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Peter Wefer

Die Rettungsschwimmer


Was ist los mit Andronikus Stachys? Warum rennt er mit einem Mal während der Abschlussfeier panisch davon? Und was hat der leidenschaftliche Rettungsschwimmer José Carstens damit zu tun?


BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

1. Kapitel

 

 

Endlich läutete es. Herr Heinze, der Lehrer, rief: "Bleibt doch noch einen Augenblick sitzen!"

Die Kinder setzten sich noch einmal. "Ich wünsche euch schöne Ferien, und wir sehen uns am 12. August wieder!"

Darauf verließen die Kinder endgültig die Klasse. Herr Heinze sah ihnen wohlwollend nach.

Draußen schien die Sonne. Vogelgesang erfüllte die Luft. Einige Bäume, die den Schulhof abgrenzten, standen in voller Blüte.

Frauen mit Einkaufstaschen gingen vorbei. Sie kamen von ihren Besorgungen zurück. Manche führten kleine Kinder an ihren Händen.

Die Schulkinder atmeten auf. Sie hatten die sie so beunruhigende Zeugnisvergabe endlich hinter sich.

 

Über achthundert Schulkinder verließen gerade in diesem Augenblick die Schule. Endlich ein paar Wochen Ferien, dachten viele.

Auf dem Schulhof trafen sich Andreas Schaper und José Carstens. Andreas fragte José: "Bleibt es bei unserer Abmachung? Oder verreist ihr während des Urlaubs?"

"Nein. Vielleicht werden wir ein paar Tagesfahrten mit dem Auto machen. Es bleibt also dabei."

José Carstens war ein hochgewachsener Junge von fünfzehn Jahren. Er hatte kurz geschnittenes Haar. Seine Kleider waren einfach, jedenfalls im Vergleich zu einigen seiner Mitschüler.

Seine blauen Augen schienen Zuneigung zu bekunden. Tatsächlich war José bei seinen Mitschülern und bei seinen Lehrern gleichermaßen beliebt. José war nie schadenfroh, sondern immer kameradschaftlich, hilfsbereit und freundlich. Auch war er selbst den meisten seiner Mitmenschen gegenüber sehr zugetan.

Er war sehr lebendig und meist fröhlich. Sein Vater, Heinrich Carstens, hatte sich im Laufe der Jahre als Bauarbeiter langsam hoch gearbeitet. Dennoch konnten seine Eltern ihm längst nicht jeden Wunsch erfüllen. Aber seitdem ihm seine Eltern vor fast drei Jahren den Eintritt in die DLRG erlaubten, widmete er viel Freizeit dem Rettungsschwimmen.

Wenn José schlechte Zensuren nach Hause brachte, gestand er es seinen Eltern traurig ein. Jedoch war er meist bereit, erst recht für ein Fach zu üben, in dem er Schwierigkeiten hatte. Meist fand er Klassenkameraden, die sich bereit erklärten, ihm zu helfen.

Manche hielten José für redselig. Er konnte seinen Nachhilfeschülern eine Angelegenheit, auf die er selbst sich verstand, haarfein auseinanderlegen. Dies artete bei José jedoch nie in totes Nennen von Faktoren aus: José verstand es, seinen Mitschülern Interesse an einen Gegenstand zu erwecken.

Leider war José nicht besonders ordentlich. Sein Zimmer sah meist aus, als hätte dort eine Bombe eingeschlagen; und wenn seine Mutter ihm nicht hin und wieder beim Aufräumen hälfe, wäre es ein einziges Chaos.

Ganz im Gegensatz zu den meisten seiner Klassenkameraden hatte José noch keine rechten Zukunftsvorstellungen oder Berufswünsche. Genau genommen machte ihm der Gedanke an die Zukunft ein bisschen Angst. José sagte sich: Ich werde erst meine Schule vollenden und dann weiter sehen. Befriedigt war er bei dem Gedanken nicht.

Eins wusste er dagegen schon seit zwei Jahren: Wenn ich achtzehn bin, mache ich meinen Rettungsschwimm-Lehrschein. Junge Menschen zu Rettungsschwimmern ausbilden - das war Josés Traum.

José und Andreas hatten etwa eine Viertelstunde zu Fuß zu gehen. Ihr Weg führte sie vorbei an einer Konditorei. Da aber beide nur wenig Taschengeld bekamen, widerstanden sie meist der Versuchung, sich Süßigkeiten zu kaufen. Auch gaben sie ihren Eltern recht, die ihnen manchmal sagten, Süßigkeiten wären für den Körper nicht nötig. Freilich erlaubten ihre Mütter ihnen hin und wieder eine Kleinigkeit.

Einige Nachbarn, die gerade die Beete bewässerten oder die Hecke schnitten, winkten José und Andreas zu und ließen sie Grüße an die Eltern ausrichten. Das Dorf sprudelte von Leben.

Die Eltern von José und Andreas hatten einen kleinen Gemüsegarten wie die meisten Dorfbewohner. Dieser Sommer war außerordentlich trocken, sodass die Nachbarn ständig die Beete zu gießen hatten.

Andreas Schaper war in Josés Alter und ihm in mancher Beziehung ähnlich; allerdings waren seine Augen etwas ernster. Tatsächlich war Andreas wesentlich weniger lebhaft als José. Konnte José seiner Freude ungehemmten Lauf lassen, so war Andreas darin eher zurückhaltend.

Wer die beiden auf der Straße sah, nickte wohlwollend: Andreas gehörte zu Josés wenigen echten Freunden. Die meisten schätzten José als einen liebenswerten Kameraden.

Die Schule nahm Andreas längst nicht so ernst wie José. Auf Ermahnungen seiner Eltern reagierte er manchmal verstimmt, manchmal entgegnete er auch humorvoll: "Vor zweihundert Jahren konnte kaum jemand lesen, und die Menschen haben auch gelebt." Dies meinte er jedoch nicht böse; und meist hörte er auf die Ermahnungen seiner Eltern, wie ihm und José die Ehrerbietung diesen gegenüber ohnehin gemeinsam war.

