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Justin Mader, Gaby Merci

Die Advisoren Band IV

Kampf den falschen Göttern - Die ralarische Offensive


Herzlichen Dank an gaby.merci, die mich stets mit neuen Ideen und Gedanken unterstützt hat und ohne die die Handlung oft nicht einen derartig dramatischen Verlauf genommen hätte. Ebenso herzlichen Dank für ihre mit brilliantem Gespür ausgeführte Arbeit des Redigierens!


BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Der erste Kontakt



Träge verstrichen die Sekunden, in zwei Stunden erst würde die Ablösung kommen und die Augen waren müde und klappten immer wieder zu. Nein, einschlafen durfte er jetzt nicht...

Dann schreckte er von dem fiependen immer wieder an- und abschwellenden Ton auf. Kolissionsalarm! Es war also soweit. Irgend ein großes Ding kam da von draußen herein. Weit riss er die Augen auf. Tatsächlich, der Tachyonenorter hatte die Annäherung eines mindestens zwanzig Meter großen Gegenstandes bei der Oortschen Wolke erfasst. Mit einem Zwinkern aktivierte er mit seinem Astrolab das Detaildisplay, das alle Mitarbeiter seit kurzem als Standard im Gesicht trugen.



Das Astrolab war eine Art Rhomboid, das aus zahlreichen an den Eckpunkten verbreiteten Kunststoffstäbchen bestand. An den relevanten Stellen hatte es Kontakt mit der Haut, oder besser gesagt mit den Nervenzellen der Haut. Also war es an der Stirn, den Augenlidern und beim Mund gleichsam mit der Haut verwachsen. Wenn man es aufsetzte, dann bohrten sich dort Sensoren tief in die Haut ein und ein starker Schmerz wurde für einige Zehntelsekunden bemerkbar. Doch durch die Sensorik wurde der Schmerz unmittelbar nach der Aktivierung unterdrückt und man hatte sofort Zugriff auf alle verfügbaren Steuerelemente eines Raumschiffes oder aber wie hier auf die Sensorik der Kontrollstation. Eigentlich sahen diese Astrolabs wie zahlreiche ins Gesicht gesetzte Knöchelchen aus, was wirklich nicht besonders sexy wirkte. Auch wenn man es mit Gedankenbefehl wieder abnahm, verblieben winzige Wunden auf dem Gesicht. Doch exakt diese Wunden machten den Menschen für einen Außenstehenden erst so richtig interessant. Denn man wusste, der war eine wichtige Persönlichkeit, der hatte mit atlantisch-artusianischer Technologie zu tun. Und das, so wusste er, kam bei den Frauen irrsinnig gut an. Diese Erfahrung hatte er, Techniker zweiter Klasse Roland Szarzinsky, schon öfter gemacht. Da nahm man diese Wundränder und den kurzfristigen Schmerz beim Aufsetzen leicht in Kauf.

Doch nun zum konkreten Alarm. Er aktivierte also alle übrigen Stationen, nahm eine Kreuzpeilung vor und...
...merkte, dass es schon wieder ein Fehlalarm war. Der fünfte heute! Er fluchte: 'Also die atlantischen Techniker, oder vor allem Smith ihr Chef, dieser klakrrrakische Grey sollte sich einmal etwas Sinnvolles einfallen lassen, um diese Sensorik besser einzujustieren und solche Fehlalarme in Hinkunft zu unterbinden. Er hätte da schon einige Ideen, aber es fragte ihn ja niemand. Er hätte schon gewusst, wie man all dem begegnen könnte.'
Aber er wusste natürlich auch, das waren alles neueste Technologien, die keiner so richtig im Griff hatte und vor allem die keiner so richtig einzusetzen wusste. Da waren Technologieeinschübe von Atlantis, Artusia, von Delur, von Klakrrrak, durchmengt mit terranischer Technologie und alles sollte man miteinander kombinieren und sinnvoll einsetzen.
Beispielsweise diese Tachyonentechnologie, die sogar von einer Macht stammte, die erst vor kurzem versucht hatte eine riesige Invasionsflotte gegen die Erde zu führen. Also vor allem diese mysteriösen Overlords, die offensichtlich einen ungebremsten Hass gegen die Menschheit und alle menschenähnlichen Spezies hatten.

