Inhalt

Was man vorweg über Missi wissen sollte

Fast jeden Tag

Das Phantom der Aula

Der Wunderpott

Missi allein zu Haus

Die Schatzkammer

Doppeltes Spiel

Omi kommt

Mittags im Museum

Gedrucktes Geheimnis

Plötzlich Dotti

Die Zentrale

Das liegt in der Familie

Dachbodenfund

Hochexplosiv

Stille Wasser

Bunter Staub

Über Mississippi Moppel sollte man zunächst einmal eines wissen: Niemand nannte sie wirklich „Mississippi“.

Sogar ihre Familie und ihre Lehrer sagten einfach „Missi“, und viele ihrer Freunde wussten nicht einmal, dass Missi noch ein „ssippi“ zu bieten hatte.

Zu Missis Familie gehörten neben ihren Eltern auch ihre älteren Brüder Nil und Ganges.

Geschwister zu haben, fand Missi meistens ganz schön, weil man als kleine Schwester gleich zwei große Brüder gut gebrauchen konnte: Wenn man zum Beispiel zwei schwere Kisten aus einem hohen Regal brauchte.

Andererseits konnten Brüder hin und wieder auch ein bisschen lästig sein. Zum Beispiel, wenn Missi in Ruhe ein Rätsel lösen wollte oder ein Geheimnis erforschte. Schließ lich war das in aller Regel, na ja, geheim.

Nil und Ganges waren ziemlich neugierig, aber sie wuss ten auch, wann sie Missi in Ruhe lassen mussten. Denn wenn sie einen ihrer Geistesblitze hatte oder der Lösung ihres aktuellen Problems näher kam, murmelte sie in aller Regel: „Echt interessant.“

Missi Moppel beschäftigte sich leidenschaftlich gern mit scheinbar unlösbaren Fragen, wohlgehüteten Geheimnissen und allen nur denkbaren Rätselhaftigkeiten.

Eine Menge davon fand sie in ihren Büchern. Missi las und schmökerte, wann immer sich eine Gelegenheit bot.

Niemand in ihrer Familie konnte sich daran erinnern, wie viele Fälle Missi bereits mit irgendwelchen Buch-Detektiven gelöst hatte, aber Missi selbst erinnerte sich problem- und lückenlos an jeden einzelnen.

Leider hatte Missi bisher noch keinen richtigen, also ganz und gar echten und eigenen Fall gelöst. Aber das konnte ja noch kommen. Und um auf den Fall der Fälle möglichst gut vorbereitet zu sein, arbeitete Missi sich nebenbei auch durch Abenteuergeschichten, Märchen, Sagen, Legenden und Sachbücher zu Themen, auf die die meisten anderen Leute vermutlich nie im Leben gekommen wären.

Manchmal vertiefte sich Missi so sehr in eine Geschichte, dass sie nicht einmal daraus auftauchte, wenn ihre Mutter zum Essen rief.

Aber obwohl Missis Nase so oft in einem Buch steckte, entging ihr auch in der „echten“ Welt keine Kleinigkeit. Sie sah, hörte und bemerkte irgendwelche Dinge, Leute oder Begebenheiten, die zum Beispiel ihre Brüder nie bemerkt hätten, und ahnte sofort, welche Geschichte sich dahinter verbergen mochte.

Womöglich war das eine besondere, ganz und gar missihafte Spezialfähigkeit. Die EINE Sache, in der sie alle anderen übertraf.

Und das war auch dringend nötig, wenn man Familie Moppel genau betrachtete.

Ihre Eltern arbeiteten als berühmte Archäologen, deren Ausgrabungen, Fundstücke und Forschungen auf der ganzen Welt Beachtung fanden, Ganges war ein Schwimm-Ass, und Nil spielte Klavier wie ein Profi.

Missi konnte zwar schwimmen und Querflöte spielen, aber olympiareif war keines von beidem. Da fand Missi es nur gerecht, dass ihre Beobachtungen und Entdeckungen ebenfalls besonders waren.

