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Monika und Rainer Kuschmierz

Handbuch Bibelübersetzungen

Von Luther bis zur Volxbibel

© 2007 R. Brockhaus Verlag Wuppertal

Umschlag: Dietmar Reichert, Dormagen

Satz: Breklumer Print-Service, Breklum

Druck: Ebner & Spiegel, Ulm

ISBN 978-3-417-24966-8 (Print)

ISBN 978-3-417-21013-2 (E-Book)

Bestell-Nr. 224.966

»In unserer begrenzten Welt ist die Bibel wie ein Fenster, durch das wir in die Ewigkeit hineinschauen dürfen.«

TIMOTHY DWIGHT

Inhalt

1. Vorwort

2. Grundlagen der Bibelübersetzung

Der Kanon der Bibel

Die Textgrundlage

Übersetzungsprinzipien

Unterschiede in der Anordnung der biblischen Bücher und bei der Namenschreibung

3. Gesamtausgaben in alphabetischer Reihenfolge

Bibel in gerechter Sprache

Bruns

DaBhaR

Einheitsübersetzung

Elberfelder Bibel

Gute Nachricht Bibel

Hoffnung für alle

Interlinearübersetzung

Lutherbibel

Menge

Neue-Welt-Übersetzung

Neues Leben Bibel

Schlachter-Bibel

Zürcher Bibel

4. Altes Testament

Buber

5. Neues Testament und Teilausgaben

Albrecht

BasisB

Lukas für Teens

Mülheimer

Neue evangelistische Übersetzung

Neue Genfer Übersetzung

Schumacher

Stern

Stier

Volxbibel

Zink

6. Studienbibeln

Begegnung fürs Leben

Die Hauskreisbibel/Die Gruppenbibel

Elberfelder Jubiläumsbibel

Elberfelder Studienbibel

Genfer Studienbibel

Lutherbibel erklärt

MacArthur Studienbibel

Neue Jerusalemer Bibel

Scofield Bibel

Stuttgarter Erklärungsbibel

Thompson Studienbibel

7. Englische Bibeln – kurz kommentiert

8. Bibel-Computerprogramme

9. Surftipps zu Bibeln im Internet

10. Mundartbibeln

11. Textvergleich

1. Vorwort

Wer sich im deutschsprachigen Raum eine Bibel kaufen möchte, hat es schwer. Nicht etwa, weil man sie – wie in manchen anderen Ländern – nur heimlich und unter großen Mühen besorgen kann, sondern weil das Angebot an verschiedenen Übersetzungen fast unüberschaubar groß geworden ist. Gerade in den letzten Jahren haben sich viele Einzelpersonen und Übersetzerteams an die Arbeit gemacht, um die Texte der Bibel in eine angemessene deutsche Sprache zu übertragen. Doch was angemessen ist, wird sehr unterschiedlich beurteilt. Verschiedene Übersetzungsprinzipien, verschiedene theologische Grundüberzeugungen bei den Übersetzern sowie unterschiedliche Zielgruppen, die man erreichen möchte, sorgen für vielfältige Ergebnisse. Hinzu kommt eine Fülle von Studien- und Computerbibeln, die die Entscheidung weiter erschweren. Nach welchen Kriterien soll der Bibelleser also »seine« Bibel auswählen?

In diesem Handbuch möchten wir in einem ersten Teil einige grundsätzliche Hinweise zur Bibelübersetzung geben und die verschiedenen Übersetzungsprinzipien kurz darstellen. Der zweite Teil widmet sich den wichtigsten Bibelübersetzungen im Detail. Erläutert wird der jeweilige Hintergrund der Übersetzung und die Stärken und Defizite, die jede Übersetzung mitbringt. Damit wird nachvollziehbar, in welchen Bereichen eine Ergänzung durch andere Bibeln sinnvoll ist.

Gottes Wort ist ewig gültig und auch heute noch hochaktuell. Es zeigt uns den Weg zu Gott. Deshalb ist es unser größter Wunsch, dass möglichst viele Menschen sich mit dem Wort Gottes beschäftigen und von diesem lebendigen Wort anrühren lassen.

