter enttäuscht.

Was sie genau machen, unterteilt die SEC grundsätzlich in vier verschiedene Strategien: Passives Market Making, Arbitrage sowie richtungs- bzw. strukturabhängige Strategien. Hinzufügen könnte man noch ein Bündel an Manipulationstechniken. Als bedenklicher Grundsatz gilt jedenfalls: Die am wenigsten konstruktiven Strategien sind am profitabelsten.14

Market Making ist wohl noch die konstruktivste Strategie unter den gegebenen Handelsbedingungen. Dabei werden auf beiden Seiten des Orderbuchs sowohl Kauf- als auch Verkaufsangebote gestellt. Den Gewinn erzielen die Händler durch die Preisdifferenz oder auch durch Provisionszahlungen der Börsen, die den Geldrobotern beim Abschluss eines Trades oftmals gewährt werden.

Arbitrage kann man auf unterschiedliche Art und Weise betreiben. Etwa durch das Ausnützen von Preisunterschieden auf unterschiedlichen Handelsplätzen. Wenn etwa eine Orange in Supermarkt A einen Euro kostet und zum selben Zeitpunkt in Supermarkt B zwei Euro, dann kaufen die Geldroboter blitzschnell in Supermarkt A und verkaufen in Supermarkt B. Ohne großes Risiko kassieren sie die Preisdifferenz.

Als eine richtungsabhängige Handelsstrategie bezeichnet man etwa News Trading, das darauf abzielt, die Richtung des Preises auf Basis von relevanten Informationen zu erfassen. Wenn etwa die OPEC in einer Presseaussendung eine Reduktion der Ölfördermenge ankündigt, dann werden die Händler mit einer Preissteigerung rechnen und blitzschnell ihre Positionen von short auf long umstellen. Zuerst die schnellen Geldroboter, die automatisiert die Presseaussendungen auslesen, dann die langsamen Händler. Um Gewinn zu erzielen ist es ausreichend, wenn man die Richtung einer Kursbewegung hinreichend oft schneller vorhersieht als die Konkurrenz.

Eine strukturabhängige Handelsstrategie ist etwa Latency Arbitrage, das auch als Front Running bezeichnet wird. Dabei erlangt der Algorithmus eines Geldroboters die Information, dass ein anderer Händler eine Order aufgegeben hat. Noch bevor diese Order zur Ausführung gelangt ist, deckt sich der Geldroboter günstig ein und verkauft teurer an den Händler weiter. Er drängt sich sozusagen zwischen den Händler und den eigentlichen Markt.

Es gibt jedoch auch viele Manipulationsstrategien. Eine weit verbreitete ist Quote Stuffing. Ziel ist es dabei, durch das Platzieren und sofortige Stornieren von Orders die Börsen-IT zu überlasten und den elektronischen Handel für Sekundenbruchteile zu verzögern. Durch diese künstlich generierte Latenzzeit kann man etwa risikofrei Arbitrage betreiben. Eine Studie der US-amerikanischen Louisiana Tech University aus dem Jahr 2012 hat gezeigt, dass »täglich mehrere hundert« zeitverzögernde Events vorkommen und die Methode »allgegenwärtig« ist. Rund »74 Prozent« der in den USA gehandelten Aktien seien davon betroffen.15

In der Praxis wenden die Geldroboter nicht nur eine einzige Strategie an, stattdessen kommt ein breiter Mix zur Anwendung. Je nach Markt und Marktsituation wird entweder die eine Strategie oder die andere eingesetzt. Außer Passives Market Making und eventuell Preis-Arbitrage haben jedoch »alle anderen Strategien im Hochfrequenzhandel den mechanischen Effekt, die Fähigkeit echter Investoren, ihre Transaktionen zu dem bestmöglichen Preis abzuwickeln, zu untergraben«, so die Meinung von Thierry Philipponnat, dem Generalsekretär der Brüsseler Nichtregierungsorganisation Finance Watch. Und so sind auch für die »Anleger« die »Nettokosten für Finanztransaktionen nicht gesunken«.16

Dementsprechend besorgt reagieren auch die restlichen Händler. Eine US-amerikanische Umfrage aus dem Jahr 2014 kam zum Ergebnis, dass »39 Prozent« der Marktteilnehmer glauben, dass der Hochfrequenzhandel »schädlich« oder »sehr schädlich« für sie ist.17 Eine traurige Bilanz der vielen Jahre, in denen die Technik und damit die Geldroboter in den Markt Einzug gehalten haben. Technische Innovation ist eben nicht sofort gleichzusetzen mit echtem Fortschritt.