Die Tachyonen so wusste er, waren nach nunmehr überholter terranischer Vorstellung rein hypothetische Teilchen, die nie nachgewiesen worden waren. Sie sollten eben stets mit einer Geschwindigkeit, die größer als die Vakuumlichtgeschwindigkeit c wäre, dahineilen. Ihre Masse wäre imaginär, das heißt, das Quadrat ihrer Masse wäre negativ. Und da einer rein imaginären Ruhemasse bisher keinerlei physikalische Entsprechung zuzuordnen war, waren Tachyonen für die Menschheit bisher eine reine mathematische Kuriosität ohne reale Bedeutung gewesen.
Doch durch die Erkenntnisse, die der nunmehrige Präsident der Vereinigten Staaten von Terra, Turner, in Atlantis erlangt hatte, wusste man es besser. Die Tachyonen hatten eindeutig eine negative Masse und wirkten daher auf normale Materie abstoßend, das heißt also antigravitativ. Und bewiesen damit, dass es die sog. 'Dunkle Energie' gab, die eben gleichbedeutend mit der permanent vorhandenen Tachyonenstrahlung war und diese die meisten kosmischen Phänomene verursachte.

Die erstaunlichste Schlussfolgerung daraus aber war, dass diese antigravitative Wirkung der Tachyonen der tatsächliche Verursacher einer bisher völlig als selbstverständlich angesehenen Kraft war. Nämlich der Schwerkraft! Der Tachyonendruck war allgegenwärtig, er durchdrang jegliche normale Materie, wurde jedoch von dieser zum Teil abgestoßen und zum Teil abgebremst. Was zur Folge hatte, dass der Grund der Anziehungskraft eines Planeten eben der von außen auf den Planeten wirkende Tachyonendruck war. Von der Planetenseite her war die Wirkung der Tachyonen geringer, da hier eben die Masse des Planeten den Druck reduzierte. Und dieser Druckunterschied erzeugte eben die Schwerkraft.

Im freien Weltall war der Druck nicht messbar, da er von allen Richtungen gleichförmig auf jedes Objekt wirkte und sich somit aufhob.

Doch dieses Prinzip wurde von den Artusianern, den Atlantern, aber auch von den Delurern von der anderen Wirklichkeitsebene und nun auch von den Terranern genutzt, um verschiedene Technologien einzusetzen, die bisher eher als Zauberei angesehen wurden.
Denn wenn man mit speziellen Vorrichtungen, wie beispielsweise rotierenden, gepulsten Magnetfeldern diese Strahlung einseitig abhalten konnte, dann wurde der damit ausgestattete Flugkörper in diese Richtung mit atemberaubender Geschwindigkeit beschleunigt, da von der anderen Seite der überlichtschnelle Tachyonendruck ja noch wirkte. Und wenn man das Ablenkfeld um das gesamte Schiff schloss, wurde damit quasi ein in sich geschlossener Raum geschaffen, in dem keine Schwerkraft, aber auch keine Massenträgheit existent waren. Somit konnte man mit Beschleunigungen agieren, die jeden Gegenstand im Normalfall sonst zerquetscht hätte. Jeder Impuls, der auf diesen nun schwerelosen Gegenstand wirkte, hatte unmittelbar eine Beschleunigung zur Folge, da der Gegenstand ja keinerlei Massenträgheit besaß.
Aber auch andere Möglichkeiten hatte man aus den Gegebenheiten geschaffen. Man hatte Tachyonentriebwerke erfunden, die von sich aus gepulste Tachyonen ausstießen und die ein Raumschiff mittlerweile auf die 2,2-millionenfache Lichtgeschwindigkeit beschleunigen konnte. Natürlich barg diese Technologie Risken. Ab der 3,5-millionenfachen Lichtgeschwindigkeit zerriss es das Objekt, ohne dass man wusste weshalb. Der Ausstoß eines scharf gebündelten Tachyonenstrahls mit ca. 3,49-millionenfachen Lichtgeschwindigkeit konnte jedoch auch als Waffe eingesetzt werden. Und das mit tödlicher Präzision, wie es die Overlords bewiesen hatten. Fast wäre durch diese Waffe die Erde pulverisiert worden. Nur der Einsatz einer Advisorenflotte, die der Menschheit aus einer anderen Wirklichkeitsebene zu Hilfe geeilt war, hatte die Auslöschung der Erde verhindert. Durch den mutigen Einsatz ihrer nunmehrigen Verbündeten, allen voran der Advisorin Lilian König und ihres Begleiters Advisor Raphael, konnte die Flotte der Overlords besiegt und die Erde gerettet werden.

