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   Angie Smith– Glaube, der die Furcht vertreibt | Wie Gott unseren Ängsten begegnet– Aus dem Amerikanischen übersetzt von Doris C. Leisering– SCM R.Brockhaus

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ISBN 978-3-417-22720-8 (E-Book)
ISBN 978-3-417-26580-4 (lieferbare Buchausgabe)

Datenkonvertierung E-Book:
CPI – Ebner & Spiegel, Ulm

Die amerikanische Originalausgabe erschien unter dem Titel WHAT WOMEN FEAR bei B&H Publishing Group Nashville, Tennessee.

Die Bibelverse sind, sofern nicht anders angegeben, folgender Ausgabe entnommen:
Neues Leben. Die Bibel, © 2002 und 2006 SCM R.Brockhaus im SCM-Verlag GmbH & Co. KG, Witten

Weiter wurden verwendet:
Elberfelder Bibel 2006, © 2006 by SCM R.Brockhaus im SCM-Verlag GmbH & Co. KG, Witten (ELB)

© 2014 SCM R.Brockhaus im SCM-Verlag GmbH & Co. KG
Bodenborn 43 • 58452 Witten
Internet: www.scmedien.de • E-Mail: info@scm-brockhaus.de

Für meinen Vater auf Erden, den Mann, der es mir leicht machte zu glauben, dass ich meinem Vater im Himmel vertrauen kann

I n h a l t

Einleitung: Hat er das wirklich gesagt?

Die Frage, die alles infrage stellte

1  Am Brunnen

Die Angst vor dem „Was, wenn …“

2  Die Grundfesten der Welt

Die Angst, abgelehnt, verlassen und verraten zu werden

3  Der Griff nach dem Saum seines Gewandes

Die Angst davor, ertappt zu werden

4  Midians Hand

Die Angst vor dem Versagen

5  Wind und Wellen

Die Angst vor dem Tod

6  Der erste Stein

Die Angst, von der Vergangenheit eingeholt zu werden

7  Wohltäter

Die Angst, unbedeutend zu sein

8  Berufen und losgeschickt

Die Angst vor Gottes Plan für das Leben

9  Wenn wir zu sinken beginnen

Die Angst, dass Gott nicht real ist

10  Das Buch der Erinnerung

Die Angst vor Gott

Interview mit der Autorin

Anmerkungen

Einleitung:
Hat er das wirklich gesagt?

Die Frage, die alles infrage stellte

Schon lange faszinieren mich die Fragen, die Gott in der Bibel stellt. Natürlich kennt er die Antworten schon, warum fragt er also? Gottes Fragen begegnen uns im Alten wie auch im Neuen Testament, und sie sind ein wunderbares Bild dafür, wie sehr er uns liebt. Er gibt uns immer wieder Gelegenheit, ihm mitzuteilen, was uns auf dem Herzen liegt.

Beim Bibellesen ist mir aufgefallen, dass er besonders oft Menschen, die Angst hatten, Fragen stellte. Und mir ist auch aufgefallen, dass es auf den ersten Blick seltsame Fragen waren. Wie zum Beispiel hier: Die Jünger kämpfen um ihr Leben in einem Boot, das auf dem stürmischen See von den Wellen umhergeworfen wird, und Jesus fällt nichts Besseres ein, als zu fragen, wo ihr Glaube ist. Das kann doch nicht sein Ernst sein! Oder als Gott mit Jakob ringt, der Angst vor der Begegnung mit seinem Bruder am nächsten Tag hat, fragt Gott ihn nach seinem Namen. Kennt er denn nicht seinen Namen? Ich meine, er ist doch immerhin Gott, oder?

Natürlich kennt Gott Jakobs Namen, so wie er Ihren und meinen kennt. Was er von diesem Gespräch erwartet, ist eine Art Bekenntnis, ein Anerkennen, wer Jakob in seinen eigenen Augen ist.

Die Bibel zeigt uns immer wieder, wie Gott Fragen einsetzt, um etwas über das Herz der Person zu offenbaren, mit der er spricht. Jede Frage dient diesem Menschen, damit er sieht, was Gott ihm beibringen möchte. Mit unserer Antwort auf diese Fragen ist zwangsläufig eine Erkenntnis verbunden, sodass wir Verantwortung für uns selbst übernehmen. Ich glaube, wir können sehr viel lernen, wenn wir über Gottes Fragen nachdenken.

Interessanterweise wird die allererste Frage der Bibel nicht von Gott ausgesprochen, sondern von Satan, der in Gestalt einer Schlange auftritt. Es ist ein einfacher, tiefgreifender Satz, der alles verändert.

Wir lernen, dass Satan uns nicht zur Sünde zwingen muss. Er muss nur den Zweifel in unser Herz säen, in dem wir uns dann verstricken. Im Garten Eden wirft Satan zum ersten Mal einen Gedanken auf, der seitdem jeden von uns an jedem Tag unseres Lebens verfolgt.

Adam und Eva hatten die Anweisung erhalten, nicht von einem bestimmten Baum zu essen. Dieses Verbot kümmert sie nicht sonderlich, bis die Schlange eine beiläufige Bemerkung macht: „Hat Gott wirklich gesagt …, dass ihr keine Früchte von den Bäumen des Gartens essen dürft?“ (1. Mose 3,1; Hervorhebung meine).