Wenn José von seinen Eltern einen Gefallen erfüllt bekam, konnte er sich lebhaft freuen. Andreas nahm seine Mutter in den Arm und sagte liebevoll: "Danke, Mama!"

Auch Andreas hatte noch keine Zukunftsvorstellungen. Er wollte zunächst seine Schule beenden.

 

Einige Nachbarn fragten José und Andreas: "Na? Zeugnisse gegeben?" José antwortete bereitwillig: "Ja!", während Andreas nur lustlos nickte. Schuljungen auf dem Heimweg in ihrer Ferienvorfreude.

Vor Andreas' Elternhaus verabschiedeten sich José und Andreas: "Heute Nachmittag? Im Schwimmbad? Um drei Uhr?"

"Klar!"

Darauf ging José heim, während Andreas in das Haus ging.

Zuhause angekommen begrüßte Josés Mutter ihren Jungen: "Nun? Jetzt hast du erst einmal ein paar Wochen Ferien."

"Ja. Bis zum 12. August!"

"Fast sechs Wochen! Na, dann gib mir doch mal eben dein Zeugnis" bat seine Mutter.

"Sicherlich!" Er suchte sein Zeugnis aus seiner Schultasche und gab es seiner Mutter.

"Essen gibt es heute später. Vater kommt heute früher."

"Für heute Nachmittag bin ich mit Andreas im Schwimmbad verabredet."

"Willst du wieder Rettungsschwimm-Unterricht geben?" fragte seine Mutter schmunzelnd.

"Er will während der Ferien seinen Rettungsschwimmpass erwerben!" entgegnete José.

"Ja ja! Ich habe schon oft gedacht: Wenn es keinen Rettungsschwimmverein gäbe, würdest du ihn gründen."

"Du weißt, was es in der Schule bedeutet, wenn jemand einen Jugend- oder Rettungsschwimmpass hat. Nicht mehr während des Schwimmunterrichts im Nichtschwimmbecken sich aufhalten zu brauchen."

"Sicherlich. Ich habe auch nichts dagegen. Im Gegenteil."

Die Mutter nahm einen Kugelschreiber und unterschrieb das Zeugnis, nachdem sie zu ihm nur anerkennend genickt hatte, da sie entgegen Josés Skepsis mit ihm rundum zufrieden war.

Josés Mutter, Heidi Carstens, war eine gutmütige Frau von 39 Jahren. Sie freute sich, wenn sie ihren Lieben Gutes tun konnte. Familienstreitigkeiten und andere Schwierigkeiten waren bei den Carstens selten. Heidi freute sich darüber, dass sie es zusammen mit ihrem Mann zu einer angemessen großen Wohnung und einem schönen Garten gebracht hatte. Manchmal war sie trotzdem traurig, weil sie José nicht jeden Wunsch erfüllen konnte. Josés altes Fahrrad, welches er seit drei Jahren fuhr, war ihm längst zu klein geworden, aber für ein neues reichte das Geld trotz ihrer Sparsamkeit noch nicht. Auch teure Weihnachtsgeschenke, etwa einen eigenen Fernseher oder gar einen Computer, in seiner Klasse fast Selbstverständlichkeiten, konnten Josés Eltern ihrem Sohn nicht schenken. Immerhin freute sich seine Mutter mit José immer, wenn er zur DLRG ging. José war Rettungsschwimmer mit Leib und Seele. Wir hätten ihm diesen kleinen Wunsch bereits viel früher erfüllen sollen! dachte sie jetzt.

"Eigentlich solltest du während der Ferien hin und wieder doch etwas in Erdkunde und Geschichte üben." ermahnte sie ihren Sohn.

"Natürlich. Aber nur ein paar Stunden."

"Sicherlich. Auf jeden Fall scheinst du dich im Mathematik recht angestrengt zu haben."

"Andreas hat mir geholfen. Dafür gebe ich ihm jetzt Nachhilfe im Rettungsschwimmen."

"Dann wünsche ich ihm viel Glück. Und dir viel Spaß. Wann wolltest du ins Schwimmbad?"

"Um drei Uhr."

"Vater wird heute zum Mittag kommen."

"Warten wir auf ihn. Was gibt es?"

"Jägerschnitzel!"

"Toll. Dafür werde ich auch etwas in Erdkunde und in Geschichte tun!" rief José freudig.

Die Mutter lächelte gütig.

Gegen zwölf Uhr kam Josés Vater.

"Nun?" fragte er ihn freudig. "Jetzt hast du erst ein paar Wochen Urlaub, was?"

"Ich bin heilfroh darüber!"

"Das kann ich verstehen. Wie ist denn dein Zeugnis ausgefallen?"

"Die Vier in Mathematik ist weg. Dort habe ich jetzt eine Drei. Im Sport eine Zwei, in Erdkunde und in Geschichte eine Vier, im übrigen Dreien."

Heinrich Carstens, der Vater von José war ein gutmütiger Mann von 45 Jahren. Seine Liebe galt neben seiner Familie seinem Garten, dem er mehr Zeit widmete als Wirtshausbesuchen oder Skatabenden.

Seine blauen Augen verrieten Aufmerksamkeit und Interesse. Tatsächlich hätte er mit Thomas Edison sagen können, er interessiere sich für alles.

Heinrich Carstens liebte vor allem gutes Essen. Wenn seine Freunde ihn zum Restaurantbesuch einluden, sagte er manchmal: "Ihr wisst nicht, was gutes Essen ist. Ihr solltet einmal meine Frau kochen sehen."

Wenn er während der langen Sommerabende zusammen mit seiner Frau im Garten saß, fragte er sie manchmal: "Haben wir nicht allen Grund, zufrieden zu sein?"