Missi wohnte mit ihrer Familie am Stadtpark. Zum Glück! Denn diesen Teil der Stadt mochte sie am allerliebsten. Hier war es wunderbar grün, es gab hübsche Vorgärten mit verschnörkelten Zäunen, und die Häuser waren keine geraden und modernen Kästen, sondern herrlich alt. Viele Fassaden hatten sogar Verzierungen und waren in den schönsten Farben gestrichen.

Auch das Moppel-Haus war alt. Genau genommen gehörte es zu den ältesten der Straße.

Manche Leute fanden es sogar ein bisschen unheimlich, denn innen wie außen war es so extrem verwinkelt, dass man im Handumdrehen den Überblick verlor. An den scheinbar unmöglichsten Stellen lugten Fenster hervor, die beim besten Willen zu keinem Zimmer gehören konnten. Die Dächer waren ähnlich verwirrend. Ja, Mehrzahl! Denn es schienen mehrere zu sein, die irgendwie an- und übereinandergebaut worden waren.

Es gab sogar ein Türmchen, aber vermutlich nur zur Zierde. Jedenfalls hatten die Moppels bis heute nicht herausgefunden, wie man dort hineingelangte.

Alles in allem wirkte das Haus also eher merkwürdig als schön. Und damit war es genau das Richtige für Missi.

Sie spürte förmlich, wie viele geheimnisvolle Dinge dieses alte Gemäuer in vermutlich ebenso vielen Jahren bereits erlebt hatte. Ja, manchmal konnte Missi sich sogar vorstellen, das Haus wäre ein lebendiges Wesen. Das sie behütete, das sie warm und trocken hielt und das in besonders stillen Momenten wisperte: „Soll ich dir ein Geheimnis verraten?“

Zugegeben, nicht jeder kann sich vorstellen, mit einem Haus zu sprechen. Doch Missi flüsterte dann zurück: „Erzähl, altes Haus!“

Was muss man sonst noch wissen? Mal sehen …

Missi war nicht besonders sportbegeistert. Aber sie konnte es nicht ausstehen, wenn jemand behauptete, das wäre typisch für Mädchen.

Außerdem spielte Missi Querflöte. Alles in allem ganz gut, und sie übte auch mehr oder weniger fleißig, um besser zu werden, falls ihr nichts anderes dazwischenkam.

Missi hatte das schönste Zimmer im ganzen Haus – fand sie. Dort gab es ein Erkerfenster mit einer gepolsterten Fensterbank, auf der man wunderbar lesen, dösen oder zusehen konnte, wie die Regentropfen an der Scheibe hinabliefen.

Natürlich fand Missi Superhelden toll. Ob als Figuren, auf Mappen und Heften, überall waren sie zu sehen. Missi hatte sogar ein T-Shirt mit Miss Blitz drauf. Aber wenn sie es mal zur Schule anziehen wollte, war es immer irgendwie gerade in der Wäsche.

Und da wir schon davon sprechen: In die Schule ging Missi eigentlich ganz gern. Meistens jedenfalls. Sie mochte natürlich nicht alle Fächer gleich. Wem geht das schon so? Und sie war auch wirklich nicht in allen gleich gut.

Um ehrlich zu sein, reichten Missis Noten von „spitzenmäßig“ bis „auweia“. Und merkwürdigerweise konnte sich das von einem Zeugnis zum anderen völlig ändern.

Mathe war so ein Fall. Mal fand Missi nichts schöner, als mit Zahlen herumzujonglieren oder womöglich irgendwelche geometrischen Formen zu berechnen.

Doch es kam eben auch vor, dass sie im Matheunterricht über ganz andere Rätsel nachdenken musste. Wenn Missi dann nachmittags die Hausaufgaben lösen sollte, schien es, als hätte sie zuvor auch nie das kleinste Sterbenswörtchen von Plus und Minus gehört.