Hat er? Denn ich frage mich, ob ihr ihn wirklich richtig verstanden habt. Vielleicht gibt es ja noch etwas Verhandlungsspielraum, Eva. Ich meine, es hätte doch ein Missverständnis sein können, oder?

Eva antwortet: „Selbstverständlich dürfen wir sie essen […]. Nur über die Früchte vom Baum in der Mitte des Gartens hat Gott gesagt: ‚Esst sie nicht, ja berührt sie nicht einmal, sonst werdet ihr sterben‘“ (1. Mose 3,2-3).

Wenn ich das lese, muss ich an meine Tochter Ellie denken, die eine fanatische Regeleinhalterin ist. Ich muss lächeln, wenn ich sehe, dass sowohl sie als auch Eva die Regeln sofort verteidigen. Es ist durchaus möglich, dass Gott zu Eva gesagt hatte, sie solle den Baum nicht berühren, doch in der Bibel finden wir diese Aussage nirgendwo ausdrücklich. Gott hatte den Menschen gesagt, sie sollten nicht von dem Baum essen, aber nicht, dass sie ihn nicht berühren sollten. Vielleicht hatte sie, wie meine Ellie, gedanklich noch eine kleine zusätzliche Vorsichtsmaßnahme eingebaut, um ja nicht die Regel über das Essen zu brechen.

Aber falls sie etwas missverstanden hatte … das wäre natürlich etwas anderes …

Sofort ergreift Satan die Gelegenheit, die sich ihm bietet. Er hat den Zweifel in ihre Gedanken gesät, und jetzt holt er zum Todesstoß aus.

Okay, du willst also die Regeln einhalten. Meinetwegen. Aber weißt du, warum Gott nicht will, dass ihr von dem Baum esst? Weil ihr dann so klug sein könntet wie er, und das will er nicht. Ihr werdet nicht sterben, sondern nur ein bisschen mehr wie Gott sein.

Volltreffer! Eva pflückt eine Frucht und bietet sie dann auch ihrem Mann an.

Ich stelle mir gern das Gespräch vor, das ablief, bevor die Feigenblätter den Weg in den Kleiderschrank fanden.

„Eva, was hast du dir nur dabei gedacht? Gott hat gesagt, wir dürfen das nicht essen!“

Keiiin Problem, Adam. Ich habe gerade eine supernette sprechende Schlange getroffen, und sie hat mir gesagt, dass das wohl ein kleines Missverständnis war. Wir werden nicht sterben; wir werden nur klüger!“

Offenbar unternimmt auch Adam keinen Versuch, sich für die Regeln stark zu machen. Er stürzt sich ohne ersichtliche Kritik kopfüber ins Vergnügen, und sofort verändert sich alles – nicht nur für sie, sondern für uns alle.

Nicht ein einziges Mal fordert Satan Eva auf, die Frucht zu essen; er musste sie nur fragen, ob sie sich sicher war. Und dann fragte sie sich vielleicht, ob Gott wirklich nur ihr Bestes im Sinn hatte.

Wir unterscheiden uns gar nicht so sehr von Eva, oder?

An diesem Punkt kommt die Sünde in die Welt, und mit ihr die Angst. Als Adam und Eva sich Lendenschurze basteln, wissen sie, dass sie einen Fehler gemacht haben und dass es Ärger geben wird.

Sie handeln aus Angst – und wir auch. Diese Angst nimmt alle möglichen Formen an, und obwohl sie für jeden Menschen in etwas anderem besteht, ist ihr Kern immer der gleiche. Jedes Mal, wenn wir davonlaufen, reagieren wir auf Satans Lüge. Im Grunde entspringt jede Angst aus der Lüge, die der Feind in dem Garten aussprach, der ein sicherer Hafen sein sollte: Bist du dir sicher? Bist du dir wirklich sicher? Denn du setzt dein Leben auf eine Behauptung, die du vielleicht einfach missverstanden hast. Gott sagt, er ist gut … ist er das wirklich? Er sagt dir, dass er dein Bestes im Sinn hat … hat er das wirklich? Er prahlt, er sei allmächtig, allwissend, absolut vertrauenswürdig … ist er das wirklich?

Was für eine wirksame Methode, uns in die Falle zu locken! Satan stößt uns nicht gerade aktiv hinein, aber das muss er gar nicht. Wir springen schon von ganz allein, sobald der Zweifel aufkommt. Ich möchte Sie mit diesem Buch ermutigen, anders über Ihre Angst zu denken. Nicht als Schwarz-Weiß, nicht als Frage von „Tu’s oder lass es“, Sieg oder Niederlage. Vielmehr ist der Umgang mit Angst wohl vor allem ein Balanceakt. Ich glaube nicht, dass ich eine Versagerin bin, nur weil ich Ängste habe; erst recht glaube ich nicht, dass ein Christ keine Angst haben darf, nur um ein guter Nachfolger von Jesus zu sein. Ich glaube, Angst ist die natürliche Reaktion auf die Frage, die Satan uns eingeflüstert hat, und ich stelle fest, dass ich mich jeden Tag bewusst neu ausrichten und auf Jesus zubewegen muss.