Heinrich Carstens war zufrieden, ja, glücklich. Freilich bedauerte auch er es manchmal, dass sie José nicht jeden Wunsch erfüllen konnten.

Wenn er sich zusammen mit seiner Frau diese Gedanken machte, sagte er manchmal zu ihr: "Wenigstens wird er es einmal besser haben, wenn er in unser Alter kommt. Dafür werden wir schon sorgen." Aber es blieb ein restliches Weh: Sie würden ihm in diesem Jahr zu Weihnachten wieder kein größeres Fahrrad schenken können, wenn er gerne einen eigenen tragbaren Fernseher hätte.

Er wiegte den Kopf hin und her.

"Nun, mit einem solchen Zeugnis wirst du kein Professor, aber man kann zufrieden sein!" meinte er wohlwollend.

"Das finde ich auch!" meinte die Mutter. "In zehn Minuten gibt es Essen!"

Heinrich meinte: "Ja, wir können in diesem Jahr leider nicht verreisen!"

José sah seiner Mutter zu, die Schüsseln mit Kartoffeln und Gemüse füllte.

"Das ist doch nicht schlimm! Du hast doch ohnehin viel mehr Freude an deinem Garten!"

"Du bist deswegen nicht traurig?" fragte Heinrich seinen Sohn.

José schüttelte den Kopf.

"Er will heute Nachmittag wieder Rettungsschwimm-Unterricht an einen seiner Klassenkameraden geben. Dafür, dass er ihm Nachhilfe im Rechnen gegeben hat."

Heinrich nickte.

José half seiner Mutter beim Aufstellen der Schüsseln und der Fleischplatte.

Sein Vater meinte zu ihm: "Das ist kein Schaden. Ich habe dir immer gesagt: Wenn du gerne schwimmen gehst, sollst du wenigstens einmal im Leben den Rettungsschwimmschein erwerben. Wenn du beispielsweise unbedacht in einen pflanzenbewachsenen See steigst und weißt, was du tun kannst, kannst du unter Umständen dein eigenes Leben retten. Vom Fremdretten möchte ich hier gar nicht sprechen. Ohnehin bezweifle ich, dass ein Junge deiner Größe mich vor dem Ertrinken retten könnte."

"Das wäre er sicherlich nicht. Aber die Jungen und Mädchen werden bei der DLRG auch darauf hingewiesen. Aber die meisten wollen nur aktiv am Schulschwimmen teilnehmen."

"Viele wollen sich schlicht Rettungsschwimmer nennen können. Nun, wenn sie die Baderegeln einhalten, ist vielen genützt. Die Jungen und Mädchen dürfen sich Rettungsschwimmer nennen, und die anderen Badegäste werden nicht belästigt und angepöbelt."

Heidi schüttelte den Kopf.

"Was redest du da für einen Unsinn?"

Heinrich lachte laut. "Es ist doch so. Oder?"

José meinte schmunzelte. "Ich finde deine Art, das zu erzählen reichlich - mokant!"

"Das sollte sie auch sein! Gib ruhig Rettungsschwimm-Unterricht. Die DLRG hat mehr Menschenleben durch Ausbilden von Schwimmern und Rettungsschwimmern gerettet als durch eigenes aktives Retten."

"Das ist klar!" entgegnete José.

"Verlasse dich nicht auf die Rettungsschwimmer! Werde lieber selbst einer!" meinte Heinrich vergnügt.

Nach dem Essen fragte Heidi ihren Jungen: "Wann musst du heute zur Schulabschlussparty?"

"Ab fünf. Aber ich habe keine Lust, heute dorthin zu gehen."

"Nun, wenn du nicht möchtest - ich zwinge dich nicht!"

Heidi stellte Pudding auf den Tisch. José stand jedoch auf.

"Ich bin satt!"

Als José die Küche verlassen hatte (Die Carstens nahmen die Mahlzeiten, wie viele Familien, in der Küche ein), brach Heinrich in lautes Lachen aus.

"Warum lachst du?" fragte ihn seine Frau.

"Unser Meister-Rettungsschwimmer! Er will dünner werden!" antwortete er lachend.

"Unsinn!" meinte seine Frau. "Das hat José doch wirklich nicht nötig! Er könnte eher noch ein paar Kilo zunehmen!"

 

2. Kapitel

 

Pünktlich um drei Uhr trafen sich José und Andreas im Schwimmbad. Das Schwimmbad war trotz des schönen Wetters nur mäßig besucht. Einige Kinder tummelten sich vor dem Sprungturm, einige ältere Damen schwammen gemächlich ihre Bahnen.

"Nun? Was sagen deine Eltern zu deinem Zeugnis?" fragte Andreas.

"Sie sagen, mit einem solchen Zeugnis werde ich kein Professor, aber sie sind zufrieden."

"Für ein Studium brauchst du ohnehin das Abitur." erwiderte Andreas.

"Und wie sind deine Eltern mit deinem Zeugnis zufrieden?" fragte José.

"Sie haben mir gesagt: Tu was für die Schule, sonst lassen wir dich das Jahr wiederholen. Wenn ich diese Sprüche schon höre..." murrte Andreas

"Jetzt haben wir aber ein paar Wochen Ferien!"

Andreas sah auf den strahlendblauen Himmel. Dieser Tag ist ein wahrer Bilderbuch-Sommertag! dachte er.

"Klar!" rief er. "Und wir hoffen, dass das Wetter so schön bleibt. Dann werde ich vielleicht am Ende der Ferien meinen Rettungsschwimmpass haben!"

Zusammen stiegen Andreas und José ins Wasser.

 

Ein zwölfjähriger Junge beobachtete José und Andreas. Als die Zwei einen Augenblick Pause machten, fragte der Junge José: "Was macht ihr?"

José antwortete: "Ich zeige ihm, wie man jemanden vor dem Ertrinken rettet."