Zum Glück hatte sie in solchen Situationen ihren besten Freund Piwi.

Piwi Pots war ein Lurch, echt nicht groß und bereits vom ersten Tag der ersten Klasse an Missis bester Freund. Auf ihn konnte sie sich immer verlassen, nicht nur bei Mathefragen. Umgekehrt funktionierte das natürlich ebenso, allerdings nicht unbedingt bei Mathefragen.

So, das soll erst mal reichen. Denn was es sonst noch über Missi Moppel zu wissen gibt … kommt jetzt!

Es war doch echt jeden Tag dasselbe!

Missi stand wirklich ganz pünktlich auf. Manchmal war sie sogar schon vor dem Weckerklingeln wach, aber immer, wenn sie ins Bad wollte, hatten ihre Brüder Nil und Ganges schon beide Waschbecken besetzt. Sie schmierten sich Gel auf den Kopf und strichen ihre Schnurrhaare glatt, bis sie endlich cool genug aussahen, um sich in der Schule blicken zu lassen.

„Kann ich jetzt mal?“, rief Missi. „Nil? Ganges?“, und klopfte dazu wie jeden Tag an die Badezimmertür. Missi fand ihre älteren Brüder ja tatsächlich cool, aber wenn ihre Mutter nicht irgendwann ein warnendes „Jungs!“ die Treppe heraufgerufen hätte, wäre Missi vermutlich kein einziges Mal rechtzeitig aus dem Haus gekommen.

Die Schule lag leider nicht wirklich um die Ecke, und praktisch die ganze Stadt war gleichzeitig auf dem Weg zur Arbeit, zur Schule oder zum Kindergarten.

Doch Missi flitzte mit ihrem rosa Roller durch das Gedränge wie ein Ferkel durch eine Elefantenherde. Später wollte sie unbedingt einen Motorroller haben. Den würde sie dann Ferkel II nennen.

Aber vorerst war sie mit Ferkel I sehr zufrieden und kettete ihn jeden Tag sorgfältig vor der Schule an.

Übrigens hatte Missi es morgens so eilig, weil sie noch vor der ersten Stunde kurz in die Bibliothek huschen wollte, die direkt neben der Schule lag.

Wie gesagt liebte Missi Moppel Bücher. Sie konnte ganze Ferienwochen oder Nachmittage mit Lesen verbringen.

Deswegen war die Bibliothek genau der richtige Ort für sie. Vor allem das Regal mit den Detektivromanen. Die Geschichten von Sherlock Holmes kannte sie praktisch auswendig. Ebenso wie die Fälle des Hercules Poirot, obwohl sein Name so kompliziert auszusprechen war. Nämlich Erkühl Pu-a-ro.

Missis ganz persönliche Heldin war allerdings die weltberühmte Miss Marple. Und dass ihr eigener Name ganz ähnlich klang, fand Missi Moppel schlichtweg großartig.

Immer und immer wieder hatte Missi gespannt verfolgt, wie die Meisterdetektive ihre Fälle lösten. Sie beobachteten sehr genau und suchten nach allen möglichen Spuren und Hinweisen. Allerdings mussten sie auch wissen, was diese Spuren und Hinweise bedeuten konnten. Die Detektive mussten also praktisch über jedes Thema bestens Bescheid wissen. Außerdem sollten sie auch solche Dinge bedenken, die andere für vollkommen unmöglich hielten. Denn manchmal waren genau diese scheinbaren Unmöglichkeiten die Lösung. Von Sherlock Holmes hatte Missi übrigens auch gelernt, dass der Erwerb von Wissen für einen guten Detektiv unumgänglich war. Elementar, wie er es ausdrückte.

In diesem Sinne hatte sich Missi gerade durch die verworrene Welt der Antike gearbeitet und legte den Stapel der ausgeliehenen Bücher auf den Tresen der Bibliothekarin.

