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Marion Poschmann

HUNDENOVELLE

Inhalte

Titelseite

Impressum

1 Brachland

2 Leeres Funkeln

3 Tröstungen

4 Heimweh

Die Arbeit der Autorin am vorliegenden Buch wurde durch den Deutschen Literaturfonds e.V. gefördert.

© Frankfurter Verlagsanstalt GmbH,

Frankfurt am Main 2008

Alle Rechte vorbehalten.

Herstellung und Umschlaggestaltung: Laura J Gerlach

Bildquelle: Getty Images

eISBN: 978-3-6270-2149-8

1 Brachland

Ich saß auf den Eingangsstufen einer verrammelten Baracke Die Betontreppe strahlte die Wärme des Tages ab, es dämmerte. Unter den Baumkronen kreiste die erste Fledermaus. Ihr Zackenflug. Sie stieß in die schwarzen Kastanien, blitzte wieder hervor. Ich warf einen winzigen Stein in die Luft. Die Fledermaus schwang sich herum, hielt auf ihn zu. Ich konnte nicht sehen, ob sie nach ihm schnappte. Mükken schwärmten, waren in grob gepixelten Wolken der Wiese entstiegen, standen in der Luft und bewegten sich weiter. Ihr Surren in meinem Kopf. Sonst war alles still. Die Baracke schwerfällig, ein Flachbau, der zu anderen Zeiten Werkskiosk oder Kindergarten gewesen sein mochte. Jetzt waren die Fenster mit Brettern vernagelt, die Wände graffitibesprüht. Sand rieb unter meinen Jeans, als ich im Sitzen den Fuß hob. Ich trat ein paar Flaschenscherben zur Seite, tschechisches Bier. Sie prallten an einen der urtümlichen Blöcke, die die Baracke umlagerten. Abrißreste, aus denen das Skelett verrosteter Stahlträger starrte, Versteinerungen, denen die Sprengung nichts hatte anhaben können.

Dinosaurier zum Selbstausgraben: Im Schaufenster eines Spielwarenladens hatte ich vormittags eine kleine Pappschachtel mit eingegipsten Plastikknochen gesehen, dazu gab es eine Miniaturschaufel, eine pinzettengroße Spitzhacke und einen Pinsel, um den Fund zu reinigen. Hier lagen 10-Zoll-Nägel, rollte eine schmutzige Spritze auf den Stufen, im Gras verrotteten alte Werkzeuge, Säge, Hammer, Hobel, als hätte jemand seine Arbeit nur kurz unterbrechen wollen, aber dann war diese Unterbrechung angewachsen, das Gelände in einen dauernden Dämmerzustand gefallen. Sollbruchstelle, die nachgab, durch die jahrelang Sand rann. Zeit verging mit einem kratzenden Geräusch.

Ich hielt meinen Kopf auf die geballte Faust gestützt und starrte über die verwilderte Wiese. Spitzwegerich stichelte durch Asphalt und bohrte sich in die Höhe, silbriger Beifuß schob sich aus dem Schotter und entfaltete gezähnte Blätter, Brombeerranken schlängelten sich durch Holzstöße und Kleefelder und blähten sich zu Gebüschen auf. Rostplacken fielen ab, Mücken stachen mich. Ich ließ sie stechen.

Mein Gesicht schwarz. Die Augen leuchteten. Ich wußte sie leuchten in der Dämmerung, ich spürte die riesigen Pupillen, den Widerschein, das menschliche Weiß. Bei Wildtieren sieht man die weißen Augäpfel nicht, ich aber starrte weiß und zornig in die beginnende Nacht, eine unheimliche Wachheit.

In meinem Rücken schlug eine Plane und kam nicht los. Vergeblicher Flugversuch. Ich war in den letzten Monaten dicker geworden, was sich einer eigenartigen Trägheit schuldete. Ich tat nichts mehr, etwas hielt mich unten, eine allgemeine Schwere durchzog diesen Sommer, ein Ausweichen, Abwarten, Brüten.

Ein schwarzes Tier strich aus dem Gebüsch und rollte sich zu meinen Füßen ein. Ich achtete nicht darauf. Es war ein Hund unbestimmter Rasse. Er schnaufte. Er schien sofort einzuschlafen.