»Die Bibel ist nicht antik, auch nicht modern. Sie ist ewig.«

MARTIN LUTHER

2. Grundlagen der Bibelübersetzung

Der Kanon der Bibel

Wer in eine Buchhandlung geht, um sich eine Bibel zu kaufen, muss nicht nur wissen, welche Übersetzung er möchte, manchmal muss er auch entscheiden, wie viel Bibeltext es denn sein darf: eine Bibel mit Apokryphen, also den Spätschriften zum Alten Testament, oder eine ohne Apokryphen? Oder gar eine, bei der die Apokryphen an für protestantische Leser ungewohnten Stellen im Alten Testament verteilt sind? Was gehört denn nun zur Bibel?

Wie es dazu kam, dass die einzelnen Schriften des Alten Testaments zu einer festen Größe wurden, lässt sich im Einzelnen nicht mehr nachvollziehen. Einiges deutet darauf hin, dass schon um 200 v.Chr. die jüdische Gemeinde eine Sammlung von Schriften besaß, die dem heutigen Alten Testament (ohne Apokryphen) entspricht und die sie als Wort Gottes erkannt und anerkannt hatte. In der Zeit von 250–100 v.Chr. wurden die hebräischen Texte des Alten Testaments ins Griechische übersetzt. In Ägypten etwa gab es eine große jüdische Gemeinde, aber viele von ihnen verstanden nur noch wenig oder gar kein Hebräisch. Diese griechische Übersetzung nannte man Septuaginta, von lat. Siebzig (abgekürzt LXX). Nach einer Legende sollen nämlich 72 Gelehrte in 72 Tagen die fünf Bücher Mose übersetzt haben. Diese Legende wurde später ausgeschmückt und auf das gesamte AT bezogen. Die Septuaginta fand recht schnell weite Verbreitung unter den Juden in der Diaspora, aber auch unter Heiden, die den Glauben der Juden näher kennenlernen wollten (Apg 8,26ff).

In der Zeit zwischen dem Alten und Neuen Testament waren einige weitere Schriften entstanden (die deshalb auch »Spätschriften« genannt werden), z.B. die Erzählungen von Tobit und Judit, die historischen Makkabäer-Bücher oder das Weisheitsbuch Jesus Sirach. Auch sie wurden zusammen mit der Septuaginta überliefert, gehörten aber anscheinend nach jüdischem Verständnis nicht zum sogenannten Kanon des Alten Testaments.

Dieses Wort kommt aus dem Griechischen und bedeutet »Maß, Richtschnur«. Übrigens hat auch Jesus nie auf diese Schriften Bezug genommen und sie werden auch an keiner Stelle im Neuen Testament zitiert.

Auch die Entwicklung des neutestamentlichen Kanons war ein längerer Prozess. Gegen Ende des vierten Jahrhunderts wurde auf verschiedenen Synoden von den Bischöfen der Gemeinden offiziell bestätigt, was die Gläubigen schon längst erkannt hatten und praktizierten: dass genau diese 27 Schriften zur Richtschnur des Glaubens geworden waren. Für diese Schriften galt eine ganze Reihe von strengen Kriterien. Die wichtigsten waren zum einen, dass die Schrift von einem Apostel oder einem Augenzeugen der Auferstehung geschrieben worden sein musste. Außerdem musste sie gesunde christliche Lehre verkünden und mit der Lehre des AT übereinstimmen. Die frühen Väter sollten diese Texte zitiert und gebilligt haben; sie sollten darüber hinaus in der ganzen Kirche anerkannt sein. Daran erkannten die Gläubigen, dass die Schriften vom Heiligen Geist inspiriert waren. Man kann also durchaus sagen, dass der Heilige Geist sowohl die Gemeinden als auch die Bischöfe zu dieser Erkenntnis geleitet hatte.

Aber zurück zu den Spätschriften: Sie wurden weiterhin mit der Septuaginta überliefert. Als der Kirchenvater Hieronymus die Septuaginta ins Lateinische übersetzte, weigerte er sich zunächst, diese »Apokryphen«, wie er sie nannte, in die lateinische Fassung der Bibel mit aufzunehmen. Das Wort bedeutet »verborgen«. Hieronymus wollte sich eigentlich am jüdischen Kanon orientieren, sah sich aber mehr oder weniger gezwungen, sie schließlich doch zu übersetzen. In seinem Vorwort wies er jedoch ausdrücklich darauf hin, dass die Apokryphen nicht den gleichen Rang einnehmen können wie die anderen biblischen Bücher.