Dabei können intelligente Infrastrukturen und automatisierte Entscheidungsprozesse tatsächlich für Fortschritt sorgen. Sie können den Menschen von körperlicher Arbeit befreien und seine intellektuellen Fähigkeiten dadurch fördern. Doch weil Algorithmus nicht gleich Algorithmus ist, gilt es eben zwischen jenen zu unterscheiden, die wir wollen und jenen, die wir verhindern sollten.

Auf der TradeTech-Konferenz in Paris wird Innovation nicht mit auf das Gemeinwohl orientierten Fortschritt gleichgesetzt. Gut ist, was Effizienz bringt, denn Effizienz erhöht die Chance auf Gewinn. Das ist die Logik der Konferenzbesucher. Eine Logik, mit der sie sich selbst wegrationalisieren, ohne dabei echten Mehrwert zu schaffen. Auch wenn es niemand ausgesprochen hat, aber irgendwo in den Gedanken der Teilnehmer wird es wohl zu der gedrückten Stimmung im Saal beigetragen haben.

Das vermutete wohl auch Danielle Mensah, die in ihrer Eröffnungsrede versuchte, die Teilnehmer zu motivieren, zu inspirieren, sie aufzumuntern und ihnen die Chancen der Digitalisierung der Industrie aufzuzeigen. Sie wollte sie in Zeiten der Krise nicht auch noch mit den Risiken der Automatisierung verängstigen: »Wir können Innovationen voranbringen«, so die engagierte Managerin, vermutlich wohlwissend, dass viele ihrer Zuhörer in Zukunft nicht mehr an der Konferenz teilnehmen werden.18

8. Wir alle zahlen

Der Finanz-Cyberspace ist ein Nullsummenspiel. Und so zahlt Otto Normalverbraucher die Milliardengewinne der Geldroboter.

»Ich habe keine Ahnung was der Hochfrequenzhandel ist«, so der Hamburger Johannes Müller,1 als er in einem Café im Brüsseler Stadtteil Forest von seiner Espressotasse nippt und durch die große Glasfront auf die hektisch befahrene Chaussée d’Alsemberg blickt. »Der gesamte Finanzhandel ist für mich ein einziges ›Schwarzes Loch‹. Ich weiß nicht, was dort passiert«, so der studierte Jurist offen und ehrlich.

Müller ist in der Hauptstadt Europas als Angestellter eines deutschen Konzerns tätig. Als solcher verfügt der Vater von zwei Kindern über ein regelmäßiges Einkommen. Am Jahresende, nach Abzug aller Ausgaben, bleibt auch noch etwas übrig. Neben einem relativ neuem Auto sowie einer Eigentumswohnung, verfügt seine Familie daher über ein bisschen Erspartes. Johannes Müller kann sich damit glücklich schätzen: Er ist ein stabiler Teil der europäischen Mittelschicht.

Und das will er bleiben. Deshalb sorgt er vor, so wie viele andere Deutsche auch. Besonders die Pensionsvorsorge ist bei dem 43-jährigen ein Thema. »Irgendwie hat man das Gefühl, dass man sich auf die staatliche Pension nicht mehr verlassen kann. Der Politik ist das Wohl der aktuellen Pensionisten wichtiger als das der nächsten Generationen«, so Müller auf dem Weg zur Bar, um sich einen zweiten Espresso zu bestellen.

Und weil der Staat ihm keine Sicherheit mehr bietet, hat er vor wenigen Jahren, bei einem großen deutschen Versicherungskonzern, eine fondsgebundene Rentenversicherung abgeschlossen. Müller hat sich für einen Mischfonds entschieden, der zu je einer Hälfte in Aktien und Anleihen anlegt. Der Großteil der Kundengelder fließt in reine Aktienfonds,2 »aber mit den Anleihen wollte ich das Risiko mit den Aktien etwas minimieren«, so Müller.