Ich achtete auf die Windbewegungen, unsichtbare Bewegungen, die sich in den schütteren Pflanzen abzeichneten, die von Beifuß und Birken schwankend wiedergegeben wurden, indirekte, geliehene Bewegungen, die ihren Impuls in weiter Ferne hatten. Birken neigten sich, bebten, Gras wellte sich, strömte über die Böden, ergoß sich bis zum Straßenrand, Staub flog auf, senkte sich auf Ziegelbruch, auf Schutt. Als läge etwas Geheimnisvolles auf dem gesamten Gelände, im Flimmern der jungen Robinien, in den fahlen Tönen der Betonplatten. Die Weite, das Unsichtbare sammelte sich und nahm Gestalt an. Als hätte die Zeit etwas mit diesem Gelände gemacht, ihm eine Spannung verliehen, eine Bedeutung. Zeit, die ansonsten ungenutzt geblieben war, Zeit, unbemerkt verstrichen, ergebnislos.

Ich ging über glänzende Bodenplatten, die einmal innen gewesen waren und jetzt außen lagen, trockene Blätter wehten darüber, und man konnte sich nicht mehr vorstellen, daß dieser Platz überdacht, womöglich möbliert gewesen war. Ein ausgebauter Autositz stand zwischen verwilderten Ziersträuchern und ließ gelben Schaumstoff auf eine geteerte Zufahrt rieseln. In einem rostigen Rahmen hielt sich eine Glasscheibe, die einstaubte und vom Regen immer wieder abgewaschen wurde, sie war unbeschädigt, während der Rahmen allmählich zerfiel.

Stadtbrache, vages Terrain. Nichtort, wo jederzeit alles möglich war und nie etwas geschah. Ruderalflora siedelte sich an, erhob sich an windigen Stellen, auf offenen Flächen, in Übergangsgegenden. Langsam, sehr langsam schraubten sich Pflanzen aus dem verhärteten Boden hervor, sie wuchsen spiralförmig, drehten sich unmerklich nach oben, zu den Seiten, füllten Raum aus, ließen Knospen klaffen, Blätter lappen, verstreuten Blütenstaub, all das sah niemand, zu langsam, man sah es nicht mit bloßem Auge, sah vielleicht das Resultat, eine Verlängerung, eine Verdickung.

Einzelne Stauden standen noch vom letzten Jahr, sie wahrten wie magere Gliederpuppen im Wind ihr Gleichgewicht, ausgedörrt von der Sonne, schwarz vom Regen. Pionierpflanzen: Der Hund lief hindurch, streifte sie, ließ sie vibrieren.

Ich ging durch das Birkenwäldchen, unter meinen Gummisohlen knirschten die Hälften einer zerbrochenen Fliese, ein Blatt klatschte gegen meine Wange, glitt über meine Haut. Dann mündete der Weg wieder auf offenes Feld. Am Rand der Brachfläche verlief die Hauptstraße.

Bevor ich auf die Straße trat, sah ich noch einmal zurück. Ich sah die feuchten Ballungen von Blättern, die jetzt die Dunkelheit an sich zogen und vertieften. Ich wäre gern in diese tiefste Dunkelheit geraten, zwischen Äste und Zweige, zufällig, absichtslos, und hätte dort verharrt, dort die Nacht verbracht. Aber ich blieb von grauviolettem Zwielicht umgeben, das mich nicht hielt, in dem ich selbst ein Fleck voller Dunkelheit war.

Die Straßenbahn kam sofort, ich stieg ein und drängte den Hund zurück. Vor seiner Schnauze schlossen sich die Türen. Die Bahn fuhr an. Der Hund starrte ihr nach.

Es gab kaum Erhebungen in der Gegend, in der Ferne sah man einen Stromkasten, die Haltestelle, an der sich die hellen Stoppeln verloren, über der sich die Wolken in seidigen Schichten lagerten. Längs der Straße, noch auf der Wiese, glitt etwas Schwarzes entlang, das abnehmende Licht verwischte die Konturen, es war nur ein Schatten. Ich folgte ihm mit dem Blick, er verschwand, tauchte wieder auf, ein Auto dröhnte vorüber, blendete die Scheinwerfer auf, der wankende Schatten schien zu glühen, zog einen gleißenden Schweif hinter sich her, dann bog der Wagen ab und alles erlosch.

