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MIRJAM WYSER

 

Die Kristallkinder und das fliegende Auto

 

Kinderbuch

Ein Buch aus dem FRANZIUS VERLAG

 

Illustrationen: Merli (Gabriele Merl) www.merlimerl.com

Buchumschlag: Jacqueline Spieweg

Korrektorat/Lektorat: Petra Liermann

Verantwortlich für den Inhalt des Textes

ist die Autorin Mirjam Wyser

Satz, Herstellung und Verlag: Franzius Verlag GmbH

Druck und Bindung: bookpress.eu

 

ISBN 978-3-96050-167-1

 

Alle Rechte liegen bei der Franzius Verlag GmbH

Hollerallee 8, 28209 Bremen

 

Copyright © 2019 Franzius Verlag, Bremen

www.franzius-verlag.de

 

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

 

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Inhalt

Der kleine Pino

Das Abenteuer beginnt

Presse

Der Hüter des Felsentors

Der Wasserfall

Höhle

Der Schreiberling

Eine Welt von eigentümlichen Dingen

Hüter des Feuers

Die Goldene Stadt

Das Sonnenrad

Die Waage

Der Lichterbaum

Der Glitzersee

Glücksfäden

Goldener Topf

Streng geheim

Pino wartet

Bratensoße

Indien

Kreuzfahrtschiff

Zurück in der Gegenwart

Frühnachrichten

Tilo und Mira

Über die Autorin Mirjam Wyser

Weitere Werke der Autorin Mirjam Wyser

Novitäten Frühjahr 2019 im Franzius Verlag

 

 

Der kleine Pino

 

Es hätte ein ganz normaler Tag werden können. Doch es ist Freitag, der Dreizehnte. Es kann kein Zufall sein, dass sie ausgerechnet an diesem Tag, in diesem Moment an dem großen Frachthafen stehen. Zwei Männer gehen eilig an ihnen vorbei. Es scheinen Vater und Sohn zu sein. Eine abenteuerliche Geschichte beginnt, von der noch niemand etwas ahnt.

 

Mariam und Mattis sind mit den Fahrrädern gekommen, welche sie an einem Pfosten abgestellt haben, und schlendern nun in bester Laune über das Areal des großen Frachthafens.

Mariam ist ein wunderhübsches Mädchen von zehn Jahren. Sie hat eine etwas dunklere Hautfarbe und dunkle Haare. Mit sich trägt sie immer die Umhängetasche, welche ihr Mattis einmal geschenkt hat.

Mattis ist etwa 150 Zentimeter groß, mit hübschem Gesicht und blauen Augen. Seine blonden Haare sind stufig geschnitten, was ihm etwas Lässiges verleiht. Mariam und Mattis sind Kristallkinder.

Kristallkinder verfügen schon bei der Geburt über hohe Schwingungen. Sie lieben Tiere, Menschen, Pflanzen und überhaupt die ganze Erde. Beide sind unter einem guten Stern geboren. Kristallkinder haben eine reine Ausstrahlung, eine reine Energie und strahlen viel Liebe aus. Solche Kinder haben ein ganz besonderes Wesen. Sie beobachten genau. Sie können Sachen sehen, die die meisten Menschen nicht sehen können. Oftmals haben sie Träume von fremden Orten und Wesen, die sie noch niemals zuvor gesehen haben. Tief in ihren Seelen scheinen sie etwas in sich zu tragen, wofür sie keine Worte finden.

Doch die beiden fühlen sich nicht als etwas Besonderes. Beide sind auf den ersten Blick ganz normale Kinder. Sie sind auch nicht auf die Erde gekommen, um Wunder zu vollbringen. Sie wollen einfach nur das Gute für die Welt. Die Menschen müssen selbst erkennen, was auf der Erde nicht gut läuft.

 

Der Hafen ist der Umschlagplatz für Schiffe, die auf den Weltmeeren verkehren. Er hat etwa 3.000 Liegeplätze an einer fast dreiundvierzig Kilometer langen Kaimauer. Interessiert schauen Mariam und Mattis an diesem Nachmittag zu, wie Frachtschiffe aus aller Welt mit einem Kran entladen werden. Viele der riesigen Container werden direkt auf Züge verladen, andere auf Flussschiffe oder Lastwagen. Sie rätseln, was wohl alles in den Containern verpackt sein könnte. Denn hier kommt einfach alles an, was man sich vorstellen kann: Öl, Maschinenteile, Kleider, Stoffe, Esswaren, Chemikalien, Holz, Autos, Möbel, Fernseher und andere elektrische Geräte, Spielwaren, Fahrräder … Einfach alles. An einem Container steht angeschrieben: »Früchte aus Peru.« Mariam und Mattis zählen auf, was für tropische, exotische Früchte sie kennen. Granatäpfel, krumme Bananen, Papayas, Ananas, Acerola Kirschen, Avocados, Mangos, Kaki, Maracuja.