Die Rentenversicherung ist nicht sein einziger Versicherungsvertrag. Neben der gesetzlichen Sozialversicherung hat er als Wohnungs- und Autobesitzer natürlich auch eine Kfz- sowie eine Haushaltsversicherung. Mit seinen Versicherungsbeiträgen liegt er damit deutlich über dem Jahresdurchschnitt seiner Landsleute. Dieser lag 2015 in Deutschland bei 2387 Euro, in Österreich bei 2034 Euro und in der Schweiz sogar bei 6606 Euro pro Kopf.3

Sein Sparvermögen liegt noch auf einem Sparbuch. Aber auch das kann sich bald ändern. »In Zeiten, wo die Zinsen praktisch bei Null liegen und die Inflation die Ersparnisse Stück für Stück auffrisst, will man nicht zusehen, wie das hart Ersparte unaufhaltsam schwindet. Man wird praktisch in Anlageprodukte getrieben«, so Müller. Was es am Ende werden soll, weiß er noch nicht. »Vielleicht Aktien«, so wie rund neun Millionen Deutsche ihr Geld anlegen.4 Und obwohl Müller sich um Geldangelegenheiten nur sehr ungern kümmert und er speziell seit der Krise »kein großes Vertrauen in den Finanzmarkt« hat, ist er, so wie der Großteil der Bürger, Kunde der Versicherungs- und Finanzbranche. Müller vertraut sein Geld einem Vermögensverwalter an. Einem jener Großkonzerne, die Unsummen an Kundengeldern einsammeln und durch den Finanz-Cyberspace schleusen. Etwa der deutsche Versicherungskonzern Allianz, der rund 1,8 Billionen US-Dollar verwaltet und damit weltweit zu den zehn größten Vermögensverwaltern zählt, die zusammen 21 Billionen US-Dollar jonglieren.5

Ein massiver Berg an Kundengeldern, der natürlich Rendite abwerfen muss. Die versprochenen Pensionen, Gewinne und die fälligen Schadensummen, besonders die aus Sterbeversicherungen, müssen irgendwann bezahlt werden. Und so kaufen diese Konzerne als institutionelle Investoren auf den globalen Handelsplätzen Finanzprodukte ein. Mit den Taschen voller Kundengeld marschieren sie ins automatisierte Finanzkasino, in das »Schwarze Loch«, wie es Müller nennt.

Und dieses »Schwarze Loch« hat sich in den letzten Jahren strukturell gehörig gewandelt. Zum Nachteil der Kunden, wie Johannes Müller einer ist, und zum Vorteil der Geldroboter. Denn über Jahre hinweg wurden Anti-Wettbewerbsbarrieren direkt in die Marktstruktur hineingewoben. Ob beim Marktzugang, bei den Gebühren, bei der Reihung von Handels­aufträgen oder bei der Konzeption von Order-Typen – die Geldroboter werden bevorteilt. »Die Gebühren- und Infrastruktur spielt den Hochfrequenzhändlern und Liquiditätsanbietern in die Hände«, so Richard Semark, der als Manager der Schweizer Großbank UBS für das europäische Kundengeschäft verantwortlich ist.6 Trotzdem bleibt den Vermögensverwaltern nichts anderes übrig, als auf den Handelsplätzen ihre Geschäfte abzuschließen. Die großen Brocken an Kundengeldern müssen durch die Börsen geschleust werden, auch wenn dort bereits die Geld­roboter lauern. Geldroboter, die umso »profitabler« sind, wenn sie gegen »Nicht-Hochfrequenzhändler« handeln, wie eine wissenschaftliche Arbeit der US-amerikanischen Rutgers University zeigte.7

Es handelt sich um ein absurdes Versteckspiel zwischen den institutionellen Investoren und den Geldrobotern. Während die einen den besten Preis für sich und die Kunden suchen, wollen die Geldroboter ein profitables Stück vom Kuchen abhaben. Um das zu bewerkstelligen, engagieren institutionelle Investoren nicht selten Zwischenhändler, sogenannte Broker, die dann – natürlich gegen Bezahlung – die Orders im Orderbuch platzieren und den Deal ausführen. Die Aufträge werden dabei mit einem zeitlichen Ziel und einem gewünschten Durchschnittspreis erteilt. Die große Herausforderung für den Broker ist es dabei, mit der Platzierung einer Order den Kurs nicht zu sehr zu beeinflussen. Der Verkauf großer Stückzahlen soll so erfolgen, dass der Kursrückgang möglichst gering bleibt. Beim Aufbau größerer Positionen wiederum soll der Kursanstieg möglichst unerheblich ausfallen. Der Transaktionspreis möge dabei für Kunden wie Johannes Müller ebenfalls vorteilhaft sein. Eine schwierige Aufgabe, denn eine einzige große Order kann schon einmal 135 zusätzliche Trades auslösen und die Gebührenmühle kräftig in Bewegung bringen.8

