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INHALTSVERZEICHNIS

ZU BEGINN

Die Freiheit, von der Paulus spricht

Jesus – der Freiheitskämpfer

Grenzen der Freiheit

Freiheit und Gewissen

Der befreite Mensch im praktischen Leben

Die Freiheit im Netz als aktuelle Bewährung der Freiheit

Freiheit und Nächstenliebe

Die frei machende Wahrheit

Religionsfreiheit – ein Menschenrecht

ZUM SCHLUSS

Literatur

ZU BEGINNZU BEGINN

Freiheit. Es ist ein großes Wort. Ja, der Begriff der Freiheit ist ein Gigant, dessen DeutungDIE DEFINITION VON
FREIHEIT DARF SICH
NICHT IM NEGATIVEN
ERSCHÖPFEN. WIR SIND
IN ERSTER LINIE NICHT
FREI VON ETWAS,
SONDERN WIR HABEN
DIE FREIHEIT, UNS FÜR
DAS ZU ENTSCHEIDEN
UND EINZUSETZEN,
WAS GUT, WAHR UND
WICHTIG IST.
uns sehr schnell in tiefe philosophische, theologische und auch staatsrechtliche Wasser führt. Die Definition von Freiheit darf sich nicht im Negativen erschöpfen. Wir sind in erster Linie nicht frei von etwas, sondern wir haben die Freiheit, uns für das zu entscheiden und einzusetzen, was gut, wahr und wichtig ist – immer im Respekt vor der Freiheit des anderen und im Dialog mit den Werten, für die andere sich in Freiheit einsetzen. Die Frage lautet aber auch: Was verbinden wir in unserem Alltag mit dem Begriff, mit dem Wert der Freiheit? Nehmen wir unsere freiheitliche demokratische Grundordnung, unser Leben in Freiheit einfach so als gottgegeben hin, sind uns Sicherheit, Wohlstand und Besitzstandswährung wichtiger geworden? Uns Deutschen wird gerne nachgesagt, wir seien ein ängstliches Volk. Tritt hinter den verschiedenen Ängsten das Grundthema der Freiheit zurück? Zu was nutzen wir unsere Freiheit?

Schauen wir in die Geschichte, so wissen wir, dass DIE FREIHEIT WAR UND
IST FÜR VIELE MENSCHEN
EIN SO STARKER
IMPULS, DASS SIE
VERFOLGUNG, GEFÄNGNIS
UND SOGAR DEN TOD IN
KAUF GENOMMEN
HABEN, UM NICHT UNFREI
SEIN ZU MÜSSEN.
um der Freiheit willen Kriege geführt, Revolutionen begonnen und Diktaturen gestürzt wurden. Wir müssen nicht bis zum amerikanischen Unabhängigkeitskrieg oder bis zur Französischen Revolution zurückgehen. Erst 2011 hat der Drang nach Freiheit in der sogenannten Arabellion Machthaber und Autokraten in der arabischen Welt gestürzt – mit allerdings noch vielfach ungewissem Ausgang. Die Freiheit war und ist für viele Menschen ein so starker Impuls, dass sie Verfolgung, Gefängnis und sogar den Tod in Kauf genommen haben, um nicht unfrei sein zu müssen. Schon ein Blick in unsere eigene deutsche Geschichte im verhängnisvollen 20. Jahrhundert zeigt, dass Freiheitskämpfer einen hohen Blutzoll für ihr Streben nach Freiheit gezahlt haben. Ich denke dabei an die Vertreter des deutschen Widerstands, die trotz aller Aussichtslosigkeit ihres Unterfangens Moral und Anstand nicht verloren haben und sich gegen ein verbrecherisches System wandten. Ich denke auch an die Menschen, die sich am 17. Juni 1953 beim Volksaufstand in der DDR mutig gegen die sowjetischen Panzer gestellt haben. Das Wort „Freiheit“ wurde aber auch zynisch missbraucht. Der Schriftzug „Arbeit macht frei“ über dem Eingang des Konzentrationslagers Auschwitz verhöhnt in menschenverachtender Weise die Opfer der furchtbaren Verbrechen der Nationalsozialisten.

