Das Liebeskummer-Buch für Männer

Geschichten und Tipps

von

Silvia Fauck

in Zusammenarbeit mit Sabine Barz

Silvia Fauck

Hohenzollerndamm 199

10717 Berlin

fauck@silvia-fauck.de

030. 86 31 31 00

Ich widme dieses Buch

Werner, dem Vater meiner wunderbaren Töchter

Einleitung

Wie gehen Männer mit ihrem Liebeskummer um? – Nachdem ich selbst mehr als drei Jahre meines Lebens damit verbrachte, über eine schmerzhafte Trennung hinwegzukommen, habe ich in den letzten Jahren immer mehr Männer kennengelernt, die sich mit ihrem Liebeskummer an mich gewandt haben.

Während meiner eigenen Trauerzeit ist es mir nicht immer ganz leicht gefallen, Männer (den Feind) als normale und gefühlvolle Menschen wahrzunehmen. Meine Arbeit war damals der Retter in der Not. Ich habe versucht, meinem Schmerz zu betäuben, und mich nur noch um den Aufbau meiner Praxis gekümmert. Und gerade durch meine männlichen Klienten habe ich gelernt, genau hinzuschauen und die Dinge auch aus ihrer, der männlichen Perspektive zu betrachten. Dabei habe ich festgestellt, dass Männer in der Regel zunächst überhaupt nicht über ihren Liebeskummer sprechen. Manchmal vertrauen sie sich noch nicht einmal dem besten Freund an, sondern gehen stattdessen still leidend mit ihm zum Sport, um sich abzulenken. Liebeskummer bedeutet für viele Männer in erster Linie Schwäche. Und nach meiner Erfahrung will kein Mann schwach sein. Deshalb erlaubt er sich auch nicht, zu trauern. Erst wenn der Leidensdruck enorm groß ist, kommen Männer auf die Idee, sich professionelle Hilfe zu holen. Und auch das tun sie nicht selten heimlich – oder auf massives Drängen der besorgten Angehörigen.

Frauen hingegen brauchen in solchen Situationen Austausch. Sie erzählen ihren Freundinnen, ihren Müttern, ihren Arbeitskolleginnen und manchmal selbst der Verkäuferin im Supermarkt, dass sie verlassen wurden, dass sie leiden, dass sie nicht mehr ein noch aus wissen. Und: Sie schließen schnell von sich auf andere. Das Schweigen der Männer erscheint ihnen so unvorstellbar, dass sie daraus nicht selten falsche Schlüsse ziehen. Wer nicht spricht, ist offenbar gefühlsmäßig vollkommen unbeteiligt, leidet nicht und interessiert sich auch nicht für sein Gegenüber.

Ich kann heute aber mit Gewissheit sagen: Auch Männer leiden – und wie! In meiner Praxis zeigen sie es und verbrauchen dabei übrigens weitaus mehr Taschentücher als die meisten Frauen, die zu mir kommen.

Mit diesem Buch möchte ich Männern zeigen: Liebeskummer ist kein Makel, den man um jeden Preis vor anderen verbergen muss. Vielen Männern geht es ähnlich wie Ihnen, das offenbaren die Geschichten in Teil I dieses Buches. Und ganz gleich, in welcher Situation diese Männer sich befanden, sie haben schließlich einen Weg gefunden, ihre Trauer zu überwinden und wieder neue Lebensfreude zu finden.

Die fünfundzwanzig in diesem Band versammelten Geschichten vom Liebeskummer sollen einerseits Balsam für Ihre geschundene Seele sein und Ihnen andererseits konkrete Ratschläge an die Hand geben, wie Sie es schaffen können, aus diesem momentanen Tief wieder herauszukommen.

Die »Fälle«, die ich für das Buch ausgewählt habe, skizzieren die große Bandbreite des Liebesleids der Männer. So handeln die Geschichten der Rubrik »Plötzlich ist sie weg!« von Männern, die von Jetzt auf Gleich verlassen wurden, ohne dass sie vorher das geringste Anzeichen für Risse in der Beziehung wahrgenommen hatten. Nicht eben besser ergeht es den Männern in »Belogen und betrogen«. Sie müssen sich nicht nur mit ihrem Trennungsschmerz auseinandersetzen, sondern auch noch mit der Tatsache, dass sie über einen längeren Zeitraum hinweg systematisch hintergangen wurden. Und neuerdings immer häufiger kommen Klienten zu mir, die nach einer sehr kurzen Beziehung von zwei oder drei Monaten verlassen wurden und genauso sehr leiden wie nach einer zwanzigjährigen Ehe. Zwei solcher Geschichten lesen Sie in der Rubrik »Kurz, aber heftig«.