Und um keine schlafenden Hunde zu wecken, stückelt man die Order. Wenn ein Versicherungsunternehmen dem Broker einen Auftrag zum Kauf von einer Million Aktien gibt, dann wird nicht eine einzelne Order in diesem Umfang ins Orderbuch gestellt, sondern, als simples Beispiel, nacheinander je 20 Orders für je 50.000 Aktien. Um rund 50 Prozent ist dadurch die durchschnittliche Transaktionsgröße in den letzten Jahren gesunken.9 Durch die Stückelung erhöht sich jedoch die Anzahl an Trades und damit die Gebühren für Börsen, Clearing bzw. Abwicklung. Früher wurde die zweite Order dann platziert, nachdem die erste exekutiert war. Und so weiter. Da diese Technik unabhängig von der Marktsituation angewendet wurde, kam es trotzdem zu Marktbeeinflussung. Deshalb entwickelte man einen Indikator, den Volume Weighted Average Price, kurz VWAP, der von den Brokern sehr gerne als Hilfsmittel bei der Durchführung verwendet wird. Vereinfacht ausgedrückt stellt der Indikator dar, bei welchem Preis das meiste Volumen gehandelt wurde. Das Marktvolumen soll damit bei der Durchführung der Handelsaufträge berücksichtigt werden. Damit erhoffte man sich einen geringeren Market Impact und somit geringere Transaktionskosten.

Außerdem kam es vor, dass die Broker selbst auf eigene Rechnung handelten, damit das Volumen erhöhten und entgegen dem Kundeninteresse Profit daraus schlugen. Der Feind im eigenen Bett sozusagen.

Auch wenn die Europäische Union seit Anfang 2018 eine gesetzliche »Verpflichtung zur kundengünstigsten Ausführung von Aufträgen« eingeführt hat, so kann man dadurch nicht gänzlich einen negativen Markteinfluss von VWAP-Orders ausschließen, dass zeigte sich auch beim Flash Crash am 6. Mai 2010. Damals sank der S&P 500, der Leitindex der US-amerikanischen Aktienmärkte, innerhalb von sechs Minuten um fast sechs Prozent und erholte sich innerhalb von 20 Minuten großteils wieder. Die Mitschuld an dem Ereignis wurde unter anderem einem VWAP-Algorithmus eines US-amerikanischen Vermögensverwalters zugeschrieben.10

Diese VWAP-Ausführungsalgorithmen sind eben sehr einfach konzipiert, im Gegensatz zu jenen der Geldroboter. Handelstechniken wie Pinging, die darauf abzielen, die großen Orders der institutionellen Anleger profitabel auszuspähen, sind daher leicht anzuwenden. Der Kampf um den besten Preis für die Kunden geht trotz der »Bestpreis-Verpflichtung« der EU oftmals an die Geldroboter verloren.

Für die großen Vermögensverwalter ist diese Situation äußerst unangenehm. Viele von ihnen haben den Trend ohnehin verschlafen und liegen im teuren Rüstungswettlauf der Finanzindustrie kilometerweit zurück. Sie zählen heute zu jenen Akteuren, die zu langsam sind und damit ständig über den Tisch gezogen werden. Dass etwas in den Märkten »nicht mit rechten Dingen zugeht«, so Bert Flossbach, Co-Gründer eines Milliarden Euro schweren Vermögensverwalters aus Deutschland, hat dieser schon vor einiger Zeit bemerkt: »Egal, wo ich eine Order platziere, computer­getriebene Händler sind mit im System und können meine Order ausspähen«, kritisierte er.11

Das Spiel mit den Geldrobotern ist eben teuer. Manchmal erst auf den zweiten Blick, nämlich dann, wenn die Kosten im Preis verborgen sind. Denn Geldroboter sind Makler, vergleichbar mit Immobilienmaklern am Wohnungsmarkt. Würde man annehmen, dass die Immobilienmakler ähnlich vorgehen wie die Geldroboter, also ständig die Immobilien selbst kaufen und verkaufen, ohne echtes Interesse an den Objekten, dann stellt sich doch die Frage, ob der Preis der Immobilien durch das automatisierte Spiel von Angebot und Nachfrage nicht systematisch und permanent auf ein verfälschtes Niveau kommen wird? Es ist zu hinterfragen, ob diese Makler nicht dafür sorgen, dass der Preis in keinem Zusammenhang mehr steht mit dem Fundamentalwert der Wohnung?