Gerade bearbeiten sie in der Schule das Land Peru. Viel wissen Mariam und Mattis noch nicht über das drittgrößte Land Südamerikas. Es liegt an der Pazifikküste, grenzt auch an das schwülheiße Amazonasgebiet im Osten und die schneebedeckten Anden mit Bergen bis zu 6.000 Metern. Viele Touristen zieht es vor allem zu den heiligen Stätten der Inkas und dem Machu Picchu. Der Machu Picchu ist eine gut erhaltene Ruinenstadt. Die Inkas erbauten diese geheimnisvolle Stadt im 15. Jahrhundert in 2430 Metern Höhe. Sie waren geschickte Handwerker, Architekten und Bauern. Auch verfügten sie über gute Kenntnisse in der Astronomie, Zeitrechnung und Erstellung von Kalendern.

Es gibt eine Legende, die erzählt, dass es sogar eine Stadt aus lauter Gold gab. Zur Stadt sollen auch Smaragd- und Goldminen gehört haben. Verwaltet wurde sie von einer Priesterschaft. Diese Nachricht von einer Stadt aus reinem Gold und Juwelen erreichte sehr schnell die ganze Welt. Alle Schatzsucher rannten los, um von diesem grenzenlosen Reichtum zu profitieren.

»Ich habe von einer Legende gehört, dass es im Amazonas eine Goldene Stadt gibt! Glaubst du, dass es die Stadt wirklich gibt?«, fragt Mariam Mattis.

Mattis zuckt mit den Schultern. »Es würde bestimmt Satellitenfotos geben, auf denen man die Goldene Stadt ausfindig machen könnte. Vermutlich gibt es diese Stadt einfach gar nicht!«

Mariam schenkt ihm darauf nur ein breites Lächeln als Antwort.

Im Jahr 1911 wurden in Peru die Ruinen vom Machu Picchu, die mittlerweile im Urwald versunken waren, vom amerikanischen Forscher Hiram Binghams gefunden. Auch Jahrzehnte nach seiner Entdeckung gibt der Machu Picchu, was übersetzt »alter Berg« heißt, immer noch viele Rätsel auf. Wer hat dort gelebt? Warum verließen die einstigen Bewohner diese Stadt in den Wolken. Der Machu Picchu gehört immer noch zu den größten ungelösten Geheimnissen. Schon viele Archäologen und Altertumsforscher haben auch nach der Goldenen Stadt gesucht. Gefunden haben sie nur ein paar Ruinen im Amazonas Urwald.

Der Amazonas Regenwald ist das Herz und die Lunge unseres Planeten und beheimatet mehr als 4.000 verschiedene Tierarten und ganze zehn Prozent aller Pflanzenarten der Welt. Hunderte Millionen Bäume gibt es im riesigen Regenwald. Legenden berichten, dass der Amazonas ursprünglich ein riesiger Garten war, der von einem unbekannten Volk angelegt wurde, das vor über 3.000 Jahren in Südamerika lebte. Die Stadt Iquitos in Peru ist die größte Stadt der Welt, die nicht über Straßen erreichbar ist, sondern lediglich über den Amazonas-Fluss mit Booten. Diese Stadt im Herzen des Regenwaldes ist Heimat von über 400.000 Menschen. 13.000 Fuß – das sind rund 4.200 Meter – unter der Erde fließt nach wissenschaftlichen Erkenntnissen ein zweiter Fluss unterirdisch auf fast identischem Weg. Der unterirdische Strom wird Hamza-Fluss genannt.

Ist es vorstellbar, dass die Inka tonnenschwere Steinquader auf 2.360 Meter geschleppt haben, um auf dem Machu Picchu eine Stadt zu bauen? Man kann sich nicht vorstellen, wie das hätte funktionieren sollen.

 

Mariams und Mattis' Aufmerksamkeit richtet sich wieder auf das Geschehen des Frachthafens. Am Pier gegenüber entlädt eine Gruppe von Männern einen riesigen Container. Ein Kranführer gibt Anweisungen, um etwas besonders Fragiles, Zerbrechliches zu entladen. Noch zwei Männer schauen zu, wie eine Holzkiste, die an einem Kran schwebt, einem Gabelstapler übergeben wird. Sie freuen sich wie die Kinder.

