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Anne West

Gentle Bondage

und andere musikalische schmutzige Geschichten

Knaur e-books

Inhaltsübersicht

Über Anne West

Anne West ist das Pseudonym der Hamburger Publizistin Nina George, geboren 1973. Seit 1992 arbeitet sie als freie Journalistin, Dozentin und Autorin von Reportagen, Kolumnen, Sachbüchern, Krimis und Romanen. Mit ihren charmanten Büchern rund um Sexualität, Liebe und Partnerschaft gehört Anne West zu den erfolgreichsten deutschsprachigen Erotika-Autorinnen.

www.annewest.de

Impressum

© 2014 der eBook Ausgabe by feelings – emotional eBooks

© Knaur Taschenbuch 2004, 2009 und 2010.

Ein Unternehmen der Droemerschen Verlagsanstalt

Th. Knaur Nachf. GmbH & Co. KG, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.

Covergestaltung: ZERO Werbeagentur, München

Coverabbildung: © FinePic®, München

ISBN 978-3-426-42688-3

Gentle Bondage

Es ist nur diese Geste: Seine beiden Hände, ausgestreckte Finger, sie nähern sich wie zum Gebet, berühren sich jedoch nicht. Es ist die erste Position, die ein Bondage-Schüler lernt. Es ist ein unheiliges Gebet: Fessle mich. Dein Wille geschehe. Führe mich in Versuchung. Vergib mir meine Sünde.

Nur diese Geste, so beiläufig für die anderen, die um uns herum stehen, die Männer tragen Smokings, Lackschuhe und ihr Kulturgesicht, die Frauen Abendroben und lange Handschuhe, in denen ihre Schultern nackter als nackt aussehen, sie sehen so aus, als wären sie vor langer Zeit erobert worden und trügen es sich selber nach. C. lehnt sich auf den Tisch, legt die Finger fast zusammen, sieht mich an, während er weiter über Opern und Wagner mit den Kulturgesichtern spricht, aber erbittet mit seinen Händen doch nur das eine: Fessle mich. Fick mich. Nimm mich. Schlag mich, wenn du willst, aber vor allem: Fessle mich.

Und ich werde es tun. Noch einmal.

 

Als es begann, begann es wie jedes verbotene Spiel. Ein Mann, eine Frau, Blicke, drei Champagner, die Nacht, die sich blaugrau über den Tag wölbte, etwas, was zu brennen begann, die Körper unter den Kleidern hatten längst alles verhandelt; eine ruinöse Kombination.

Und wieder: Smokings, Abendroben, Zauberflöte; die Königin der Nacht trug Lackstiefel und Korsett, Papageno enge Hosen und zeigte sich brustfrei, das Publikum war erregt, aber nicht zu sehr. Ein Tresen wenige Schritte durch das Blaugrau gewährte uns Asyl, wir waren uns fremd, das Sie wie ein Schutz. Sein Anzug saß an den richtigen Stellen, meine Lack-High-Heels spiegelten die Blüte zwischen meinen Schenkeln, wenn ich ganz still stand. C. hat einen perfekten Mund und Augen, die seine Phantasien verraten, und in seinen Phantasien sah ich mich.

Dann meine Frage, als ob der Verstand noch etwas damit zu tun hätte: »Wollen Sie nur mit mir schlafen, oder wollen Sie ein Verhältnis?«

Er fasste sich schnell. »Ich will mit Ihnen ein Verhältnis.«

»Bevor ich darüber nachdenke, eine andere Frage: Schlafen Sie noch mit Ihrer Frau?«

Er bejahte, ich dachte nach, ich schämte mich nicht der Stille, die er nur mit seinem Hoffen zu füllen wusste. Ich antwortete: »Das zweite Mal entscheidet über die Fortsetzung.«

Das sage ich meist zu verbotenen Männern, die mich finden, sie suchen die ungezogene Frau, sie wollen mit ihr nicht leben, nur an das Leben erinnert werden. Das weiß ich immer, bevor sie es wissen.