Zur Zeit der Reformation war die lateinische Vulgata die Bibel, die von den meisten Kirchengelehrten gelesen wurde und auch in kirchlichem Gebrauch war. Als Martin Luther die Bibel ins Deutsche übersetzte, orientierte er sich jedoch an der hebräischen Überlieferung des AT. Für ihn war klar, dass die Apokryphen wohl nützlich zu lesen, aber nicht kanonisch waren. Deshalb sonderte er sie aus und ordnete sie zwischen dem Alten und dem Neuen Testament an.

Im Zuge der Gegenreformation erhielten die Apokryphen volle kanonische Anerkennung durch die römisch-katholische Kirche auf dem Konzil von Trient im Jahr 1546. Seitdem gehören sie zur Tradition der katholischen Kirche und sind nach historischen Gesichtspunkten zwischen den verschiedenen alttestamentlichen Büchern eingeordnet.

In katholischen Bibeln findet man also die Apokryphen im AT verteilt, in evangelisch geprägten Bibeln entweder im Mittelteil oder überhaupt nicht. Übrigens, im katholischen Sprachgebrauch werden die Apokryphen als »deuterokanonische Schriften« (zu einem zweiten Kanon gehörend) bezeichnet.

Die Textgrundlage

Leider ist uns kein Originalbrief von Paulus erhalten geblieben. Auch das Originalmanuskript von Markus oder den anderen Evangelisten gibt es nicht mehr. Die Texte der Bibel, die uns zur Verfügung stehen, sind Abschriften von Abschriften von Abschriften. Kopisten und Übersetzer setzten sich ans Werk, um die gute Nachricht der Bibel zu verbreiten. Reiche Christen machten es sich in den ersten Jahrhunderten zur Aufgabe, Bibelteile abschreiben zu lassen, um sie Gemeinden oder Einzelpersonen zur Verfügung zu stellen. Schon früh wurden die Bibeltexte übersetzt, ins Syrische zum Beispiel oder ins Koptische. Mönche kopierten die Manuskripte der Heiligen Schrift für ihre Klöster. Dabei gingen sie mit großer Sorgfalt zu Werke.

Trotzdem gab es natürlich auch Abschreibfehler. Mal ist ein Schreiber in der Zeile verrutscht, mal hat einer aus der Erinnerung ein Bibelzitat anders notiert, als es eigentlich dastand. Es ist auch vorgekommen, dass jemand eine Anmerkung, die der Besitzer des Manuskripts an den Rand geschrieben hatte, aus Versehen mit in den Text aufgenommen hat. Und in seltenen Fällen hat ein Schreiber sogar ein in seinen Augen anstößiges Wort bewusst verändert.

Doch das Verblüffende ist: In über 90 % des Bibeltextes stimmen die verschiedenen Abschriften überein, und bei den restlichen Prozenten handelt es sich nur an sehr wenigen Stellen um gravierende Unterschiede. Das zeigt, wie sorgsam die Abschreiber mit dem Text umgegangen sind – und beweist auch, dass Gott über seinem Wort gewacht hat. Die Texte der Bibel sind mit weitem Abstand besser bezeugt als alle anderen Werke der Antike.

Um jedoch so nah wie möglich an den Urtext heranzukommen (den es in dieser Form ja nicht mehr gibt; man spricht deshalb auch vom »Grundtext«, wenn man unsere hebräische oder griechische Bibel meint), gibt es den Forschungsbereich der Textkritik. Das hat nichts mit Kritik an der Autorität, Historizität oder Glaubwürdigkeit der Bibel zu tun. Wissenschaftler, die sich mit der Textkritik befassen, sortieren und vergleichen die verschiedenen Abweichungen der Manuskripte und prüfen anhand von genau festgelegten Kriterien, welche Version wohl die ursprünglichere sein könnte. Dazu gehört z.B. die Überlegung, dass ältere Texte, die zeitlich näher am Original liegen, in der Regel hochwertiger sind als jüngere Texte, die etwa aus dem Frühmittelalter stammen. Ein anderes Kriterium: Wenn die Abweichung sich logisch erklären lässt, zum Beispiel durch einen typischen Abschreibfehler, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie nicht die ursprünglichere Lesart ist. Andererseits muss man bedenken, dass wir Menschen eher dazu neigen, schwierige oder unverständliche Formulierungen zu vereinfachen und stattdessen vertraute Ausdrücke zu verwenden. Deshalb ist im Allgemeinen die schwierigere Lesart vorzuziehen. Mit Hilfe solcher Kriterien und unter sorgfältiger Abwägung der einzelnen Textversionen versucht man den ursprünglichen Text zu rekonstruieren.