»Bin gespannt, was in dieser Kiste steckt, dass sich die beiden so freuen!«, meint Mattis.

Der Gabelstapler übernimmt eine Holzkiste, dreht ab, fährt ein paar Meter. Beobachtet wird es von den beiden Männern, die vorher eilig an ihnen vorbeigegangen sind. Im Boden ist ein Loch. Der Stapler knickt wegen dieses Schlaglochs auf einer Seite etwas ein. Oh Schreck, er lässt die Holzkiste fallen! Diese Tatsache trifft die beiden Männer wie ein Schlag. Wie von der Tarantel gestochen hüpft der Ältere hin und her, ringt die Hände, rauft sich die Haare und schimpft fürchterlich. Sein erwachsener Sohn steht mit offenem Mund wie hypnotisiert da. Es scheint ihm die Sprache verschlagen zu haben.

Beim Aufprall zersplittert die Holzkiste. Ein kleines rot-weißes Auto kommt zum Vorschein. Es ist ein Prototyp von einem neuen elektrischen Stadtauto, das ohne Fahrer benutzt werden kann. Prototyp bedeutet, dass es das erste und einzige Auto dieser Art ist. Nach rund drei Jahren Entwicklungszeit ist das kleine putzige Auto nun straßentauglich. Es ist der erste Stadtflitzer dieser Art. Auf einer wichtigen Ausstellung für neue Erfindungen sollte er dem Publikum vorgestellt werden. Die geringe Größe ermöglicht das Querparken, was das Auto vor allem in Städten attraktiv macht. Das Besondere ist, dass es an jeder beliebigen Steckdose aufgeladen werden kann.

Der Ärger der Erfinder, Vater und Sohn Milo, ist mehr als verständlich. Lange haben die beiden an diesem Auto bis zur Vollendung gearbeitet. Viel Zeit und Geld investiert. Nun liegt es zerbeult am Boden. Der Lastwagen stand auch schon bereit, der den kleinen Flitzer zur Erfindermesse für neue Entwicklungen bringen sollte. Der Stapelfahrer ist kreidebleich.

Der Vorarbeiter kommt auf die beiden Geschockten zu und meint mit leicht verdatterter Stimme: »Kommen Sie! Wir bringen das wieder in Ordnung! Gehen wir ins Büro, um eine Schadensmeldung an die Versicherung aufzugeben!«

Der Besitzer und sein Sohn kreischen: »In Ordnung bringen! Wissen Sie, wie lange wir an diesem Prototypen gearbeitet haben?«

»Nein!«, antwortet der Vorarbeiter kurz. Im Büro sieht man dann die beiden mit den Händen ringen.

Plötzlich haben Mariam und Mattis das Gefühl, jemand riefe nach ihnen. Mattis runzelt die Stirn, um genauer hinzuhören.

»Ist da jemand? Dieser Jemand ruft uns!«, sind sie sich einig. Aber wer ist es, der da ruft? Das Rufen kommt aus dem verbeulten Auto.

»Hör mal, hast du gerade mit uns gesprochen?«, fragt Mattis das verbeulte Auto. Voller Interesse gehen Mariam und Mattis näher heran und begutachten das kleine Auto.

»Ein Auto kann doch nicht sprechen, du Dummkopf!«, kichert Mariam. Die Tür hängt etwas schief und hat sich durch den Aufprall leicht verzogen und geöffnet. Bei diesem Auto ist der Einstieg vorne. Es hat kein Lenkrad und keinen Schalthebel. Ausgestattet ist es mit technischen Geräten, einem Laptop ähnlich. Mattis ist absolut begeistert. Ein selbstfahrendes Auto! Mattis dreht sich zu Mariam, die mit halb geöffnetem Mund dasteht. Er schaut sich um. Niemand zu sehen, der ihn hindern könnte einzusteigen.

»Los komm! Steigen wir ein.« Er sieht Mariam breit grinsend an. Und – Schwups – sitzt er in dem kleinen Auto.

»Komm schau dir dieses Auto an, Mariam. Das ist bestimmt ein Stadtauto der Zukunft.«

Mariam kämpft einen Augenblick mit sich. »Mattis, hast du nicht ein ungutes Gefühl, bei der Sache?«

»Nein!«, antwortet dieser wahrheitsgetreu.