Etwas anders gelagert sind die – nicht minder typischen – Beispiele, in denen ein Mann sich zwischen zwei Frauen nicht entscheiden kann. Was von außen betrachtet vielen Männern wie das große Glückslos erscheint, ist, wie die Geschichten unter »Mann zwischen zwei Frauen« zeigen, in Wirklichkeit für die Akteure oftmals eine regelrechte Qual. Die andere Seite der Medaille, nämlich der Geliebte einer verheirateten Frau bzw. einer Frau in fester Partnerschaft zu sein, ist allerdings keineswegs verlockender, wie Sie in den Geschichten der Rubrik »Ich bin nur der Geliebte« nachlesen können.

Eine zusätzliche Schwierigkeit kommt hinzu, wenn es sich bei der (heimlichen) Liebschaft auch noch um eine Arbeitskollegin handelt. Als »Sex im Büro« beginnt es meist aufregend und abenteuerlustig, geht in 95 Prozent der Fälle jedoch nur wenige Wochen später nach hinten los. Die Verzweiflung ist dann umso größer, wenn man(n) das Objekt der Begierde auch noch täglich vor Augen hat.

Eine Gemeinsamkeit, die viele Männer verbindet, die in meine Praxis kommen, ist die Angst vor der Veränderung. »Der Mann, der sich nicht traut« hat häufig bereits jahrelang gelitten, bevor er schließlich feststellt: So kann es einfach nicht weitergehen – ich muss mein Leben jetzt verändern. Und auch hierzu gibt es ein Pendant: »Der einsame Mann«, der eine Veränderung will, aber nicht weiß, wie er es anstellen soll.

Nicht zuletzt kommen Männer zu Wort, in deren Geschichten Frauen gar keine Rolle spielen: »Von Mann zu Mann« lautet die Überschrift, unter der zwei Liebeskummergeschichten von schwulen Männern erzählt werden.

Jede dieser Geschichten ist einzigartig. Genauso einzigartig, wie es mit Sicherheit auch Ihre Geschichte ist. Dennoch hoffe ich, dass Sie vielleicht den einen oder anderen wertvollen Tipp aus der Lektüre gewinnen und Sie sich mit diesem Buch wenigsten für ein paar Stunden aus Ihrem gedanklichen Teufelskreis befreien können.

Eine kleine Hilfe zur Selbsthilfe für liebeskummergeplagte Männer bieten die beiden Exkurse in Teil II. Der Experte Berend Breitenstein zeigt in seinem Beitrag »Mit Fitness und Ernährung gegen den Liebeskummer« Möglichkeiten auf, wie Sie Ihre Stimmung in dieser schwierigen Zeit durch spezielle Lebensmittel und mit viel Bewegung gezielt verbessern können. In »Der Mann im Liebeskummer – eine Einschätzung aus medizinisch-psychiatrischer Sicht« klärt der Psychiater Jörg Weingärtner Sie darüber auf, wann Liebeskummer zur echten Krankheit wird und in welchen Fällen es unbedingt notwendig ist, einen Arzt aufzusuchen.

In Teil III möchte ich Ihnen einige handfeste Antworten zum Thema Liebeskummer geben: »Wie kann ich sie endlich vergessen?«, »Macht Liebeskummer krank?«, »Wann hört der Schmerz endlich auf?« – um nur einige der drängendsten Fragen zu nennen, mit denen die Patienten täglich in meine Praxis kommen. Vielleicht kann ich Ihnen damit bereits erste Anhaltspunkte geben, sich selbst und Ihre (Ex-)Partnerin besser zu verstehen. Und als kleines Bonbon obendrauf: Was wünschen sich Frauen von Männern? Und was wünschen Männer sich von Ihrer (potenziellen) Frau? Die Ergebnisse einer Umfrage in der Liebeskummer-Praxis gibt es kurz zusammengefasst am Ende dieses Buches.

Allen Lesern mit akutem Liebeskummer möchte ich noch etwas Wichtiges mit auf den Weg geben. Mit der Lektüre dieses Buches tun Sie bereits einen wichtigen Schritt auf dem Weg, Ihren Kummer zu überwinden: Sie beschäftigen sich aktiv mit Ihren Gefühlen und geben Ihrer Trauer auf diese Weise Raum. Bleiben Sie dran! Öffnen Sie sich Ihren Mitmenschen ein wenig – Sie werden feststellen, dass sehr viel Verständnis und Unterstützung auf Sie warten und wie Ihnen das helfen wird, aus dem Tal der Tränen herauszukommen. Auch Gespräche mit einem Coach oder einem Psychologen können Sie dabei unterstützen, die eigenen Gefühle und Gedanken zu sortieren. Probieren Sie es einfach mal aus – Sie haben dabei doch nichts zu verlieren.