Um bei diesen Fragen kompetent mitreden zu können, ist ein ausgesprochenes Spezialwissen erforderlich. Die Ergebnisse der Textforschung findet man im sogenannten »textkritischen Apparat«, der in der hebräischen und griechischen Bibel im Fußnotenteil zu finden ist (für das AT: Biblia Hebraica Stuttgartensia; für das NT: Nestle-Aland oder Greek New Testament). Dort sind die wichtigsten Abweichungen verzeichnet, während die wahrscheinlich ursprüngliche Variante im Text aufgenommen wurde.

Seit einigen Jahren regt sich in konservativen christlichen Kreisen heftige Kritik gegen diese Art der Textforschung. Dabei wird die Auffassung vertreten, dass Gott sein Wort nicht nur auf vertrauenswürdige Weise geoffenbart hat, sondern dass er auch die Überlieferung begleitet und selbst für eine zuverlässige Textgrundlage gesorgt habe. Diese meinen die Vertreter dieser Ansicht im sogenannten textus receptus zu erkennen.

Ausgehend von einer – wie man heute weiß – recht fehlerhaften Textausgabe des Gelehrten Erasmus von Rotterdam (1516 in Basel veröffentlicht) erschienen in den nächsten hundert Jahren verschiedene weitere griechische Textausgaben. Schließlich schien es, dass man einen Konsens in der Beurteilung der Abschriften erzielt habe, denn im Vorwort zu einer Ausgabe von 1633, die in der niederländischen Stadt Leiden erschien, hieß es, der Text sei nun von allen angenommen worden (textum … nunc ab omnibus receptum).

Von dieser Textform ausgehend wurde die King-James-Bibel übersetzt. Die Verfechter des textus receptus halten diese Übersetzung für die qualitativ hochwertigste, ebenso alle alten Übersetzungen, die – wenigstens zum Teil – auf dem textus receptus basieren. Dazu gehört zum Beispiel die Luther-Übersetzung von 1912.

Dass z.B. Konstantin von Tischendorf etliche Jahre nach der Festlegung des textus receptus im Sinaikloster griechische Abschriften des NT fand, die deutlich älter sind als die Vorlagen des textus receptus, wird von den Befürwortern des textus receptus als Argument nicht ernst genommen.

Aufgrund dieser Debatte gibt es auch im deutschen Sprachraum neue Bestrebungen, Bibelübersetzungen auf der Textbasis des textus receptus zu erarbeiten, weil dieser Text als der zuverlässigste angesehen wird. Ein Ergebnis solcher Bemühungen ist die Schlachter-Übersetzung aus dem Jahr 2000, der der textus receptus zugrunde liegt.

Diese Übersetzungen legen Wert darauf, dass bestimmte Bibelverse im Text stehen, die von der neueren Textforschung als nicht ursprünglich angesehen werden. So endet etwa das Vaterunser in Matthäus 6 mit den Worten: »Denn dein ist das Reich und die Macht und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.« Dieser Satzteil ist möglicherweise tatsächlich gebetet worden, in Anlehnung an 1. Chronik 29,10f. Doch ältere Handschriften enthalten diesen Vers nicht. Erst spätere Abschriften haben ihn dem Text beigefügt. Deshalb steht er in den neueren Übersetzungen nicht im fortlaufenden Bibeltext, sondern meistens in einer Fußnote.

Um keine Missverständnisse entstehen zu lassen: Es geht bei dieser Debatte um etwa zwei Prozent des gesamten Bibeltextes, die fraglich sind und die aufgrund der nach 1633 gefundenen Manuskripte zur Diskussion stehen.

Gott hat wirklich auf sein Wort geachtet und dafür gesorgt, dass es zuverlässig überliefert wurde. Aber es ist nicht nötig, dafür auf einen Text zurückzugreifen, der nach heutiger Erkenntnis aus einer begrenzten Perspektive der Forschung entstanden ist. Die Textüberlieferung, die den meisten neueren Bibelübersetzungen zugrunde liegt, ist äußerst zuverlässig und ermöglicht es uns, aus den Bibeltexten den Willen Gottes zu erkennen.