Dann steht ihr Entschluss fest. Ihren besten Freund würde sie auf keinen Fall bei diesem Abenteuer allein lassen. Blitzschnell setzt sie sich neben Mattis. Dieser öffnet den eingebauten Laptop und tippt etwas herum. Fast so, als ob er der Erfinder wäre. Mariam versteht nicht wirklich, was Mattis da eingibt. Aber bewundert ihn trotzdem grenzenlos. Sie staunen nicht schlecht, als das Auto tatsächlich anfängt zu sprechen.

»Guten Tag, ich bin der kleine Pino. Wer seid ihr?«

Die beiden starren sich einen Augenblick fragend an. »So geil!«, begeistert sich Mattis. »Der kann sogar sprechen! Ich bin Mattis!«

»Und ich bin Mariam.«

»Wer ist nun hier ein Dummkopf?«, richtet Mattis die Frage an Mariam.

Noch bevor sie antworten kann, spricht das Auto wieder: »Ich bin Pino, das Mikro-Auto. Auch wenn ich klein bin, habe ich einiges zu bieten, was andere Autos nicht können.«

»Was kannst du denn so Außergewöhnliches?«, fragt Mattis neugierig.

»Ich kann euch überall hinbringen! Wollt ihr ein kleines Abenteuer erleben oder seid ihr Angsthasen?«

Mattis fühlt sich in seiner Ehre getroffen. »Ich ein Angsthase, bestimmt nicht! Es braucht ja auch nicht allzu viel Mut, sich in ein kleines Auto zu setzen. Das sowieso nicht losfahren kann!«

Pino scheint zu kichern. Das Auto hüpft dabei wie ein Floh. Dann spricht er weiter: »Ich hätte schon Lust auf ein kleines Abenteuer. Wochenlang stand ich in einer Fabrikhalle in China eingesperrt und wurde bestens bewacht. Nur der junge Herr kam täglich vorbei und programmierte an meinem Bordcomputer herum. Dann endlich ging die große Schiebetür auf. Ich dachte, endlich frei zu sein. Ich wurde auf einen Laster geladen. Aber wenn ihr denkt, ich hätte irgendetwas von diesem Land gesehen, dann irrt ihr. Ich wurde vorher in eine Kiste verpackt und in einen Container geladen. Es war stockdunkel. Ich hörte, wie ich auf ein Frachtschiff umgeladen wurde, das mich von China nach Europa brachte. Wochenlang saß ich in dieser Kiste fest. Dann endlich kam die Gelegenheit. Ich kam im Frachthafen in Europa an und wurde ausgeladen. Ich schüttelte mich so heftig, dass ich vom Gabelstapler fiel. Hi, hi. Den Rest der Geschichte kennt ihr ja. Kommt ihr jetzt mit mir auf eine Zeitreise?«

Mattis lacht. »Du willst uns doch einen Bären aufbinden! Um auf eine Zeitreise zu gehen, müsstest du fliegen, die Gesetze der Schwerkraft überlisten können und sogar unsichtbar werden! Aber du bist doch nur ein kleines Stadtauto und erst noch ein Prototyp.«

Nun kichert der kleine Pino. »Zwar haben die mich auf die Nase fallen lassen und verbeult bin ich auch. Was aber niemand weiß, ist, dass sich beim Aufprall die Daten von der Programmierung verstellt haben und ich nun Einiges mehr kann, als die Entwickler glauben. Vielleicht sogar fliegen!«

Seit Mattis von einer fliegenden Untertasse gehört hat, die in der Nähe des Waldes gelandet sein soll, hat ihn das Interesse daran gepackt. Die Frage ist, wer wohl so eine Untertasse fliegen könnte? Konnte sie nun von außerirdischen Männchen, die angeblich grau und hässlich sind, gesteuert werden? Oder sind es groß gewachsene, äußerst hübsche Menschen von hoher Intelligenz? Als Mattis herumfragte bei den Lehrern, sogar den Pfarrer, ob es Ufos, Seelenreisen oder Astralreisen gibt, wurde er nur ausgelacht! Er war damals sehr gekränkt und hatte bei Mariam seinem Ärger freien Lauf gelassen.

»Kein Wunder, dass so viele Menschen aus der Kirche austreten, wenn sie nur ausgelacht werden. Obwohl der Pfarrer gar keine Ahnung von solchen Dinge hat, hat er mich einfach nur belächelt. Man soll nie sagen, es gibt Etwas nicht, wenn man es nicht wirklich weiß!«

Und jetzt sitzt Mattis in einem kleinen Auto, das ihm die Möglichkeit gibt, eine Zeitreise zu machen. Sehr verlockend, diese Angebot! Er tuschelt mit Mariam. Sie nicken, schütteln den Kopf und beraten.