Die unterschiedlichen Geschichten, die Männer in den vergangenen Jahren meiner Praxis in Berlin und Hamburg bearbeitet haben, bilden die Basis für die Fälle, von denen ich in diesem Buch erzähle. Für ihr Vertrauen und die Einblicke, die sie mir in ihr Gefühlsleben gewährt haben, möchte ich meinen Klienten von ganzem Herzen danken!

Ein ganz besonderer Dank gilt meinem Freund Nils, der mich während der vielen intensiven Gespräche, die wir über seinen Liebeskummer geführt haben, fast zur Verzweiflung gebracht hat. Allerdings wurde mir durch seine totale Offenheit ein noch größerer Einblick in die Welt der Männergefühle eröffnet. Danke.

Teil I

Geschichten und Tipps aus der Liebeskummer-Praxis

Belogen und betrogen

»Er ist für mich nur eine Freundin« – Stefans Geschichte

Eines Tages kommt ein junger, sehr sympathischer Arzt vollkommen aufgelöst in meine Praxis. Nennen wir ihn Stefan und reisen wir fünf Jahre in der Zeit zurück. Stefan ist Mitte 30 und hat kürzlich als Arzt die Praxis eines Kollegen übernommen, der sich in den Ruhestand zurückgezogen hat. Er ist verheiratet und hat einen siebenjährigen Sohn. Alles in allem ist er nicht unzufrieden mit seinem Leben, aber in der Beziehung zu seiner Frau ist die Luft »irgendwie ein bisschen« raus.

Wie der Zufall es will, lernt Stefan auf einer Bahnfahrt zwischen Hamburg und Berlin Andrea kennen – ebenfalls Mitte 30, ebenfalls verheiratet, drei Kinder im Alter zwischen zwei und zwölf Jahren. Bei beiden springt der Funke sofort über. Nach wenigen heimlichen Treffen wissen sie, dass da mehr zwischen ihnen ist. Also trennt er sich von seiner Frau, und Andrea verlässt ihren Mann. Kurz darauf zieht Stefan zu Andrea und ihren Kindern ins Haus. Alle verstehen sich blendend.

In den folgenden Jahren kümmert Stefan sich intensiv um die neue Familie, finanziert teure Urlaubsreisen und übernimmt alle anfallenden Arbeiten am Haus. In der Beziehung gibt es die üblichen Alltagsprobleme, aber eigentlich läuft es ziemlich gut zwischen den beiden, auch im Bett. Stefan ist glücklich in dieser Zeit. – Bis zu dem Abend, an dem Andrea ihm auf die Terrasse folgt. Gerade will er sich dort nach einem langen Arbeitstag eine Zigarette anzünden, da teilt sie ihm kurz und bündig mit: »Das war’s mit uns beiden. Bitte pack deine Koffer und geh.«

Tatsächlich rafft Stefan, völlig vor den Kopf geschlagen, ein paar Sachen zusammen und zieht zunächst zu einem Freund. Als klar wird, dass Andrea es mit der Trennung ernst meint, ist Stefan drei Monate lang so am Boden zerstört, dass er sich kaum noch in der Lage fühlt, seinen Alltag zu bewältigen. Er kann nicht mehr schlafen, nicht mehr essen, hat Panikattacken und Durchfall. In seiner Praxis erledigt er nur das Allernötigste. Natürlich macht sich das kurze Zeit später finanziell bemerkbar. In dieser Phase erfährt Stefan auch, warum Andrea die Beziehung beendet hat: Sie ist Kirchenrätin und hat – schon seit mehreren Monaten, wie ihm später schmerzlich bewusst wird – ein Verhältnis mit einem Pastor. Ausgerechnet!

Dann hört er beim Autofahren im Radio von meiner Praxis. Noch aus dem Auto ruft er mich an und vereinbart einen Termin. In den folgenden Sitzungen lässt Stefan seiner Trauer, seiner Wut und seinen Rachegedanken endlich freien Lauf. Er ist empört, dass ein Mann der Kirche, einer, der jeden Sonntag vor der Gemeinde predigt, wie man sich in Beziehungen verhalten soll, einem anderen Mann so skrupellos Frau und Kinder wegnimmt. Ganz unfassbar wird es in Stefans Augen, als Andrea, die von ihrem ersten Ehemann noch nicht einmal geschieden ist, mit ihrem neuen Geliebten eine Verlobungsparty veranstaltet. Er, Stefan, werde diese Geschichte an die Kirchenmauer sprühen und den Pfarrer bei der höchsten kirchlichen Stelle wegen unmoralischen Verhaltens anzeigen!

