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Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, April 2016

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ISBN Printausgabe 978-3-499-25938-8 (1. Auflage 2016)

ISBN E-Book 978-3-644-21691-4

www.rowohlt.de

ISBN 978-3-644-21691-4

«Ich will, dass das Land

und seine Bewohner reich werden.»

KATHARINA II.,

ZARIN VON RUSSLAND

Prolog

Wie bewusstlos lag das Land unter dem Licht des eisblauen Vollmonds. Die Felder, endlos wie das Meer selbst, über das die Siedler im Frühjahr angereist waren, waren umgepflügt und sättigten die Luft mit ihrem schweren Geruch. Raben saßen als schwarze Schatten auf den Ästen der bald schon kahlen Bäume, aber kein Laut war zu hören. Mütterchen Russland, wie die Leute hier sagten, schlief, als hätte man ihr Laudanum in ihren Kwass gegeben. Nicht einmal Wölfe waren in dieser Nacht unterwegs, als wüssten sie, dass jemand anderer heute blutige Mahlzeit halten würde und sie zu warten hatten.

Sie hatten ihre schwarzen Hengste an zwei Birken am Feldrain angebunden und eilten in ihren weiten Gewändern, die Krummdolche an der Hüfte, über den Hof, zwei in Richtung des Stalls, die anderen vier zum Wohnhaus. Der Anführer schob leise die Tür auf, die unverschlossen war – aber selbst eine verschlossene Tür hätte diese Männer nicht davon abgehalten, ihren Rachedurst zu stillen –, er lauschte in die Küche, kein Laut. Es roch nach Kartoffelsuppe und Armut. Angewidert schüttelte er sich. Dann schwenkte er den Arm und ließ seine Männer ausschwärmen. Binnen weniger Sekunden erfüllten Angstschreie die Luft. Hier in der Küche sollten sie sterben, bellte er seinen Befehl. Wozu war er gekommen, wenn nicht, um sich an ihrer Angst zu weiden, ihr Blut zu riechen. Bestimmt nicht wegen der mageren Kuh, die sie im Stall hatten, oder der paar Rubel, auf die sie sich Wunder was einbildeten. Er war zum Feiern hergekommen, und genau hier, wo er einst mit seinen Kumpanen gezecht hatte, sollte auch heute das Fest stattfinden. Laut lachend fegte er Töpfe und Teller vom Herd, riss das Besteck aus der Kiste, dass es nur so klirrte. Da brachten sie das Mädchen. Schön war sie. Helles Haar, angstgeweitete blaue Augen. So mochte er die deutschen Mädchen am liebsten. Er zog seinen Krummdolch.

Erstes Kapitel

Die Stadt war unfassbar laut.

Sie klirrte, dass einem die Ohren weh taten, rumpelte mit Karren über holpriges Pflaster, rief mit Kinderstimmen, fluchte aus den Handwerkergassen, lachte mit den Marktweibern, läutete von den Kirchen herab, gellte über Plätze, klagte aus den Hospitälern und Armenhäusern, kicherte aus dem neueröffneten Komödienhaus, knisterte in den Gaslaternen, flüsterte von den Friedhöfen und braute sich schließlich in den engen Gassen zu einem donnernden Getöse zusammen. Sie überfiel die drei jungen Mädchen mit der Wucht einer gewaltigen Meereswelle, schleuderte sie an Kaffeehäusern vorbei, schwemmte sie an den Auslagen der Händler vorüber, an der Hauptwache, wo früher die Gefangenen aus den Fenstern johlten, an Fuhrwerken, eleganten Kutschen, Schweinen, die an Stricken durch die Stadt geführt wurden, an Schoßhündchen auf den Armen der Bürgerinnen, an singenden Waschweibern und fluchenden Fischern – bis sich die Mädchen die Ohren mit beiden Händen zuhielten und überwältigt am etwas stilleren Mainufer Schutz suchten.

Lydia, die älteste der drei Schwestern, ein kräftiges Mädchen mit einem Ammenbusen, lohfarbenem Haar und schneeblasser Haut, breitete die Arme aus und juchzte: «Ist das nicht alles ganz wunderbar? Wie schade, dass wir zu spät zur Kaiserkrönung gekommen sind! Wären wir nur ein wenig früher in Frankfurt gewesen, hätten wir Franz den Zweiten gesehen. Aber auch ohne Kaiser ist es hier überwältigend.»

Die jüngste Schwester, Aurora, schüttelte ihr helles, glattes Haar und schob die Unterlippe weit nach vorn. «Den Kaiser und seine Schranzen zu sehen – was hätten wir davon? Der Vater wird hier ebenso wenig sein Glück machen wie anderswo. Nein, mir wäre es lieber, im hintersten Winkel der Welt zu hausen – zur Not sogar in Frankreich –, dann müsste ich nicht mit ansehen, wie andere sich prächtig herausputzen und ihren Reichtum und ihr Glück zur Schau stellen, während ich … während ich …» Sie seufzte und schaute zwei Patrizierinnen hinterher, die sich mit weißen Musselinschirmen vor der ersten Frühlingssonne schützten. Sie waren kaum älter als die Schwestern, doch sprangen ihnen die Zufriedenheit und der Wohlstand aus jedem Knopfloch. Die eine raffte ihr hellblaues Kleid, das unter dem Busen mit einer Samtborte abgesetzt war, und hob den Fuß in einem feinen, ledernen, geknöpften Stiefelchen, um über eine kleine Pfütze zu steigen, während die andere an ihrem Spitzenhandschuh zupfte, das glänzende Pelzcape gerade rückte und verstohlene Blicke zu den beiden jungen französischen Offizieren warf, die in eleganten Uniformen und mit glattrasierten Wangen hinter ihnen herspazierten. Die Kokarde, das Zeichen der Französischen Revolution, mit den Stadtfarben von Paris – rot und blau – und der Farbe des Königs – weiß –, trugen sie gut sichtbar auf der Brust. Und obgleich sie Franzosen waren, verfügten sie doch über Anmut und Würde, die sie auf den ersten Blick als Sprösslinge aus bestem Hause auszeichneten.

Aurora blickte seufzend an ihrem Kleid hinab. «Es ist wirklich kein Wunder, dass wir hier praktisch unsichtbar sind, obwohl wir besser Französisch sprechen als diese da zusammen.» Sie nickte in Richtung der Patrizierinnen, während Annmarie in die grauen Fluten des Mains schaute und gar nicht zuhörte. «Wir tragen Kleider aus einfachstem Stoff. Seht nur, meines ist am Saum schon ganz ausgefranst. Und meine Schuhe erst! Froh kann ich sein, wenn sie mir beim nächsten Schritt nicht von den Füßen fallen.» Ärgerlich stieß sie ihre abgewetzte Stiefelspitze in den Staub. «Mag sein, dass unsere Armut in der Stadt zwischen all denen, die noch ärmer sind als wir, weniger augenscheinlich ist, aber warum sollte ich mich da hinbegeben, wo es doch Promenaden und Kaffeehäuser gibt, Theater und Parks, in denen ich mich viel wohler fühle als in der Gosse. Auf dem Lande würden die dummen Leute nicht einmal bemerken, dass wir arm sind.» Sie hob theatralisch die Hände und rief: «Der Herr schicke mich in ein graues Tal ans Ende von Frankreich, wenn ich bitten darf!»