»Was meint ihr dazu? Ich brauche eine Antwort!«, drängt Pino.

Mattis schaut auf die Computerdaten und denkt nach.

Oh Schreck, in diesem Augenblick kommen Milo, der erfinderische Kopf, sein Vater und weitere Personen auf das kleine Auto zugelaufen.

»He, he!«, rufen sie wütend. Sie fuchteln mit den Händen. »Raus mit euch! Das hätte uns gerade noch gefehlt, wenn unser Auto geklaut werden würde! Da verstehen wir gar keinen Spaß! Lumpenpack! Raus mit euch!«, rufen sie aufgeregt.

Der kleine Pino wird ganz aufgeregt. »Also, entscheidet euch schnell! Wollt ihr auf die Zeitreise oder nicht! Fliegen wir irgendwohin? Ich brauche euren Befehl, sonst kann ich nicht wegfahren!«

Mariam zögert einen Augenblick. »Ich weiß, nicht ob wir das tun sollen!«

»Wir müssen uns entscheiden, aber schnell!«, entgegnet Mattis.

Mariam fasst endgültig Mut. »Also gehen wir!«, stimmt sie zu, obwohl sie sich über ihren Mut wundert. »Wegfahren, kleiner Pino!«, wiederholt sie.

»Wegfliegen wäre besser!«, entgegnet Pino!

»Wie willst du fliegen? Du hast ja gar keine Flügel und ein Helikopter bist du auch nicht!«

»Aber ich bin Pino!«

Mattis und Mariam flüstern einander aufgeregt zu. Die Herren kommen immer näher und scheinen recht wütend zu sein!

»Wir klauen das Auto ja nicht, sondern leihen es nur mal kurz aus!«, kichert Mariam. In Mattis Augen glitzert Entschlossenheit.

Dann gibt Mattis den Befehl. »Kleiner Pino, fahr los oder flieg mit uns davon, wir kommen mit dir auf die Reise!«

»Suche für uns die Goldene Stadt!«, ruft Mariam dazwischen.

Mattis schüttelt den Kopf und murmelt: »Die Golden Stadt kann er doch nicht finden, die gibt es doch gar nicht!«

Sekundenschnell berechnet Pino die Eingabe und das Auto fährt tatsächlich los. Der kleine Pino macht ruckartige Zickzack-Bewegungen.

Mariam triumphiert: »Vielleicht gibt es diese Stadt doch!«

Aufgeregt rennen die beiden Entwickler dem kleinen Pino hinterher!

»Pino, gib Gas! Fahr schneller, Pino!«, ruft Mattis.

Da schnappt sich der junge Erfinder Milo ein Motorrad und verfolgt das Auto. »Euch kleine Gauner knöpfe ich mir vor!«, brüllt er wie ein Löwe.

»Schneller, fahr schneller, Pino. Wir werden verfolgt!«

Die Verfolgung beginnt. Der kleine Pino rast, so schnell er kann, durch das Hafenareal. Plötzlich sehen sie einige Meter vor sich eine Schranke und Sicherheitspersonal.

»Los, zeig uns, was du kannst, kleiner Pino! Starte durch wie ein kleiner Vogel! Sonst bekommen wir mächtig Ärger!«, schreit Mariam.

»Am besten wäre es wirklich, du könntest fliegen!«, hakt Mattis nach.

»Flieg, Pino, flieg!«, schreit Mariam.

»Na ja, dann beginnen wir unseren kleinen Ausflug! Unsere kleine Zeitreise!«, kichert Pino.

Das kleine Auto gibt Gas und im nächsten Augenblick hebt es tatsächlich ab und fliegt über die Schranke hinweg. Das war knapp! Mattis entweicht ein Jubelschrei. Wie ein Vogel steigt das Auto hoch, fliegt höher und höher.

»Das ist der Hammer! Ein Wunder!«, ruft Mariam. Die beiden lächeln einander an. In den Kinderaugen flammt viel Freude auf.