Vor meinem inneren Auge sehe ich eine Frau, die sich unsicher auf einem Hochseil bewegt und mithilfe einer langen Stange versucht, im Licht von Gottes Wahrheit darauf entlangzubalancieren. So etwas verlangt viel Konzentration, Anstrengung und eine ganze Menge Vertrauen. Manche von uns sind so weit in die eine Richtung gebeugt, dass wir nicht wissen, ob wir uns wieder aufrichten können, während andere mit ausgestreckten Armen zuversichtlich einen Fuß vor den anderen setzen. Im Lauf des Lebens werden wir wohl ein wenig von beiden erleben, und wir werden feststellen, dass die Lage nie beständig ist. Es tauchen Situationen auf, die uns in die eine Richtung kippen lassen, und wir schreien vor Angst auf. Oft fühlen wir uns, als würde gerade in dem Moment, in dem wir unsere Balance gefunden haben, das Hochseil zu vibrieren beginnen – und wir müssen uns wieder ganz neu ausrichten.

Wir glauben (fälschlicherweise), dass wir irgendwann die Lösung schon finden und lernen werden, die Stange jederzeit genau richtig auszubalancieren, damit wir nie wieder ins Schwanken kommen. Wir meinen, wir können die Angst überwinden, sodass sie nie wieder auftaucht und wir bis ans Ende unserer Tage in ruhigen Wassern segeln können. Das ist, glaube ich, unmöglich, und je mehr wir uns auf das Seil konzentrieren, desto weniger konzentrieren wir uns auf die Stange in unseren Händen. Es ist nicht so, als gäbe es eine Lösung, die alle unsere Ängste auslöscht, oder eine einzige Sache, die uns die Angst nimmt und alles vereinfacht. So hat Gott uns nicht angelegt.

Manche sagen, dass Gott wie das Sicherheitsnetz in unserem Beispiel ist; dass er uns auffangen wird, wenn wir fallen, und dass wir keine Angst zu haben brauchen, weil immer noch das Netz da ist, wenn alle Stricke reißen. Ich möchte dem gar nicht widersprechen. Aber ich glaube, dass sich viele von uns mehr auf das Netz konzentrieren als auf die Balancierstange in unseren Händen. Wir haben Gott immer bei uns und können jederzeit und in jeder Lage zu ihm kommen. Je mehr unser Leben durch Christus ins Gleichgewicht kommt und wir in ihm und seinem Wort verankert sind, desto weniger müssen wir uns Sorgen machen, wir könnten herunterfallen. Der Balanceakt auf dem Hochseil ist immer noch furchterregend, keine Frage. Doch wenn wir das festhalten, was uns Halt gibt, sieht alles ganz anders aus.

Ist Jesus für Sie das Sicherheitsnetz? In vielen Phasen meines Lebens habe ich ihn so erlebt. Er ist da, wenn ich ihn wirklich brauche. Aber im Moment muss ich einfach nur herausfinden, wie ich wieder ins Lot kommen und weitergehen kann.

Gleichgewicht. Ich glaube, das ist der entscheidende Faktor, wichtiger als vieles andere. Worauf verlassen wir uns, wenn wir anfangen, in eine Richtung zu kippen? Wie entwickeln wir ein Denken, das uns Halt gibt? Warum reagieren wir so und nicht anders, wenn das Seil schwankt und aus heiterem Himmel Wind aufkommt? Wir alle möchten uns mit unserem Leben ganz auf die Kraft von Jesus Christus verlassen, doch wir wissen nicht unbedingt, wie wir das erreichen können.

Wir werden in diesem Buch einige Kategorien von Angst betrachten und uns mit unseren eigenen Erfahrungen auseinandersetzen. Dabei hoffe ich, dass wir Denkmuster entlarven, die uns aus dem Gleichgewicht bringen. Beim Bibellesen sind mir die Fragen, die Gott in seinem Wort stellt, ungeheuer wichtig geworden – und die Antworten seiner Leute noch mehr. Heute kann ich sehen, dass auch meine Ängste sich im Grunde um diese Fragen drehen. Aber anstatt mich von ihnen lähmen zu lassen, kann ich ihnen jetzt begegnen – mit der Überzeugung meines Herzens und mit meinem Handeln. Ich bin besser vorbereitet, wenn das Leben auf mich einstürmt, und kann Verteidigungsmittel einsetzen, die ich früher nie genutzt habe.

Welche Ängste hatten die biblischen Personen, mit denen wir uns befassen werden? Welche Fragen hat Gott ihnen gestellt? Wie haben sie geantwortet?

Und wie antworten wir?

Kümmern wir uns nun erst einmal um Gottes Fragen an Adam und Eva. Also zurück in den Garten Eden …

In 1. Mose lesen wir, dass Adam und Eva hörten, wie Gott der Herr im Garten umherging, und sie sich sofort versteckten. Und hier taucht auch die erste Frage von Gott auf, die schriftlich aufgezeichnet ist.

„Wo seid ihr?“, ruft er.

Nur falls Sie sich wundern: Gott wusste genau, wo sie waren. Obwohl es sicher bemerkenswert gewesen wäre, wenn er die Frage tatsächlich gestellt hätte, um herauszufinden, wo sie sich aufhielten – so, als hätte er die ersten beiden Menschen verloren, die er geschaffen hatte. Na ja, dann eben alles auf Anfang. Vielleicht beim nächsten Mal …

Natürlich kennen wir Gottes Gedanken und Motive nie genau. Allerdings vermute ich, dass er diese Frage stellte, weil er sich von Adam und Eva wünschte, dass sie ihm mit ihrer Antwort ihre Übertretung bekennen. Er wollte nicht, dass sie ihm ihren Aufenthaltsort nennen, sondern ihren Zustand. Und vielleicht wollte er ihnen auch klarmachen, dass es nicht besonders viel bringt, sich hinter einen Baum zu verdrücken, wenn man sich vor dem Gott des Universums verstecken will. Nur so ein Gedanke.

Adam antwortete: „Als ich deine Schritte im Garten hörte, habe ich mich versteckt. Ich hatte Angst, weil ich nackt bin“ (1. Mose 3,10).

Wo bist du?

Ich hatte Angst, Herr. Also habe ich mich versteckt …

Der Weihnachtsmann war zu uns unterwegs.

Ich wusste es, weil in den Nachrichten ein besonderer Wetterbericht kam. Er zeigte ein unscharfes Radarbild von seinem Schlitten, der um die ganze Welt reist. Meine Eltern machten Popcorn auf dem Ofen und wir hockten vor dem Fernseher. Mit einem kleinen Tischkalender hatten wir die Tage gezählt, und endlich war es so weit. Der große Tag war da!

Ich war fasziniert vom Weihnachtsmann.

Wer konnte das schon, was er konnte? Die Sache mit dem Um-die-Welt-Fliegen war für mich nicht halb so interessant wie der Umstand, dass er genau wusste, wer unartig gewesen war. Ich meine, es war natürlich ein logistisch kompliziertes Unterfangen, all das in einer Nacht zu erledigen, und wenn das Wetter nicht mitspielte oder die Rentiere nervös wurden, konnte es schon Schwierigkeiten geben.

Logisch betrachtet könnte es kompliziert werden.

Aber wer in aller Welt überblickt alles, was ein Kind tut, und entscheidet dann, ob es Süßigkeiten bekommt oder nicht? Das ist richtiger Stress!

Wer hat schon Zeit für klingende Glöckchen? Wen kümmern Apfel, Nuss und Mandelkern? Es stand viel Wichtigeres auf dem Spiel! Als vierjährige US-Bürgerin kannte ich nur ein Weihnachtslied auswendig – das, auf das am Ende alles ankam.

„He’s making a list, he’s checkin’ it twice. Gonna find out who’s been naughty and nice …“1

Oha. Er schaut zweimal drauf. Diesem Typen entgeht einfach nichts.

Meine kleine Schwester legte die Plätzchen für den Weihnachtsmann sorgfältig auf einen Teller und biss dabei von jedem einmal ab. Ihr ganzes Gesicht war mit Zuckerglasur beschmiert – also war es wahrscheinlich zu diesem Zeitpunkt schon überflüssig – aber für den Fall, dass der Mann in Rot doch noch an seiner Liste arbeitete, tat ich, was jede gute Schwester tun würde: Ich knuffte sie in den Arm und deutete auf den Kamin, während ich die Augen weit aufriss, um sie daran zu erinnern, dass er zuschaute.

Sie ließ das Plätzchen fallen und fing an zu weinen.

Meine Eltern sagten mir, ich solle sie in Ruhe lassen. Offenbar machten sie sich dieses Jahr keine Sorgen um die Weihnachtsgeschenke meiner kleinen Schwester.

Na schön. Ich hatte es wenigstens versucht.

Schon seit Wochen ging das so.

Wenn meine Mutter mir sagte, ich solle mich anziehen, rannte ich zu meinem Schrank und dachte: Er schaut zu, er schaut zu … Beeilung!

Ich aß alles, was auf meinem Teller war. Sogar das, was grün war. Ich wagte nicht einmal, mit meinen Puppen zu spielen, damit ich keine Unordnung machte und dann womöglich vergaß aufzuräumen. Ich putzte mir die Zähne, als hinge mein Leben von meiner Zahnhygiene ab.

All der Weihnachtsschmuck und die Geschäfte, die Bilder von ihm zeigten – herausgeputzt in seinem prächtigen roten Anzug –, verfolgten mich wie ein Countdown, der höhnisch auf den Jüngsten Tag zulief. Alle anderen nahmen die Sache gar nicht ernst! Wussten sie nicht, dass er sie sogar im Schlaf beobachtete? Er wusste auch, wann sie wach waren! Da sollte ich wohl einfach lieber brav sein, dachte ich mir.

Als ich ihm sagte, was ich mir wünschte, tat er eigentlich wie ein ganz netter Kerl. Er sah aus wie auf den Bildern und er sagte „Ho, ho, ho“, und er erklärte mir, dass er noch sein Rentier füttern müsse. Aber ich ließ mich nicht in Sicherheit wiegen. Er wusste, wie ungezogen ich gewesen war, und er würde mich dafür büßen lassen.

Ich sehe heute noch vor meinem inneren Auge, wie ich in der Schlange stand, mein schwarzes Samtkleid glatt strich und meine Konkurrenz begutachtete, während ich noch ein Stoßgebet in letzter Minute zum Himmel schickte.

Ich versuchte sicher auch, den Weihnachtsmann auf mich aufmerksam zu machen, als die Kinder neben mir anfingen, sich danebenzubenehmen.

Doch da war immer noch diese bohrende Stimme, die sich bereits in viele meiner Gedanken eingenistet hatte: Was, wenn …? Das war der springende Punkt, und wir würden fröhliche Lieder singen und uns hübsch anziehen und dann einfach hoffen, groß abzusahnen. Ich für meinen Teil wusste aber, welche Folgen meine Sünden haben konnten.