Der Freiheitsdrang der Menschen kann Mauern sprengen – weil Unfreiheit dem Wesen desDER FREIHEITSDRANG
DER MENSCHEN KANN
MAUERN SPRENGEN –
WEIL UNFREIHEIT DEM
WESEN DES MENSCHEN
WIDERSPRICHT.
Menschen widerspricht. Spontan fällt mir dabei Psalm 18,30 ein: „Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen“, wie der Psalmist so schön bildhaft sagt. Dieser Bibelvers lässt mich an die Bilder vom 9. November 1989 und von den Tagen danach denken, als die Menschen auf der Berliner Mauer standen, sich vor Freude in die Arme fielen und Mauer und Stacheldraht ihren Schrecken verloren hatten. Zuvor hatte die Freiheitsbewegung, die von Polen ausgegangen war, schon erste Risse im kommunistischen Teil Europas sichtbar gemacht. Die friedliche Revolution von 1989 in der damaligen DDR haben wir schließlich vor allem dem Freiheitswillen der Ostdeutschen zu verdanken. Sie haben sich zuerst im Schutz der Kirchen versammelt, sind dann mutig auf die Straßen gegangen und haben letztlich das sich auch wirtschaftlich im Niedergang befindende System des real existierenden Sozialismus mit Mauer und Stacheldraht von innen zum Einsturz gebracht. Sie und wir mit ihnen konnten die glückliche Erfahrung machen, dass das Streben nach Freiheit schließlich über Zwang, Gewalt und Ungerechtigkeit gesiegt hat. Diese Freiheitsrevolution ist ein Geschenk der ostdeutschen Bürgerinnen und Bürger an unser Land.

Der Freiheitsgedanke richtet sich aber DER FREIHEITSGEDANKE
RICHTET SICH
GEGEN POLITISCHEN
RADIKALISMUS – EGAL
WELCHER COULEUR.
auch gegen politischen Radikalismus – egal welcher Couleur. Eine Politik, die sich der Freiheit verpflichtet fühlt, begegnet solchen Utopien und Ideologien mit großer Skepsis und Ablehnung. Weil sie in letzter Konsequenz menschenverachtend sind und nur noch der etwas zählt, der einer bestimmten Klasse, einer bestimmten Rasse, einer bestimmten Religion oder einer bestimmten Nation angehört. Auch deshalb haben gerade diejenigen Menschen, die Unfreiheit am eigenen Leibe erlebt haben, sich für das höchste Gut – die Freiheit – eingesetzt.

Freiheit ist vielschichtig und vielfältig. FREIHEIT IST
VIELSCHICHTIG UND
VIELFÄLTIG. SO WIE
UNSER LEBEN.
So wie unser Leben. Es gibt die Gewissensfreiheit, die Gedankenfreiheit, die Religionsfreiheit, die Freiheit der Kunst, die Meinungsfreiheit, die Freiheit der Wissenschaft und der Forschung, die Rundfunk- und Pressefreiheit, die Versammlungsfreiheit, die Vereinigungsfreiheit, die Berufsfreiheit, die Reisefreiheit. Unser Grundgesetz gewährt diese Freiheiten in seinen ersten Artikeln. Sie sind nicht ohne die schrecklichen Erfahrungen, die Menschen in den Jahren zwischen 1933 und 1945 unter der nationalsozialistischen Zwangsherrschaft machen mussten, zu verstehen. Damals wurden Freiheit und Menschenwürde mit Füßen getreten. Im Widerstand gegen die Nazi-Diktatur waren es vor allem auch christliche Märtyrer, die sich nicht mit Unfreiheit, Unrecht und staatlicher Willkür abgefunden und dafür mit ihrem Leben bezahlt haben. Hier ist besonders der von mir sehr geschätzte Dietrich Bonhoeffer zu nennen, aber auch Bernhard Lichtenberg, Karl Leisner und viele andere. Auch Helmuth James Graf von Moltke, dessen Briefe aus der Haft mich immer wieder neu bewegen. Während seiner Haftzeit hat er sich intensiv mit Martin Luthers Schriften befasst, insbesondere mit „Von der Freiheit eines Christenmenschen“.