An meiner Haltestelle stieg ich ebenerdig aus. Die Bahn lag tief, ich ging auf gleicher Höhe einfach weiter, die Mühelosigkeit gefiel mir, es war immer noch sehr warm. Draußen das blaue Licht der langen nördlichen Dämmerung. Das Gelände um die Schienen von Beifuß überwuchert, eine städtische Wildnis. Die Pflanzen von der anhaltenden Hitze ausgezehrt, die Blätter hingen schlaff, aber die Stiele erhoben sich dicht und mächtig wie Personen. Ich ging daran vorbei. Auf dem Gehweg ein paar stachlige Berberitzen in Betonkübeln, dann erreichte ich den Lichtkegel der Imbißbude.

Ich stand an einem runden Plastiktisch, es roch nach Fritierfett und Bier, ich rechnete ein wenig herum, ob es verschwenderisch gewesen war, eine große Portion zu nehmen und nicht besser eine kleine. Die Pommes frites auf dem Pappschälchen glänzten fettig, die Mayonnaise funkelte matt, ich hielt das heiße Schälchen in den warmen Abend, es kühlte nicht ab.

Jahrelang war ich durch diese Straße gegangen, hin und her, es schien mir manchmal, die Berberitzen in ihren Kübeln hätten sich von meinem pausenlosen Gehen ernährt, hätten meine Energie in sich aufgesogen und verkörperten sie jetzt: kugeliges Dunkelgrün, flattriges Gelbgrün, dornenbewehrte Buschformen, die halb surreale Gefühle materialisierten, ein Ausbreiten, Sichrunden, ein vergessenes Innenleben, das hier wucherte.

Der Hund überquerte die Straße und trottete schwanzwedelnd auf mich zu. Er bewegte sich gemessen und anmutig, er wedelte und gab mir zu verstehen, daß er mich wiedererkannte.

Der Hund trug kein Halsband. Zwei Meter vor mir hielt er inne. Er bettelte nicht, er stand einfach da und wartete. Ich warf ihm ein heißes Kartoffelstäbchen hin. Er senkte würdevoll den Kopf und leckte es vom Bürgersteig. Ich warf ein weiteres. Er fing es in der Luft und schluckte es. Ich ging zurück zur Imbißbude und kaufte eine Bockwurst.

Der Hund fraß das Pappschälchen leer; ich hob es auf und warf es in einen Papierkorb. Der Hund fuhr mit der Zunge über sein Maul.

Er ähnelte seinen wölfischen Vorfahren, was die Ausstrahlung betraf. Tiefschwarz, groß, mit imposanten Bewegungen, die mich in gewisser Weise erschreckten. Er war zottelig und ungepflegt, wenn er auch nicht aussah wie ein Streuner. Der Hund wirkte wild. Es war nicht unter seiner Würde, aus einem Pappschälchen zu fressen.

»Fort jetzt«, sagte ich und unterstrich meine Äußerung mit einer flatternden Handbewegung. Ich ging nach Hause, an meinen persönlichen Busch- und Baumformen vorbei. Der Hund hielt einen respektvollen Abstand ein.

Vor der Haustür sagte ich nochmals: »Fort!« Ich steckte den Schlüssel ins Schloß und öffnete. Der Hund schlüpfte durch den Türspalt und folgte mir durchs Treppenhaus. Ich betrat meine Wohnung, er lief in die Küche und setzte sich vor die Spüle. Aufmerksam fixierte er den Wasserhahn. Ich füllte eine Rührschüssel mit Wasser und stellte sie ihm auf ein altes Zeitungsblatt. Der Hund verkleckerte nichts.