Um dieser Eskalation entgegenzuwirken, erlaube ich Stefan, mir zu jeder Tages- und Nachtzeit SMS oder E-Mails zu senden. Auf diese Weise hat er eine Adresse für seine Wut und weiß, dass alles, was er schreibt, irgendwo ankommt. Auch die verschiedenen Anzeigen und Beschwerdebriefe, von denen er in meiner Praxis immer wieder spricht, bitte ich ihn, zunächst an mich zu schicken. Ich bestätige ihm immer sofort, dass die entsprechende Mail angekommen ist und dass ich mich damit befassen werde, sobald ich Zeit dazu habe. Das gibt mir Gelegenheit, die Sache ein wenig auf die lange Bank zu schieben. Schließlich schlage ich ihm vor, hier und da noch etwas umzuformulieren. Nachdem Stefan wieder ein bisschen Distanz zu dem Geschriebenen gewonnen hat, besinnt er sich eines Besseren und beschließt, die Briefe doch nicht an die tatsächlichen Adressaten abzuschicken. – Aus meiner Sicht eine kluge Entscheidung.

Was bleibt, ist dennoch eine tiefe Wunde, die nicht nur durch die Trennung selbst aufgerissen wurde, sondern auch durch die Tatsache, dass Stefan sich im Nachhinein aufs Mieseste hintergangen fühlt. Er erinnert sich daran, dass Andrea sich schon monatelang mit dem Pastor regelmäßig E-Mails geschrieben hatte. Auf Stefans Nachfragen hatte sie beteuert: »Ach, da ist nichts, er ist einfach wie eine Freundin für mich.« Als er daraufhin den Pastor am Telefon zur Rede stellt, beteuert auch dieser, er und Andrea seien »nur« Freunde. Heute weiß Stefan, dass beide ihn damals knallhart belogen haben.

In einem seiner Wutanfälle schickt Stefan dann doch ein Einschreiben an Andrea ab und fordert darin die lächerliche Summe von 3.000 Euro dafür, dass durch seine Arbeit und mit seinem Geld das Haus der Ex-Freundin weitreichend saniert und renoviert wurde. Und können Sie sich vorstellen, wer ihm schließlich den Scheck über diese Summe zusandte? Der Pfarrer! Ein weiterer Schlag ins Gesicht des Verlassenen.

Nach einigen Wochen intensiver psychischer Arbeit geht es Stefan endlich besser. Glücklicherweise kann ich ihn auch davon überzeugen, wie wichtig es ist, dass er wieder arbeiten geht, denn viele Liebeskummerpatienten, insbesondere Selbstständige, steuern in ihrem monatelang währenden Leiden häufig direkt auf den finanziellen Ruin zu. Meine Ermunterung, dass Stefan der Ex-Freundin auch eins auswischen kann, indem er seine Praxis wieder richtig ins Rennen bringt, zeigt Wirkung – denn über die finanzielle Unsicherheit durch seine Selbstständigkeit hatte Andrea sich regelmäßig beklagt. So ist also ein erster großer Meilenstein unserer gemeinsamen Arbeit erreicht, und ich muss gestehen, dass ich ein bisschen erleichtert bin.

Aber gleichzeitig weiß ich aus Erfahrung: Liebeskummer verläuft in Wellen, und die nächste Woge kommt bestimmt. Immer wieder macht Stefan zwei Schritte nach vorn und einen zurück, das ist ganz normal. Eines Tages schickt er mir per E-Mail Bilder von Andrea und ruft mich gleich darauf an: »Na, wie finden Sie sie?« – Was soll ich darauf antworten? »Also, ich muss sagen, so mit dem Blick einer Frau: Super Figur«, gebe ich mein Urteil ab. »Aber ehrlich gesagt, sie sieht mir ein bisschen zu ökomäßig aus.« »Ach so, aha«, sagt Stefan, und ich spüre förmlich die Verblüffung auf der anderen Seite der Leitung, denn so hatte er seine Partnerin noch nie betrachtet. »Na, das ist ja mal eine Aussage.«

Bei der nächsten Sitzung trage ich zufälligerweise sehr spitze elegante Schuhe. »So was ziehen also Frauen an, die nicht ökomäßig sind«, lautet Stefans Kommentar. »Der spitze Schuh« ist von da an ein geflügeltes Wort zwischen uns und begleitet den Prozess, in dem Stefan mehr und mehr auf die Füße kommt. Inzwischen ist er bereits in der Lage, seine Beziehung mit Andrea zu reflektieren und kritisch zu hinterfragen. Es kommt sogar zu einem Treffen zwischen ihm und Andreas Ehemann, bei dem Stefan vieles klarer wird. Zum Beispiel, dass der Ehemann auf genau dieselbe Weise von Andrea verlassen wurde wie er selbst – nur dass sie ihm damals eine ganz andere Geschichte auftischte. Für Stefan ist das die tröstende Erkenntnis, dass die plötzliche Trennung keineswegs in seinem eigenen Verhalten begründet ist, sondern offenbar Andreas strukturelles Muster zu sein scheint.