Gleiches gilt auch für Aktien und dem Wert von Unternehmen. Banken etwa, die das Market Making für die eigenen Aktien übernehmen, stehen somit in Verdacht, den ohnehin fiktiven Preis für ihre Unternehmensanteile nochmals zu hebeln. Denn was würde passieren, wenn kein Makler vorhanden wäre? Würde der Aktienpreis dann nicht eher dem wahren Unternehmenswert entsprechen? Wohl schon. Dass von all den Fake-Preisen der Endkunde letztendlich profitiert, ist nur schwer zu glauben.

Das zeigen auch wissenschaftliche Studien. So haben die Wissenschaftler Robert Jarrow von der Cornell University und Philip Protter von der Columbia University die Auswirkungen der Geldroboter auf die Preise untersucht. In ihrer Studie heißt es, dass Hochfrequenzhändler zu »Fehlbewertungen der Preise« beitragen können und diese »ausnützen«, zum »Nachteil von gewöhnlichen Investoren«.12

Wie weitreichend die Auswirkungen der Geldroboter sein können, zeigte sich auch beim »extrem holprigen Start« des Facebook-Börsengangs am 18. Mai 2012. Wegen »starker Nachfrage« von Seiten der Geldroboter, benötigten die Computer der New Yorker Technologiebörse Nasdaq längere Zeit als üblich, um den Eröffnungspreis zu erreichen, nämlich fünf Millisekunden anstatt 0,004 Millisekunden.13 Und weil die Nasdaq es erlaubt, die Orders zu modifizieren, noch bevor der Eröffnungspreis bekanntgegeben wurde, verursachten die unzähligen Löschungen und Anpassungen während der Verzögerung eine weitere Verzögerung. In Summe gab es ein mächtiges Chaos. »Viele Kundenorders« wurden »erst nach Stunden oder überhaupt nicht exekutiert«. Andere Anleger »kauften« aufgrund der technischen Wirren »mehr Aktien als sie ursprünglich vorhatten«. In Summe werden dadurch Kosten verursacht, die auch erst einmal beglichen werden müssen.14

Vielleicht beruhigt es Kunden wie Johannes Müller, dass sie bei diesen Problemen mit den weltweit reichsten Personen im selben Boot sitzen. Etwa mit Microsoft-Gründer Bill Gates, dem Großinvestor Warren Buffett und seinem langjährigen Geschäftspartner Charlie Munger. Zusammen besitzen sie ein Vermögen von rund 154 Milliarden US-Dollar, deutlich mehr als so mancher Pensionsfonds. Kapital, das auch investiert werden muss und auf das die Geldroboter warten.

Dementsprechend deutlich fällt auch deren Urteil aus: Natürlich bringen die Geldroboter »dem Rest der Zivilisation überhaupt nichts Gutes«. Sie sind das »funktionale Äquivalent« von »Ratten« die man in die »Mühle« lässt. »Nein, ich mag es nicht«, denn »jemand zahlt es. Gott kreiert kein zusätzliches Geld«, so Munger. Auch Warren Buffet kann der Tätigkeit der Geldroboter nichts Positives abgewinnen: Ihr Geschwindigkeitsvorsprung »trägt nichts zum Bruttosozialprodukt bei« und schafft keine »echten Güter oder Dienstleistungen«. Bill Gates: »Es sieht nicht danach aus, als würden sie einen Mehrwert schaffen«.15

Die Geldroboter sehen das natürlich anders. Sie stellen als Liquiditätsgeber eine Dienstleistung zur Verfügung und für diese Leistung werden sie entlohnt, so ihre Meinung. Sei es in Form von Gebührenerleichterung, Vorteilen beim Marktzugang oder durch den Spread, den sie einkassieren, die Differenz zwischen der jeweils ranghöchsten Order auf der Kauf- und Verkaufseite im Orderbuch. Und ohnehin hätten sie dafür gesorgt, dass die gesamten Handelskosten in den letzten Jahren gesunken sind. Auch für die institutionellen Investoren und ihre Kunden. Und so hätte heute »der durchschnittliche Pensionist 30 Prozent mehr« auf seinem Konto.16