«Du machst Scherze!» Lydia lachte auf. «Du willst wirklich im tristesten Weiler die Königin sein anstatt eine Magd am Hofe des Kaisers? Nein, das glaube ich dir nicht.»

Aurora, den Blick ein letztes Mal auf die vornehmen jungen Damen geheftet, gab zurück: «Das kannst du ruhig glauben. Ich mag es nicht, wenn man mich nicht beachtet. Und schon gar nicht mag ich es, wenn man auf mich herabsieht.»

In diesem Augenblick näherte sich ein Weib in zerlumpten Kleidern. Sie knickste vor Aurora, als sei sie eine Dame des Hofes. «Schöne junge Frau, willst du etwas über deine Zukunft erfahren?», fragte sie. Und noch ehe sich Aurora wehren konnte, hatte sie schon ihre Hand gepackt. Aurora entriss sie ihr wieder.

«Lass das gefälligst», sagte sie barsch. «Ich glaube nicht an diesen Unfug. Als ob meine Hand wüsste, welches Schicksal mir beschieden ist!»

Die alte Frau kicherte und ließ dabei schwarze Zahnstümpfe sehen. «Das hat schon so mancher gedacht, meine Schöne, und hat es später bitter bereut. Denn nur ein Unglück, das man kennt, vermag man abzuwenden. Hätten die Franzosen mich gefragt, so hätte ich ihnen sagen können, dass sie Frankfurt nicht einnehmen werden. Es hat klar und deutlich in den Sternen gestanden.»

Aurora zog die Augenbrauen zusammen, aber Lydia hatte der Frau schon mitleidig ihre Hand hingestreckt.

«Lies aus meiner Hand», bat sie. «Ich gebe ein wenig Geld für Brot und Schmalz.»

Die Frau schielte Lydia gebückt von unten an. «Du bist ein guter Mensch», erklärte sie, und als Lydia dankbar lächelte, fügte sie hinzu: «Aber Güte allein reicht auch nicht aus für ein glückliches Leben.»

«Werde ich also kein glückliches Leben haben?» Lydia wollte erschrocken ihre Hand wegziehen, aber die Alte hielt sie fest und fuhr mit einem Finger über ein paar Linien. «Du wirst die Heimat verlassen müssen, um das Glück zu finden», sagte sie.

Lydia lachte auf. «Welche Heimat? Wir ziehen seit Jahren von einem hessischen Ort in den nächsten. Eine Heimat hatten wir nie.» Sie zwinkerte ihren Schwestern zu, und Aurora brach in Gelächter aus. Selbst Annmarie gestattete sich ein kleines Lächeln.

«Was ist daran so lustig?» Die Alte zog die Mundwinkel nach unten.

«Unser Vater ist ein Künstler, der von seiner Kunst nicht leben und nicht sterben kann. Also ziehen wir von Ort zu Ort, kaum, dass wir einmal ein halbes Jahr an einer Stelle bleiben. Was also willst du uns von Heimat erzählen?»

Es war Aurora, die so sprach. Aber die Alte schüttelte den Kopf.

«Nein, nein, nein!», rief sie energisch. «In dieser Hand steht etwas von der weiten Ferne geschrieben. Vielleicht gehst du ja nach Amerika? Du wärst nicht die Erste.»

Nun schwiegen die Schwestern für eine Weile, dann streckte Lydia ihre Hand wieder aus. «Weiter! Was siehst du noch?»

«Du hast ein Talent, von dem du nichts weißt. Dieses Talent beschert dir das Glück.»

Aurora drängelte sich hinzu. «Und was ist mit der Liebe?» Sie hielt sich eine Hand vor den Mund und kicherte.

Die Alte beugte sich wieder über Lydias Hand. «Ja, auch die Liebe wird dir in deinem Leben begegnen, mein Kind. Aber du wirst dich entscheiden müssen. Es wird einen geben, den du liebst, aber nicht brauchst. Und dann wird es noch einen geben, den du brauchst, aber nicht liebst.»

Lydia warf ihr Haar nach hinten. «Und welchen werde ich wählen?»

Die Alte zog die Unterlippe zwischen ihre Zähne. Sie blickte Lydia in die Augen und sagte: «Liebe ist nicht alles. Manchmal ist Freundschaft wichtiger. Vergiss meine Worte nicht.»

Da hatte Lydia genug. Sie holte ein paar Kupfermünzen aus ihrer Rocktasche, die letzten, die sie besaß, und gab sie der Alten. Jetzt streckte Aurora doch ihren Arm aus. «Und was steht in meiner Hand?»

Die Alte seufzte, doch dann nahm sie die Hand und studierte die Linien darin. «Auch du wirst in die Ferne gehen. Weit, weit weg. Und du wirst niemals mehr ins Deutsche Reich zurückkehren.»

«Ist denn auch zu sehen, ob ich Glück haben werde?»

Die Alte blickte Aurora ins Gesicht. «Es kommt darauf an, was du für Glück hältst.»

«Was soll ich schon für Glück halten? Das, was alle dafür halten: Wohlstand, ein bequemes Leben und einen Mann, der mir etwas bieten kann. «

Die Alte nickte. «Nun, man wird dir Wohlstand zu Füßen legen. Du wirst nicht nur wohlhabend sein, sondern sogar reich.»

«Hört ihr, ich werde reich sein!», jubelte Aurora und vollführte einen kleinen Freudentanz. Die Schwestern lächelten milde. So kannten sie ihre Aurora.

Die Alte zog wieder die Unterlippe zwischen die schwarzen Zahnstümpfe und sagte leise: «Doch glücklich wirst du nicht sein.»

Aurora sah sie spöttisch an. «Das kann nicht sein! Ich bin doch nicht dumm. Ich erkenne das Glück bestimmt, wenn es mir winkt. Und ich werde meinen Reichtum genießen. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.»

Auch sie drückte der Alten ein paar Kupferstücke in die Hand. «Jetzt du, Annmarie!», rief sie dann und zog ihre Schwester vom Stein hoch.

Annmarie schüttelte den Kopf. «Ich will gar nicht wissen, was mir blüht», erklärte sie. «Und nach Geld und schönen Kleidern strebe ich auch nicht.»

Aurora aber legte der Alten eine Hand in den Rücken und schob sie zu Annmarie. Die Alte betrachtete das Mädchen von Kopf bis Fuß, dann schüttelte sie energisch den Kopf und trat einen Schritt zurück. «Ich werde ihr nicht aus der Hand lesen», murmelte sie.

«Warum nicht?» Lydia erschrak ein wenig. «Steht ihr Schlimmes bevor?»

Die Alte sah sie an. «Wie soll ich das wissen? Aber es gibt ein altes Gesetz, welches befiehlt, niemals mehr als drei Personen täglich aus der Hand zu lesen. Und vor euch war schon ein junger Mann bei mir.»

Mit diesen Worten winkte sie zum Abschied und schlurfte dann rasch davon.