Image12GEDANKEN-, GEWISSENS-, DER WISSENSCHAFT UND DER FORSCHUNG, BERUFS-, MEINUNGS-, FREIHEIT, VEREINIGUNGS-, RUNDFUNK- UND PRESSE-, REISE-, RELIGIONS-, VERSAMMLUNGS-, DER KUNST

Es wird deutlich, dass der Begriff der Freiheit sowohlZUR FREIHEIT BEFREIT
ZU SEIN BEDEUTET
IMMER AUCH, DIE FREIHEIT
IN VERANTWORTUNG
FÜR ANDERE ZU
LEBEN UND VERANTWORTUNG
IN FAMILIE,
GESELLSCHAFT UND
BERUF ZU ÜBERNEHMEN.
eine politisch-gesellschaftliche Dimension hat als natürlich auch und in erster Linie eine individuelle: nämlich als Freiheit des Einzelnen. Nur aus dem Freiheitsdrang des Einzelnen, aus dem Erleben und Leben der Freiheit durch den Einzelnen, wenn sie sich in Bezug zum anderen, zum Du, zum Gegenüber setzt, kann letztlich die gesellschaftlich prägende Kraft der Freiheit werden, die herrschende Verhältnisse umgestaltet, die eine Gesellschaft lebenswert macht und die Beziehungen stiftet. Mit anderen Worten: Zur Freiheit befreit zu sein bedeutet immer auch, die Freiheit in Verantwortung für andere zu leben und Verantwortung in Familie, Gesellschaft und Beruf zu übernehmen. Wer Freiheit nur für sich alleine (aus)lebt, hat ihren tiefen Sinn nicht verstanden. Dies hat auch der ehemalige Bundespräsident Roman Herzog in einer Rede zur Bildungspolitik im Jahr 1997 auf den Punkt gebracht, als er sagte: „Freiheit ohne Ziele ist Orientierungslosigkeit und Individualismus ohne Solidarität RELIGION UND FREIHEIT
GLAUBEN UND
FREIHEIT VERTRAGEN
SICH IN UNSERER
ZUNEHMEND SÄKULARISIERTEN
WELT FÜR VIELE MENSCHEN
HINGEGEN NICHT. DAS
LIEGT DARAN, DASS
ALLZU OFT FREIHEIT IN
EINEN GEGENSATZ ZU
GEHORSAM GESETZT WIRD.
kann kein Gemeinwesen begründen.“ Mit dem Begriff der Freiheit verbinden wir heute ideengeschichtliche Vorstellungen, manche denken an politische Programme, alle sicherlich an die persönliche Freiheit, zunehmend geht es auch um Freiheit im Internet. Religion und Freiheit, Glauben und Freiheit vertragen sich in unserer zunehmend säkularisierten Welt für viele Menschen hingegen nicht. Das liegt daran, dass allzu oft Freiheit in einen Gegensatz zu Gehorsam gesetzt wird. Und mit Gehorsam werden auch Religion und Kirche in Verbindung gebracht. Dabei sind es häufig gerade der Religion Fernstehende, die das Gebäude des christlichen Glaubens und der Kirche als einengend und begrenzend empfinden und skeptisch oder zumindest mit Unverständnis auf diejenigen reagieren, die ihren Glauben an Jesus Christus und ihre Zugehörigkeit zu einer der christlichen Kirchen als etwas Befreiendes erleben. Wenn wir aber ehrlich sind, werden wir uns eingestehen WIR HABEN VON GOTT
EINE BERUFUNG ZUR
FREIHEIT EMPFANGEN.
DIESE BERUFUNG ZUR
FREIHEIT BRINGT ABER
AUCH EINE
VERANTWORTUNG MIT SICH.
müssen, dass letztlich jeder Mensch irgendwem oder irgendetwas folgt. Sei es Gesetzen, den Verlockungen der Konsumgesellschaft oder aber der Frohen Botschaft. Diese Entscheidung hat jeder in Freiheit zu treffen. Papst Benedikt XVI. weist immer wieder auf die Bedeutung der verantworteten Freiheit hin, ohne die ein gelingendes Staatswesen und eine solidarische Gesellschaft nicht möglich, nicht denkbar sind: Wir haben von Gott eine Berufung zur Freiheit empfangen. Diese Berufung zur Freiheit bringt aber auch eine Verantwortung mit sich – eine Verantwortung für den Nächsten und in der Gesellschaft. Die „Freiheit in Verantwortung“ ist daher eines der zentralen Motive, mit dem eigentlich auch schon der Kern einer wunderschönen Bibelstelle getroffen ist, die für mich im Laufe meines Lebens immer mehr an Bedeutung und Tiefe gewonnen hat: