Cover.jpg

Inhaltsverzeichnis

Vorwort PROF. DR. GERALD LEMBKE

Vorwort DENIS LADEMANN

Vorwort NICOLA-ANDRÉ HAGMANN

EMPFINDEN

DIE HOLOGRAMM-GELIEBTE ODER VOM TAUMEL ZWISCHEN WIRKLICHKEIT UND SIMULATION

ALWAYS ON – WER VERSCHLÄFT, HAT SCHON VERLOREN?

EIN LEBEN IN FREIHEIT – LAST ODER GABE?

LEBEN

YIPEE-YAYA-YIPEE-YIPEE-YEAH, ES GIBT IMMER WAS ZU TUN?

URBANISIERUNG 4.0 – SCHÖNE NEUE WELT ODER HORROR VACUI?

RAUS AUS DER WOHLFÜHLÖKONOMIE

KOMMUNIZIEREN

GOODBYE, E-MAIL?

ERSETZEN CHATBOTS & CO. DEN MENSCHEN?

SPRACHVERARMUNG ODER KONZENTRATION AUFS WESENTLICHE?

INFORMIEREN

MACHT DAS WEB UNS WIRKLICH GEBILDETER UND INFORMIERTER?

GOOGelN WIR UNS BLÖD?

Optimieren

BESSER LEBEN?

ARBEITEN

WIE WIR ZUKÜNFTIG ARBEITEN WERDEN?

WIE SEHR BEEINFLUSSEN WIR DAS NETZ WIRKLICH?

ZURÜCKHALTENDE TECHNOLOGIEN – EIN PARADOXON?

SMART SPEAKER SAPIENS?

FEMALE SHIFT – WIE VIEL SCHLAU VERTRÄGT DIE WELT?

UND WAS JETZT?

HUNDE, WOLLT IHR EWIG LEBEN?

EMERGING TECHNOLOGIES: WIE LEBEN WIR IN ZEHN JAHREN?

NOCH NICHT GENUG?

Literaturverzeichnis

Autorenverzeichnis

DANKSAGUNG

Für Jochen

Herausgegeben von

 

Prof. Dr. Gerald Lembke

Denis Lademann

Nicola-André Hagmann

 

Digital (Über)Leben

Erkenntnisse aus der digitalen Welt

566.png

Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek

 

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind

im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

 

Bei der Herstellung des Werkes haben wir uns zukunftsbewusst für

umweltverträgliche und wiederverwertbare Materialien entschieden.

Der Inhalt ist auf elementar chlorfreiem Papier gedruckt.

 

 

 

 

ISBN 978-3-86216-600-8

 

 

 

 

© 2020 medhochzwei Verlag GmbH, Heidelberg

www.medhochzwei-verlag.de

 

Dieses Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt.

Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist

ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

 

 

Layout: Lucinda Schütz, Stefanie Karpf, Hannes Hauptmann,

Leonie Schneider, Laura Borgards, DHBW Mannheim

Satz: creative vision, Lünen

Umschlagumsetzung: Wachter Kommunikationsdesign, St. Martin

 

 

VORWORT PROF. DR. GERALD LEMBKE

 

Die digitalen Entwicklungen verändern alles: Arbeit, Leben, Zusammen­leben. Für die einen ist es Chance des Lebens, für die anderen eine große Bedrohung. Die Menschen führen ein Leben zwischen Angst und Hoffnung. Während Hoffnung als Treiber für den Alltag dient, werden Ängste negiert, verdrängt, ausgeblendet. Wir fühlen uns so wohl. Doch Angst ist für das Überleben unverzichtbar, betonte die deutsch-amerikanische Emigrantin und Publizistin Hannah Arendt. In unserer Wohlfühlgesellschaft blenden wir die Chance auf Veränderungen und Neues aus. Das Motto: Bekanntes einrichten statt Neues bauen. Wir drohen, das Streben nach Freiheit aufzugeben, indem wir der Angst ausweichen. Der viel zu früh verstorbene Sänger und musikalische Poet Jim Morrison (u. a. »The Doors«) liefert das Credo für dieses Buch: Setze dich deiner tiefsten Angst aus. Danach hat die Angst keine Macht mehr über dich und die Angst vor Freiheit schrumpft und verschwindet.

Du bist frei.

Ein wunderbares (Lese-)Ziel.

 

Prof. Dr. Gerald Lembke

Mannheim, im Oktober 2019

 

VORWORT DENIS LADEMANN

 

Dass das Zeitalter der Digitalisierung, in dem wir uns befinden, uns immer und immer wieder zu überraschen weiß, ist unbestreitbar. Ebenso augenfällig ist, dass es unser Leben jeden Tag aufs Neue auf andere Art und Weise prägt. Während stetig neue Technologien auf uns wirken, ist es wichtig, einmal innezuhalten und darüber nachzudenken, wie viele Chancen, aber auch Herausforderungen diese neuen technologischen Möglichkeiten mit sich bringen.

Wenn in der medialen Öffentlichkeit beispielsweise über Virtual Reality oder die Auswirkungen von Chatting auf die Grammatik deutscher Muttersprachler gesprochen wird, so passiert dies meist in einem von zwei Kontexten:

Entweder der Diskurs betont die Chancen dieser neuen Technologien und spielt die Schattenseiten, die dem Licht notwendigerweise folgen, herunter. Oder Besorgte tauschen sich darüber aus, wie schädlich diese Neuerungen sind.

Doch die Welt — und damit auch sämtliche Veränderungen, die sie mit sich bringt — ist eben nicht nur schwarz und weiß. Deshalb bin ich fest davon überzeugt, dass es einer Gesamtanschauung bedarf: einer Abwägung der Vor- und Nachteile, Optimismus, gepaart mit einer gesunden Dosis Skepsis.

In diesem Buch erhalten Sie Einblick in handverlesene Artikel aus der Feder verschiedener Autoren und Autorinnen aus Wissenschaft und Wirtschaft, denen mein besonderer Dank gebührt.

Durch die Lektüre dieser Beiträge werden Sie neue Einblicke von Experten zu Themen, die Sie gestern noch für unvorstellbar gehalten haben, die Sie heute beschäftigen und morgen zur Normalität werden, erlangen.

Ziel ist es, Sie so bereits heute auf die Zukunft vorzubereiten und einen Diskurs anzuregen, der beide Seiten der Medaille beleuchtet.

 

Denis Lademann

Mannheim, im Oktober 2019

 

VORWORT NICOLA-ANDRÉ HAGMANN

 

Replikanten, Leben auf fernen Planeten und fliegende Autos: So haben sich Philip K. Dick und Ridley Scott in den 60ern bzw. 80ern das Jahr 2019 vorgestellt. Im Film »Blade Runner« (1982) und der zugrundeliegenden Romanvorlage sind Mensch und Maschine auf den ersten Blick nicht mehr voneinander zu unterscheiden. Während wir über einige Punkte des von Dick und Scott vorhergesagten Jahres 2019 heute schmunzeln müssen, spiegeln andere Teile der Handlung Konflikte des tatsächlichen Lebens im Jahr 2019 wieder.

Dabei befindet sich »Blade Runner« in reger Gesellschaft: Die Zukunft erfinden und visualisieren – das hat jeder mal versucht. Herausgekommen sind so die unterschiedlichsten Ergebnisse, die mal mehr und mal weniger danebenlagen und in ihrer Bewertung der Zukunft von schwarzmalerischer Dystopie bis hin zu einem glorifizierten Utopia alles zu bieten hatten. Was ihnen jedoch allen gemein ist, ist die Faszination mit der Endlosigkeit der technologischen Möglichkeiten.

Gerade wer im digitalen Umfeld arbeitet, kann diese Faszination nur allzu gut nachvollziehen. Während eine Innovation die nächste jagt und unser Leben alle paar Wochen von einer weiteren revolutionären Technologie auf den Kopf gestellt wird, kommt man so gar nicht umhin, sich zu fragen, wie wir denn in Zukunft leben und arbeiten werden. Diesem und weiteren Themen stellen sich unabhängige Schriftsteller in der feuilletonistischen Kolumne »Erkenntnisse aus der digitalen Welt«, die Ursprung dieses Buches ist – ein herzliches Dankeschön an dieser Stelle an alle, die ihren Beitrag zu diesem Projekt geleistet haben, egal, ob Mensch oder Replikant.

Vorweg: Ob wir in 30 Jahren wie in der »Blade Runner«-Fortsetzung, »Blade Runner 2049« (2017), leben werden, können wir Ihnen (leider) nicht sagen. Dafür aber, wie wir in zehn Jahren leben könnten, ob Chatbots den Menschen ersetzen werden oder wie es um die gute alte E-Mail steht.

Neugierig geworden? Dann wünsche ich Ihnen viel Spaß beim Lesen!

 

Nicola-André Hagmann

Mannheim, im Oktober 2019

EMPFINDEN

1

Bettina Scholz

DIE HOLOGRAMM-GELIEBTE
ODER VOM TAUMEL ZWISCHEN WIRKLICHKEIT UND SIMULATION

Die Kolumne in der Kolumne.

FÜNF KURZESSAYS ZUM DIGITALEN VON BETTINA SCHOLZ.

Angeblich entsperren wir unser Smartphone durchschnittlich achtzig Mal am Tag.

Auch ohne diese Zahl zu kennen, wissen wir, dass unser alltäglicher Konsum von nützlichem und unnützlichem Wissen exzessiv ist. Auf Instagram verschlingen wir, mehr oder weniger bewusst, sagenhafte Mengen von Bildern. Ähnlich ergeht es auch digitalen Texten jeder Art, weshalb sie oft kurz sind und sich so der Fülle des Netzes und dem schnellen Lesen anpassen. Das Mikroblogging, wie es Twitter betreibt, ist ein Phänomen, das im Internet geboren wurde und den Informationsfluss enorm beschleunigt hat. Wie verändert die Digitalisierung die Art, wie wir Informationen aufnehmen, unser Umfeld und unsere Wahrnehmung?

Folgender Beitrag übernimmt die internettypische Struktur der flüchtigen Kurzinformation, würde sich selbst jedoch lieber im Bereich der »Beobachtungen«, denn der konkreten »Erkenntnisse« verorten. In fünf knappen Essays ploppen Gedanken zur virtuellen Welt auf, verfasst von der Künstlerin Bettina Scholz. Sie machen unser alltägliches Springen zwischen privaten, öffentlichen, zufälligen und bewusst ausgesuchten Inhalten zum Konzept, deren gemeinsame Klammer jedoch das Nachdenken über das Digitale ist.

DIE HOLOGRAMM-GELIEBTE.

Zu den immer-aktuellen Fragen der Menschheit gehört sicher: Was ist Wirklichkeit? Was ist Fiktion und Simulation? Auch in der Kunst sind das Kernfragen und in Zeiten der Digitalisierung wichtiger denn je. Das Verhältnis von Wirklichkeit und Simulation wird sowohl in unzähligen uralten als auch ganz neuen Kunstwerken und Erzählungen ausgelotet. Es rumort in den Köpfen und Herzen der Menschen. Schon der mittelalterliche Kirchenmann und Wissenschaftler Albertus Magnus »stand im Verdacht der Zauberei, weil er einen Androiden geschaffen haben soll, der ihm als Türsteher diente, die Besucher nach ihren Wünschen gefragt haben soll und aufgrund ihrer Antworten selbst entschieden hat, wer bei seinem Herrn und Meister eintreten darf und wer nicht« — beschreibt Manfred Geier in seinem Buch »Fake — Leben in künstlichen Welten«.1 Viel weiter zurückliegend, in der griechischen Mythologie, wird beschrieben, dass König Pygmalion sich in die von ihm erschaffene weibliche Skulptur verliebt, sie also den realen Frauen vorzieht. In der Romantik nimmt E. T. A. Hoffmann die Idee in seinem Kunstmärchen »Der Sandmann« wieder auf.2

 

Eine wunderbare zeitgenössische Variation des Motivs ist in dem Film »Blade Runner 2049« zu finden.3 Das nervöse Flackern zwischen Wirklichkeit und Simulation findet sich in der Szene, in der sich das Bild der virtuellen Geliebten des Protagonisten Officer K über den realen, haptischen Körper einer Prostituierten projiziert. Er macht Liebe mit einem Bild und gibt sich bewusst der Illusion hin, seine Hologramm-Geliebte als echten Körper zu berühren. Aber was ist das Echte überhaupt in so einer Welt? Ist die virtuelle Geliebte des Officer K nicht genauso echt, wenn sie sogar so programmiert werden kann, dass sie ganz echten Regen auf ihrer Hologramm-Haut spüren kann? Wird die Illusion an sich nicht emotional und psychisch ganz real, wenn man liebt, miteinander spricht, gemeinsam zu Abend isst?

Im Juli 2018 veröffentlichte die Bundesregierung die »Eckpunkte der Bundesregierung für eine Strategie Künstliche Intelligenz«.4 Es ist eine überfällige Diskussion, die hier vorangetrieben werden soll, denn wie wir mit Maschinen interagieren werden und sie mit uns — bei Weitem nicht nur in der Liebe — ist ein großes Zukunftsthema. Welchen Einfluss intelligente Computersysteme auf Gesellschaften, Politik und Arbeitswelten haben, können wir schon erahnen. Die alten und neuen Erzählungen der Kunst, der Literatur, des Films sind lautstark aus dem Bereich der unglaubwürdigen Fantasie in die faktische Realität eingetreten und werden uns immer neu überraschen, erschrecken, bedrohen oder euphorisieren.

SCHÖNE FRISUR.

Vor einigen Jahren googelte meine Freundin aufgrund mangelnder Ideen für einen neuen Haarschnitt das Begriffspaar »Schöne Frisur«. Lange Zeit war das in meine Liste der kuriosesten, ineffizientesten Google-Anfragen eingegangen und ich ließ keine Gelegenheit aus, darüber zu witzeln. Die Bildersuche öffnete sich und zeigte uns völlig willkürlich Frisuren: von absolut nichtssagenden, irrsinnig biederen bis hin zu absurd schrecklichen war alles dabei. Kaum etwas davon war nur im Ansatz brauchbar. Es zeigte
uns eine riesige Welt weit außerhalb unseres Geschmacks und unserer Vorstellungen.

Kürzlich sprach auch meine Nichte von einem neuen Haarschnitt und ich schlug mal wieder in ironischem Tonfall vor, sie könne ja »Schöne Frisur« googeln. Sie war überhaupt nicht irritiert und folgte meinem Rat sofort. Als sie die Bildersuche öffnete, war ich erstaunt: es zeigten sich reihenweise Frisuren, die der meiner Nichte glichen oder ähnelten oder zumindest ihrem Typ entsprachen. Die Algorithmen scheinen ihren Geschmack, ja sogar ihr Aussehen, eingekreist zu haben und zwingen sie zu selektiver Wahrnehmung. Bequemer mag das sein, lustiger nicht.

VAN GOGH UPDATE.

Im Herbst 2016 hatte ich eine Ausstellung in München, die ein wirklicher Kraftakt war, da ich fünfundzwanzig große Bilder zeigte und parallel eine weitere Ausstellung in Wien plante. Bevor der Aufbau losging, hatte ich etwas Zeit, spazieren zu gehen, Kaffee zu trinken, auf jeden Fall aber meine Augen zu erholen. Auf keinen Fall wollte ich eine andere Ausstellung sehen, wie ich es sonst gern auf Reisen tue. Ich kann überhaupt nicht mehr nachvollziehen, weshalb ich schließlich doch in der Neuen Pinakothek landete und dort in die großartige Sammlungspräsentation des 19. und 20. Jahrhunderts versank. Es war ein visueller Schock. Vincent van Gogh, der durch unzählige Abdrucke auf Kalendern, Postkarten und Merchandise-Produkten jahrelang auf mich so verbraucht gewirkt hatte, krachte mir mit ganz neuer, farbenmächtiger Intensität entgegen.

Metallische, künstliche, intensive Oberflächen von Anselm Feuerbach, zum Beispiel die übersteuerte Farbwirkung des Wassers in seinem Medea-Bild, wirkten erstaunlich nah und gegenwärtig. Einige dieser und andere Bilder kannte ich von der Zeit, in der das Digitale noch nicht so allgegenwärtig war und ich erinnere mich genau, dass mir viele Malerei zunehmend überholt und veraltet vorkam. Jetzt: genau das Gegenteil. Es ist natürlich nur Spekulation, aber ich hatte das Gefühl, dass sich, nach all den Desktops, Screens, Photoshop- und Instagram-Bildern mit ihren Filtern, Verzerrungen und grellen Farben, etliche der gemalten Bilder auf unglaubliche Art aktualisiert hatten. Euphorisch verließ ich das Museum. Ich konnte die Malerei wieder lieben.

TAUMEL UND NAVIGATION.

In der übervollen Gegenwart der haptischen und virtuellen Welt ist es nicht besonders leicht, das zu finden, was uns wirklich interessiert. Ich beobachte oft, dass wir meist erst in dem Moment beginnen, uns für etwas zu interessieren, in dem es uns emotional berührt hat. Es ist ein Moment, in dem etwas zündet — oft bemerken wir es zunächst gar nicht oder können zumindest nicht sofort erklären, woher es kommt. Eine schnelle und rationale Erklärung scheint auch unmöglich, denn die Ursprünge dieses Berührtseins sind äußerst komplex.

Sie haben mit der ganzen Fülle unserer Lebensgeschichte zu tun, mit jedem einzelnen Moment, jedem Gespräch, jedem Geruch, jedem Geräusch. Sie sind gleichzeitig Reichtum und Überforderung. Das war schon vor der Digitalisierung so. Jetzt jedoch stürzen die verschiedensten Einflüsse dermaßen rasant auf uns ein, dass wir uns in einer Art Taumel zwischen Wirklichkeit und Simulation zu befinden scheinen. Wie können wir darin noch finden, was uns wirklich berührt und interessiert? An dem wir anknüpfen und weitermachen wollen? Ich denke, es gibt dafür ein erstaunlich präzises Werkzeug, das weiterhelfen kann: Es ist unsere Intuition. Obwohl die Intuition in der Kunst, aber auch in vielen anderen Bereichen seit jeher eine wichtige Rolle gespielt hat, wird sie, wie mir scheint, immer noch unterschätzt. Ihr ambivalenter Ruf lässt sie oft zu emotional erscheinen, zu ungenau, zu willkürlich.

Diese Ansicht ändert sich gerade, glücklicherweise. Denn es ist doch gerade die emotionale Ebene der Intuition, die uns hilft, gute Entscheidungen zu treffen, Dinge und Menschen zu finden, die uns interessieren. In der Vielfalt der Einflüsse kann sie eine wichtige Navigation sein. Sicher hat sie auch deshalb siegesgewiss Einzug in die Vermarktung neuer, hochkomplexer Technologien gehalten; bei Smartphones und Tablets wird massiv mit intuitiven Benutzeroberflächen geworben. Es erscheint mir so, dass das, was die Intuition ausmacht, nämlich die Mischung aus Erfahrung und radikaler Akzeptanz unserer Emotionalität, auch zukünftig verstärkt gebraucht wird und besonderer Beachtung bedarf.

OFFLINE.

»Thank you for your message. I’m off to the countryside to watch birds, swim and listen to science fiction soundtracks. In this little utopia there will be no access to the world wide web and therefore I will answer your emails when I’m back.«


Das Internet, das in seinen Anfängen das große Inklusive war (alle sollen dabei sein), scheint mit fortschreitender Digitalisierung ebenso stark das Exklusive hervorzubringen. Ein Beispiel dafür ist auch die Berliner Galerie »neugerriemschneider«, die sich seit Jahren einem regulären Website-Auftritt entzieht, obwohl sie weltberühmte Künstler/innen vertritt. Lediglich eine E-Mail-Adresse ist auf der Seite zu finden, keine Künstlerliste, keine Messebeteiligungen, keine Social Media-Links und nichts, was Galerien sonst gern online über sich mitteilen.

Sie suggeriert damit entweder ein dauerhaftes Understatement, eine Rebellion gegen ein Massenphänomen, also eine Art Punk-Attitüde oder ein super-elitäres Ausschließen von zu viel Öffentlichkeit.

Ich warte schon darauf, bald wieder handschriftliche Briefe zu erhalten.

 

WENIGER IST MANCHMAL MEHR.

Die Digitalisierung verändert nicht nur die Art, wie wir Informationen aufnehmen, sondern ganz grundsätzlich unsere Wahrnehmung. Wir lassen uns viel öfter sprunghaft, situativ und schnell auf Inhalte ein. Das bringt die große Chance mit sich, breit angelegt neue Inhalte zu vermitteln und mit ungewöhnlichen Methoden Aufmerksamkeit zu erregen. Gleichzeitig macht die rasante Entwicklung der digitalen Welt den Offline-Status exklusiver, was gerade im Bereich des Digital Marketing eine Sensibilisierung für »weniger ist manchmal mehr« mit sich bringen kann.

Die vormals oft als zu vage geltenden Soft Skills wie die Intuition, ohne die kreative Arbeit jedoch kaum möglich wäre, rücken auch in der technologischen Entwicklung als ernstzunehmende Werkzeuge nach vorne.