«Das ist doch die Höhe!», ereiferte sich Aurora. «Was bildet sich die Alte ein?»

Aber Annmarie legte ihr eine Hand auf den Arm. «Es ist gut. Ich wollte mir sowieso nicht die Zukunft voraussagen lassen.»

Die Turmuhr der nahen Nikolaikirche schlug die sechste Abendstunde.

«Wir sollten nach Hause gehen», erklärte Annmarie.

«Nach Hause?» Aurora verzog das Gesicht. «Meinst du vielleicht die dreckige Herberge, in der wir derzeit hausen? Das winzige Zimmer mit den schimmeligen Strohsäcken auf dem Boden? Mit dem schmierigen Wirt, der Mutter behandelt, als sei sie eine Bettlerin, und der uns lüstern auf die Brüste starrt, wenn Vater nicht dabei ist?» Sie fuchtelte mit dem Arm in der Luft herum. «Seht ihr, das meine ich. So will ich nicht für immer leben. Und wenn ich als Hure gehen müsste!»

«Psst!» Lydia hielt ihrer Schwester den Mund zu. «Sage so etwas nicht. Denke es noch nicht einmal. Du wirst deine Tugend genauso hochhalten, wie wir es von der Mutter gelernt haben.» Lydia sprach strenger, als es einer Schwester zustand, aber Aurora blies nur die Backen auf. «Du wirst schon sehen!»

Lydia besann sich auf ihre Freundlichkeit und legte einen Arm um ihre Schwester. «Ich weiß», sagte sie. «Ich weiß, wie wir leben. Und auch mir gefällt vieles nicht. Aber eines Tages wird sich alles zum Guten wenden.»

Aurora schnaubte. «Zum Guten wenden! Ich glaube nicht, dass ich den Tag noch erlebe.»

«Ach, sei doch nicht so pessimistisch», sagte Annmarie. «Alles wandelt sich gerade. Die ganze Welt. In Frankreich sind die Menschen auf die Straße gegangen. Sie haben ihren König abgesetzt und hingerichtet. Sie haben jetzt eine Republik, und das heißt, dass ein jeder mehr Rechte besitzt.»

«Und was hat die Revolution, wie sie es nennen, für die Franzosen gebracht? Überall herrscht Krieg, es gibt nichts zu essen, es gibt keine Hoffnung. Ein Brot kostet doppelt so viel wie noch vor drei Jahren. Ich weiß das, denn schließlich bin ich es, die am meisten einkaufen geht. Alles, alles ist teurer und teurer geworden, und niemand weiß, wann das aufhört. Wie lange wird es dauern, bis auch hier alles drunter und drüber geht?» Aurora winkte ab. «Ihr werdet sehen, auch wenn sich die ganze Welt wandelt, in der Familie Reiche wird alles beim Alten bleiben.»

Zweites Kapitel

Ilse Reiche hatte einen wackeligen Stuhl an das schmale, verdreckte Fenster der Herberge gezogen und sah hinaus. Sie blickte in das Blattwerk einer Linde, in der ein paar Vögel lärmten, und dachte über ihr Leben nach, wie so oft in der letzten Zeit. Auch wenn sie es sich nur selten anmerken ließ, so war sie doch müde, zum Sterben müde. Sie wandte sich um und blickte zu dem Bett, das an einigen Stellen von Holzwürmern zerfressen war und das bei der kleinsten Bewegung schrecklich quietschte. Auf dem Boden lagen klumpige Strohsäcke, in denen es manchmal in der Nacht, wenn die Mädchen darauf schliefen, merkwürdig raschelte. Von dort glitt ihr Blick über die blanken, splittrigen Dielen, die mit alten Binsenmatten bedeckt waren. Sie schüttelte sich ein wenig. Nein. Wenn sie schon sterben wollte, dann bestimmt nicht hier. So ein Tod war ihr nicht an der Wiege gesungen worden. Sie runzelte die Stirn und wandte den Blick wieder nach draußen. Aber solch ein Leben, dieses Leben hier, das war ihr ebenfalls nicht an der Wiege gesungen worden, ganz gewiss nicht. Doch sie war dieses Lebens so überdrüssig, sie konnte gar nicht sagen, wie sehr!

Ilse Reiche war die jüngste Tochter eines ranghöheren evangelischen Geistlichen, eines Superintendenten. Sie hatte eine gründliche Ausbildung genossen, hatte Latein und Griechisch gelernt, dazu Französisch, Algebra, ein wenig Philosophie und Theologie, die schönen Künste und das Cembalospielen. Das alles hatte dazu gedient, Ilse auf das Leben einer städtischen Pfarrersfrau vorzubereiten, nachdem man sie mit einem Geistlichen verheiratet hätte. Doch das Schicksal hatte anderes mit ihr vorgehabt. Als sie im heiratsfähigen Alter war und ihr Vater ihr schon einen Bewerber, einen blässlichen Theologiestudenten mit unreiner Haut und schweißfeuchtem Händedruck, vorgeschlagen hatte, kam eines Tages ein junger Kirchenmaler in die Gemeinde ihres Vaters. Und weil das Altarbild an einigen Stellen abblätterte und an anderen Stellen erste Risse zeigte, bot ihm der Pfarrer einen Dienst über den Winter an. Er war sich der Tugendhaftigkeit seiner Tochter so sicher, dass er den jungen, temperamentvollen Mann, dem es, wie sich später zeigen sollte, ein wenig an sittlicher Reife mangelte, im Gästezimmer des Pfarrhauses unterbrachte. Am Ende des Winters schwollen Ilses Brüste an und wenig später auch ihr Leib, sodass der Vater eine Nothochzeit arrangieren musste, wollte er sich selbst und die Tochter nicht in Verruf bringen. Ilse jedoch war ganz zufrieden. Sie liebte den wilden Kerl mit dem zerzausten Bart, der so wunderbar erzählen konnte und mit weit zurückgeworfenem Kopf lachte und überhaupt ganz anders war als die Männer, die sie bislang kennengelernt hatte. Georg war ein Draufgänger, ein richtiger Kerl, der jedes Pferd zu reiten vermochte, das man ihm vorführte. Und auch in der Schänke zeigte er sich männlich, indem er die Honoratioren der kleinen Stadt allesamt unter den Tisch soff, nicht jedoch, ohne ihnen vorher beim Kartenspiel den letzten Kupferpfennig abgeluchst zu haben. Zu den Frauen war er galant, aber nicht so, dass Ilse eifersüchtig werden musste. War Geld in seiner Tasche, gab er es mit vollen Händen aus, hatte er keines, so scherte er sich nicht darum. Und schön war er, dieser Georg Reiche. Sein kastanienrotes Haar glänzte in der Sonne, die grauen Augen funkelten, seine Haut war glatt und rosig, die Schultern breit wie bei einem Bauern, die Hände lang und schlank wie die eines Chirurgen. Doch als aus Ilse Frau Reiche geworden und die Tochter Lydia geboren war, gab es in der Kirche nichts mehr zu tun für einen Maler. Zudem fürchtete der Superintendent um den Ruf seiner Gemeinde, wo ansonsten nur ehrenwerte Bürger lebten und kein Künstlervolk. Ilse und Georg bekamen ein wenig Geld, zwei Federbetten, Geschirr, Wäsche, eine große hölzerne Truhe, einen Karren und ein Pferd. «Tugend ist ein sicherer Wagenlenker», gab der Vater ihnen noch auf den Weg, hob die Hand zum Gruß und hatte schon Vergessen im Blick. Fortan würden sie auf sich selbst gestellt sein. Sie zogen an den Ortsrand in ein kleines, altes Haus mit kaputtem Dach, bei dem der Wind durch jede Ritze pfiff und der Regen ein häufiger Gast war. Ilse wartete vergeblich darauf, dass Georg das Haus reparierte und sesshaft wurde. Rasch begriff sie, dass er zwar wunderbar Geld ausgeben konnte, sicher, er brachte auch Geschenke heim, putzige Spielzeuge und seltsame Sächelchen, aber Geldverdienen lag ihm nicht besonders. Doch Frau und Kind brauchten ein ordentliches, warmes Heim, brauchten Kleidung und Essen. Und als die zweite Tochter, Annmarie, geboren war, hatte sich Georg Reiche in der Gegend schon einen unrühmlichen Namen gemacht. In Ilses Augen traten Tränen, als sie an diese Zeit dachte. Die Polizei war gekommen, was für eine Schande! Sie, die Tochter des Superintendenten, wurde verdächtigt, bei einer Altarbildfälschung Komplizin gewesen zu sein. Und entsprach das nicht sogar der Wahrheit? Hatte sie Georg nicht angefleht, für die beiden kleinen Töchter etwas zu essen zu besorgen, ein richtiges Dach über dem Kopf? Lydia litt unter einem grässlichen Husten, und Annmarie weinte oft vor Bauchschmerzen.