Und noch eine Einsicht bringen unsere Gespräche zutage: Stefan erkennt in dem, was Andrea ihm über den Pastor erzählt hatte, viele Eigenschaften ihres Vaters wieder. Über Letzteren hatte sie früher jedoch immer hemmungslos gemotzt und gemeckert. Das bringt Stefan noch weiter auf den Teppich zurück, denn wenn er eines niemals sein wollte, dann ist es die Vaterfigur für seine Partnerin.

Der leidvolle Weg, den Stefan über mehrere Monate hinweg gegangen ist, hat glücklicherweise auch positive Begleiterscheinungen. Nach der Trennung von Andrea finden er und sein leiblicher Sohn wieder näher zueinander. Auch mit seiner Ex-Frau versteht er sich heute viel besser als während der Jahre mit Andrea.

Einige Monate, nachdem wir die gemeinsame Arbeit abgeschlossen haben, erhalte ich von Stefan eine E-Mail mit dem Text: »Liebe Frau Fauck, ich kann gar nicht richtig beschreiben, was passiert ist. Jedenfalls ist meine vorsichtige Annäherung an die Dame seit Ostern ein Volltreffer. Sie ist 36, ungebunden, sportlich, spitze Schuhe, sinnlich. Sie strahlt eine unheimlich positive Ruhe aus, und das tut mir gut. Frau Fauck, das ist Ihr Ding, Sie haben mir dazu verholfen. Ich hätte mich sonst nie getraut … Also: Wann hole ich Sie zum Drink ab?«

Ein schönes Happy End – oder sollte man besser sagen Happy Beginning?

Meine Einschätzung zu dieser Geschichte

Stefans Geschichte hat mich vor allem deshalb so berührt, weil er unter der Trennung sehr gelitten hat. Er selbst war seiner Freundin immer treu und hat keine Sekunde lang daran gedacht, eine andere Frau anzugucken. Bei all den Geschichten, die ich in meiner Praxis täglich höre, ist das selten genug. Häufig ist es der Mann, der sich eine neue Freundin sucht und sich so abrupt von seiner bisherigen Partnerin trennt. In diesem Fall war es umgekehrt. Auch damit, dass Stefan sich in unseren Gesprächen immer sehr um die Kinder seiner Ex-Freundin sorgte, übernahm er den traditionell eher weiblichen Part.

Menschen, die ähnliche Erfahrungen wie Stefan machen oder gemacht haben, rate ich:

Belogen und betrogen

»Du kannst ja noch nicht mal deine Frau ernähren!« – Karstens Geschichte

Karsten hielt sich selbst bis vor kurzem noch für glücklich verheiratet. Als er mich vollkommen aufgelöst anruft, ist dieses Bild gerade massiv ins Wanken geraten. Seine Geschichte ist ein Beispiel par excellence dafür, dass auch Frauen gnadenlos sein können. Wenn Sie ein verlassener oder betrogener Mann mit Liebeskummer sind, wird diese Story Wasser auf Ihre Mühlen sein.

Karsten ist selbstständiger PR-Berater und führt seit kurzem eine eigene PR-Agentur in Köln. Der Schritt aus einem gut bezahlten Angestelltenjob in die Selbstständigkeit ist ihm zwar nicht leicht gefallen, aber gleichzeitig erfüllt er sich damit einen lang gehegten Karrieretraum. Inzwischen läuft die Agentur immer besser, und nach und nach kann Karsten seinen Eltern das Geld zurückzahlen, das sie ihm als Startkapital geliehen haben.

Karstens Frau Christine arbeitete jahrelang als Redakteurin für eine Fernsehsendung, die in Köln produziert wird. Durch einen Zufall kam es dazu, dass sie selbst eine Sendung moderierte, und vollkommen überraschend kann sie sich nun vor weiteren Fernsehangeboten kaum noch retten.

Als die erste Sendung läuft, bei der Christine im Fernsehen zu sehen ist, köpfen sie und Karsten eine gute Flasche Champagner und feiern ausgelassen in aller Zweisamkeit. Doch je mehr Christines neue Karriere Formen annimmt, desto größer wird die Kluft zwischen den beiden. Immer tiefer taucht sie in die Glamourwelt des Fernsehens ein und immer verächtlicher behandelt sie ihren Mann. Sie hält sich an keine Absprache mehr, kommt abends oft erst um 23 Uhr nach Hause und meckert Karsten am nächsten Morgen an, dass er nachts angeblich so laut geschnarcht habe. Überhaupt kommt plötzlich eine zickige Ader an ihr zum Vorschein, von der Karsten in all den Jahren zuvor noch nie etwas bemerkt hatte.

»Du bist ja noch nicht einmal in der Lage, deine Frau zu ernähren«, wirft sie ihm schließlich vor und lässt demonstrativ Quittungen von Schuhen oder Handtaschen herumliegen, die ein halbes Vermögen gekostet haben.