Ich bin eine weiße Tigerin. Wir sind jene Frauen, die die Männer nur für die Lust in ihr Leben lassen, sie sind unsere grünen Drachen; und manche, die weißen Drachen, lieben wir von Zeit zu Zeit von Herzen. Aber wir sind letztlich uns selbst treu und niemals eine Frau für nur einen Mann. Ein geheimer Verbund, der seit Jahrtausenden besteht, im Schatten, unser Offenbaren wäre nicht gern gesehen in dieser Welt. Doch es gibt uns, wir sind ohne einen Gebieter, die Liebe bindet uns nur kurz, und wir erkennen die Suchenden.

 

Das erste Mal war damit verabredet, ich bestimmte das Hotel, und als es einige Nächte später passierte, war es rauh, hungrig und auch weich und elegant; es war so wie bei den meisten Paaren, die sich einander das erste Mal erobern. Ein Kommen und Gehen der Wellen, erst bedächtiges Tasten, Knopf für Knopf, dann rasendes Zerren, um fremde Haut auf fremde Haut zu drücken.

Ich mochte, wie er roch. Wie sein Körper reagierte, wenn ich ihn berührte, dass er stöhnte und sein Blick mir verriet, dass er in meinen Augen ertrinken wollte. Und ich mochte seinen Schwanz, er lag gut in der Hand, seine Spitze ein hübscher, fester Helm, der vor Sehnsucht zuckte und violett zwischen meinen schwarz eingelederten Fingern glänzte.

Ich behielt die Lackstilettos an, die halterlosen, champagnerfarbenen Strümpfe mit dem schwarzen Spitzensaum auch, und die schwarzen Lederhandschuhe zog ich erst im allerletzten Moment aus. C. ist einer von den Männern, die das alles entzückt. Daran merkte ich, dass er ein Spieler ist. Und auch daran, wie er die Kunst der Pausen beherrschte. Eine Zäsur, zwei, drei Herzschläge lang. Bevor er etwas tat. Während er etwas tat, um mir Gelegenheit zu geben, es erneut zu erbitten, zu erflehen. Zu fordern. C. ist ein Dramaturg der Lust.

Ein Blick, bevor er über die Schwelle des Hotelzimmers trat. Ein Innehalten vor meinem Mund, bevor er ihn in Besitz nahm. Ein Griff, mit dem er mir den Kopf hochriss, damit ich im Spiegel des Zimmerflurs sehen konnte, wie er in mir ist, bewegungslos verharrend, seine Lenden an meinem Arsch, eine Hand um meine Brust. Ein Aussetzen seiner Fickbewegungen, bevor er meine Beine hochstemmte und die Absätze der Lackstilettos gegen seine Brust presste. Diese Zäsur, diese Synkope, das können nur die Spieler, weil sie wissen, dass sich durch eine Kunstpause die Spannung erhöht; ähnlich wie bei einem orchestralen Schlussakkord. Um zu schreien, muss man Luft holen.

 

Es gibt zwei Kategorien von Liebhabern, von grünen Drachen. Die Spieler, wie C. einer ist, und die Stiere. Die Stiere stürzen sich auf das Wesentliche wie ein rotes Tuch, unermüdlich, kraftvoll, oft über Stunden, sie lassen nicht nach, und manchmal ist es genau das, was ich will und was ich brauche. Nur das eine, keine Pause, nicht für die Kunst, nicht für die Lust, nicht, um Atem zu holen, nicht, um sich anzusehen, nur Schwanz, der in seiner gedankenlosen Gleichmäßigkeit zustößt, frei von Raffinesse, Vorspiel oder irgendeinem Spiel.

Aber an die Spieler erinnere ich mich länger.

Und von C. habe ich etwas gelernt, das ich nie vergessen werde.