"Rettungsschwimmen?" fragte der Junge.

"Richtig. Du kennst es also?"

"Ein Freund von mir ist bei der DLRG."

"Interessant. Hast auch du Interesse am Rettungsschwimmen?"

"Warum willst du das wissen?" fragte der Junge.

"Weil du uns so interessiert beobachtest."

Nach einer Weile fuhr José fort: "Mein Freund möchte in den Ferien seinen Rettungsschwimmpass machen."

Der Junge nickte irgendwie nachdenklich.

"Wenn du auch Interesse am Rettungsschwimmen hast - möchtest du deinen Rettungsschwimmschein auch irgendwann machen?" fragte José.

"Wenn ich es schaffe..."

"Warum solltest du es nicht schaffen?"

Der Junge zuckte die Achseln. "Würde ich es denn schaffen?"

"Vielleicht. Weißt du, was wir beide eben gemacht haben?" fragte José.

Der Junge schüttelte den Kopf.

"Das nennt man Abschleppen. Im Ernstfall wird es durchgeführt, wenn ein Ertrinkender bewusstlos oder so schwach ist, dass er sich nicht mehr fest halten kann."

"Darf ich es auch einmal versuchen?" fragte der Junge fröhlich.

"Meinetwegen! Mit mir?"

Der Junge nickte freudig.

Zusammen gingen José und der Junge wieder ins Wasser. Der Junge griff José unter die Arme und versuchte ihn an den Rand zu ziehen.

José meinte zu dem Jungen: "Du musst dich weiter nach hinten legen. Sieh mal direkt nach oben! Du brauchst mich nicht anzuschauen."

"Zum Himmel?" fragte der Junge.

"Richtig. Und dann mit den Füßen kreisen!" antwortete José.

Der Junge versuchte es. "Ich kann das nicht!" meinte er zu José. "Möchtest du es lernen?"

"Ich werde es wohl nie schaffen!"

"Möchtest auch du während der Ferien deinen Rettungsschwimmpass machen?" fragte José.

"Du meinst, dass ich das schaffen würde?"

"Am nächsten Mittwoch - übermorgen - beginnen hier wieder Rettungsschwimm-Lehrgänge. Wenn du möchtest, kannst du dabei sein."

"Was muss man können, um daran teilnehmen zu können?" fragte der Junge.

"Du brauchst eigentlich nur schwimmen zu können. Aber es wäre nützlich, wenn du bereits tauchen, abschleppen, Transportziehen, Kleiderschwimmen und springen könntest. Wir beide sind morgen wieder hier. Wenn du möchtest, kannst auch du morgen dabei sein. Und übermorgen beginnt der Lehrgang."

"Und was wird das kosten?" fragte der Junge.

"Zwanzig Mark."

"Werden meine Eltern mir das erlauben?" fragte der Junge.

"Sicher!" antwortete José. Und er dachte: Meine Eltern haben es mir auch erlaubt. Warum sollten seine Eltern ihm das nicht erlauben?

"Ich werde sie danach fragen. Darf ich es noch einmal versuchen?" fragte der Junge.

"Gern. Aber wie heißt du eigentlich?"

"Philipp. Philipp Pönzgen."

"Und wie alt bist du?" fragte José.

"Zwölf Jahre."

"Wenn du möchtest und deine Eltern einverstanden sind, kannst du also am Mittwoch am Rettungsschwimm-Lehrgang teilnehmen."

"Von der DLRG?" fragte Philipp.

"Ja."

"Das werden meine Eltern mir erlauben. Aber wer bist du?"

"Ich heiße José Carstens. Und ich bin oft hier, um mit meinem Freund zu üben."

José und Philipp gingen erneut ins Wasser. Philipp Pönzgen war ein stiller Junge mit scheuem und ernstem Gesicht. José glaubte, ihn auf dem Pausenhof schon mehrmals gesehen zu haben. Meist stand er für sich und redete nicht viel.

Dennoch war er José nicht unsympathisch: Seine hellen Kinderaugen ließen Offenherzigkeit vermuten. Tatsächlich war Philipp durchaus zu Freundschaften und Unterhaltungen bereit. Die meisten seiner Klassenkameraden mochten ihn jedoch nicht. Manche hänselten ihn während der Pause, die meisten ließen ihn einfach in Ruhe. Manche behaupteten, Philipp Pönzgen habe 'einen Knacks'.

Aber gerade in Mathematik und Biologie, wo die meisten seiner Mitschüler Schwierigkeiten hatten, war er sehr gut. Auch in Erdkunde und in Geschichte. Der Sportunterricht, insbesondere der Schwimmunterricht, machten ihn keine Freude. Dennoch ging er am Nachmittag gerne ins Schwimmbad. Er konnte fast zwanzig Meter weit tauchen. Leider hatte er noch keinen Jugendschwimmschein, musste infolgedessen während des Schulschwimmens im Nichtschwimmerbecken bleiben. Dies war für Phillip 'doof'; dort kam es ihm gegenüber am häufigsten zu Hänseleien.

Zuhause war Philipp Pönzgen sehr ordentlich: In seinem Zimmer lagen Kleider, Bücher, Spiele und Schulsachen an ihrem Platz, und sein Schreibtisch sah immer aufgeräumt aus. Ganz im Gegensatz zu seinem Bruder, der sehr unordentlich war und in seinem Zimmer oft etwas suchen musste.

José erklärte Philipp noch einmal: "Du legst dich also so weit wie möglich nach hinten, wenn du mich abschleppen möchtest. Und du darfst nicht nach mir gucken. Du musst nach oben gucken."

"Wie merke ich es, wenn ich am Rand bin?"

"Da gibt es mehrere Möglichkeiten. Im See, wo Rettungsschwimmer hauptsächlich eingesetzt werden, merken sie es, sobald sie den Sand unter sich spüren. Im Schwimmbad kann man zur Seite sehen und sich am Rand orientieren. Im übrigen können die Kameraden einem Stop sagen. Es sollte schon dabei bleiben: So weit wie möglich nach hinten legen."