Sie hören noch, wie das Motorrad angehalten wird, und den schreienden Milo: »Wartet nur, ihr kleinen Gauner, euch kriege ich schon noch!« Erst in diesem Augenblick ist dem Erfinder bewusst geworden, dass der kleine Pino fliegen kann. »Das glaube ich ja nicht, mein kleiner Pino kann fliegen!«

Er kratzt sich am Kopf! »Ich glaube, mich laust der Affe! Unglaublich! Wirklich unglaublich! Von mir wurde das kleine Auto nicht so programmiert, dass es fliegen kann!«

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Das Abenteuer beginnt

 

»Wir müssen tiefer fliegen!«, brummt der kleine Pino, »damit wir nicht auf dem Radarschirm auftauchen.«

Doch sie sind auf dem Radarschirm bereits gesehen worden. Sie fliegen in geringer Höhe über Autos und Omnibusse, die in Schlangen stehen. Die Eilmeldung, dass ein fliegendes Auto mit zwei Kindern gesichtet wurde, verbreitet sich in allen Medien blitzschnell.

»Das ist doch ein Witz!«, hört man die Menschen sagen. »Das war bestimmt nur eine Drohne! Von denen fliegen immer mehr herum. Eine richtige Belästigung!«, schimpfen einige.

Großes Rätselraten unter ihnen beginnt, was da für ein eigenartiges Flugobjekt über ihren Köpfen herumfliegt. Pino und die Kinder fliegen derweil durch enge Gassen und erwecken die Aufmerksamkeit der Menschen. Pino sucht sich einen weiteren Weg zwischen Hochhäusern und Wohnsiedlungen, dann geht es durch einen Wald. Mariam und Mattis spüren ein gewisses Unbehagen. Sie werden verfolgt. Doch nun sitzen sie in dem kleinen Pino.

»Wir sind bereit, ins Ungewisse abzuheben! Such für uns die Goldene Stadt!«, gibt Mattis nochmals den Befehl und lehnt sich zurück.

»Das mache ich! Ich werde euer König sein, denn ich besitze die Fähigkeit, nicht nur bis an die Grenzen des Himmels zu fliegen, sondern noch weit darüber hinaus. Wir müssen aber die Fluggeschwindigkeit erhöhen!«, meint Pino.

»Trotzdem sind wir auf dem Radarschirm zu sehen!«, sagt Mattias nachdenklich.

»Drück den roten Knopf, Mattis! Wir werden dann unsichtbar! Das Strahlenschild um uns kann vom Radar nicht durchdrungen werden. Sonst werden wir noch von einem Militärflugzeug abgeschossen«, befiehlt Pino.

Mattis drückt den roten Knopf. Mariam ist einfach nur sprachlos.

Plötzlich taucht aus dem Nichts ein Windstoß auf und schiebt sie himmelwärts. Sie steigen hoch auf in die Wolken. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, im All zu schweben. Ein Jagdbomber der Armee sucht den Luftraum ab und rast haarscharf an ihnen vorbei. Die beiden halten vor Schreck den Atem an.

»Wir sind vom Radar verschwunden!«, jubelt Pino.

»So ein Mist!«, flucht der Pilot im Jagdbomber. »Das gibt s doch nicht. Das Flugobjekt kann sich doch nicht einfach in Luft auflösen und vom Radar verschwinden. Unsichtbar machen wird es sich auch nicht können! Nein, so etwas gibt es nicht!«

»Wenn du das seltsame Flugobjekt sichtest, zwinge es unbedingt zur Landung. Bei Befehlsverweigerung: notfalls abschießen«, bekommt der Pilot den Befehl aus dem Tower. »Weitersuchen!«

Der Militärpilot gibt nochmals seine genaue Position durch. Noch zwei Stunden suchte der Jagdbomber nach Pino. Natürlich vergebens. Dass die geheime Mission von Pino, Mariam und Mattis so viel Aufsehen erregen würde, ist nicht absehbar gewesen.

Währenddessen steigt Pino immer höher und höher. Es fühlt sich an wie in einem Ufo, das pfeilgerade in den Himmel steigt. Das Auto hat einen unvorstellbaren schnellen Antrieb. Plötzlich wird das fliegende Auto von einer Windbö erfasst und hin und her geschüttelt. Pino gerät in arge Turbulenzen und sackt urplötzlich in ein Luftloch ab. Ein eigenartiges Gefühl beschleicht die Kinder. Das Hochgefühl zerplatzt wie eine Seifenblase. Sie spähen aus dem Fenster nach draußen. Unter ihnen liegt die Einsamkeit. Eine unberührte Natur überfliegen sie. Dicht bewaldete Hügel, Täler, durch die sich die Flüsse schlängeln. Gebiete tun sich auf, die kaum ein Mensch je betreten hat. Das Land sieht von hier oben wirklich unbewohnt aus.