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Das Wissen dieser Welt aus den Hörsälen der Universitäten.

Fachbereich ASTROPHYSIK

Das Universum – Dunkle Kräfte und Energien

Von Prof. Dr. Harald Lesch

Die Dunkle Materie

Astronomen sind Lichtdeuter. Sie bekommen Licht vom Himmel, von den Objekten des Himmels und deuten dieses Licht. Sie fangen es mit ihren Fernrohren oder Teleskopen ein, zerlegen es in einem Spektralapparat und versuchen herauszufinden: Woher kommt das Licht, und was sagt es uns? Von welchen Atomen ist das Licht ausgesandt worden? Sind es die Atome von Wasserstoff oder sind es vielleicht die von Eisen gewesen? Bewegt sich die Lichtquelle? Bewegt sie sich auf uns zu oder von uns fort? Ist also Strahlung in ihrer spektralen Eigenschaft verschoben? Ist die Spektrallinie gar nicht da, wo sie eigentlich sein sollte? Sondern ist sie vielleicht ins Blaue verschoben? Dann bewegt sich die Lichtquelle auf uns zu. Ist die Spektrallinie ins Rote verschoben? Dann bewegt sich die Quelle von uns weg. Das ist genau das, was Astronomen machen: Licht deuten.

Die Astronomen lesen aus dem Licht heraus, was Materie macht. Naturgemäß leuchten Materien.

Denn nur leuchtende Materie produziert Licht. Es gibt aber eine Form von Materie, die ist dunkel, die produziert kein Licht. Die absorbiert auch kein Licht, sie gibt weder Licht ab, noch nimmt sie Licht auf. Sie wirkt überhaupt nicht mit Licht, ganz und gar nicht.

Diese Dunkle Materie ist eines der großen Geheimnisse des Universums. Es gibt ungefähr zehnmal mehr Dunkle Materie, als leuchtende Materie.

Was wir am Himmel sehen, selbst mit unseren empfindlichsten Teleskopen, ist letztlich nur die Spitze des Eisberges. Die wirkliche Masse, die es im Universum gibt, von der gesamten Materienmenge sehen wir nur einen winzigen Anteil, der bei etwa fünf Prozent liegt.

Die Dunkle Materie zeigt sich allerdings auch, denn sonst würde ich nicht darüber reden können, das ist doch klar. Sie zeigt sich durch ihre Wirkung. Dunkle Materie wirkt.

Materie wirkt durch ihre Schwerkraft, durch die Massenkraft, die Kraft, die Massen aufeinander aus-üben. Und genau so hat man sie auch entdeckt. Man hat gemerkt, dass sich die Bewegungsmuster der leuchtenden Materie nicht mit den Massen erklären lassen, die in der leuchtenden Materie stecken.

Ein ganz einfaches Beispiel: Im Sonnensystem ist die Sonne die dominante Masse. Die Planeten bewegen sich um die Sonne herum, weil die Gravitation der Sonne dominiert und die Planeten träge sind. Eigentlich wollen sie ja von der Sonne weg. Aber die Bilanz dieser beiden Kräfte, nämlich Trägheit in die eine Richtung, Gravitation hin zur Sonne, führt dazu, dass die Planeten sich um die Sonne herum bewegen. Hier ist ein ganz klares Verhältnis, die Sonne dominiert. Deswegen bewegen sich die Planeten gemäß der Kepler-Rotation. Je weiter ein Planet von der Sonne entfernt ist, umso langsamer ist seine Geschwindigkeit. Ganz einfach.

Stellen wir uns jetzt eine Spiralgalaxie, eine schöne Scheibengalaxie vor. Die sichtbare Masse der Galaxie ist vielleicht in einem Bereich, wo wir sie noch sehen können. Jetzt beobachten wir eine Gaswolke ganz am Rande der Galaxie. Was würden wir denn erwarten? Da hier die Masse in der Galaxie konzentriert ist, würden wir erwarten, je weiter die Gaswolke von der Galaxie entfernt ist, umso kleiner wird ihre Rotationsgeschwindigkeit. Die Gaswolke hier draußen müsste sich eigentlich so verhalten wie die Planeten im Sonnensystem. Das ist aber nicht der Fall.

Die erwartete niedrige Geschwindigkeit da draußen, die wurde nicht gemessen. Es wurde eine viel höhere Geschwindigkeit gemessen. Eine so hohe Geschwindigkeit, dass man annehmen muss, dass um die sichtbare Galaxie herum ein riesengroßer „Halo“, wie wir Astonomen sagen, also eine Umgebung aus Dunkler Materie existieren muss.

Also nicht das, was wir an Galaxienbildern so sehen. Nicht die Spiralgalaxien, die es so gibt, oder Balkengalaxien, das sind gar nicht die wirklichen Massen, die in den Galaxien stecken. Es gibt um die Galaxien herum ein riesiges Reservat an Dunkler Materie. Und diese Dunkle Materie wirkt aufgrund ihrer Masse auf die Massen der Galaxien beschleunigend. Deswegen drehen die sich da draußen viel schneller, als sie es eigentlich tun dürften, wenn man nur die leuchtende Materie nähme. Das ist nicht ganz einfach.

Nehmen wir ein anderes Beispiel: heißes Gas. Die Teilchen in dem Gas haben eine hohe kinetische Energie und hohe Bewegungsenergie. Eigentlich ist es komisch, dass um Galaxien - große elliptische Galaxien, also große Kugeln - riesige Gebiete existieren, in denen man heißes Gas beobachtet hat.

Aber dieses heiße Gas produziert kein Licht im sichtbaren Bereich des elektromagnetischen Spektrums, sondern Röntgenstrahlung. Sie ist Millionen Grad heiß, teilweise 60 Millionen Grad, also richtig heiß.