Für Pensionsvorsorger wie Johannes Müller ist dies wohl nur schwer zu glauben. Denn auch Wissenschaftler zweifeln stark an dieser Schlussfolgerung, etwa jene an der New Yorker Fordham University. Dort kam der Autor Lin Tong zu dem Resümee, dass er »starke Beweise« dafür fände, dass der Hochfrequenzhandel die Handelskosten der institutionellen Investoren »erhöht«.17 Auch Teile der Branche selbst kommen zu einem ähnlichen Ergebnis. In einer Studie des Industrie Super Network, einem australischen Verband von Anlage- und Investmentfonds, wird geschätzt, dass die Geldroboter den »Investoren, inklusive den Langzeit-Investoren« zwischen 1,6 und 1,9 Milliarden Dollar pro Jahr kosten.18

Das große Effizienzversprechen der Automatisierung der Finanzmärkte wird gegenüber dem Endkunden anscheinend nicht eingelöst. Speziell seit der Marktliberalisierung durch die Europäische Union und die damit einhergehende Fragmentierung. Denn nun müssen immer mehr Orders auf unterschiedlichen Handelsplätzen exekutiert werden, dadurch stiegen die Gesamtkosten für die Broker, die nun auch mehr für ihre Dienstleistung kassieren. Auch der Spread hat sich für die »großen« Trades »nicht verringert«, wegen der Volatilität und Preisunsicherheit. Hinzu kommen die »ansteigenden« Technologieausgaben der Unternehmen. Zusammen ergibt das einen »Anstieg der gesamten Handelskosten«, so das Urteil des Ausschusses der Europäischen Aufsichtsbehörden für das Wertpapierwesen (CESR), die Vorgängerorganisation der heutigen EU-Finanzmarktaufsicht ESMA.19

Kosten, so die Argumentation der Geldroboter, die nur im Bereich von ein paar Cent pro Trade liegen. Am Ende des Tages summieren sie sich aber zu einem Milliardengewinn. Und diese Gewinne muss jemand bezahlen. Denn der Finanz-Cyberspace ist ein Nullsummenspiel, also ein Spiel, bei dem die Summe der Gewinne und Verluste aller Teilnehmer zusammengenommen gleich null ist. Wenn die Geldroboter gewinnen, muss ein anderer Marktteilnehmer diesen Gewinn durch Verluste zahlen. Johannes Müller zum Beispiel.

Und wenn gegenüber den Gewinnen noch zusätzliche Kosten für die Vermögensverwalter entstehen, etwa durch negative Effekte auf den Transaktionspreis, die im Gegensatz zu potenziellen Einsparungen durch die Automatisierung tatsächlich an die Kunden weitergereicht werden, dann ist es am Ende des Tages nicht einmal mehr ein Nullsummenspiel, dann ist es ein »Negativ-Summenspiel«, wie es der US-amerikanische Ökonom und Nobelpreisträger Joseph Stiglitz formulierte.20

Aus der Branche der Vermögensverwalter wird verlautbart, dass man »seit langem um die Probleme des Hochfrequenzhandels« wisse. Deshalb hätte man auch Gegenstrategien entwickelt, um »mögliche Nachteile durch den Hochfrequenzhandel« zu »vermeiden«, heißt es von Seiten der Union Investment, die für Kunden der Volks- und Raiffeisenbanken 38 Milliarden Euro in Aktien verwaltet. Welche Maßnahmen das genau sind, wird nicht bekannt gegeben. Überprüfen, ob sie tatsächlich greifen, lässt sich die Aussage daher nicht.21

Für Kleinanleger wie Johannes Müller bedeutet Anlage und Vorsorge eben häufig lediglich die sukzessive Transformation von Finanzvermögen in Gebühren, ob für die Börse, die Geldroboter oder die Versicherungsunternehmen. Das Risiko für Totalverlust trägt Müller jedoch allein. Bei all dem Kosten-Wirrwarr ist verständlich, dass Johannes Müller nicht genau nachvollziehen kann, wie viel er für seine fondsgebundene Pensionsversicherung zu zahlen hat. Die Beipackzettel für die Risiken und Nebenwirkungen können schon einmal sehr umfangreich und intransparent werden. Doch wer genau nachliest, der merkt, dass deutlich mehr als 20 Prozent des Anlagekapitals weg sein können.22 Ein Teil davon fließt auf das Konto der Geldroboter. Einen passenden Warnhinweis auf dem Produktinformationsblatt sucht Johannes Müller jedoch vergebens.