„Hallo, Missi. Hast du die etwa schon alle gelesen?“, staunte Frau Soundso.

„Hab ich“, nickte Missi zufrieden. „Über die alten Ägypter weiß ich jetzt Bescheid!“

„Zum Glück“, lachte Frau Soundso. „Mehr Bücher haben wir zu diesem Thema nämlich nicht.“

„Macht nichts“, fand Missi. „Und wie sieht es mit Geologie aus?“

„Gesteinskunde also“, nickte Frau Soundso. „Ja, dazu gibt es ein paar sehr gute Werke.“

„Prima, die hole ich nachher ab“, verkündete Missi und flitzte los, um ihr Schulzeug wie jeden Tag in den Spind einzuschließen. Die Querflöte brauchte sie heute eigentlich gar nicht. Aber Missi liebte ihre Flöte und hatte sie deswegen gern dabei. Sie war nur froh, dass sie nicht Klavier lernte wie Nil! Solche Riesendinger wollte man ja nun wirklich nicht immer mit sich herumschleppen. Ihre Sportklamotten brauchte Missi später. Leider! Schwimmen war ja noch ganz in Ordnung. Aber im Augenblick wurde nicht geschwommen. Stattdessen musste sie stundenlang hinter irgendeinem Ball herrennen. „Das ist so langweilig“, murmelte Missi. Als sie ihren zuklappte, hörte sie aus dem Spind gleich nebenan jemanden fragen: „Ähm, könntest du mal aufmachen?“

„Klar, sag mir deine Kombination“, seufzte Missi und befreite Piwi Pots aus seinem eigenen Spind.

Der Lurch war echt winzig, vor allem im Vergleich zu Nob, Rob, und Hub.

Die drei Rüpel machten alles zusammen und teilten sich offenbar nur ein Gehirn. Darum fanden sie es wohl auch witzig, den armen Piwi entweder in den Mülleimer, irgendeinen Rucksack oder in das Fach unter dem Lehrerpult zu stopfen. Oder wie heute in seinen eigenen Spind.

Nur war daran gar nichts witzig, fand Missi. Es war einfach nur gemein und vor allem echt feige.

„Danke fürs Rausholen!“, meinte Piwi, wie jeden Tag, denn es war meistens Missi, die ihn befreite.

Und wie immer ließen die beiden pünktlich zur ersten Stunde ihre Rucksäcke neben ihre Plätze fallen.

Gleich nach ihnen kam Mona ins Klassenzimmer.

Und von dem Punkt an verlief Missis Tag anders als gewöhnlich.

Mona hieß übrigens gleich zweimal so, nämlich Mona Mona. Sie kam von der anderen Seite der Welt, da wurde das mit den Namen vielleicht so gemacht.

Nun, Missi konnte sich jedenfalls nicht erinnern, Mona schon einmal in schlechter Laune erlebt zu haben. Aber heute ließ sie sich nur bedrückt auf ihren Stuhl sinken.

Missi wusste, dass Mona in der Theater-AG der Schule war und dass sich bei ihr einfach alles um die Bühne drehte. Vor allem, seit die Theater-AG eine Aufführung in der Aula angekündigt hatte.

Nächste Woche sollte Der schillernde Teebeutel aufgeführt werden, und Missi ahnte sofort, dass es darum ging. Trotzdem fragte sie: „Was ist denn los?“

„Ach, der Teebeutel fällt womöglich aus“, seufzte Mona. „Und dabei haben wir uns solche Mühe mit allem gegeben!“

„Was? Wer sagt das denn?“, wollte Piwi erstaunt wissen.

„Das Phantom“, antwortete Mona.

„Das Phantom?“, hakte Missi nach, doch dann kam leider der Lehrer und wollte mit dem Unterricht beginnen. Was Missi ausgesprochen ärgerlich fand, denn auch wenn sie noch nicht wusste, was es mit diesem Phantom auf sich hatte, wusste Missi eines: Sie hatte ihren ersten Fall!