Georg hatte ihrer Aufforderung Folge geleistet, hatte für seine Familie gesorgt. Auf seine Art. Er hatte Bilder gefälscht und diese verkauft. Sie hatten endlich genug zu essen gehabt und ein Dach über dem Kopf und heilsame Tränke für die Kinder, doch Ilse hatte ganz genau gewusst, dass diese Dinge nicht auf ehrbarem Wege beschafft worden waren. Sie hatte Unheil geahnt, hatte es an Georgs Blick gesehen, der dem ihren auswich. Und eines Tages war Georg mit gehetztem Blick und zittrigen Händen nach Hause gekommen. Ilse hatte gerade noch ein bisschen Wäsche und ihre zwei kleinen Töchter greifen können, war hinten auf das Fuhrwerk gesprungen, und schon war es im Galopp zur Stadt hinausgegangen.

Seither waren sie Gejagte. Wie viele Jahre schon! Was damals begonnen hatte, ging fortan so weiter. Georg fälschte Bilder, verkaufte sie, und wenn die Justiz ihm auf die Schliche kam, floh er mitsamt der Familie. Und bald darauf begann alles wieder von vorn. Wie oft hatte Ilse ihren Mann angefleht, er möge sich eine Arbeit suchen, möge den mittlerweile drei Töchtern und ihr ein Zuhause schaffen, wie ärmlich auch immer, wo sie bleiben konnten! Als sie mit Aurora, der Jüngsten, schwanger gewesen war, hätte sie die Gelegenheit gehabt, ins Elternhaus zurückzukehren, aber allein.

«Wenn du heimkehren willst, so als Witwe im Herzen und im Geiste», hatte der Vater auf ihren Bettelbrief geantwortet. «Du hast die Gelegenheit, deinen Mann zu vergessen, jede Erinnerung an ihn zu begraben. Wenn er in dir gestorben ist, so heiße ich dich herzlich willkommen, und auch deine Kinder sollen bei mir ein Heim finden.»

Doch Ilse hatte damals begriffen, dass Georgs Tod, wenn auch nur in ihrem Herzen, auch ihr eigener Tod gewesen wäre. Sie liebte ihn. So einfach und so schwer war das. Aber ach, wenn er doch endlich sesshaft und ehrlich hätte werden können! Wenn er doch die Malerei hätte vergessen können! Manchmal hatte Georg auf sie gehört, hatte sich als Weißbinder verdingt, als Knecht sogar. Aber er hatte es nie lange ausgehalten, hatte sich Anweisungen widersetzt, war zu spät gekommen und hatte alles mit solcher Hingabe gemacht, dass er nicht zu gebrauchen war, weil alles dreimal so lange dauerte wie bei seinen Kollegen. Nie hatte er aufhören können zu malen. Immer und überall hatte er stundenlang in Kirchen und Klöstern gehockt, hatte die Bilder angestarrt und sie hernach gemalt. Bei diesem Gedanken lächelte Ilse. Er war immer so stolz gewesen! Er hatte ihr sein neuestes Werk gezeigt und sie anschließend in die Kirche geschleppt, wo das Original hing. «Sieh!», hatte er ehrfürchtig geflüstert. «Sieh, wie die Schleppe von Marias Kleid sich faltet. Ich habe es besser gemacht. Und das Blau für den Marienmantel, es strahlt bei mir leuchtender als auf diesem Bild. Und das Schwarz, siehst du es? Es ist dunkler als das Höllenfeuer. Beim ersten Frost habe ich heimlich alte Weinstöcke ausgegraben, die schwarzen Wurzeln zerrieben, Eigelb darübergeschlagen, Leinöl hinzugegeben, bis die Mischung sämig war und sich gut vermalen ließ.» Ilse hatte zugeben müssen, dass er recht hatte. Ja, er war der bessere Maler, der größere Künstler, aber, Herr im Himmel, was nutzte denn die herrliche Gabe, wenn niemand sie haben wollte? Und dann hatte sie begriffen, dass Georg besessen war. Auf eine Art besessen, die sie nicht verstand. Er konnte nicht anders. Er war ein Maler, und nichts wünschte er sich sehnlicher, als dass die Welt erkannte, welch guter Künstler er war.

Ja, Ilse Reiche liebte ihren wilden, unbelehrbaren, wundervollen Mann nach über zwanzig Jahren noch. Und sie würde bei ihm bleiben, was immer auch geschah, so müde sie auch war. Nur um die Töchter sorgte sie sich. Lydia war stark, Annmarie farblos, und Aurora? Sie war wild und unbeherrscht. Was sollte nur aus den Mädchen werden? Wie sollten sie jemals Ehemänner finden, eine Familie gründen und einen ordentlichen Hausstand führen, wenn sie doch nie einen gekannt hatten?

Auf der Treppe waren Schritte zu hören. Ilse wischte sich die Tränen ab, seufzte und gab sich Mühe zu lächeln. Auch wenn es nach außen anders wirkte, so war sie doch die Person, um die sich die ganze Familie drehte, diejenige, die alles zusammenhielt. Sie durfte sich nicht schwach und müde zeigen, nicht einen einzigen Augenblick lang. Täte sie das, so würde Georg kopflos werden, und der Himmel allein wusste, was dann geschah.