Der Weihnachtsmorgen war nicht für Kinder gedacht, die ungehorsam waren und den Hund beschuldigten, die Treppe hinunter auf die kleine Schwester „gefallen“ zu sein. Auf keinen Fall konnte das dem Weihnachtsmann entgangen sein.

Ich lächelte für das obligatorische Weihnachtsfoto und verschwand dann stracks in mein Zimmer. Fürs Protokoll: Ich habe dieses Foto noch, und ich sehe aus wie unter Drogen. Offenbar hatte meine Angst seltsame Dinge mit meinem Gesicht angestellt. Der schreckliche Topf-Haarschnitt (danke, Mutter!) hatte damit überhaupt nichts zu tun, war aber ebenso verstörend.

Ich sprang ins Bett und zog mir die Decke bis zum Hals. Ich starrte auf die zwei Plastikkerzen, die meine Mutter mit Malerkrepp aufs Fensterbrett geklebt hatte. Es war ganz still in meinem Zimmer, und ich kniff die Augen zu, damit ich mich auf das konzentrieren konnte, was ich dem Weihnachtsmann zu sagen hatte.

„Lieber Weihnachtsmann, ich weiß, dass du mich beobachtet hast. Und wenn du mich weckst, wenn du kommst, kann ich dir die Sache mit dem Hund erklären.“ Ich räusperte mich und erklärte einen Fehler nach dem anderen, der mir einfiel.

Das war mein erster Versuch einer Beichte. Und natürlich richtete sie sich an einen fiktiven Mann, der mit Rentieren flog. Willkommen in meiner Welt.

„Was, wenn ich nicht brav genug war?“, flüsterte ich. Tränen rollten mir über die Wangen, und ich drehte mich im Bett um und zog mir die Decke über den Kopf.

Hier drin kann er mich nicht sehen, dachte ich. Hier bin ich sicher …

Und da, am 24. Dezember 1980, lernte ich, wie es sich anfühlt, sich vor dem einen verstecken zu wollen, der immer zuschaut.

Früh am Morgen hörte ich meine Schwester Jennifer herumrumoren. Ich konnte Papier zerreißen hören und das Quietschen, das aus dem Wohnzimmer drang.

Ich rührte mich nicht. Mein Nachthemd war durchgeschwitzt, und mir wurde bewusst, dass die Galgenfrist um war.

Es vergingen noch ein paar Minuten, und dann hörte ich, wie sich meine Tür leise quietschend öffnete. Mein Vater kam herein und setzte sich neben mir aufs Bett.

„Angela, deine Schwester ist schon auf und mitten im Geschenkeauspacken. Willst du nicht auch kommen?“ Er streichelte mir übers Haar und lächelte.

Ich brach erneut in Tränen aus und wusste nicht, was ich sagen sollte. Mein Vater liebte mich noch – jedenfalls im Moment. Doch ich hatte das Gefühl, das könnte sich ändern, wenn er das Stück Kohle sah, das im Wohnzimmer auf mich wartete. Früher oder später würden alle es sehen, also konnte ich dem Weihnachtsmann genauso gut zuvorkommen und versuchen, ein paar Pluspunkte zu sammeln.

„Papa, ich bin böse gewesen! Er hat mir nichts gebracht, weil ich böse bin, und er weiß es. Ich geh da nicht raus. NIEMALS!“

Ich wollte mir schon wieder die Decke über den Kopf ziehen, aber mein Vater zog sie mir weg. „Spätzchen, das stimmt nicht! Ich war im Wohnzimmer, und ich habe gesehen, was er dir gebracht hat. Ich finde wirklich, du solltest mal nachschauen. Er hat dir etwas gebracht, das du dir sehr gewünscht hast.“ Er lächelte erwartungsvoll, und einen Augenblick lang war ich versucht, ihm zu glauben.

Ich schaute ihm forschend in die Augen und dachte an die fünfzig Cent, die ich vor wenigen Tagen aus der Kleingeldschale in der Küche entwendet hatte.

Keine Chance, Papa.

„Du LÜGST! Du willst mich übers Ohr hauen und ich gehe NICHT raus!“ Dieses Mal gelang es mir, vollends unter meiner Holly-Hobbie-Decke zu verschwinden. Ich hatte solche Angst, dass ich nach Luft schnappte.

Er blieb bei mir, bis ich nachgab – aber nicht kampflos. Wenn ich mich recht erinnere, trug er mich am Ende ins Wohnzimmer, während ich über seine Schulter starrte, statt nach vorn zu schauen. Ich ließ mir noch einmal von ihm versichern, dass er Spielzeug für mich sah, als wir näher kamen, und als er es mir mehrmals bestätigt hatte, drehte ich mich schließlich um.

Ich werde nie den Augenblick vergessen, als ich selbst hinschaute und sah, dass es wahr war. Der Weihnachtsmann hatte mir Pompons gebracht. Die grün-weißen Pompons, die ich mir gewünscht hatte. Das war ein bedeutender Moment, aber nicht, weil ich bekommen hatte, was ich mir gewünscht hatte, sondern aus einem viel wichtigeren Grund. Etwas, das mein Denken für mein ganzes weiteres Leben prägen sollte.

Er fand mich gut genug! Vielleicht musste ich doch keine Angst mehr vor ihm haben.