 

Zwischen dem ersten und dem zweiten Mal, da ich darüber entscheiden würde, ob ich zu einer Fortsetzung bereit wäre, kam die Zeit der Verhandlungen. Wir führten sie im Dunkel der Stuhlreihen, diesmal Gustav Mahler. Immer nur ein Vorschlag, und der andere besiegelte den Pakt oder lehnte ihn ab. Wir sahen uns nicht an dabei, wir sahen nach vorne, dann beugte sich einer zu dem Ohr des anderen und atmete sein Angebot hinein. Leiser als ein Flüstern. Unsere Knie berührten sich nicht. Ich mag seine Stimme, sie hütet etwas Kehliges. Er mag, dass ich wie eine Lady aussehe und wie eine spreche. Meistens.

Ich begann mit dem Spiel, als das Finale von Mahlers Dritter ansetzte, der zärtliche Streichersatz, und eröffnete sacht, rührend dezent, als die Violinen mich übertönten, mit »Schwarze Wäsche?«.

»Grün.«

Grün ist gut, ist: will ich. Gefällt mir. Macht mich an.

»Augen verbinden?«, er erhöhte den Einsatz sprunghaft.

»Grün«, antwortete ich. Wir schwiegen den leisen Part von Mahler hindurch, die Flöte seufzte, klagte, eine Sehnsucht nach Erlösung, ich sah mich in schwarzer Wäsche und mit verbundenen Augen und wie C. um mich herumging und ich ihm meine Brüste kühl zum Kuss entgegenhob; er würde sich Zeit lassen, vor mir stehen und mich warten lassen, dann, die Flöte versank, hineinbeißen.

»Rotes Leder und darunter nichts?«, fragte ich, als sich vor mir das Forte erhob, das Thema erneut aufgenommen wurde.

Sein »Grün« kam gestöhnt. Ich erinnerte mich an das rote Lederkleid, das ich bisher nie getragen hatte. Und die roten Lederhandschuhe.

»Kerzenlicht?«

Was sah er, schimmernde Feuchte im Kerzenlicht, hielt er die Flamme näher ran, um alles zu sehen, alle Schattierungen der Farbe Rot?

Mein Lächeln schimmerte grün.

»Stiefel, Ihren Schwanz hart blasen, die Eier auslutschen bis zum Schluss, Sperma auf dem Busen?«

Hinter uns ein Mann, der das konzertante meiner leisen Lippenbewegungen zu verstehen schien.

C.s Blick schrie mich an: Grün! Verdammt noch mal, grün!

»Tränen?«, schenkte er mir retour, er sah zum Dirigenten dabei.

Manchmal habe ich geweint nach einem Orgasmus, der mich aus mir selbst herausschleuderte. Tränen. Ja. Grün.

»Bisse?«

Er nickte. Langsam. Als ob er innerlich die Stellen aufzählte, an denen er gebissen werden wollte, und auch all jene an meinem Körper.

Wir gaben der Musik Raum, und ich begann zu schwitzen unter den Brüsten, wie immer, wenn sich Mahlers Dritte ihrem Ende nähert, wenn Mahler in den letzten Takten die Pauke wie in einer Rudergaleere schlagen lässt.

Und dann stieß C. es hervor.

»Bondage.«

Ich fühlte, wie er mich ansah, es zählten nicht die achthundert Menschen um uns, ich sah in seinem Blick, er fürchtete sich vor dem »Rot«, vor dem »Nein, auf keinen Fall, niemals, ich verachte Sie«, und auch das »Gelb«, das »Ihnen zuliebe, nun gut, aber nehmen Sie es nicht zu ernst, es findet nicht meinen Gefallen.«

Seine Augen wie zwei Tunnel, dunkel, und es war die Haltung seines Munds, die verriet, wie sehr er sich verflucht fühlte von seinem Verlangen nach Fesseln.

Mein Puls klopfte im Gaumen. Bondage. So, wie C. es sagte, klang es nicht nach Handschellen, die jeder von uns unbenutzt im Nachttisch liegen hat. Es klang nicht nach Seidenschals, mit denen die Hände ans Bett gefesselt werden, so sanft, so nett. Es klang nach mehr, als nur in X-Form auf das Laken gebunden zu werden. So wie er Bondage