Und schon flog die Tür auf, die Töchter kamen nach Hause. Das war das Wichtigste, wurde Ilse in diesem Augenblick klar. Das Wichtigste war, dass sie alle beisammen waren. Sie ließ sich von Lydia umarmen, von Annmarie auf die Stirn küssen und von Aurora auf die Wange. Es würde schon alles irgendwie gut werden. Es war ja bisher immer alles gut geworden. Sie waren gesund, und sie waren zusammen.

Aber wo blieb Georg?

Drittes Kapitel

Den ganzen Tag schon streifte Georg durch die Stadt. Gerade schritt er an den großen, prächtigen Patrizierhäusern entlang, reckte den Kopf und versuchte, einen Blick in die offenen Fenster zu werfen. Im Hause des Bürgermeisters erspähte er eine kahle Wand, und sofort flogen ihm die Bilder nur so durch den Kopf. Heroische Bilder in großer Zahl, die herrlich in die gute Stube des Bürgermeisters passen würden. Schlachtenszenen vielleicht. Oder, wenn er es denn so wollte, ein Bild mit rauschendem Bächlein und einer Jungfrau im weißen Kleid, die die Gesichtszüge der holden Gattin trug. Bilder von den Töchtern mit ihren Schoßhündchen und prächtigen Kleidern und Reifröcken oder von den Söhnen, nachdenklich in der Pose von Philosophen. Georg war so in seine Bilderwelt eingetaucht, dass er, ohne groß nachzudenken, an der Türglocke aus Messing zog. Ein Mädchen in frischgestärktem Kleid öffnete ihm, musterte ihn und fragte keck: «Ja? Was willst du?» Sie deutete mit der Hand zur Rückseite des Hauses. «Der Eingang für die Dienstboten ist dort hinten.»

Empörung schoss in Georg hoch. Dienstboteneingang? Für ihn? Was dachte sich die Kleine? Er straffte die Schultern, verzog den Mund hochmütig und erklärte: «Ich bin ein Künstler, ein Maler, und ich bin gekommen, um dem Herrn einen Dienst zu erweisen. Seine Stube scheint mir recht kahl.» Hatte er gedacht, das Mädchen würde ehrfürchtig den Blick senken und ihn beschämt hereinbitten? Ja, das hatte er zumindest gehofft. Doch das Mädchen prustete los, kicherte, hielt sich gar die Hand vor den Mund. «Du? Ein Maler? Ein Landstreicher bist du oder ein weggelaufener Söldner. Sieh dich nur an! Dein Rock ist verschlissen, der Bart zerzaust, die Haare wirr. Nicht viel besser als ein Bettler bist du!» Sie kicherte erneut. Doch dann, als sie Georgs Gesicht sah, wurde sie ernst. «Hast du Hunger? Ich will in der Küche nachfragen, ob dort ein wenig Brot vom Vortag übrig ist. Das kannst du haben.»

«Ich bin kein Bettler!» Georg schrie es fast. «Ein Maler bin ich. Ein Künstler von ziemlicher Bekanntheit. Hole deinen Herrn, sage ich dir!» Seine Stimme zitterte vor Wut, die Bartspitzen sträubten sich, und sein Gesicht färbte sich rot. Am liebsten hätte er sich die Dirne gegriffen und alle Hochnäsigkeit aus ihr herausgeschüttelt, doch das Mädchen schnappte nur empört nach Luft und schlug ihm die Tür vor der Nase zu.

Georg schüttelte sich, schüttelte die Kränkung ab. «Nun, in diesem Hause scheint es um den Sinn für die Kunst schlecht zu stehen», murmelte er vor sich hin. Es war nicht die erste Abfuhr, die er heute erhalten hatte. Zuerst hatte er im Dominikanerkloster nachgefragt, ob es Arbeit für ihn gäbe. Von da war er weitergeschickt worden zu den Karmelitern. Aber auch dort gab es nichts zu tun. Er war im Bartholomäusdom vorstellig geworden, hernach im neuen Komödienhaus, wo man vielleicht prächtig gemalte Kulissen benötigte. Zum Schluss war er gar zur Senckenbergischen Stiftung gewandert, um zu hören, ob er mit Tier- und Pflanzenzeichnungen ein wenig Geld verdienen könnte. Aber alles vergebens. Auf dem Rückweg hatte er in zwei Weißbinderwerkstätten um Arbeit gefragt, doch umsonst. Jetzt läuteten die Glocken des Doms zur Vesper. Der Tag war fast vorüber, und er hatte keinen Kupferpfennig in der Tasche. Erschöpft ließ er sich am Brunnenrand auf dem Römerberg nieder. Eine elegante Kutsche fuhr vorbei, darin saßen ein Herr im dunklen Rock und mit fein gepudertem Haar und eine Dame, die mit glitzerndem Schmuck behangen war.

«Guten Abend, die feinen Herrschaften!», rief er ihnen müde zu. Nicht, weil er sicher war, damit etwas zu erreichen, sondern nur, um auch die letzte, die kleinste Chance zu nutzen. «Brauchen die gnädigen Herrschaften vielleicht einen Maler?» Das Kutschenfenster schwang auf, und ein Geldstück wurde ihm zugeworfen. Es traf ihn an der Brust. Dann war die Kutsche schon vorüber.

«Bewerfen Sie mich mit Geld?» Georg Reiche riss die Augen auf. «Sie wagen es, mich mit Geld zu bewerfen, wie es nicht einmal der letzte Bettler verdient?» Die Kränkung schnürte ihm die Kehle zu, lähmte seine Glieder. Wäre er ein Weib gewesen, so hätte er geweint und geschrien, aber er war ein Mann. Er war ein Künstler. Deshalb schluckte er nur, schluckte all die Kröten, die man ihm heute in den Mund gelegt hatte, bis sein Mund ganz ausgetrocknet war. Dann bückte er sich, griff nach dem Geldstück – es war ein halber Gulden, mehr als genug für das tägliche Brot – und begab sich erschöpft und unglücklich in das nächstbeste Kaffeehaus. Was war nur aus ihm geworden? Wie hatte sein prächtiges Leben sich in etwas so Erbärmliches verwandeln können? Ein Wunder war es, dass Ilse noch bei ihm blieb. Dabei hatte alles so gut angefangen. Er war der Sohn des Zunftmeisters der Weißbinder in Fulda, einer angesehenen katholischen Stadt. Nun, seine Familie war evangelisch gewesen und hatte es somit schwer, aber sein Vater war so geschickt, dass er es trotz der falschen Religion bis zum Zunftmeister gebracht hatte. Ihn, den zweitältesten Sohn, hatte man zur Erziehung in ein Kloster gesteckt. Er hatte gelernt, was ein Sohn aus gutem Handwerkerhause zu lernen hatte, aber überdies war das Kloster für seine Buchmalereien bekannt gewesen, und so hatte er bald Tag für Tag freiwillig in der Schreibstube gehockt und Buchmalereien kopiert. Doch für eine Zukunft hinter Klostermauern war er nicht geeignet. Nicht nur, weil er evangelisch war, sondern auch, weil er das Leben zu sehr liebte. Das Leben und, ja, auch die kleinen Sünden. Also war er schließlich zu einem Kollegen seines Vaters in die Lehre gegangen, um seine Kenntnisse über die Buchmalerei mit dem Malerhandwerk zu verbinden. Aber ach, die Fron, die albernen Wünsche der Auftraggeber, das Gehorchen – nein, dafür war er nicht geschaffen gewesen. Und als sein Vater ihm seine Unterstützung entzog, weil er sich nicht so entwickelte, wie er sollte, war er auf Wanderschaft gegangen. Auf Gesellenwanderschaft. Aber statt in den Werkstätten anderer Weißbinder zu lernen, war er den Malern gefolgt. Er wusste heute selbst nicht mehr, wie es gekommen war, aber er hatte sich stets Kirchenmaler ausgesucht und deren Handwerk und deren Kunst zu seiner gemacht. Reich war er dabei nicht geworden, manchmal langte es nicht einmal für ein paar Eier, um daraus Farben herzustellen. Doch dann hatte er Ilse kennengelernt. Für sie wäre er beinahe sesshaft geworden. Aber leider nur beinahe, denn das Geld, das er verdiente, reichte kaum für ihn, geschweige denn für Frau und Kinder. Und so hatte er angefangen, Bilder zu fälschen, aber er hatte nie aufgehört, davon zu träumen, eines Tages ein anerkannter Künstler zu sein und von seiner Kunst leben zu können.