Sie schwammen ein Stück weit. Dort forderte José Philipp auf: "Versuch's!"

Philipp schwamm hinter José. Er griff José unter die Arme und zog ihn an den Beckenrand.

José nickte. "Hast du es gemerkt? Wenn du dich allzu weit aufrichtest, stößt du mit den Füßen das Wasser nach unten und kommst nicht voran. Wenn du dich weit nach hinten legst, dann stößt du das Wasser nach vorne und kommst nach hinten hin vorwärts."

Philipp nickte. José sah ihn liebevoll an. Du wirst es schaffen! dachte er erfreut.

"Wenn du deinen Rettungsschwimmschein haben willst, wirst du mich über 50 Meter abschleppen müssen."

"Ist das viel?" fragte Philipp.

"Du kannst es ja einmal versuchen. Einmal durch's Schwimmbad!"

José stellte sich auf die Borte am Beckenrand. Sobald Philipp ihn unter die Arme gegriffen hatte, ließ er sich vorsichtig fallen.

Nach zwanzig Metern meinte Philipp: "Ich kann nicht mehr!"

"Fünfzig Meter sind für den Anfang eine recht lange Strecke. Nicht wahr?"

Philipp nickte.

"Weißt du, wie du das alleine üben kannst?" fragte José.

Philipp schüttelte den Kopf.

"Indem du dich auf den Rücken legst, die Hände faltest oder auf die Beine legst und nur mit den Füßen schwimmst. Wenn du deinen Rettungsschwimmschein machst, musst du 200 Meter in zehn Minuten schwimmen können. Davon 100 Meter in Bauchlage und 100 Meter in Rückenlage mit Grätschschwung ohne Armtätigkeit. Die Beine müssen während des ganzen Rückenschwimmens so weit gespreizt sein, dass ein Zurettender zwischen den Beinen Platz hat. Eine wichtige Vorübung des Abschleppens. Ich habe es schon als Rettungsschwimmen ohne Partner bezeichnet."

"In welcher Zeit müssen die 200 Meter geschwommen werden?"

"In zehn Minuten."

"Ist das schnell?"

"Immerhin ist die Uhr so nahe, dass du auf die Zeit ungefähr achten kannst. Beim Üben kommt es ja auch auf die Sekunde nicht an."

"Wann bist du morgen hier?" fragte Phillip.

"Ab neun Uhr. Zusammen mit Andreas. Du kannst auch dabei sein."

"Ich werde mit meinen Eltern sprechen. Gegen die DLRG haben sie nichts."

"Wie ich schon sagte: Wenn du möchtest, kannst du morgen dabei sein."

"Warum soll ich denn zu dir kommen, wenn ich das Rettungsschwimmen auch bei der DLRG lernen kann?" fragte Philipp schließlich.

"Ja, wenn du so gut bist, dass du alle erforderlichen Übungen zum Rettungsschwimmschein einwandfrei beherrschst, gehst du am Mittwoch zu Hartmut, sagst ihm, du möchtest deinen Rettungsschwimmschein machen und hast ihn noch vor Ende der Ferien. Aber wenn du Schwierigkeiten hast, übst du besser auch außerhalb der Übungsstunde. Die Kameraden von der DLRG kommen während des Sommers mittwochs hierher. Und einmal pro Woche, das reicht aus, damit der Lehrgangsleiter die Übungen abnimmt, aber zum Üben, also zum Ausräumen von Schwierigkeiten, ist das zu wenig."

"Und wenn ich es nicht schaffe, helfen mir dann die von der DLRG weiter?"

"Aber ja. Hartmut ist in Ordnung. Komm am Mittwoch ab 16 Uhr hier vorbei. Und morgen bin ich ab 9 Uhr hier."

"Ich werde morgen kommen."

Philipp sah auf die Uhr. Es war inzwischen vier Uhr.

"Ich muss nach Hause!" rief er.

Andreas meinte zu José: "Wenn du heute Abend zur Schulabschlussparty willst, wirst du dich auch beeilen müssen!"

"Ich möchte nicht dorthin. Du?"

"Gott bewahre! Ich bin dankbar dafür, sechs Wochen lang nichts von der Schule hören zu müssen!"

"Ich auch!" meinte José. Sie sahen Philipp nach.

 

Er setzte sich auf sein Fahrrad und fuhr nach Hause.

Seine Mutter wartete bereits auf ihn. Sie fragte ihn: "Nun? Du kommst aber spät! Wo warst du?"

"Im Schwimmbad!"

"Du weißt doch, dass um fünf Uhr die Abschlussparty anfängt!"

"Ich habe keine Lust zur Abschlussparty!" erwiderte Philipp.

Seine Mutter schüttelte den Kopf.

"Du kannst dich doch nicht ständig absondern!" meinte sie zu ihm.

"Die meisten meiner Kameraden mögen mich nicht."

"So wirst du noch voll und ganz zum Außenseiter!"

Philipp knurrte vor sich hin.

"Ist Vater inzwischen zurück?"

"Noch nicht."

"Mama, ich habe aber wirklich keine Lust, zur Schulabschlussfete zu gehen!"

"Komm, Philipp, mach kein Theater!"

Unwillig ging Philipp auf sein Zimmer. Er hätte lieber noch eine halbe Stunde im Schwimmbad mit José und Andreas weiter geübt.

Schulabschlussparty - was war das schon? Schach spielen, Limo trinken, laute Musik, die Kameraden, die mich ohnehin nicht mochten...! Darauf freuten sich manche während des ganzen Jahres! Er dachte hasserfüllt: Wenn ich einmal aus der Schule bin, möchte ich sie brennen sehen! Das wäre für mich die richtige Abschlussparty!

Zu seiner Mutter sagte er: "Ich bin aber spätestens um acht Uhr wieder hier!"