Doch in der Station, in der Szarzinsky Dienst schob, ging es um ein komplett anderes Anwendungsgebiet der Tachyonen. Nämlich um ein neues ungetestetes Ortungssystem.
Die Situation war nämlich grotesk. Raumschiffe konnten mittlerweile die 2,2-millionenfache Lichtgeschwindigkeit erreichen, die Informationen über ihre Bewegung traf aber nach wie vor nur lichtschnell beim potentiellen Empfänger ein. Was zur Folge hatte, dass das Raumschiff viel früher einlangte, als die Information darüber. Was physikalisch am Anfang zu akausalen Schlussfolgerungen führte und weswegen sich die Physiker anfangs gegenseitig in die Haare gerieten. Denn es gilt nämlich das sogenannte Kausalitätsprinzip, dass eben ein Ereignis B nie vor einem Ereignis A eintreten darf. Und bis man darauf kam, dass ein überlichtschnelles Raumschiff sehr wohl Zeit benötigte um von A nach B zu gelangen und es eben nur ein Informationsdefizit war, der eine scheinbare Akausalität verursachte, dauerte es auch einige Zeit.

Was für die Physik aber maximal ein theoretisches Problem darstellte, war für die militärisch-strategische Seite ein absolutes 'no Go'. Denn es konnte einfach nicht sein, dass feindliche Raumschiffe bereits in der Erdumlaufbahn standen, die optische Information sie hingegen erst in der Oortschen Wolke vermutete. Es musste also ein System geschaffen werde, das ebenso überlichtschnelle Ortungsergebnisse erbrachte und diese Information auch überlichtschnell an die Entscheidungsträger übertrug. Auch das war eine Erkenntnis, die erst durch die Konfrontation mit den Overlords den Terranern bewusst gemacht wurde.
Es wurden nunmehr spezielle Tachyonen mit ganz bestimmter Strahlungsintensität, einer bestimmten Frequenz, einer bestimmten Auffächerung und einer bestimmten Geschwindigkeit ausgesendet, die von einem normalmateriellen Raumschiff auch reflektiert werden konnten. Und diese Phase der Justierung all dieser Parameter war alles andere als einfach.

Und darum saß der Techniker zweiter Klasse, Roland Szarzinsky hier und ärgerte sich über die laufenden Fehlalarme. Asteroiden hatten eben ähnliche Zusammensetzungen wie ein potentielles feindliches Raumschiff. Es waren zahlreiche automatische Sonden in der Oortschen Wolke verteilt worden, immerhin ca. 1,6 Lichtjahre von Terra entfernt, die dann Daten zu den diversen Kontrollstellen im Kupiergürtel sendeten, die wieder die Daten bündelten und zur Erde übertrugen. Aber eben dieses neuartige System war in keiner Form getestet worden. Es gab zwar in der anderen Wirklichkeitsebene, in der die delurisch-terranischen Streitkräfte und ihre Advisoren das Sagen hatten, ein ähnliches System, aber auch dort war es im Grunde ein anfälliges Testsystem, so wie hier.

Aber nur hier in dieser atlantisch-terranischen Wirklichkeitsebene war der Konflikt heiß geworden und nur hier war es zu einer größeren Auseinandersetzung zwischen den Overlords, oder eigentlich den Djehutis, wie sie sich selbst nannten und ihrer Verbündeten einerseits und den terranischen Streitkräften beider Wirklichkeitsebenen andererseits gekommen.

Als also der Grund der Fehlortung geklärt war, startete Szarzinsky noch schnell eine Dokumentationsroutine und ging dann wieder in den Standardüberwachungsmode über.

Eine Stunde verging ohne weiteren Ereignissen. Offensichtlich war er wirklich ganz kurz eingenickt, denn als er sich des neuerlichen Fiepens des Kollisionsalarms wirklich bewusst wurde und dachte: 'Schon wieder ein Fehlalarm!', war es für eine Reaktion bereits zu spät. Eine kleine, keine fünfzig Meter große Kugel, näherte sich der Überwachungsstation, löste all ihre Waffen aus und ließ von der Kontrollstation nur mehr ein in die Singularität zusammengestauchtes Etwas über.