Er setzte sich im Kaffeehaus an einen kleinen Tisch in der dunkelsten Ecke und betrachtete die Leute um sich herum. Da hockten drei Gecken, allesamt in blauen Fräcken mit Messingknöpfen, in gelben Westen und Lederhosen, mit Stulpenstiefeln und runden Filzhüten, die auf ungepuderten Haaren saßen. Die Gecken tranken aus hohen Tassen ein braunes, dickes, bittersüß duftendes Getränk, spreizten dabei den kleinen Finger ab und redeten über Dinge, von denen Georg noch nie gehört hatte.

«Die Kunst», hörte er einen der jungen, seltsam gekleideten Männer sagen, «hat sich verändert. Kirchenkunst, wie wir sie früher kannten, hat ein für alle Mal ausgedient. Wer will noch Choräle hören, wer Liturgien lesen, wer Heiligenbilder betrachten? Die Französische Revolution ist auch eine Revolution der Kunst und des Denkens. Wir haben ihr viel zu verdanken.»

Die anderen beiden Gecken nickten ernst dazu, und einer fügte an: «Auch die Philosophen tragen ihren Teil zum neuen Weltbild bei. Denk nur an den verstorbenen Rousseau und seine Worte: ‹Die Freiheit des Menschen besteht nicht darin, dass er tun kann, was er will, sondern darin, dass er nicht tun muss, was er nicht will.›»

Wer war Rousseau? Seine Worte gefielen Georg ausnehmend gut. Es wäre wunderbar, nicht das tun zu müssen, was man nicht wollte. Er wusste nämlich ganz genau, was er wollte. Seit er denken konnte, hatte er es gewusst. Er rückte mit dem Stuhl ein wenig näher, um besser zuhören zu können, doch einer der Gecken sprang erschrocken auf und betrachtete Georg mit entrüsteter Miene. «Was wollen Sie von uns?»

Georg erhob sich, lüpfte seinen zerfransten Hut und legte eine Hand auf sein Herz. «Verzeihung, Herr. Ich hörte Sie über die Kunst sprechen, die mir ein Herzensding ist. Denn, wie es der Zufall will, bin ich ein Maler, der nach Aufträgen sucht.»

«Ein neuer Tischbein? Ein deutscher Canaletto?»

«Ein was?», fragte Georg zurück, der diese beiden Namen noch nie gehört hatte.

«Sie kennen diese Herren nicht? Was sind Sie dann für ein Maler?» Die Stimme des Gecken troff vor Verachtung.

«Ich bin ein Meister der Heiligendarstellung und Altarbilder. Zudem habe ich schon eine Vielzahl von Fresken gemalt. Auch die mystische Malerei nach Art der holländischen Meister beherrsche ich. Alle Motive, die gewünscht werden», erwiderte Georg mit Stolz.

«Heiligendarstellung? Freskenmalerei? Die alten Holländer?» Der Geck brach in höhnisches Gelächter aus. «Da kommen Sie hundert Jahre zu spät, lieber Mann. Heute malt man anders. Und einer, der die Namen Tischbein und Canaletto nicht kennt, ist nicht würdig, sich Künstler zu schimpfen.»

Der Geck besah ihn von oben bis unten, dann winkte er ab und wandte sich um, als sei Georg keines weiteren Wortes würdig. Er rückte seinen Stuhl an eine andere Stelle, weit weg von Georg Reiche.

Diese letzte Kröte war zu viel. Georg hatte sich nur noch ein wenig die Zeit vertreiben wollen, hatte die schlechte Stimmung ausschwitzen wollen, ehe er zu Ilse und den Mädchen in die Herberge ging. Aber diese Erniedrigung brachte das Fass zum Überlaufen. Er würde den Gecken schon zeigen, dass er nicht weniger wert war als sie. Er würde beweisen, dass er vielleicht einen verschlissenen Hut auf dem Kopf hatte, aber trotzdem ein Künstler war. Einer, der es verstand, ebenso wie die jungen Gecken zu reden, ebenso vornehm zu trinken, der mit vollem Recht in diesem Kaffeehaus hier saß. Er holte das Geldstück aus seiner Tasche, rief nach dem Serviermädchen und bestellte sich dasselbe Getränk, wie die jungen Gecken es vor sich hatten. «Eine heiße Schokolade wollen Sie?», fragte die Serviertochter nach. «Nun, ich hoffe, Sie können sie bezahlen.»

Georg zeigte dem Mädchen sein Geldstück. Sie nickte und ging davon. Kurze Zeit später servierte sie ihm das Getränk in der hohen Tasse und stellte ihm auch ein Schälchen mit Zucker hin.

«Kennen Sie sich aus mit Schokolade?», fragte sie, und ihre freundliche Stimme legte sich wie Balsam auf Georgs wunde Seele. «Nein.»

«Nun, sie ist sehr heiß, also trinkt man sie in kleinen Schlucken. Manch einem erscheint sie ein wenig bitter. Falls Sie das auch so empfinden, geben Sie ein bis zwei Löffel Zucker hinzu. Und nun guten Appetit.» Sie lächelte Georg an und begab sich dann zu den Gecken, die nunmehr an Tabakspfeifen nuckelten und ihren Tisch ganz in blauen Nebel hüllten.