Karsten nimmt sich diese Vorwürfe sehr zu Herzen. Deshalb überrascht er Christine kurze Zeit später mit einem Kurzurlaub in Paris, wo beide endlich einmal wieder schöne, harmonische Tage miteinander verbringen. Dort kauft er ihr auch die netten kleinen Dessous, in die sie sich bei einer Shoppingtour sofort verguckt hat, was auch in das Sexleben der beiden wieder mal ein wenig Feuer bringt.

Zurück in Köln steht für Christine eine Reise zu einer Produktion in Hamburg an. Als Karsten sie zufällig im Schlafzimmer beim Kofferpacken antrifft, sieht er, wie sie gerade die neue Reizwäsche in ihrem Koffer versteckt. Karsten macht dieser Umstand ein wenig stutzig – was will seine Frau mit dieser Wäsche auf einer Dienstreise? Er hatte eigentlich gedacht, dass der Anblick seiner Frau in Unterwäsche ihm als Ehemann vorbehalten wäre … Trotzdem sagt er zunächst nichts, denn er will die gute Stimmung der Pariser Tage nicht gleich wieder zunichte machen.

Als Christine jedoch drei Tage später von der Reise nach Hause kommt, bemerkt er, dass sie eben diese Dessous unter der dünnen weißen Bluse trägt. Am Abend desselben Tages kommt es aber noch krasser: Normalerweise sieht Karsten nichts Problematisches daran, sich gleichzeitig mit seiner Frau im Bad aufzuhalten. Immerhin gibt es dort zwei Waschbecken, und häufig putzen sich beide gleichzeitig die Zähne oder machen sich für die Arbeit fertig. Heute jedoch faucht Christine, die sich gerade ausgezogen hat, ihn an: »Kannst du nicht warten, bis ich hier fertig bin? Tu mir den Gefallen und mach die Tür von außen zu!«

Da wird es Karsten dann doch zu bunt und er wendet sich an mich, um sich Unterstützung zu suchen. »Glauben Sie, meine Frau hat einen anderen?«, fragt er mich verunsichert. Nach allem, was ich von Karsten bis jetzt gehört habe, muss ich leider sagen, dass alles darauf hinweist. Wenn eine Frau a) Reizwäsche mit auf die Dienstreise nimmt und b) plötzlich nicht mehr will, dass ihr eigener Ehemann sie nackt sieht, klingt das ganz danach, dass sie in einen anderen verliebt ist.

Karsten folgt daraufhin meinem Rat und spricht Christine offen auf das Thema an. Sie fällt jedoch aus allen Wolken: Wie er denn bitteschön darauf käme? Das wäre ja eine Unverschämtheit! – Und dann folgt noch eine ganze Tirade weiterer Vorwürfe. In dem heftigen Streit, der an diesem Abend entbrennt, erklärt Christine ihrem Mann, sie sei es leid, dass er ihr nichts bieten könne und dass er jeden Abend so abgearbeitet nach Hause käme. Außerdem sei es eine Zumutung, dass sie nach einer derart heftigen Woche offenbar auch noch einkaufen gehen müsse, weil er es nicht auf die Reihe bekomme, den Kühlschrank zu füllen. Kurzum: Sie habe sich sowieso überlegt, dass sie ausziehen wolle, weil sie es mit ihm einfach nicht mehr aushalte.

Spätestens zu diesem Zeitpunkt ist Karsten wirklich massiv misstrauisch und bekommt kurze Zeit später heraus, dass Christine bereits seit vier Monaten über einen Makler eine Vier- bis Fünf-Zimmer-Eigentumswohnung in Köln sucht. Jetzt ist sein Vertrauen in sie dermaßen zerstört, dass er kaum noch ihre Gegenwart erträgt. Wie konnte sie ihn so hintergehen? Und wie es scheint, hat sie ihn auch von Anfang an angelogen, denn es ist wohl ziemlich unwahrscheinlich, dass sie die neue Wohnung allein beziehen will. Offenbar sind die Dinge mit dem mysteriösen neuen Liebhaber bereits so weit vorangeschritten, dass die beiden sogar planen, zusammenzuziehen.

Zu dieser Zeit erhalte ich auch einen Anruf von Karstens Vater. Er und seine Frau machen sich Sorgen um ihren Sohn, erklärt er mir. Karsten habe ihnen gegenüber nun schon zum zweiten Mal gesagt, es sei doch das Beste, wenn er seinem Leben ein Ende machen würde. Daraufhin ermahne ich Karsten bei unserem nächsten Telefonat, unbedingt einen Arzt oder Psychiater aufzusuchen, der ihm zusätzlich zu unseren Gesprächen alle nötige medizinische Hilfe gibt.