Die Kugel drehte sich noch ein paar Mal um ihre eigene Achse, wurde dabei immer langsamer und beschleunigte dann wieder rasant. Lautlos glitt sie davon und schon nach wenigen Augenblicken, war sie von der Dunkelheit des Weltalls verschluckt worden.

Alarm



Bericht Lilian:
Raphael und ich waren nach dem großen Zusammentreffen mit dem Overlord und seiner Invasionsflotte auf der Erde in der altlantischen Wirklichkeitsebene geblieben. Hier war ein großes Aufgabengebiet für uns offen geblieben. Einerseits waren da die gigantischen Schäden zu beheben, die der eine Treffer des djehutischen Kugelraumers angerichtet hatte, andererseits waren da die Bewohner Terras und die „übersiedelten“ Atlanter zu betreuen, um ein neues „Wir-Bewusstsein“ zu generieren, um sich als einheitliche großes Volk, eben das atlantisch-terranische zu sehen und nicht nur als Amerikaner, Russe, Chinese oder Atlanter.

Und schließlich waren da auch die Produktion von neuen Raumschiffen und Abwehrsystemen zu organisieren, denn mit den wenigen aus der Vergangenheit herübergeholten atlantischen Schiffen war auch kein Krieg mehr zu gewinnen, wie wir es in dem Konflikt mit den Overlords, also den Djehutis und ihrer ichtonischen Verbündeter gesehen hatten. Die rund fünfhundert verbliebenen atlantischen Kreuzer und Schlachtschiffe waren zwar mächtig, mächtiger sogar als unsere eigenen schweren Kreuzer und Hunterkiller Jagdschiffe (habe ich jetzt wirklich eigene gesagt? Im Grunde waren es delurische Einheiten, die unsere Verbündeten im Zuge des Delurischen Bundes uns zur Verfügung gestellt hatten und die nun mit Terraner bemannt waren). Aber es gab einfach zu wenige dieser atlantischen Einheiten, die mit Turner über die Zeitschranke aus Atlantis zu uns vorgestoßen waren und sie mussten alle nun mit den neuesten Systemen der tachyonischen Technologie ausgestattet werden.
Derzeit wurden riesige Werften auf dem Mond errichtet, die einerseits diese neuartigen Waffen und Antriebssysteme produzieren sollten, sowie die im Lizenzverfahren zu bauenden delurischen Jagdschiffe und andererseits auch neuartige Ortungssysteme, die uns durch die Eroberung des djehutischen Kugelraumers in die Hände gefallen waren.

Und da war auch noch die Erforschung der übrigen Geheimnisse dieses Raumers offen, denn leider waren große Teile von ihm bei der Eroberung zerstört worden und es verblieben nur mehr verglühte Tonnen unnützes Metalls in seinem Schiffsleib.

Auch der durch den djehutischen Beschuss neu aufgetauchte Kontinent Atlantis, der eigentlich ehemaliges mestorisches Hoheitsgebiet war, wie wir aus unserer Zeitreise wussten, galt es zu erforschen und für die Menschheit zugänglich zu machen.

Es wartete also ein gigantisches Aufgabengebiet auf uns, aber wir mussten auch psychologisch verdammt aufpassen, dass unsere Hilfe nicht als Almosen oder 'Entwicklungshilfe' von den Terranern dieser Wirklichkeitsebene angesehen wurde. Organisatorisch waren unsere verbündeten Delurer wesentlich besser als alle Terraner zusammen, aber sie besaßen auch irgendwie eine gewisse Überheblichkeit mit all ihrem Advisorengehaben, die absolut nicht überall gut ankam. Doch sie dachten einfach nichts Schlechtes dabei, ein Advisor war lediglich eine Art 'Doktorvater', ein Mentor, der sein Wissen seinen Schutzbefohlenen weitergeben wollte.

Und niemand wusste es besser als ich, denn ich lebe mit einem solchen speziellen Exemplar von Delurer zusammen. Raphael war nämlich ein Delurer und unsere Beziehung war fast an dieser 'Eigenheit' seines Volkes gescheitert. Doch wenn man ihn so nahm, wie er war, konnte man es richtig genießen. Und auch da konnte ich meine Erfahrungswerte den Terranern dieser Ebene vermitteln. Raphael hatte manchmal seltsame Ansichten und hin und wieder prallten unsere verschiedenen Mentalitäten aufeinander, aber wir waren trotzdem glücklich miteinander. Ich lernte viel von ihm und er von mir und auf alle Fälle war uns nie langweilig.

Schade, dass uns in der Hektik unserer Tätigkeit nicht viel Zeit für gemeinsame Aktivitäten blieb. Doch der Forscherdrang und die Abenteuerlust waren einfach zu groß um ins zweite Glied zurücktreten zu können.
Aber wir genossen die Zeit die wir dann doch gemeinsam verbringen konnten.
Wir hatten ein Detachement von eintausend Einheiten im atlantisch-terranischen System belassen, denn man wusste nie, wie sich die Overlords weiter verhalten würden. Wir hatten ihnen zwar eine vernichtende Niederlage bereitet und siebzig ihres Volkes waren uns in die Hände gefallen, jedoch erwiesen sie sich alle als eher unbedarfte Helfershelfer und sie hatten mehr von gackernden Hühnern als von zuschlagenden Raubvögeln an sich. Ja, sie waren Avoide, also vogelähnliche Wesen und sahen nach unserem Dafürhalten mit ihren langen geschwungenen Schnäbeln, wie Ibise aus. Auch ihr kleiner Kopf und ihr schlangenähnlicher Hals waren charakteristisch für ihre Gestalt.



Nur ihre Anführer waren die wahren Herrscher. Diese speziellen Djehutis hatten sich in einem Art von Geheimbund zusammengeschlossen und waren aufgrund technologischer Errungenschaften physisch unsterblich. Zumindest soweit dies ihrer 'normalen' Lebenserwartung entsprach. Ein schneller Schuss aus einer bestimmten Waffe konnte natürlich auch sie hinwegfegen. Wir hatten dies bei unserem letzten Zusammentreffen mit einem ihrer Gottkönige, dem Thot, nur zu deutlich gesehen. Obwohl dies durchaus nicht in unserer Absicht gelegen hatte. Ein anderer Djehuti hatte ihn erschossen.
Dieser eine Djehuti war etwas ganz Besonderes. Er dachte nicht so wie alle anderen seiner Artgenossen. Er hatte keine überhebliche Art und er dachte ähnlich wie unsere Spezies. Ich bedauerte, dass er nach dem Schuss mit dem er seinen obersten Kriegsherrn getötet hatte, nur den Satz verlauten ließ: 'Er hat es nicht anderes verdient!' Seit diesem Zeitpunkt hatte er zu allen Fragen geschwiegen.

Raphael und ich waren gerade bei einem gemeinsamen Überführungsflug von technischem Material in der Zeut von der Erde zum Mond, als unsere delurischen Ortungssysteme plötzlich Alarm schlugen.
Gerade jetzt musste es Alarm geben, wo wir es uns gerade gemütlich machen wollten. Ich seufzte, aber Raphael meinte trocken: "Das Vergnügen kann warten, jetzt ruft die Pflicht."
Und dann überschlugen sich auch schon die Ereignisse.

Nach der Signatur des Ortungssystems kam der Alarm aus der nördlichen Überwachungskugel des terranischen Sicherheitskordon in der Oortschen Wolke.
Und wir wussten, wenn ein Raumschiff die Oortschen Wolke mit Höchstgeschwindigkeit durchstoßen hatte, blieben uns nur maximal fünf Sekunden Vorwarnzeit um Abwehrmechanismen nach der Warnung einzuleiten.
In der Praxis blieben uns zwanzig Sekunden, offensichtlich war das Schiff langsamer oder eben nicht direkt eingeflogen sondern tangential oder paraboloid.

Auf alle Fälle waren unsere Schiffe rechtzeitig am Rendezvouspunkt und empfingen das fünfzig Meter durchmessende Kugelschiff mit allen Waffensystemen, die unsere 500 Schiffe vor Ort besaßen.
Das Raumschiff war kein Schiff der echsenartigen Ichtonier, die wir wie beim Tontaubenschießen vom Himmel holen konnten. Dieses Schiff konnte im Gegenteil die hundertfache Übermacht unserer Schiffe in Schach halten, zumindest hatten unsere Analytiker dies so errechnet. Allerdings waren da noch nicht die neuesten Technologien in unsere Raumschiffe eingeflossen. Der Overkillmarker lag wahrscheinlich in Wirklichkeit bei 75:1. Doch wir würden es nun herausfinden können. Und mit 500 zu 1 waren wir auf der sicheren Seite.



Doch das Schicksal wollte es anders, denn zehn Sekunden später standen uns plötzlich fünf dieser Kugelraumer gegenüber. Unser Sicherheitskordon war also löchriger als wir es angenommen hatten. Und wir wussten, ein einziger Schuss aus diesen teuflischen Tachyonenstrahlenkanonen auf die hilflose Erde, würde das das Ende der Menschheit bedeuten.
Nun wurde mir doch ein wenig mulmig zumute und ich fragte Raphael hektisch: „Und was machen wir jetzt?“

Verbissen kaute er auf einem nicht vorhandenen imaginären schweren Brocken in seinem Mund und meinte dann:
"Nun das Verhältnis beträgt immer noch 100:1 und unsere Experten haben uns dabei einen quantitativen Vorteil vorausgesagt, also werden wir zwar gigantische Verluste einfahren, aber wir werden gewinnen! Außerdem bleibt uns nichts anderes über...."

Die ersten Strahlenbündel des Gegners fuhren in unsere Reihen und ein klassisches T-Manöver kündigte sich an. Das heißt, der Gegner war in einer Reihe aufgestellt und wir stießen keilförmig im rechten Winkel in seine Linien vor und durchschnitten dadurch seine Kampfposition. Das bedeutete, dass wir unsere nach vorne gerichteten Geschütze stets auf den Gegner gerichtet haben konnten, er hingegen immer, je nach Annäherungswinkel seine Geschütze neu ausrichten musste. Allerdings war dieser klassische Vorteil eines T-Manövers in Zeiten von überlichtschnellen Geschützen und computerberechneten Vorhaltswinkel äußerst theoretisch und brachte uns nicht wirklich Vorteile. Außerdem hatte jedes unserer Schiffe nur zwei starr nach vorne gerichtete überschwere Tachyonenstrahler, der Gegner dagegen hatte sechs mittelschwere in alle Richtungen dreh- und richtbare Tachyonengeschütze, womit sich unsere Überlegungen alle relativierten.

Zwanzig eigene Schiffe waren bereits vernichtet, als wir die ersten Treffer in den Feindkugelraumer anbringen konnten. Und weitere fünfzig eigene Schiffe mussten daran glauben, bis wir selbst den ersten Raumer vernichtet hatten.
Es würde in ein Massaker ausarten. Auch atlantisch-terranische Einheiten tauchten schließlich auf und unterstützten unsere Bemühungen. Der größter Teil ihrer Flotte war jedoch zur Umrüstung gerade am Mond und stand uns daher nicht zur Verfügung. Durch die Größe ihrer schweren Einheiten konnten sie zwar mehr Treffer einstecken und wurden daher nicht so leicht abgeschossen, allerdings waren sie in der Erdatmosphäre, in die sich der Kampf mittlerweile verlegt hatte, viel zu träge in ihrer Manövrierfähigkeit.

Auch unsere schweren Jäger waren mittlerweile gestartet und mischten mit den neuen überschweren Tachyonenwerfer in der Auseinandersetzung mit. Aber das war nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Mittlerweile hatte sich das Gefecht aufgefasert und man konnte nicht mehr so leicht erkennen wo Freund und wo Feind standen. Doch eines hörte ich mit meinen speziellen Sinnen. Es starben Individuen auf beiden Seiten. Wenn ich überdachte wie viele Menschen hier wieder ihr Leben lassen mussten, konnte ich vor Gram nur mehr schreien. Wann hörte dieser Wahnsinn endlich auf, wann gaben die Overlords ihren Vernichtungsfeldzug gegen uns endlich auf?



Da tauchten mit einem Male von unten unförmige Plattformen auf und stiegen bis in die Höhe der terranischen Raumstationen auf und begannen aus tausenden Schlünden zu feuern. Wie ich feststellen konnte, waren es tausende dieser Plattformen und alle nahmen die Raumschiffe der Djehuti ins Visier.



Damit hatten wir nicht gerechnet aber das war die Wende und ein Feindschiff nach dem anderen wurde innerhalb kurzer Zeit zu einer großen Schrottansammlung zusammengequetscht. Offensichtlich hatte der terranische Präsident Turner doch noch einen Trumpf im Ärmel gehabt, von dem wir nichts wussten, er hatte uns darüber zumindestens nichts berichtet.

Zwei Schiffe der Overlords waren schließlich nur noch über und die traten schnell die Flucht an. Unsere Schiffe stoppten angesichts dieser Fluchtbewegung ihr Feuer. Doch Uryan brüllte auf einmal los:
"Idioten, es darf keines der Schiffe entkommen, sonst haben wir in spätestens einem Monat dasselbe Problem, allerdings mit einer wesentlich größeren Flotte der Djehuti!"

Unsere schnellen Hunterkiller legten sich neuerlich ins Zeug und konnten die Kugelraumer, bevor sie noch Fluchtgeschwindigkeit zur Erzeugung eines künstlichen Fluchttunnels erreichen konnten oder aber die volle Leistungsfähigkeit ihrer Tachyonentriebwerke ausnutzten, rechtzeitig abfangen. Unsere Einheiten waren zwar nicht so kampfstark, hatten aber immerhin ein wesentlich höheres Beschleunigungsvermögen.

"Nicht völlig vernichten, sondern lediglich die Triebwerke und die Waffen ausschalten!", rief Raphael in das allgemeine Getümmel hinein. Und tatsächlich nach zehn Minuten, standen die beiden Schiffe bewegungslos in einem Mondorbit und wir konnten ein Enterkommando losschicken.

Wie ich in den Gedanken der Overlords feststellen konnte, waren sie äußerst verwirrt, denn so etwas hatten sie noch nie erlebt. Keines ihrer eigenen Flotten war je derart vernichtend geschlagen und so demütig in die Enge getrieben worden. Etwas Derartiges wie "Niederlage" oder "Verlieren" war ihnen einfach fremd und sie hatten keine Erfahrungswerte wie sie damit umgehen sollten. Deshalb standen sie nur ratlos in der Zentrale ihres Schiffes herum, als wir diese stürmten. Und wie wir in Erfahrung bringen konnten, war ihre Führungspersönlichkeit bereits mit dem ersten von uns getroffenen Raumschiff untergegangen. Somit hatten sie keine Entscheidungsträger mehr und waren von uns doch "relativ" einfach besiegt worden.

Allerdings hinterließ diese Schlacht auch einen schalen Geschmack, denn es waren immerhin 250 eigene Einheiten mit je fünf Besatzungsmitgliedern ums Leben gekommen, wir hatten also einen schweren Blutzoll zu entrichten gehabt.

Nun mussten wir also neue Überlegungen wälzen, denn ein derartiges Ereignis, konnte jederzeit wieder stattfinden. Irgendetwas Neues mussten wir uns einfallen lassen. Uns rein auf einen Abwehrkampf zu konzentrieren war eindeutig die falsche Wahl. Wir mussten von uns aus aktiv werden und das Heft des Handels in die Hand nehmen. Und ich hatte dabei schon eine Idee, doch dazu musste ich mit diesem einen speziellen Djehuti, der ähnlich dachte wie wir, ein eingehendes Gespräch führen. Auch die in unsere Hände gefallenen Feindschiffe spielten in meinen Überlegungen dabei eine wesentliche Rolle. Ich suchte daher ein Gespräch mit Turner und Uryan.

"Habt ihr einen Moment Zeit für mich?" fragte ich die beiden, aber sie winkten ab. Uryan antwortete nur kurz und schien dabei leicht gereizt: "Jetzt nicht, wie du selbst siehst, sind wir gerade schwer beschäftigt."
Anscheinend interessierten sie meine Gedanken und Ideen überhaupt nicht und deshalb zog ich mich schmollend zurück.

Raphael zuckte nur mit den Schultern und machte in meine Richtung ein unglückliches Gesicht, war aber auch nicht bereit, mich bei meinem Vorhaben zu unterstützen.
Irgendwie eine Frechheit, mich hier so zu ignorieren, ...Männer, hm, Männer eben!
Irgendwie sah ich es ja ein, jetzt war die Zeit die gewonnene Schlacht zu analysieren, die zukünftigen Manöver abzustimmen, die entsprechenden Taktiken und Waffeneinsätze zu evaluieren, und, und, und. Keine Zeit für neue innovative Ideen, kein Platz für etwas Unvorhersehbares, hach, diese Militärköpfe, diese Ignoranten, naja, Männer eben,..