Während er trank, lange und durstig, nahm ich den Klappstuhl, der an der Wand lehnte, und setzte mich breitbeinig hin. Stützte die Ellbogen auf die Knie und das Kinn in die Hände und betrachtete den gebogenen Hundenacken. Ich saß mitten in der Küche, so, wie man sich auf einer Baustelle in halbfertigen Räumen niederläßt, um Pause zu machen. Vielleicht wollte ich betonen, daß ich die Situation für ein Provisorium hielt, vielleicht war ich zu müde, um mich mit einer geschickten Hüftbewegung hinter den Tisch auf die Holzbank zu schieben. Dann stand ich wieder auf, ließ mir selbst ein Glas voll Wasser laufen und rührte Granulat für Zitronentee hinein. Das Leitungswasser schmeckte in diesem Sommer nach Chlor. Man mußte den Chlorgeschmack überdecken. Aus dem Kühlschrank nahm ich die Eiswürfelschale. Der Hund reagierte nervös auf das Schmatzen der Gummidichtung. Spitzte die Ohren, wandte den Kopf, begann, unruhig hin- und herzulaufen. Ich stellte das Eis beiseite, um dem Hund zu Willen zu sein.

Im Kühlschrank fand ich eine Minisalami. Ich schälte sie aus ihren Plastikhüllen, öffnete die Wohnungstür und warf die Salami ins dunkle Treppenhaus. Sie landete mit einem dumpfen Hall irgendwo unten. Ich versuchte, den Hund auf die Salami zu hetzen. Ich drängte ihn zur Wohnungstür und sagte: »Such!« Der Hund leistete Widerstand. Er stemmte sich mit vier Pfoten gegen den Korridorteppich und knurrte. Ich machte im Treppenhaus Licht, stieg zwei Treppen hinab, holte die Salami zurück und hielt sie ihm vor die Schnauze. Ich schwenkte die Salami, damit sich der Duft deutlich verbreitete. Dann warf ich sie erneut nach draußen und gab gleichzeitig dem Hund einen Schubs. Der Hund schnappte nach mir. Während ich die Treppen hinablief, um die Wurst zu holen, hörte ich, wie der Hund in die Küche zurückrannte. Er saß neben seiner Wasserschüssel und wartete auf mich. Ich legte die Salami auf das Zeitungsblatt. Der Hund nahm sie von dort behutsam auf, trabte damit ins Schlafzimmer und ließ sich auf dem Bettvorleger nieder.

Mit seinem schlanken Fang zernagte er die Salami. Er war sehr schmal, hochbeinig, er bewegte sich geschmeidig wie ein Jagdhund, er war schnell. Verfilztes Fell hing in Matten an ihm herab und ließ keinen Schluß darauf zu, ob dieser Hund grundsätzlich elegant und leicht oder einfach halb verhungert war.

Er leckte zwischen seinen Pfoten die letzten Salamikrümel auf, rollte sich zusammen und bettete den Kopf neben die Hinterläufe. Er atmete gleichmäßig, der schwarze Rücken hob sich rhythmisch, ab und zu zuckte es, bewegten sich die Ohren.

Ich hatte ihn noch nicht gestreichelt. Er hielt sich in meiner Nähe auf, aber er schien keinen Wert auf Berührung zu legen. Mich wiederum zog es nicht zu dem schmutzigen Fell, auch hielt ich es für ratsam, ausreichend Abstand zu den erstaunlich blanken Zähnen zu wahren. Kein Schoßhund jedenfalls, keiner, der sich beschmusen ließ, parfümieren, in ein Handtuch wickeln, mit aufs Sofa vor den Fernseher nehmen.

Er bewegte im Schlaf die Pfoten, ruderte damit, trieb auf dem Bettvorleger wie auf einem schwer steuerbaren Floß durch unerforschliche Träume. Dennoch war mir, als ob er mich auch bei geschlossenen Lidern mit einem halb wissenden, halb verschlagenen Blick beobachtete. Er hatte etwas von einem Schakal. Ich ging rückwärts zum Kleiderschrank, räumte dort ein paar T-Shirts beiseite, ein paar frisch gewaschene Socken, verhalten, als könnten die Bretter und Scharniere mit dem leisesten Geräusch zum Leben erwachen. Durch seine Anwesenheit wurde mir die Wohnung unheimlich.

Am nächsten Morgen fand ich in der Küche die Eiswürfelschale voll Wasser. Ich durchstieß mit dem Finger die Oberfläche und tippte auf den Grund eines der Kästchen, spielerisch, wie mir schien. Ich sprengte ein paar Tropfen über die Tischplatte. Dann schüttete ich alles in den Ausguß.