"Bleib ruhig bis neun!"

"Ich will morgen um halb acht aufstehen."

Schließlich ging er. Er setzte sich aufs Fahrrad und fuhr los. Einen Augenblick dachte er: Wenn ich jetzt noch einmal schwimmen fahren würde, würde es keiner merken.

Oder vielleicht doch? Die Nachbarn könnten mich sehen. Und wenn sie meiner Mutter etwas erzählen, wird sie böse!

Philipp ließ sich jedoch Zeit. Und als er auf den Schulhof kam, hatte die Fete bereits begonnen.

Auf dem Schulhof standen mehrere Tische und Bänke. Kameraden aßen an Tischen Wurst oder tranken Limo. Wieder andere tanzten. Philipp empfand die Musik als dröhnend laut. Er wäre dankbar, wenn wenigstens diese abscheuliche Musik nicht wäre! Er betrachtete das Treiben auf dem Schulhof nur mit Widerwillen und spielte einen Augenblick mit dem Gedanken, doch zu gehen.

Schließlich setzte er sich auf einen Platz gegenüber von Andronikus Stachys. Andronikus sah Philipp kurz an, sagte aber kein Wort.

"Dir gefällt es hier auch nicht?" fragte ihn Philipp.

Andronikus schüttelte nur langsam den Kopf.

"Party nennen sie das! Die Lehrer, denen wir die 'großartigen Zensuren verdanken, sind auch hier! Der Herr Pogge, der Herr Heinze, der Herr Döring, die Frau Steinhorst, die Frau Tannenberg!" brummte Philipp kaum verständlich.

"Was ist mit dir, Andronikus?" fragte er.

"Nichts!" antwortete Andronikus lustlos!"

"Das ist eine schöne Party!" murrte Philipp. "Soll ich dir eine Bratwurst holen?"

Andronikus nickte nur lustlos.

Philipp erbat am Grill zwei Bratwürste.

"Was willste mit zwei?" fragte ihn Erich Krone, der am Grill stand, arrogant.

"Eine ist für Andronikus."

"Aha! Für Andronikus!" entgegnete Erich sarkastisch. "Nun, der muss natürlich unbedingt eine Wurst haben!"

Erich nahm zwei Pappteller, legte auf jede eine Wurst und gab sie Philipp.

"Und die größere ist für Andronikus. Ist das klar?"

"Lass mich doch bloß in Ruhe!" erwiderte Philipp.

"Ich komme zu euch 'rüber, und wenn du dir die größere genommen hast, ist was los!" erwiderte Erich drohend.

Philipp eilte mit den Würsten zu Andronikus zurück. Dieser saß schweigsam vor dem Tisch. Ja, manchmal guckte er, als würde jeden Augenblick eine Katastrophe geschehen.

"Komm! Essen wir zusammen eine Wurst! Ich habe sie dir doch extra mitgebracht."

Andronikus sah Philipp angstvoll an.

"Hast du Angst vor mir! Nur weil ich ein bisschen sauer bin! Das hat doch nichts mit dir zu tun!"

Aber Andronikus hielt weiterhin seinen angstvollen Blick auf Philipp.

"Ich weiß, wie es ist, wenn man ein schlechtes Zeugnis hat. Haben deine Eltern mit dir geschimpft?" fragte ihn Philipp.

Jetzt setzte sich Hartmut zu Philipp und Andronikus. Er fragte sie: "Ist dies hier 'ne Trauerversammlung?"

Philipp entgegnete: "Uns geht es nicht gut! Blöde Zeugnisse. Und dann dieser Krach, den ihr Musik nennt!"

"Haben deine Eltern geschimpft?" fragte Hartmut.

"Ach, es geht!"

"Und deine, Andronikus?"

"Nein!" antwortete Andronikus kaum hörbar.

"So schlecht sind eure Zeugnisse doch garnicht ausgefallen, dass ihr beide hier Gesichter zieht, als würde die Welt untergehen!" entgegnete Hartmut. "Oder ist noch etwas anderes vorgefallen."

Philipp fragte ihn: "Sag, Hartmut, wolltest du nicht schon einmal deinen Rettungsschwimmschein zu machen?"

Mit einem Mal stand Andronikus schreiend auf und rannte davon. Hartmut und Philipp sahen ihm konsterniert nach.

"Hat er sich an der heißen Wurst verbrannt?" fragte Hartmut.

"Ich weiß es auch nicht! Andronikus!"

Herr Pogge kam zu Philipp und Hartmut an den Tisch. Er fragte sie wütend: "Was habt ihr mit Andronikus gemacht?"

"Nichts!" antwortete Philipp.

"Kommt mal beide mit!" rief der Lehrer. "Wo ist Andronikus?"

Aber Andronikus hatte bereits den Schulhof verlassen.

Zusammen gingen Herr Pogge und die zwei Jungen in ein Klassenzimmer.

Herr Pogge sagte energisch zu den beiden Jungen: "Ihr werdet mir jetzt sofort sagen, was vorgefallen ist!"

Hartmut meinte: "Philipp und ich haben uns unterhalten. Mit einem Mal stand er schreiend auf und lief davon!"

"Aber doch nicht ohne Ursache!" fragte sie Herr Pogge scharf.

"Wir haben uns unterhalten. Ich habe ihnen gesagt, so schlecht wären deren Zeugnisse doch gar nicht ausgefallen, dass sie hier Trauerglocken läuten ließen, oder wie ich mich ausdrückte. Ich schwöre Ihnen: Mehr ist nicht vorgefallen!"

"Schwöre nicht zu laut!" erwiderte Herr Pogge wütend.

Philipp meinte: "Wir haben uns unterhalten. Andronikus hat seine Wurst gegessen."

"Wäre es nicht möglich, dass er sich an der heißen Wurst den Mund verbrannt hat, hat Hartmut mich schon gefragt." meinte Philipp nachdenklich.

