Christian Lunzer - Henner Kotte

Der Fall Schuricht

Arbeitnehmer

 

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ISBN 978-3-95616-578-8

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Inhalt

Arbeitnehmer

Quellen

Lust auf mehr?

Mütter, Töchter, Ehefrauen

Gift & Galle

Auf Messers Schneide

Weibliche Tugenden

Mörderische Arbeitsmarktverwaltung

Mord am Arbeitsplatz

Arbeitsplatz und Ausbildung

Die Autoren

Der Verlag

Impressum

 

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Der Putz hat rosa Farbe, die Schrift über Fenstern und Tür ist golden. Auf einer Tafel kann der Gast die Mahlzeiten lesen. Vielleicht machen sie Appetit. Das Restaurant „Zum Hirsch“ hat zentrale Lage am Markt zu Radeburg. Die Atmosphäre rustikal. Die Bedienung freundlich. Vor vier Jahrzehnten nannte der Volksmund die Einkehr „Hammerschänke“. Die Wirtin ward mit dem Werkzeug erschlagen. Der Wirt mit einem Riemen erdrosselt. Die Leichen fand man im hauseigenen Brunnen. Kopfüber waren sie hineingestopft. Entgegen sozialistischer Verschwiegenheit bei Gewaltdelikten, meldete der VP-Funk schnell: „1000 MDN Belohnung – In der Nacht vom 2. Zum 3. November 1964 wurde das Gastwirtsehepaar Thomschke in seinem Grundstück in Radeburg bei Dresden das Opfer eines Verbrechens. Zur schnellen Aufklärung der Straftat wendet sich das Untersuchungsorgan an die Bevölkerung und bittet um Mithilfe bei der Ergreifung des Täters. Es wird gebeten, alle Wahrnehmungen, die im Zusammenhang mit dem Verbrechen stehen können und die auf Wunsch vertraulich behandelt werden, an die Volkspolizeidienststelle Radeburg oder an jeder andere Volkspolizeidienststelle zu melden. Die Belohnung wird für Angaben, die zur Aufklärung des Verbrechens führen, ausgesetzt. Die Auszahlung erfolgt unter Ausschluss des Rechtsweges. „ Der Doppelmord in der Kleinstadt war Thema nicht nur vor Ort. Über Aufklärung, Prozess und Urteil wurde en Detail berichtet. Die Alten erinnern sich. Ansonsten sind die Spuren der Bluttat getilgt.

Radeburg liegt vor den Toren Dresdens. 1226 findet es erstmals Erwähnung. Im Mittelalter war die Bedeutung dieser Stadt größer als die Meißens oder Dresdens. Doch Politik und Geschichte ließen diesen Ort vergessen. Sehenswert sind heute Postmeilensäule, Schloss und Schmalspurbahn. Das Heinrich Zille-Museum hat geöffnet, der Maler mit markantem Strich und urberliner Herz und Schnauze ward vor Ort geboren. Die Straße ist nach ihm benannt. Touristen suchen hier Erholung. Die Teichlandschaft lässt Wandern, Angeln, Schwimmen. Schlagzeilen macht Radeburg einmal im Jahr, dann ziehen die Narren durch die Stadt. Sonst wird kaum über diese Stadt berichtet. 1964/65 war dies anders.

„‘Ich habe mit dem Mord nichts zu tun, und ich kann auch nicht sagen, wer der Täter ist‘; behauptete der eines doppelten Raubmordes angeklagte 24jährige Klaus Schuricht aus Radeburg. Er vertrat diese Meinung auch noch, als ihm das Bezirksgericht Dresden den nach einem mehrtägigen, mit größter Gewissenhaftigkeit geführten Prozess das letzte Wort gab. Offen und voller Reue stand dagegen die wegen Eigentumsdelikten angeklagte Ehefrau Ursel Schuricht zu ihren Taten. Hier fühlte jeder, sie will ein ehrlicher, sauberer Mensch werden. Sie gestand von sich aus Diebstähle ein, zu denen sie teilweise die mangelnde Sorge des Klaus Schuricht um seine vierköpfige Familie veranlasste. Und sie war es auch, die den Untersuchungsorganen und dem Gericht in allen Einzelheiten den Ablauf der grausigen Tat schilderte, so wie sie ihr von ihrem Manne am Morgen nach der Mordnacht berichtet worden war."

Donnerstag 5. November 1964, morgens 9 Uhr. Margarethe Tillmann schließt Tür die vom Hotel „Zum Hirsch“. Sie möchte säubern. Zwei Tage hatte das Lokal geschlossen. Ruhetage. Am Freitag soll im Saal zum Tanz aufgespielt werden. Jugend wird reichlich erscheinen, Uve Schickora hat sich angesagt, einer der prominenten Musiker der DDR. Magarethe Tillmann wird Gaststätte und weitere Räumlichkeiten vorbereiten. Das ist ihr Job. Sie wundert sich nur, dass sie die Wirtsleute Paul und Elsa Thomschke noch nicht sah, sonst geben sie ihr stets noch die Hinweise, wo besonders gründliche Reinigung Not tut. Das Haus bleibt merkwürdig still. Bereits am Dienstag hat Magarethe Tillmann Paketpost für die Thomschkes entgegen genommen. Es sieht den Eheleuten nicht ähnlich, wenn sie über Land fahren wollten, hatten sie ihr stets Bescheid gegeben.