Vorsichtig nahm Georg den ersten Schluck. Beinahe verbrannte er sich die Zunge daran, und doch wusste er auf der Stelle, dass diese heiße Schokolade das köstlichste Getränk war, das er je gekostet hatte. Er gab nur zur Probe einen Löffel Zucker hinzu und konnte kaum glauben, dass der Genuss dadurch noch gesteigert wurde. Auf der Stelle kehrte seine gute Laune zurück. Vergnügt blickte er sich um, fühlte sich ganz heimisch im Kreise der anderen Schokoladentrinker, war beinahe versöhnt mit der Welt und dachte nur eines: Ach, wie gern hätte ich Ilse neben mir! Sie musste unbedingt davon kosten, es hätte ihr ebenso köstlich geschmeckt wie ihm. Überhaupt sollte sein Weib niemals mehr etwas anderes trinken müssen als diese Schokolade. Sie war bittersüß wie das Leben und dunkel wie die Abgründe der Liebe. Dann, als niemand hersah, stippte er den Finger in die braune, dicke Flüssigkeit und malte auf dem hölzernen Tisch ein kleines Muster. Ich muss sehen, dachte er, ob man mit diesem Zeug auch malen kann. Die Farbe war so satt, wie er noch nie zuvor ein Braun gesehen hatte. Er beobachtete, wie sich die Schokolade verteilte, und pustete darauf, bis eine kleine Stelle ein wenig angetrocknet war. Aber schon zeigten sich an dieser Stelle Risse, und am Rande blätterte ein Teilchen ab. Schade, dachte er und überlegte gerade, ob man mit Eigelb und Leinöl daraus wohl eine Malfarbe gewinnen konnte, als plötzlich jemand heftig an seinen Tisch stieß. Die Schokoladentasse fiel um, die braune Flüssigkeit ergoss sich auf Georgs einzige Hose und von dort auf den Boden. Erbost sprang er auf und rief: «Können Sie nicht aufpassen, mein Herr? Sie haben mir die Hose verdorben.» Und dann fiel ihm ein, dass auch die Schokolade verloren war, und er musste, obgleich er sich unsäglich albern dabei fühlte, mit den Tränen kämpfen. Der Mann legte ihm versöhnlich eine Hand auf den Arm. «Mein Herr, selbstverständlich ersetze ich Ihnen Ihr Getränk. Und auch für die Hose komme ich auf.» Er wühlte in einer Geldbörse, die so randvoll war, dass sie sich kaum schließen ließ, nahm mehrere Geldstücke heraus und legte sie vor Georg auf den Tisch. Nun erst sah Georg auf. Vor ihm stand ein dicklicher Mann mit prallen roten Wangen, einem ordentlich gewichsten Schnurrbart und gepuderter Perücke. Er trug ein sauberes Wams mit einem roten Band darüber, lüpfte jetzt den Hut und verbeugte sich ein wenig vor Georg. «Wenn Sie gestatten? Mein Name ist Boris Kolbe. Mütterlicherseits bin ich Russe und vom Vater her Deutscher. Darf ich mich zu Ihnen setzen?»

Georg, der sich die Münzen hastig in die Tasche geschoben hatte, ehe der Mann es sich anders überlegte, hätte lieber noch ein wenig seinen Gedanken nachgehangen, doch er nickte. Er war einfach zu matt und zu niedergeschlagen für etwas anderes als ein Nicken. Außerdem wollte er eine neue Schokolade haben.

Kolbe ließ sich nieder, blickte interessiert um sich und wandte sich, nachdem das Serviermädchen frische Schokolade gebracht hatte, Georg zu. Er betrachtete ihn aufmerksam, während Georg vorsichtig, um nichts zu verschütten, Zucker in seine hohe Tasse tat. «Unsere Zarin Katharina hat mich in die deutschen Lande geschickt», begann Kolbe.

Georg hob seine Tasse und betrachtete seinerseits Kolbe über den Rand hinweg. «Die deutsche Zarin?»

«Richtig. Katharina die Große, Zarin von Russland, ist von deutscher Herkunft.» Er lachte kurz auf. «Nun ist sie jedoch eine von uns. Sie hat uns Kultur und Bildung gebracht, hat das Russische Reich vergrößert und das Volk schon ein paar Schritte aus der Barbarei geführt. In Petersburg, wo ich lebe, sprechen mehr Menschen französisch als russisch, stellen Sie sich das einmal vor. Ja, es gibt am Hofe sogar einige echte Russen, die nicht ein Wort ihrer Muttersprache kennen.»

Georg nickte. Es war ihm im Augenblick vollkommen gleichgültig, welche Sprache am russischen Hofe gesprochen wurde. Seine Seele war voller Traurigkeit und Verzweiflung. Er hatte keine Arbeit gefunden, war darüber belehrt worden, dass seine Kunst keine war, hatte das Geld, mit dem man nach ihm geworfen hatte, in das Kaffeehaus getragen, hatte sich seine einzige Hose verdorben und trank heiße Schokolade, während seine Frau und seine Töchter hungrig auf ihn warteten. Dabei hatte er gleich nach der Ankunft in Frankfurt versprochen, hoch und heilig hatte er es versprochen, dass sich das Leben der Reiches in Frankfurt ändern würde. Er würde sich Arbeit suchen, ganz gleich, wo. Er würde, wenn es denn sein musste, auch als Abortreiniger arbeiten, als Totengräber, als Auflader am Hafen. Er würde ein Heim suchen und seiner Familie ein Zuhause schaffen. Nun war er schon über zwei Wochen in Frankfurt und hatte noch keinen einzigen roten Heller verdient. Er schlich am Morgen die Stufen in der Herberge hinab, um nicht der Wirtin zu begegnen, der er bereits Übernachtungskosten für eine Woche schuldete. Wenn nicht ein Wunder geschah, würde er stehlen müssen. Brot und Äpfel und vor allem Farben, um erneut Bilder zu fälschen. Der Isenheimer Altar von Matthias Grünewald hatte es ihm angetan. Beinahe sämtliche Tafeln hatte er schon kopiert und sie hernach als vermeintliche Originale mit gutem Gewinn an Klöster, Kirchen und fromme Mitmenschen verkauft. Doch nun schien es ganz, als sei dies in Frankfurt nicht möglich. Tischbein und Canaletto. Wenn er nur wüsste, wie diese Männer malten! Er war sich sicher, auch deren Bilder hervorragend fälschen zu können. Aber dafür brauchte er Farbe. Und Farbe kostete Geld, von der Leinwand und den Birkenholztafeln, von Leinöl und Eigelb, von Pinseln und winzigen Spachteln ganz zu schweigen. Er war so unendlich erschöpft und hoffnungslos, dass er in Kolbes Gesicht aufblickte und laut aussprach, was er seit Jahren schon dachte, aber noch nie zuvor in Worte gefasst hatte. «Ich bin ein Versager, mein Herr. Meine Frau und meine Töchter haben nicht die Butter aufs Brot. Aber das Allerschlimmste ist: Ich sitze hier und trinke Schokolade, dabei wünsche ich mir nichts sehnlicher, als mein Weib und meine Töchter mit Schokolade füttern zu können.»

Kolbe nickte verständnisvoll. «Das kann sich bald ändern. Ich bin ausgesandt, um nach Deutschen zu suchen, die ihr Glück machen wollen.»

Georg merkte auf. «Ihr Glück machen? Was heißt das?»

Kolbe lehnte sich entspannt zurück, hielt aber seinen Blick fest auf Georg gerichtet. «Unsere Zarin hat zwei erfolgreiche Kriege gegen die Türken und die Krimtartaren geführt. Russland ist größer als je zuvor. Doch die neuen Territorien müssen besiedelt werden. Städte sollen entstehen, Handwerker, Bauern, Gelehrte, alle sind uns willkommen. An der Wolga, einem großen Fluss mitten im Reich, werden bereits neue Städte und Dörfer gebaut. Es gibt schon unzählige Kolonien, in denen nur Deutsche leben und arbeiten.»

