5Vorwort

Zur Einstimmung

Es gibt Stimmen, die lassen uns eintauchen. Ganz egal, in was.

Menschen, die solche Stimmen haben, bekommen Aufmerksamkeit. Nur, weil sie so klingen, wie sie klingen. Für mich persönlich hatte Otto Sander eine dieser Stimmen. Was auch immer er mit dieser Stimme vortrug, ich war bei ihm. Bei seinem Sohn Ben Becker geht es mir ähnlich. Ich habe eine CD, auf der er Bibeltexte vorliest. Keine modernisierte Variante, keine Geschichten drum herum, sondern einfach nur die puren Bibeltexte – und ich bin völlig fasziniert.

Im Auto begleitet mich eine CD von Christoph Maria Herbst, einem weiteren großartigen Sprecher. Keine Hörfassung eines spannenden Romans, nein, sondern: Christoph Maria Herbst liest Texte aus dem BGB. Kein Scherz. Die CD ist ein gutes Beispiel dafür, dass man sogar mäßige Texte interessant inszenieren kann – mit einer guten Stimme.

Würde ich mir das BGB oder die StVO in Druckfassung auf den Nachttisch legen? Nein. Es ist die Stimme, die hier den Reiz ausmacht. Sie erzeugt die Bereitschaft zuzuhören, das Interesse, die Faszination.

Leider funktioniert das auch anders herum. Sogar richtig gute Inhalte können viel von ihrer Wirkung einbüßen, wenn wir die Wirkungsmacht der Stimme vernachlässigen. Wenn die Nervosität sich zu stark auf den Klang legt, wenn die Stimme brüchig ist, wenn wir falsch betonen, zu leise sprechen oder schrill – oder, oder, oder.

6Wenn wir die Stimme dagegen richtig nutzen, schließt sie unseren Zuhörern neue Welten auf. Stimmen wie die von Otto Sander oder Christoph Maria Herbst lassen uns sogar Altbekanntes neu entdecken. Sie kitzeln verborgene Facetten aus Inhalten heraus, die wir zu kennen glauben. Sie lassen spannende Erkenntnisse und Geschichten noch glanzvoller wirken. Warum? Weil sie unsere Aufmerksamkeit fesseln. Weil sie dafür sorgen, dass wir zuhören, wie wir es sonst nicht tun. Weil sie Resonanz erzeugen, im physikalischen und im übertragenen Sinne: Diese Stimmen tragen die Substanz einer Botschaft vom Ohr ins Herz.

Gewiss ist es kein Zufall, dass alle Stimmen, die mich so faszinieren, Schauspielern gehören. Man kann mit der Stimme arbeiten und an der Stimme arbeiten, damit sie diese Wirkung entfaltet. Deshalb ist es auch kein Wunder, dass die Schauspielerin Nicola Tiggeler mich mit ihrer Arbeit fasziniert. Ich kenne sie schon lange. Ich habe erlebt, wie sie Menschen zu einer besseren Stimme verholfen hat. Sie vermag es, Menschen auf wichtige Vorträge und Gespräche ‚einzustimmen‘, indem sie ihnen hilft, wirkungsvoll zu sprechen.

Deshalb bin ich froh darüber, dass es dieses Buch gibt. Es zeigt, dass wir Einfluss auf unseren Klang haben. Dass die Stimme eben kein unveränderlicher Anteil unserer persönlichen Wirkung ist, sondern einer, auf den wir Einfluss haben. Es ist keineswegs so, dass man eine eindrucksvolle Stimme hat oder eben nicht. Unsere Stimme kann viel mehr, als wir glauben. Und mit ihr können wir viel mehr erreichen, als wir meinen.

Wenn Sie wollen, können Sie mit Nicola Tiggelers Hilfe natürlich auch ein Telefonbuch so vortragen, dass es Menschen 7in Entzücken versetzt. Ich nehme allerdings stark an, dass Sie etwas anderes im Sinn haben. Ganz gleich, was es ist: Das richtige Buch haben Sie schon in der Hand.

Kommen Sie gut an!

Ihr René Borbonus

 

8Zur Einstimmung – „Ich stimme!“

Sprechen kann doch jeder, denken Sie? Aber können Sie mit Ihrer Stimme und Ihrem Auftreten auch begeistern und überzeugen? Denn: Wenn jemand überzeugend kommuniziert oder einen mitreißenden Vortrag hält, haben Sie meist das Gefühl: „Das stimmt!“

„Stimme“, „stimmen“, „gut gestimmt“, „verstimmt“, „stimmig sein“ …: Schon der gemeinsame Wortstamm lässt die Bedeutung Ihres akustischen Aus- und Eindrucks erahnen.

Wenn Sie stimmig sind, wenn also Ihre Stimme, Ihr Auftreten, Ihre Persönlichkeit und das, was Sie sagen, übereinstimmt, dann werden Sie Ihr Gegenüber überzeugen, Sie erzeugen „Stimmung“ – im besten Sinne.

Das Zusammenspiel von dem, was Sie sagen (Inhalt), und dem, wie Sie es sagen (Ausstrahlung, Körpersprache und Stimme), ist nicht zu unterschätzen und ist die Voraussetzung für ein authentisches und wirkungsvolles Auftreten.

Und hier gleich vorweg: Ich bin ein Fan von guten Inhalten! Es geht mir nicht darum, Sie von Ihrer Verantwortung zu entbinden, sich genau zu überlegen, was Sie sagen möchten, welchen Inhalt Sie transportieren wollen.