Übersetzungsprinzipien

Schon an den frühesten Übersetzungen der Bibel erkennt man, dass sie nach unterschiedlichen Kriterien angefertigt wurden. Die Septuaginta etwa, die sich wohl zunächst an die ägyptischen Juden richtete, ist in vielen Punkten eine sehr freie Übersetzung. Die Leser lebten ja nicht mehr in Israel und kannten manche Sitten nicht. Deshalb gaben sich die Übersetzer Mühe, verständlich zu übersetzen, und verwendeten Worte aus der Welt der Juden in Alexandria. Das Bild von Gott als Felsen, das im AT häufig vorkommt, wurde durch andere Bilder ersetzt. Warum? Weil in den hellenistischen Religionen (mit denen die ägyptischen Juden vertrauter waren als mit dem Glauben ihrer Heimat) Felsen und Steine als Verkörperungen einer Gottheit missverstanden werden konnten, so als ob Gott in der Gestalt eines Felsens verehrt werden sollte.

Andererseits gab es auch die griechische Übersetzung von Aquila, die so wörtlich war, dass man sein Griechisch kaum mehr verstehen konnte. Um dem hebräischen Text treu zu bleiben, prägte er sogar eigene lautähnliche Wörter. Dieser Ansatz kam bei einer bestimmten Gruppe von Lesern allerdings sehr gut an.

Und damit haben wir im Grunde auch schon beinahe die Bandbreite moderner Übersetzungen gezeichnet. Auf der einen Seite steht die formorientierte Übersetzung, auf der anderen Seite die sogenannte »kommunikative« Übersetzung.

Die formorientierte Übersetzung hat das Ziel, den Grundtext möglichst genau wiederzugeben. Allerdings gehören auch – und vor allem – die formalen Eigenheiten der Grundsprachen dazu. Der Text darf ruhig sperrig und spröde klingen. Wichtiger als sprachliche Eleganz ist eine möglichst exakte Wiedergabe des Originals, wobei »exakt« in erster Linie auf sprachlich-philologischer Ebene verstanden wird. Das kann so ausgeprägte Formen annehmen wie in den konkordanten Übersetzungen. Deren Prinzip ist es, ein Wort der Ausgangssprache immer durch dasselbe deutsche Wort wiederzugeben. Die Übersetzung von Buber/Rosenzweig etwa oder die DaBhaR-Übersetzung sind Vertreter dieser Position.

Wenn man sich aber so sehr an der Form orientiert, muss man notwendigerweise Einbußen beim Inhalt in Kauf nehmen. Die Botschaft eines Textes wird ja nicht nur von den einzelnen Wörtern getragen, sondern auch von der Satzstellung oder der gesamten Sprachführung. Deshalb kann man mit einer Wort-für-Wort-Übersetzung den Inhalt eines Textes manchmal missverständlich wiedergeben.

Besonders die radikal konkordante Wiedergabe von bestimmten Ausdrücken verschleiert oftmals den Sinn einer Aussage. Das Prinzip, das dahinter steht, lautet: Von den vielen Bedeutungen, die ein bestimmtes Wort besitzt, will ich die »Oberbedeutung« herausfinden und diese überall einsetzen. Doch das ist künstlich und oft willkürlich, denn letztlich entscheidet der Übersetzer darüber, was die gemeinsame Komponente der verschiedenen Begriffe sein kann, und drückt dem Text seine ganz persönliche Note auf.

Gegen die konkordante Methode spricht außerdem, dass die Bedeutungen eines Wortes in unterschiedlichen Sprachen nur teilweise vergleichbar sind. Im Deutschen kann ich sagen: »Der Himmel ist blau.«, genauso wie ich sagen kann: »Ich freue mich auf den Himmel, wenn ich einmal bei Gott bin.« Wenn ich diese Sätze ins Englische übersetzen will, muss ich zwei unterschiedliche Wörter gebrauchen: sky für den Wolkenhimmel und heaven für den Himmel bei Gott. Mit der Aussage: »The heaven is blue« verwirre ich den Hörer und vermittle möglicherweise sogar eine falsche Aussage.

Wer sich ernsthaft mit der Bibel befassen möchte und die alten Sprachen nicht beherrscht, ist auf eine Übersetzung angewiesen, die es ihm ermöglicht, dem Grundtext so nah wie möglich zu kommen. Dabei kann eine formorientierte Übersetzung eine Hilfe sein. Sie erlaubt es dem Leser, selbstständiger zu überprüfen, ob eine Deutung richtig oder falsch ist. Aber man sollte sich dessen bewusst sein, dass die formorientierte Übersetzung eine falsche Sicherheit vermitteln kann.