Georg schüttelte den Kopf. «Verzeihen Sie bitte, mein Herr, aber ich verstehe nicht ganz. Warum sollten Deutsche ihre Heimat verlassen und in Russland leben wollen? Wer tut so etwas?»

«Viele, mein Herr. Sehr viele. Leute wie Sie. Sehen Sie sich doch um. Das Land liegt am Boden. Überall brodelt es, Kriege werden befürchtet. Dazu die Hungersnöte und Teuerungen der letzten Jahre, der Mangel an Männern, die Revolution im Nachbarland. Wir in Russland dagegen haben nichts zu befürchten. Unsere Erde ist so fruchtbar, dass wir den Ertrag gar nicht allein verwerten können.» Er beugte sich näher zu Georg und fuhr fort: «Wir haben so viel Land, dass wir jedem Kolonisten dreißig Desjatinen schenken, dazu hundertfünfzig Rubel, das ist ein durchschnittliches Jahresgehalt am Zarenhof in St. Petersburg. Wir garantieren die Ausübung jedweder Religion und verzichten für dreißig Jahre auf alle Steuern und Abgaben. Schon viele sind bei uns zu Reichtum und Wohlstand gekommen. Sie könnten zu ihnen gehören.»

Kolbe lehnte sich zurück und wartete auf Georgs Reaktion.

«Für jeden Land und Geld, um ein eigenes Haus zu bauen?», fragte Georg, der die Begriffe Rubel und Desjatinen noch nie gehört hatte, nach.

«Nein, mein Herr. Das Haus gibt Ihnen die Zarin obendrein. Dazu noch eine Kuh oder zwei Schweine sowie Saatgut. Sind Sie aber ein Handwerker, so erhalten Sie eine Werkstatt und die nötigen Werkzeuge.»

Georg kratzte sich am Kopf, spitzte die Lippen, zwirbelte seinen Bart, rieb sich am Kinn, rutschte auf dem Stuhl hin und her. «Ich bin kein Bauer, mein Herr, und ich bin auch für die Landwirtschaft nicht geeignet. Ein Maler bin ich, ein Künstler.»

«Auch Künstler werden gebraucht. Gerade Künstler. Die Zarin wird Ihnen eine Werkstatt zur Verfügung stellen, dazu Farben, Pinsel und alles, was Sie sonst noch brauchen. Glauben Sie mir, unser Land lechzt geradezu nach Kunst und Schönheit.»

Georg kniff die Augen zusammen. «Und was muss man dafür tun?»

«Nichts», erwiderte Kolbe. «Gar nichts. Nur in Russland leben und das eigene Gewerk ausüben. Sehen Sie, mein lieber Herr, unser Reich ist riesig. Uns fehlen Menschen, die das gewaltige Land bestellen, bewirtschaften und mit Leben füllen. Deshalb hat die Zarin Werber ausgesandt, von denen ich einer bin. Sagen Sie selbst, ist die Vorstellung vom eigenen Haus, eigenen Gewerk und eigenen Land nicht angenehm? Könnten Sie hier so viel Eigentum in so kurzer Zeit anschaffen?»

Er wartete, aber Georg antwortete nicht. Er war in Grübeleien versunken, die Nase gekraust, die Stirn faltig. «Und die Reise selbst? Wer bezahlt die?»

Kolbe breitete die Arme aus. «Zerbrechen Sie sich darüber nicht den Kopf. Ich werde schon in der nächsten Woche einen Transport zusammenstellen. In Gesellschaft reist es sich besser.»

«Wie lange dauert denn die Reise?» Georgs Wangen hatten sich ein wenig gerötet.

«Es geht in Kutschen über Land bis nach Lübeck. Von dort mit dem Schiff über das Meer nach St. Petersburg und hernach bis nach Nowgorod. Den letzten Teil der Reise bis nach Saratow werden wir – je nach Witterung – entweder in Kutschen oder auf Lastkähnen zurücklegen. Das alles dauert zwar ein paar Monate, doch wir übernehmen alle Kosten. Es wäre allerdings besser, ein wenig Hausrat mit in die neue Heimat zu nehmen: Töpfe, Kupferpfannen, Deckbetten. Es gibt noch nicht alles in den neu besiedelten Gegenden. Und, was meinen Sie? Käme das für Sie in Frage?»

Georg schluckte. Die Heimat verlassen? Nun, hatte die Heimat nicht ihn schon vor langer Zeit verlassen? Weder schätzte sie seine Kunst, noch half sie ihm, die Zukunft seiner Familie zu sichern. Er wollte doch nur, dass seine Frau und seine Töchter ein Auskommen hatten, dass es ihnen gut ging, dass sie niemals mehr hungern, frieren oder fliehen mussten. Wenn in Russland alle Deutschen Kolonisten waren, dann waren alle gleich. Und frei waren sie ohnehin. Freiheit und Gleichheit. Und Schokolade für alle.

«Gibt es in Russland Schokolade?», fragte Georg, dem Schokolade in diesem Moment ein Sinnbild war für Reichtum, ein Sinnbild für ein gemütliches Heim, in dem die Familie beieinandersaß und am Abend ohne Sorgen zu Bett gehen konnte.

«Schokolade?» Kolbe zog die Stirne kraus. «Was für eine Frage! Die meisten Kolonisten wollen wissen, was man an der Wolga anbauen kann, ob es wilde Tiere gibt, welches Klima dort herrscht, ob die Häuser bequem sind und ob schon Kirchen errichtet wurden. Des Weiteren möchten sie erfahren, ob die Zarin sie zum Kriegsdienst fordern kann, ob Russisch leicht zu lernen ist und ob die Kalmücken, die wilden und barbarischen Steppennomaden, wirklich so gefährlich sind. Und Sie fragen nach Schokolade?»

Im Stillen gab Georg dem Mann recht, er wusste ja selbst nicht genau, warum ihm Schokolade für Ilse plötzlich als das Wichtigste auf der Welt erschien. Aber so war es nun einmal. «Gibt es sie, oder gibt es sie nicht?»

«Nun», erwiderte Kolbe und kratzte sich am Kopf. «Ob es dort, wo Sie sich niederlassen werden, Schokolade gibt, weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass Sie immer so viel Geld hätten, um jeden Tag Schokolade trinken zu können. Und in Petersburg sind die Kaffeehäuser um einiges prächtiger als hier.»

Georg stand auf, zog feierlich seinen Rock zurecht und reichte Kolbe über den Tisch hinweg die Hand. «Abgemacht!», sagte er, und Kolbe erwiderte den Händedruck fest.

Viertes Kapitel

«Wir gehen nach Russland», erklärte Georg wenig später seiner Frau und seinen Töchtern und klatschte dabei in die Hände. «Ich bekomme eine eigene, gut ausgestattete Werkstatt, 150 Rubel und Aufträge in Hülle und Fülle. Aber das ist noch nicht alles! Außerdem leben wir für dreißig Jahre steuer- und abgabenfrei in einem eigenen kleinen Häuschen. Na, was sagt ihr nun?»