Und trotzdem gilt das altbekannte Sprichwort: Der Ton macht die Musik.

Ich möchte Sie dazu ermuntern und ermutigen, sich mit Ihrem ganz entscheidenden Wirkverstärker „Stimme“ auseinanderzusetzen.

Die Stimme spiegelt Ihre Persönlichkeit unmittelbar wider, sie ist Ihre akustische Visitenkarte. Wie Sie wahrgenommen 9werden, hängt ganz entscheidend von Ihrer optischen und akustischen Präsenz ab, das heißt also von Ihrer Körpersprache und Ihrer Stimme. Diese wichtigsten Kommunikationsinstrumente entscheiden, ob Sie glaubwürdig und kompetent erscheinen oder als ängstlich und nervös wahrgenommen werden, ob Sie begeistern und mitreißen oder ob Sie Ihre Umwelt langweilen.

Mein ganzes Berufsleben lang habe ich mich mit Stimme beschäftigt. Stimme ist mein Ding! Ich habe in den verschiedenen Möglichkeiten, meine Stimme zu nutzen, meine Berufung gefunden – und dafür bin ich sehr dankbar.

Seine eigene Stimme zu finden bedeutet auch, zu sich selbst zu stehen und mit sich im Reinen zu sein. Ich stehe auch zu meinen Ecken und Kanten – mich muss nicht jeder lieben. Das ist ein durchaus sehr persönlicher Prozess und ich möchte Sie ermutigen, sich auf die Suche nach Ihrer ganz persönlichen Stimme zu machen, mit der Sie für sich und für Ihre Umwelt authentisch und „stimmig“ klingen und sind!

Viele Menschen glauben, ihre Stimme sei ein Geschenk und damit so etwas wie eine Gottesgabe, die man hat oder auch nicht. Das sehe ich nicht so. Es gibt viele konkrete Möglichkeiten, etwas für die eigene Stimme zu tun, vieles davon ist „Handwerk“ und es braucht „nur“ eine entsprechende Wahrnehmung und das Interesse daran, die eigene Stimme zu verbessern.

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Freie Stimme

Und in diesem Zusammenhang ist mir ganz wichtig: Es geht nicht per se um eine schöne, sondern um eine freie Stimme. Jeder Mensch hat seine eigene, persönliche Stimme, und das ist gut so. Aber ich erlebe oft, dass Menschen von sich sagen: Ich bin halt so, meine Stimme ist eben so. Und das verwechseln sie dann mit Authentizität. Provokant gesagt: Authentisch sein zu wollen ist keine Entschuldigung für ungünstige Angewohnheiten oder eine Ausrede, um Veränderungen zu vermeiden.

Eine authentische Stimme ist für mich eine freie Stimme! Und „frei“ bedeutet in diesem Sinne: die eigene Leidenschaft angstfrei äußern, die innere Haltung hör- und sichtbar machen zu können.

Mein Weg zur Stimme begann früh: Mit vier Jahren beschloss ich, Sängerin zu werden. Und das zog ich dann auch mit der mir eigenen Konsequenz (manche nennen es Sturheit) durch. Ich habe in Hamburg Gesang studiert und 11jeweils mein Diplom als Opernsängerin und Gesangspädagogin gemacht.

Schon während des Studiums und später am Theater habe ich mit Sängern gearbeitet, die sprechen, oder mit Schauspielern, die singen mussten. Durch meine zunehmende Schauspielarbeit sowohl für die Bühne als auch vor allem vor der Kamera und dem Mikrofon wollte ich es dann noch einmal genau wissen: Ich beschloss, noch ein Sahnehäubchen draufzusetzen und eine zusätzliche Ausbildung für die Sprechstimme bei Kristin Linklater zu machen. Kristin Linklater ist die Stimmexpertin im englischsprachigen Raum und ihre Methode ist einer der etabliertesten Ansätze in der Stimmbildung und Sprecherziehung. Mich hat fasziniert, wie der Zusammenhang von Person und Kommunikation wahrgenommen wird – durch die intensive Arbeit an Körper, Atem und Resonanzentwicklung bis hin zu Artikulation und Text. Ursprünglich ist dieser Ansatz und diese Art, mit und an der Stimme zu arbeiten, natürlich für Schauspieler entwickelt worden. Aber sie funktioniert für jeden „Viel-Sprecher“, das erlebe ich tagtäglich als Stimmtrainerin für Führungskräfte, Politiker, Speaker, Moderatoren und alle, die viel sprechen und kommunizieren müssen – und wollen.

In diesem Buch finden Sie die Essenz meiner Erkenntnisse über die Wirksamkeit der Stimme sowie einfache, praxis­erprobte Übungen, um die Stimme als authentischen und kraftvollen Ausdruck der eigenen Person zu erfahren, zu entfalten und einzusetzen.

Ihre Stimme ist

Ich möchte Sie ermutigen, im wahrsten Sinne des Wortes mit sich im Einklang zu sein, um „Anklang“ zu finden, „Resonanz“ zu erzeugen und auch unter Stress in gelassener und guter Stimmung zu bleiben.

Entdecken, erweitern und genießen Sie das Potenzial Ihrer Stimme.

Bleiben Sie neugierig und offen. Bleiben Sie bei sich, seien Sie im Moment. Und haben Sie Mut zu Visionen.

Herzlich,

Ihre Nicola Tiggeler

Hier führt Nicola Tiggeler mit ihrer eigenen Stimme ins Thema ein:

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