Hartmut nickte mitleidig.

"Es geht ihm schon seit einiger Zeit nicht gut." meinte er nachdenklich.

"Stimmt! Jetzt fällt es mir auch ein: Er guckt schon seit einigen Tagen, als würde eine Katastrophe geschehen."

Herr Pogge nickte. Das war auch ihm aufgefallen. Er hatte Andronikus mehrmals vorsichtig angesprochen. Dieser hatte ihn jedoch nur angstvoll angestarrt und geschwiegen. "Der arme Junge!" stimmte er Hartmut zu.

"Wir haben ihm nichts getan" erklärte Philipp ein letztes Mal.

Herr Pogge entgegnete: "Ich glaube euch!" und entließ die beiden Jungen.

Darauf gingen Hartmut und Philipp wieder.

Herr Pogge ging im Klassenzimmer hin und her. Philipp und Hartmut hatten recht: Andronikus war bereits seit geraumer Zeit seltsam verstört.

Sollte es vielleicht tatsächlich am schlechten Zeugnis liegen? Aber so schlecht war sein Zeugnis doch gar nicht ausgefallen. Außerdem wäre das doch kein Grund, mit einem Mal schreiend vom Platz aufzustehen. Oder haben Philipp und Hartmut sich doch über etwas anderes unterhalten?

Herr Pogge dachte immer wieder: Der arme Junge.

Hartmut und Philipp setzten sich auf ihren Platz zurück.

"Du wolltest etwas mit mir besprechen."

"Ja. Wolltest du nicht schon einmal deinen Rettungsschwimmpass machen?"

"Ja. Warum fragst du?"

"Was braucht man dazu eigentlich?"

"Soweit ich weiß, musst du nur schwimmen können!"

"Den Jugendschwimmschein braucht man nicht?"

"Nach meinen Informationen nicht. Aber warum fragst du?"

"Was würdest du davon halten, wenn ich es auch während der Ferien versuchen würde?" fragte Philipp.

Hartmut wiegte den Kopf hin und her.

"So weit ich weiß, hast du keine Freude am Schulschwimmunterricht. Ich übrigens auch nicht, obwohl ich leidenschaftlich gern schwimme!"

"Ich finde es blöde, dass wir, die wir schon lange schwimmen können, immer noch im Nichtschwimmbecken bleiben müssen!" meinte Philipp.

"Du hast recht."

"Und wenn ich es schaffen würde, wäre das vorbei!"

"Wo willst du das machen? Hier im Schwimmbad?"

"Hm!"

"Wenn du fleißig übst, warum solltest du es nicht schaffen?"

"Ich habe mir heute von einem im Schwimmbad das Abschleppen zeigen lassen. Ich fand das ganz toll. Morgen um neun bin ich auch wieder mit ihm zusammen!"

"Oh, darf ich da mitmachen?"

"Sicherlich! José ist sehr nett. Und er hat es mir ganz genau gezeigt."

"Dann werde ich es vielleicht in diesen Ferien auch schaffen!"

Eine Weile lauschte Herr Pogge dem Gespräch der beiden. Aber er hörte nichts Verdächtiges. Sie unterhielten sich über die Schule. Wie sie beide übereinstimmend gesagt haben.

Hartmut meinte freudig zu Philipp: "Ich bin morgen auch dabei. Komm! Darauf stoßen wir an!"

Er ging zum Grill.

"Komm, Erich! Gib mir 'ne Pulle Limo! Philipp! Wir beide werden jetzt darauf anstoßen!"

"Was gibt es denn?" fragte ihn Erich.

"Philipp und ich werden in diesem Sommer beide unseren Rettungsschwimmschein machen!"

Eine Weile glotzte Erich Hartmut konsterniert an. Dann aber meinte er zu Hartmut: "Philipp ist ein großer Angeber!"

"Er hat mir erzählt, ihn hätte heute im Schwimmbad jemand eingeladen, seinen Rettungsschwimmschein zu machen!"

Erich wurde böse. "Glaubst du vielleicht, die von der DLRG gehen durch die Schwimmbäder und fragen nach, wer einen Rettungsschwimmschein machen will? Die DLRG ist keine Sekte, die ihre Leute von Haus zu Haus schickt!"

"Ich bin während der Ferien ohnehin oft genug im Schwimmbad."

"Und ich möchte denjenigen kennen lernen, der aus Philipp einen Rettungsschwimmer macht! Er nimmt ja noch nicht einmal am Schulschwimmen teil!" erwiderte Erich.

"Soweit ich beobachtet habe, bist du auch nicht derjenige, der am Schulschwimmen seine helle Freude hat!"

"Das ist etwas anderes!"

"Nein, Erich, es ist genau dasselbe! Ich bin neugierig, was Philipp mir da erzählt hat!"

"Ich auch! Ich bin morgen dabei! Philipp Pönzgen - ein Rettungsschwimmer - ich lache mich krank!"

Melanie kam an den Grill. Sie fragte: "Sag mal, Erich, haste was gesoffen?"

"Wie kommste denn darauf?" fragte Erich sie konsterniert.

"Was fasselste daher von Philipp Pönzgen als Rettungsschwimmer? Hä?"

"Er erzählt doch den Unsinn!"

Melanie schüttelte den Kopf. "Hat dich die Sonne gestochen?" fragte sie Hartmut.

"Nein. Nur weil ich sage, Philipp hat sich überreden lassen, den Rettungsschwimmschein zu machen? Soll er doch. Ich werde meinen auch machen. Und was da morgen im Schwimmbad los ist, werde ich ja sehen!"

"Ich auch!" rief Erich. "Das Schauspiel lasse ich mir nicht entgehen!"

"Was ist mit der Limo?" fragte Hartmut.

Erich nahm eine Limo aus dem Kasten.

"Hier! Und sag unserem zukünftigen Rettungsschwimmer, ich bin morgen früh dabei!" rief Erich, indem er Hartmut die Flasche gab.

"Ich auch!" rief Melanie.

"Ich auch!" rief Claudia.

Erich schüttelte den Kopf. Er schrie: "Oh Gott! Ist hier die Rettungsschwimmeritis ausgebrochen? Die Sonne! Wir brauchen nur noch zwei oder drei solche Sommer, und die von der DLRG wissen nicht mehr, wohin mit ihren Teilnehmern! Prost!"

Erich nahm eine Flasche Limo, öffnete sie und trank sie in einem Zug leer.

Herr Pogge, der ihn eine Weile beobachtet hatte, fragte ihn konsterniert: "Sag mal Erich, was ist mit dir los?"

"Mit mir?" schrie Erich. "Fragen Sie doch mal Philipp Pönzgen! Ha! Ha!"

Herr Pogge schüttelte konsterniert den Kopf.

"Erich, ich frage dich: Was ist mit Philipp Pönzgen?"

"Er will während der Ferien..."

Aber dann lachte Erich so herzhaft, dass er kaum noch ein Wort heraus bekam.

Herr Pogge rief energisch: "Erich, jetzt rede mal vernünftig! Oder hast du Bier getrunken? Du sagst mir jetzt sofort, was mit Philipp ist?"

"Er will während der Ferien seinen Rettungsschwimmschein machen!" erzählte Erich unter Lachen.

"Und?" fragte Herr Pogge verständnislos. "Was ist daran so witzig?"

"Wenn Philipp Pönzgen schon auf solche Ideen kommt, dann gibt es in ganz Deutschland in zwei oder drei Jahren nur noch Rettungsschwimmer!" schrie Erich lachend.

Herr Pogge erwiderte ernsthaft: "Na, wünschenswert wäre das ja. Zweihundert Ertrinkende pro Jahr. Ertrinken ist kein schöner Tod."

Er ging weiter. Und er dachte laut: "Aber was nützt es schon, wenn die jungen Leute sich nicht nach den Baderegeln richten?"

Gegen sieben Uhr verabschiedete sich Philipp Pönzgen von den anderen. Herr Pogge fragte ihn: "Willst du so früh schon gehen?"

"Ich habe morgen noch etwas vor."

"Rettungsschwimmen?"

"Sie wissen es schon?"

"Wer hat dich auf die Idee gebracht?" fragte Herr Pogge.

"Ein José Carstens. Er geht in die achte Klasse."

Herr Pogge nickte. José! Wenn er über Rettungsschwimmen redet, kann er jeden in Begeisterungsstürme versetzen!

"Nun, Philipp, dann morgen viel Freude. Und grüß mir José!"

"Sie kennen ihn?"

"Ich unterrichte in seiner Klasse Mathematik."

"Ach! Nun, auf Wiedersehen! Und schöne Ferien!"

Herr Pogge meinte zu Philipp: "Ich wünsche dir besonders schöne Ferien! Und viel Glück bei deinem Vorhaben!"

Darauf trennten sich Philipp und Herr Pogge.

Herr Pogge dachte weiterhin über Andronikus nach. Aber er konnte sich auf sein in der letzten Zeit recht ungewöhnliches Verhalten keinen Reim machen.

Wenn er nach den Ferien noch so ist, werde ich seiner Mutter ans Herz legen, mit ihm eine Erziehungsberatungsstelle aufzusuchen. Vielleicht auch einen Psychiater. Ja, vielleicht ist er ernsthaft krank.

Zu Hause fragte Philipps Mutter ihren Jungen: "Warum bist du jetzt schon zurück?"

"Ich will morgen nicht zu spät aufstehen. Ich habe es dir doch schon vorhin gesagt."

"Was hast du vor?" fragte ihn seine Mutter.

"Ich will ins Schwimmbad gehen."

"Nun, wie du möchtest."

Darauf ging Philipp in sein Zimmer. Er dachte mit Wehmut an den Vorfall mit Andronikus. Es war ja gut gegangen und er und Hartmut hatten ja wirklich nichts gemacht. Aber warum war er mit einem Mal schreiend davon gelaufen? Warum ist er denn zur Abschlussfeier gekommen, wenn es ihm nicht gut ging?

Andronikus tat ihm Leid.

Philipp fand auf alle seine Fragen keine Antwort. Er wusste nur eines: Morgen treffe ich mich mit José im Schwimmbad.

 

Als José nach Hause kam, meinte seine Mutter zu ihm: "Jetzt hast du deine Schulabschlussfete verpasst!"

"Ach, du hast doch gesagt, ich bräuchte nicht daran teilnehmen!"

"Nun, sollte ich dich zwingen?"

"Ich werde morgen gegen halb acht aufstehen."

"Warum denn so früh?"

"Ich habe mich im Schwimmbad verabredet!"

"Unser Meister-Rettungsschwimmer! Na, meinetwegen! Wann willst du morgen da sein?"

"Um neun Uhr."

Sie ging in den Garten. Ihren Mann fragte sie: "José ist zurück. Soll ich noch etwas zum Essen auf den Tisch stellen?"

"Hat er denn Hunger?"

"Natürlich! Er hat doch seit Mittag nichts mehr gegessen!" antwortete Heidi.

"Dann stell nur ein paar Scheiben Brot auf den Tisch."

Josés Vater kam in die Küche. Er fragte José: "Hast du gar keinen Hunger gehabt? Oder wirst du neuerdings vom Rettungsschwimmen satt?"

Darauf lachten sie alle drei.

Heinrich legte den Arm über Josés Schulter.

"Er weiß schon, wie ich es meine."

"Klar, Vater!"

Nach dem Essen ging Heinrich ins Wohnzimmer, um sich die Nachrichten anzusehen. José ging auf sein Zimmer. Er legte sich zeitig schlafen, um morgen recht frisch zu sein.