Ohne gefrühstückt zu haben, knotete ich dem Hund eine Schnur um den Hals und führte ihn auf die Straße. Das Tageslicht machte ihn plastischer, er wirkte realer als am Abend. Dazu kam, daß ich ihn jetzt ausführte: Noch nie hatte ich einen Hund ausgeführt. Ich hielt mich aufrecht und verlieh meinem Gang etwas Selbstgewisses, um das Tier von meiner Führungskraft zu überzeugen.

Der Hund schnüffelte an einem neugepflanzten Bäumchen, er schnüffelte an den Pfählen, die im Dreieck um den Stamm herumgesetzt und mit Kokosfaser festgebunden waren, er zog die Leine straff und schnüffelte sehr lange.

»Hund«, sagte ich schmeichelnd, »komm, Hund.«

Der Hund hob kurz den Kopf und schnüffelte weiter.

»Hündchen, lieber Hund«, lockte ich, »komm.«

Zu meiner Überraschung kam der Hund. Er trabte locker auf meiner Höhe, die Schnur hing in einem hübschen Bogen zwischen uns, sein Fell roch drückend im warmen Wind, der hier und da durch die Häuserzeilen strich.

Vor dem Supermarkt band ich den Hund an einen Fahrradständer. Er protestierte nicht. Er setzte sich wohlerzogen hin, begutachtete die Passanten, gab sich den Anschein, als sei er genau diesen Ablauf gewohnt.

Ich betrat die Halle und steuerte auf die Abteilung Heimtierbedarf zu.

Abgepackte Stücke vom Kuhmagen, dunkelbraun gefranst wie bemooste Eichenrinde. Kleine Kekse in Knochenform, rot und grün eingefärbt. Gebäckrollen, wie Sushi in mundgroße Happen geschnitten, mit fleischfarbener, staubtrokkener Füllung. Totgebacken sahen manche dieser Produkte aus, andere würzig und frisch, dreifarbig ineinander gedrehte Stränge, kalkige Pastillen, flache Kräcker. Die Schweineohren waren hart, aber nicht aus der Form. Man erkannte die durchscheinende Haut mit Unreinheiten, Knötchen, Pigmentflecken. Eingeschweißt in eine grellbunte Tüte, wie sie sonst Gummibonbons umschloß. Auf den Konservendosen lang- und kurzhaariges Fell, glatt oder gelockt, man betonte die Abwechslung, überall jedoch hing die Hundezunge aus einem halbgeöffneten Maul heraus. Ich erwartete, daß gleich Speichel zu triefen begönne, über verschiedenes Fell immer derselbe Speichel, ich beobachtete, ob er reflexhaft auch in meinem Mund zusammenlief, er tat es nicht.

Ich wählte zwei Dosen mit der Aufschrift »Hundenahrung «. Das war die billigste Sorte. Ich sah nicht ein, für ein fremdes Tier horrende Ausgaben zu tätigen. Ich nahm keine Kauröllchen und kein Premium-Menü. Der Hund erwartete mich wedelnd. Er versuchte, an mir hochzuspringen. Ich verbot es ihm.

An meinem Hauseingang vereinigten sich ein paar glattgeschnittene Sträucher zu einer Art Vorgarten. Hier bückte ich mich, öffnete eine Portion Hundenahrung mittels der Aufziehlasche und kratzte das Futter mit einem Stöckchen zwischen Randstein und Busch auf die trockene Erde. Hier löste ich die Schnur und ließ den Hund frei. Er blieb ruhig neben mir sitzen, als wäre nichts geschehen. Vielleicht sah er mich erwartungsvoll an. Ich redete ihm gut zu, und schließlich gab er nach. Er schnüffelte etwas beleidigt, er empfand die Bewirtung auf der Straße nun bereits als Zumutung, aber er gehorchte und nahm das Futter zur Kenntnis. In dieser Sekunde schlüpfte ich durch die Haustür und schlug sie zu. Der Hund war draußen. Ich lauschte einen Moment. Er winselte irritiert. Ich stieg verstohlen die Treppe zu meiner Wohnung hinauf. Das Winseln steigerte sich rasch zu einem durchdringenden Geheul. Eine Tür klappte auf.

»Was machen Sie mit dem armen Hund! Tierquälerei! Ruhestörung! Er jault doch!«