Die kommunikative Übersetzung verdeutlicht schon im Vorfeld klarer, was sie erreichen möchte. Sie will kommunizieren, also dem Leser den Sinn des Textes in verständlichen Worten wiedergeben. Dazu sind zwei Schritte notwendig: Zuerst muss der Übersetzer selbst verstehen, was der Bibeltext aussagt. Dann muss er genau diese Bedeutung in der Zielsprache formulieren.

Das ist eine große Herausforderung für den Übersetzer. Schon die Erarbeitung der Bedeutung des Textes ist nur mit exegetischer Gründlichkeit zu gewährleisten. Ein Beispiel: In den Evangelien heißt es an verschiedenen Stellen: »Und Jesus setzte sich und fing an zu reden …« Diese wörtliche Übersetzung erweckt beim heutigen Leser möglicherweise den Eindruck, Jesus sei müde gewesen. Vielleicht legt der Bibelleser diese Aussage sogar dahingehend aus, dass Jesus zwar ganz und gar Mensch geworden sei, dass er aber – obwohl er müde war – immer noch Zeit für das Volk hatte.

Wer sich intensiver mit der Zeitgeschichte befasst, weiß jedoch, dass Rabbiner (und ihre Zuhörer) sich setzten, wenn sie lehrten und etwas Wichtiges zu sagen hatten. Mit dieser exegetischen Erkenntnis vor Augen kann der Übersetzer überlegen, wie er den Sachverhalt in eine unmissverständliche sprachliche Form bringen kann. Zum Beispiel so: »Jesus setzte sich, um zu lehren.« Genau so hätten es die ersten Leser auch verstanden; sie hätten der sprachlichen Form und ihrem Alltagswissen diese Information entnommen. Solche impliziten Informationen sichtbar zu machen, ist eine Aufgabe der kommunikativen Übersetzung.

Wenn der Übersetzer exegetisch ungenau arbeitet, wird er eine falsche Information weitergeben. Wenn er sprachlich ungeschickt ist, passiert genau dasselbe. Deshalb ist die kommunikative Art der Übersetzung fehleranfälliger. Auch aus diesem Grund ist es wichtig, dass kommunikative Übersetzer in Teams arbeiten, die sowohl exegetisch korrigieren als auch sprachlich zurückspiegeln, was tatsächlich beim Leser oder Hörer angekommen ist.

Was ist denn nun besser, die formgetreue oder die kommunikative Übersetzung? Beide sind gut – für ihre jeweiligen Zwecke. Jede Übersetzung hat ihre Defizite. Unsere Erkenntnis ist Stückwerk, sagt uns die Bibel. Deshalb können kommunikative Übersetzungen falsche Informationen enthalten oder richtige Informationen missverständlich formulieren. Und deshalb kann auch eine wörtliche Übersetzung falsche Assoziationen beim Leser auslösen.

Aber auch an dieser Stelle zeigt sich, dass die Bibel das lebendige Wort Gottes ist. Auch hier kommt der Geist Gottes zum Tragen. Er will uns Gottes Wahrheit zeigen. Das kann und wird er auch über menschliche Schwächen hinweg tun. Und auch das kann ein Trost sein: Die deutschen Bibelübersetzungen sind trotz ihrer Schwächen so zuverlässig und sorgfältig erarbeitet, dass jeder, der Gott kennenlernen und seinen Willen erkennen möchte, ihn in der Bibel findet.

Der Theologieprofessor Karl Barth, Verfasser vieler theologischer Fachbücher und der 14-bändigen »Kirchlichen Dogmatik«, wurde nach dem Kern seiner Theologie gefragt. Zur Überraschung der ihn umringenden Journalisten und Theologen antwortete er mit der Strophe eines Kinderliedes: »Jesus liebt mich ganz gewiss, denn die Bibel sagt mir dies.«

Unterschiede in der Anordnung der biblischen Bücher und bei der Namenschreibung

Wer schon mal zwischen der Lutherbibel und beispielsweise der Elberfelder Bibel gewechselt hat, dem ist vielleicht etwas Merkwürdiges aufgefallen: Die Reihenfolge der Bücher im Neuen Testament ist dort jeweils anders. Bei Luther stehen der Hebräerbrief und der Jakobusbrief am Ende des NT, gleich vor dem Judasbrief und der Offenbarung. In den anderen Übersetzungen stehen Hebräer und Jakobus direkt hinter den Paulusbriefen. Wie kommt das?