Als Karsten dann drei Wochen später seelisch wieder etwas stabiler ist, bitte ich ihn, sich zu überlegen, ob es für ihn nicht besser wäre, Christine aufzufordern, aus der gemeinsamen Wohnung auszuziehen. Doch Karsten traut sich nicht, diesen Schritt zu tun. Wenn er Christine nun zu unrecht beschuldigt und es gibt gar keinen anderen Mann? Hätte er dann überhaupt das Recht, seine Frau einfach vor die Tür zu setzen?

Noch zwei weitere Male spricht Karsten das Thema Christine gegenüber an – und beide Male streitet sie ab, dass es irgendeinen anderen Mann gibt. Gleichzeitig findet er immer neue Indizien für seine These und kommt sich schon schizophren vor, weil seine Frau ihm vorwirft, er sei ja total paranoid.

»Wenn Sie unbedingt einen Beweis brauchen, dass Sie Recht haben, damit Sie Ihre Frau bitten können, auszuziehen, dann müssen Sie diesen Beweis irgendwie besorgen«, sage ich schließlich, weil wir anders offenbar nicht weiterkommen. »Entweder Sie prüfen selbst nach, ob es stimmt, was Sie denken, oder Sie setzen für ein paar Tage einen Detektiv auf Christine an.«

Das kann Karsten sich wiederum überhaupt nicht vorstellen, aber letztlich bringt ihn dieser Vorschlag dazu, seine Frau ohne Beweis um den Auszug zu bitten. Christine lässt sich das nicht zweimal sagen. Vielleicht hat sie sogar darauf gewartet, dass Karsten für sie die Entscheidung trifft und so die Rolle des miesen Typen übernimmt, der sich von ihr getrennt und sie vor die Tür gesetzt hat.

Kurz darauf schickt sie ihre Mutter vor, die Karsten mitteilt, wohin er doch bitte Christines Sachen schicken möchte. Damit ist das Ende dieser Ehe besiegelt, und fortan kommunizieren die beiden nur noch per Anwalt miteinander.

Karsten räumt noch über ein Jahr lang die Trümmer der Beziehung auf und muss in dieser Zeit immer wieder in ärztliche Behandlung. Er hatte die ganze Entwicklung mit Christine überhaupt nicht kommen sehen und hat nach dem ganzen Drama kein Vertrauen mehr in seine eigene Wahrnehmung. »Wie konnte ich mich in einem Menschen, mit dem ich fast zehn Jahre lang verheiratet war, dermaßen täuschen?«, fragt er mich immer wieder – eine Frage, die sich fast alle Menschen stellen, die nicht nur betrogen, sondern auch über einen längeren Zeitraum hinweg hintergangen werden.

Mit Karstens privater Misere gerät auch seine Agentur schwer in die Krise. Immer wieder erinnere ich ihn daran, dass er mit der Agentur seine ganz persönliche Vision verwirklicht hat und jetzt auf keinen Fall alles aufgeben sollte. Irgendwann fasst er dann endlich wieder etwas Mut und geht mit mehr Energie an die Arbeit. Stück für Stück kommen so auch das Selbstbewusstsein und der Erfolg zurück.

Nachdem Karsten über einen Zeitraum von anderthalb Jahren immer wieder das Gespräch mit mir gesucht hat, lernt er schließlich eine Frau kennen, die all das, was er verkörpert, wirklich zu schätzen weiß. Anette bewundert ihn für seinen Mut und seine Ausdauer, freut sich auch über Kleinigkeiten, die er ihr von Zeit zu Zeit schenkt, und ist ganz stolz, als sie ihren Eltern den sympathischen und erfolgreichen neuen Freund vorstellt. So heilen Karstens Wunden nun doppelt so schnell – und das hat dieser Mann wirklich verdient.

Meine Einschätzung zu dieser Geschichte

In dieser Geschichte wird der Mann – bitte verzeihen Sie mir den Ausdruck – wirklich von vorne bis hinten verarscht. Karsten hat sich wirklich überhaupt nichts zu Schulden kommen lassen. Er arbeitet hart, um seine Agentur aufzubauen und später genau das tun zu können, was Christine von ihm verlangt: ihr etwas zu bieten. Sie weiß das jedoch überhaupt nicht zu schätzen. Stattdessen sucht sie sich einen anderen und münzt ihr eigenes schlechtes Gewissen in lauter Vorwürfe gegen Karsten um. So vermittelt sie ihm, dass er sie schlecht behandeln würde, während es in Wirklichkeit um ihr eigenes Verhalten geht. Der ahnungslose Karsten nimmt diese Kritik dann zunächst einmal an und fragt, ob er wirklich etwas falsch macht. So ist es nur verständlich, dass er nach allem, was zwischen ihm und seiner Frau vorgefallen ist, massive Zweifel an seiner eigenen Wahrnehmung hat.