Ich tanzte durchs Haus, sang Weihnachtslieder und ließ die Glöckchen an meinem Weihnachtspullover klingeln. Etwas Besseres gab es nicht. Alle Süßigkeiten waren mir egal; ich wollte nur als gut erachtet werden.

Ich wollte keine Schwierigkeiten mit ihm bekommen, also hatte ich mich versteckt.

Ich hätte mich genauso gut hinter ein paar Bäumen verkriechen können.

Bis heute ist dies eine der Lieblingsgeschichten meiner Eltern, und wenn ich durch die Fotoalben blättere und den Ausdruck auf meinem Gesicht sehe, wie ich das Barbieauto für 300 Millionen Bilder in die Kamera hochhalte, dann kann ich die Freude eines kleinen Mädchens erkennen, das unschuldig war und von Herzen glaubte. Doch für mich gehörte zum Glauben auch die Angst.

Immerhin schaute er ja zweimal nach!

Wenn ich an meine Kindheit zurückdenke, gab es darin viel Freude und Liebe. Trotzdem schleppte ich ein unheimliches Gefühl der Angst mit ins Erwachsenenalter hinüber. Meine Eltern halfen mir, so gut sie konnten, doch bis heute spielt Angst eine große Rolle in meinem Glaubensleben. Ich will nicht behaupten, ich wüsste alle Antworten, und ich werde Ihnen auch nicht versprechen, dass Sie am Ende dieses Buchs auf wundersame Art und Weise von Ihrer Angst geheilt sein werden. Allerdings hoffe ich, dass ich Ihnen eine ermutigende Begleiterin auf dem Weg sein kann; eine Schwester, die Ihren Schmerz versteht und den Wunsch kennt, ein angstfreies Leben zu führen. Während ich dieses Buch schrieb, betete ich für jeden Menschen, der es lesen wird, und bat Gott, sich denen von Ihnen zu offenbaren, die in Angst gefangen sind.

Ich bete auch für diejenigen von Ihnen, die dieses Buch lesen und sich nicht unbedingt als ängstlich bezeichnen würden. Ich hoffe, dass einige der Kapitel Sie inspirieren werden, die Teile Ihres Lebens ehrlich zu betrachten, die Sie vielleicht nicht unter der Rubrik „Angst“ führen würden. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass jeder von uns in der einen oder anderen Form mit Ängsten zu kämpfen hat – ob es die Angst vor dem Fliegen ist oder die Angst, „entdeckt“ zu werden. Vielleicht haben Sie keine Angst vor dem Sterben, aber der Gedanke, dass Sie versagen könnten, macht Sie krank.

In der Bibel begegnen wir immer wieder erstaunlichen Männern und Frauen, deren Geschichten uns daran erinnern, dass wir nicht allein sind und unsere Ängste und Probleme Gott nicht unbekannt sind. Ich weiß, dass ich beim Schreiben dieses Buches auf weiten Strecken Dinge entdeckte, die ich noch nie gesehen hatte. Ich glaube, dass Gott mir dabei die Augen für Verse geöffnet hat, die ich oft nur flüchtig überlesen habe, ohne die volle Größe dessen zu begreifen, was dort gesagt wird.

Bitte hören Sie sich an, was ich dazu zu sagen habe.

Es kommt von Herzen. Ich werde Ihnen nicht mit der Bibel eins über den Kopf ziehen und Ihnen sagen: Wenn Sie Gott wirklich lieben würden, hätten Sie keine Angst. Ich glaube, das ist nicht realistisch. Ja, Gott wünscht sich, dass Sie frei von der Macht der Angst sind, aber es ist nicht vernünftig zu sagen, dass Sie in Ihrem Leben nie wieder Angst haben werden, wenn Sie ein guter Christ sind. Ich bin Menschen begegnet, die mir – vielleicht ohne es zu wissen – dieses Gefühl vermittelt haben, und es hat mich zutiefst verletzt.

In der Gesellschaft der Männer und Frauen von 1. Mose bis zur Offenbarung habe ich viel Trost gefunden, und sie haben mir die Hoffnung gegeben, dass ich es nicht allein schaffen muss. Mehr noch: Diese Personen aus der Bibel sind über die Jahre meine Freunde geworden. Ich suche Rat bei ihnen, wenn ich wissen will, wie andere Menschen mit echten, menschlichen Gefühlen umgegangen sind. Manche von ihnen haben kläglich versagt. Ehrlich gesagt nimmt das sehr viel Druck weg; ich muss mich nicht mehr fühlen, als wäre ich der erste Mensch, der Gott gleichzeitig liebt und zu enttäuschen glaubt.

Vor vielen Jahren war ich in einem Hauskreis mit einigen wunderbaren Frauen, die ich alle respektierte und denen ich vertraute. Eines Abends erzählte eine Frau aus der Gruppe, sie habe Angst, dass ihr etwas Schreckliches zustoßen könnte. Sie fing an zu weinen, als sie von den entsetzlichen Bildern sprach, die sie quälten. Dabei fiel mir auf, dass nach und nach fast jede von uns ihre eigene Version von dem, was sie gerade berichtet hatte, erzählte. Da waren wir schon jahrelang als Gruppe zusammen, doch das war nie zur Sprache gekommen. Es war, als hätten sich die Schleusen geöffnet. Hier saß eine Gruppe von Frauen Seite an Seite und sprach über Dinge, die jede einzelne seit Jahrzehnten mit sich herumgeschleppt hatte, weil sie dachte, niemand würde sie verstehen. Wenn ich mich recht erinnere, gab es nur eine junge Frau, die nichts sagte, und ich bin mir ziemlich sicher, der einzige Grund dafür war, dass sie Angst hatte, vor einer Gruppe zu reden.

Wir haben einen sehr realen Feind, der triumphiert, wenn wir schweigen.

Er will nicht, dass wir Gemeinschaft haben, einander mitteilen, was wir auf dem Herzen haben, und nach Antworten auf die Frage suchen, wie wir ein Leben führen können, das Gott verherrlicht – trotz der Dunkelheit, die wir spüren. Ich kann ehrlich sagen, dass ich mich nicht erinnern kann, je solch einen geistlichen Kampf gespürt zu haben wie den, als ich diese Worte schrieb. Mein Gebet – nicht nur für mich selbst – ist, dass wir zu Frauen werden, die sagen können, dass sie Gott voll und ganz vertrauen und ihn mitten in unserer Angst von Herzen suchen.

Wir werden uns in diesem Buch mit verschiedenen Arten von Angst beschäftigen. Dabei werde ich Ihnen einige vertraute und einige nicht so vertraute Personen vorstellen, in der Hoffnung, dass Sie sich selbst in ihnen erkennen – so vage es auch immer sein mag.

In den letzten Jahren musste ich mich meinen größten Ängsten stellen. Ich kann nicht behaupten, es sei nicht unglaublich schwer gewesen; aber ich kann sagen: Ich vertraue Gott, und ich stehe noch aufrecht.

Ich durfte erleben, dass einige meiner schlimmsten Albträume wahr geworden sind und ich es durchgestanden habe. Dabei habe ich Gott vertrauen gelernt, wie ich es vorher nie musste, und das tröstet mich Tag für Tag auf dem Weg durch die Schatten. Mein Gebet ist, dass Sie am Ende dieses Buches wieder wissen, dass Sie einen Gott haben, dem Ihre Ängste nicht unbekannt sind. Er verspottet Sie nicht dafür, und Sie bekommen kein „Ungenügend“, weil Sie Augenblicke des Zweifels hatten.

Ich hoffe, Sie müssen nicht mehr im Bett liegen und sich fragen, ob Sie „gut genug“ waren. Ihr Name wird nicht bei den „Ungezogenen“ auftauchen, und Sie werden nicht für Ihre Charakterschwächen verspottet.

Vor allem wünsche ich mir von Herzen für Sie, dass Sie jeden neuen Tag erwarten, als würde jemand dort auf Sie warten. Die Art von Liebe, die über unsere Ängste hinaussieht, macht es möglich.

Und wer weiß? Vielleicht bekommen Sie ja Pompons und einen neuen Haarschnitt, wenn Sie sich bis ins Wohnzimmer wagen.

G o t t, sei bei uns auf unserer gemeinsamen Reise durch unsere Ängste. Schenke uns Verständnis, Frieden und die Weisheit, dich zu suchen, wenn wir den Boden unter den Füßen verlieren. Segne die, die dieses Buch lesen, mit dem, was sie aus diesen Kapiteln mitnehmen sollen. Inspiriere sie, ein Leben zu beginnen, das mit der Barmherzigkeit erfüllt ist, die unsere Seele zufrieden macht.

1  Am Brunnen

Die Angst vor dem „Was, wenn …“

Eigentlich hatte sie doch getan, was man von ihr verlangte.

Hagar hatte auf Saras Drängen hin mit Abraham einen Sohn bekommen. Sara sah keinen anderen Weg, das Vermächtnis ihres Mannes am Leben zu erhalten, als ihre Dienerin von ihm schwängern zu lassen, und sie hatte Abraham ihren Plan vorgelegt. Er hatte eingewilligt, obwohl Gott ihm eine Verheißung gegeben hatte, bei der von einer anderen Frau nicht die Rede gewesen war.

Offenbar nahm Gottes Plan nicht den Verlauf, den Sara erwartet hatte, also nahm sie die Sache selbst in die Hand.

Genau das tun wir doch, wenn wir Angst haben, oder?

Wir packen das Problem und schütteln so lange, bis auch die Ecken, die uns unsinnig erscheinen, nach unseren Wünschen ausgefüllt sind.

Ein Gespräch, das ich mit Gott über die Jahre in tausend Variationen geführt habe, klingt ungefähr so: „Gott, ich habe gehört, dass du das gesagt hast … aber scheinbar hast du deine eigenen Worte vergessen. Offenbar muss ich das hier selbst in die Hand nehmen, damit alles in die richtigen Bahnen kommt, also werde ich schon mal loslegen, und du kannst mich ja dann unterwegs einholen. Okay?“

Oft verlief dieser Prozess so unterschwellig, dass ich erst viel später erkannte, wie sehr ich Gott ins Handwerk gepfuscht hatte. Hinter dem allen steckt die Stimme Satans, der sich wünscht, dass ich mir immer weiter Sorgen mache, mich anstrenge und alles manipuliere, was ich in die Hände bekomme.

Saras Plan verlief auch nicht ganz so, wie sie es erhofft hatte: Jahre später war sie selbst mit einem Sohn schwanger und sehr eifersüchtig auf die Frau, die aufgrund ihrer eigenen Manipulationen den ersten Sohn ihres Mannes zur Welt gebracht hatte. Doch selbst nachdem Sara und Abraham aus Angst und Unglauben aktiv geworden waren, erfüllte Gott seine Verheißung und gab ihnen einen Sohn, Isaak. Bei einem Fest zu Ehren Isaaks sieht Sara Hagars Sohn Ismael lachen – und das ist der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Sie verlangt von Abraham, Hagar mit ihrem Sohn auf die Straße zu setzen.

Ich werde oft daran erinnert, was ich alles unternommen habe, um Gott zu „helfen“, und sicher fallen auch Ihnen solche Situationen ein. Wir wollen Gott vertrauen, und bis zu einem gewissen Grad tun wir das auch. Doch dann kommen Zeiten, in denen wir die Welt nicht mehr verstehen, und wir verlassen uns auf unsere eigene Kraft und schlagen uns in Gedanken mit der einen Frage herum, die dieser Angst zugrunde liegt:

Wo bist du bei alldem, Gott?

Ich glaube, das war Saras brennendste Frage, als sie ihren Mann drängte, Hagar zu verstoßen, und das große Leid, das folgte, muss ihr das Herz gebrochen haben:

Ich hätte auf dich hören sollen, Gott. Ich hätte dir vertrauen sollen, auch wenn ich deine Hand in meinem Leben nicht sehen konnte … Schau nur, was ich angerichtet habe …

Immer, wenn ich diese Geschichte aus 1. Mose gelesen habe, habe ich mich selbst in Sara wiedergefunden: Ich verfange mich in meinen eigenen Plänen, bis ich fast daran zerbreche. Auf Hagar habe ich allerdings nie so sehr geachtet. Als ich neulich den Abschnitt noch einmal las, war ich fasziniert von dieser Frau und ihrer Geschichte. Ich habe mich mit ihr auf den Weg durch ihre Lebensprüfungen gemacht und wurde am Ende von Gott beschenkt. Ich hoffe, dass auch Sie davon profitieren werden, wenn Sie jemals Angst vor dem „Was, wenn …“ hatten.

Ich kann mich noch sehr genau daran erinnern, wie ich als Kind wegen Angstzuständen ins Krankenhaus kam. Bereits im Alter von zwei oder drei Jahren begann ich, mir um Dinge Sorgen zu machen, um die sich Kinder eigentlich keine Sorgen machen müssen. Ich bestand darauf, dass mein Vater zur Schlafenszeit mit mir durchs Haus ging, damit ich nachschauen konnte, ob die Haustür abgeschlossen und der Herd ausgeschaltet war, ob meine kleine Schwester noch atmete und so weiter. Schon damals quälten mich Gedanken darüber, was ihnen zustoßen könnte, wenn ich nicht aufpasste. Mit jedem Monat wurden diese Ängste schlimmer, und meine Eltern beschlossen, dass es vielleicht gut wäre, eine Psychologin zu konsultieren. Jede Woche hatte ich einen Termin bei dieser sehr netten Dame: Sie forderte mich auf, bestimmte Bilder zu malen, und anschließend sollte ich sie beschreiben.

Ich war ein ziemlich schlaues Kind, also war mir schon nach der zweiten Woche klar, dass sie sich mehr für die Bilder interessierte, in denen ich traurig aussah und alle anderen fröhlich. Bereits damals wollte ich es immer allen recht machen, also malte ich, was das Zeug hielt.

Die Psychologin hielt meine Bilder für ein Fenster zu meiner Seele, doch in Wahrheit wusste ich, dass meine Eltern mit mir zum Mexikaner statt zu Burger King gehen würden, wenn ich mich als unglückliches Kind darstellte.

Wir saßen dann in einer geräumigen Nische, meine Eltern mir gegenüber, und sprachen über das, was an dem Tag in der Sitzung bei der Psychologin passiert war. Ich stippte meine Tortillachips in die Salsa und erzählte ihnen, dass die nette Dame mir Buntstifte gegeben hatte und dass ich ein Bild gemalt hatte, in dem ich mich draußen vor dem Haus befand statt mit ihnen im Haus. Wir bestellten, und ich erzählte detailliert von dem „Strichmännchen“ Angela, das weglief und ein trauriges Gesicht hatte, während alle anderen in meiner Familie fröhlich strahlten.

„Warum fühlst du dich so, Schatz?“ Meine Mutter nippte an ihrer Cola und versuchte zu verstehen, was sie falsch gemacht hatte.

Inzwischen war ich überzeugt davon, dass ich garantiert bis zu mexikanischer Eiscreme vordringen konnte, wenn ich das Gespräch am Laufen halten konnte, bis wir unsere frittierten Burritos aufgegessen hatten.

Sosehr ich auch die Aufmerksamkeit meiner Eltern genoss, bin ich mir heute nicht mehr so sicher, ob diese frühen Therapiesitzungen mir mehr brachten als eine Liebe zu Tacos und Exklusivzeit mit Mama und Papa. Ich erinnere mich sehr deutlich daran, dass ich es für dumm hielt, bei der Psychologin irgendwelche Bilder zu malen, denn das war nur „so tun, als ob“. Was ich fürchtete, war die Realität. Und an diesen Ängsten konnte die nette Dame nichts ändern. Die Bilder waren nur Bilder. Im echten Leben konnte eine ganze Menge schiefgehen!