Männern, die sich in einer ähnlichen Situation befinden wie Karsten, rate ich:

Belogen und betrogen

»Meine Frau ist sexbesessen« – Daniels Geschichte

»Meine Frau will in letzter Zeit ständig Sex mit mir« – mit diesem Satz wartet Daniel in meiner Berliner Praxis auf. »Und wo liegt das Problem?«, denke ich noch, aber wenige Minuten später ist mir klar, was Daniel daran Sorgen bereitet.

Seit etwa zwölf Jahren ist er mit seiner Jugendliebe Kirsten verheiratet, gemeinsam haben sie zwei Söhne, Zwillinge im Alter von zehn Jahren. Daniel arbeitet als Bankangestellter, Kirsten ist seit der Geburt der Kinder Hausfrau. Das Sexualleben der beiden beschreibt Daniel mir als »normal«. Im Urlaub und an den Wochenenden liefe sicherlich mehr zwischen ihnen als im Alltag, nach so einem zehnstündigen Arbeitstag, wie er ihn habe, sei er häufig einfach zu k.o. für große Romantik.

Mit Kirsten hingegen seien in den letzten Monaten einige Veränderungen vor sich gegangen, die er anfangs nicht so wichtig genommen habe. Mittlerweile hätten sie sich aber zu einem handfesten Problem entwickelt. Die beiden Jungen gehen an zwei Abenden in der Woche zum Sport und kämen erst gegen 20.30 Uhr nach Hause. Wenn er, Daniel, dann schon früher das Haus betritt, umgarnt Kirsten ihn nun ständig mit Küssen und Streicheleinheiten und versucht, ihn zu einem »Quickie« im Wohnzimmer, in der Küche oder sonstwo zu überreden. Die ersten drei, vier Male fand Daniel das noch aufregend und hat sich bereitwillig darauf eingelassen. Inzwischen sei ihm das Ganze manchmal aber schon ein wenig lästig – sie seien eben nicht mehr zwanzig. Auch morgens vor dem Aufstehen wendet Kirsten neuerdings all ihre Verführungskünste an, um Daniel dazu zu bringen, mit ihr Sex zu haben. Ihm sei das allerdings unangenehm, wenn er daran denkt, dass bei den Jungs nebenan schon der Wecker geklingelt hat und sie jeden Moment in der Schlafzimmertür stehen könnten.

Doch mit dieser lustgewaltigen Entwicklung seiner Frau bemerkt Daniel nun noch eine andere neue Gewohnheit an ihr. Ständig sitzt sie jetzt abends, wenn die Kinder im Bett sind, an ihrem gemeinsamen Computer und tippt wie wild in die Tastatur. E-Mails an ihre Freundin Susanne, die seit kurzem in Dresden lebt, behauptet Kirsten auf Daniels Nachfrage. Doch als er in einem ungestörten Moment selbst einmal am Computer sitzt, sieht er, dass gewisse verräterische Spuren von Kirsten kaum verwischt wurden: Durch die Verlaufsanzeige im Browser stellt er fest, dass sie offenbar reihenweise Pornoseiten aufgerufen hat, die teilweise auch Kontaktangebote für sexwillige User anbieten. Daniel ist zutiefst verwirrt.

Misstrauisch geworden, öffnet er Kirstens E-Mail-Programm, das nicht vor fremden Zugriffen geschützt ist, und fällt fast vom Stuhl bei der Entdeckung, die dort auf ihn wartet: Zig E-Mails mit unglaublich »versautem« Inhalt findet er vor und traut seinen Augen kaum, als er im Ordner »Gesendete Objekte« die entsprechenden von Kirsten verfassten Gegenstücke dazu liest.

Als Kirsten an diesem Abend von ihrer Verabredung – angeblich mit ihrer besten Freundin Jenny – zurückkommt, stellt Daniel sie zur Rede. Kirsten streitet nichts von allem, was er ihr in diesem Gespräch vorwirft, ab. Ja, sie habe diese Internetseiten besucht und schreibe sich regelmäßig E-Mails mit fremden Männern. Aber Daniel brauche sich überhaupt keine Sorgen zu machen, das alles sei nur virtuell, lediglich einmal habe sie sich mit einem dieser Typen auf einen Kaffee getroffen. Er, Daniel, würde doch schließlich auch davon profitieren, dass wieder mal ein wenig Feuer in ihre Beziehung käme, oder etwa nicht?

Daniel kommt mit der ganzen Geschichte überhaupt nicht klar. Er weiß nicht mehr, was er glauben und wo das Ganze noch hinführen soll. Deshalb erkundigt er sich im Internet nach entsprechender Hilfe und erscheint kurz darauf in meiner Praxis.