ROLF GIESEN

 

 

HITLER IM WELTALL

Ein satirischer Filmroman

 

 

 

 

 

 

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

Der Autor 

 

HITLER IM WELTALL 

1. Ein Filmfreund unter der Erde 

2. Die Schlacht der braunen Roboter 

3. Penthesilea Rides Again 

4. Unter volkseigener Regie 

5. Gesucht werde nette und gut aussehende Mädchen 

6. Fick mich, Fick! 

7. EIN Vampir ist nicht genug 

8. Operation Reißwolf 

9. Montini, die Lollo und Hitlers Telefonnummer 

10. Führerwechsel: Eine Symphonie in Sprengstoff 

11. The Perfect Alien Fly Rubber Suit 

12. Don’t call us, we call you 

13. Zwei Aasgeier auf dem Weg zur Hölle 

14. Röhm und Hitler 

 

Von ROLF GIESEN ist außerdem im Apex-Verlag erhältlich 

 

Das Buch

 

»Alle Filme haben eine Vorgeschichte, und diese Rückblenden sind häufig interessanter als das ganze Kinostück.« Aus Blondi wird Brunhild. Das Stahlgewitter des deutschen Schäferhundes. »Weissenegger, ein Mister Universum vom Chiemsee, wo er in einem Touristikunternehmen gearbeitet, Tauchunterricht gegeben und Bustouren veranstaltet hatte, bevor ihn Bizeps und Filmkarriere nach Hollywood lockten, nahm gerade ein Müsli zu sich. Er spielte Jason Starkiller und schien mehr als angetan, Hitlers Bekanntschaft zu machen.« Hitler In Outer Space, global. »Unser Hitler geriet derweil auf dem Weg zurück vom Klo irrtümlich ins Nachbaratelier und stieß mit einem anderen Monster, der Alien-Fliege, zusammen, einem Hünen mit dem Kopf einer gigantischen Stubenfliege. Hitler wich zurück, aber als die Stubenfliege ihr hässliches Haupt abnahm, gab es ein großes Hallo. Beide betraten dann, sozusagen Arm in Arm, das Raumschiff-Atelier. Für eine Schrecksekunde waren alle wie elektrisiert. Das war die doppelte Ration Horror.«

 

HITLER IM WELTALL – das satirische Meisterwerk von ROLF GIESEN!

»Omigawd! Knorke!« (Ronald M. Hahn) 

Der Autor

 

 

Rolf Giesen, Jahrgang 1953.

Dr. Rolf Giesen ist ein deutscher Filmwissenschaftler, Filmjournalist, Sachbuch- und Roman-Autor. Er gilt als einer der führenden deutschen Spezialisten für den Phantastischen Film, Trickfilm und Horrorfilm, was ihm zu Beginn der 1980er-Jahre den weitverbreiteten Titel „Dr. Horror“ einbrachte.

Rolf Giesen studierte Soziologie, Psychologie und Alte Geschichte an der Freien Universität Berlin und promovierte 1979 mit einer Dissertation über den Phantastischen Film zum Dr. phil.; dieses Thema wurde ihm zur Lebensaufgabe.

Er veröffentlichte zahlreiche Artikel und Bücher rund um das Kino des Phantastischen: vom Fantasy-, Science-Fiction- und Horror-Film bis hin zu den verschiedenen Techniken des Trickfilms, mit dem er sich besonders intensiv auseinandersetzte: So war er von 1982 bis 1984 Vorsitzender des Deutschen Trickfilmverbands e.V. und organisierte Zeichenfilmfestivals.

In der jüngeren Zeit hat sich Giesen auch mit den Propagandafilmen des Dritten Reiches beschäftigt.

Giesen ist Mitarbeiter des Filmmuseums Berlin - Deutsche Kinemathek - und dort Leiter einer nach ihm benannten Trickfilmsammlung. Die Rolf-Giesen-Sammlung der Stiftung Deutsche Kinemathek Berlin gilt als eine der besten Kollektionen zum Thema Filmfantastik in Europa. Giesen entwarf auch die Dauerausstellung Künstliche Welten im Filmmuseum Berlin, in deren Zentrum das Lebenswerk des Trickfilmers Ray Harryhausen steht. Weitere von Giesen organisierte Ausstellungen waren Asterix, Mickey Mouse & Co. (1986) und Cinefantastic. 

Zudem steuerte er die Drehbücher für den Animationsfilm Die Digedags in grauer Vorzeit (1999) und die Fernseh-Zeichentrickserie Die unendliche Geschichte (1996) bei. Für die Filme Lorenz im Land der Lügner (1997) und Lauras Stern (2004) fungierte er als Berater und bei Asterix – Operation Hinkelstein (1989) als Produktionsüberwacher. 

Neben Lehraufträgen an verschiedenen Universitäten, Fachhochschulen und Filmakademien lehrte Giesen auch als Honorar-Professor an der German Film School For Digital Production. Er ist Associate-Professor an der Universität Peking, wo er 2007 Vorlesungen hielt.

Als Dr. Horror nahm Rolf Giesen Anfang der 80er-Jahre eine Schallplatte mit der Gruppe Niagara auf. Er ist Mitglied der Visual Effects Society in Los Angeles. 

Zu seinen bekanntesten Filmsachbüchern gehören u.a.  Hitlerjunge Quex, Jud Süß und Kolberg. Die Propagandafilme des Dritten Reiches. Dokumente und Materialien zum NS-Film  (2005, mit Manfred Hobsch), Lexikon des Trick- und Animationsfilms (2003), Die große Welt der animierten Filme (2003), Das neue Lexikon des Horrorfilms  (2002, mit Ronald M. Hahn und Volker Jansen), Lexikon der Special Effects (2001), Das neue Lexikon des Fantasy-Films (2001, mit Ronald M. Hahn, Volker Jansen, Norbert Stresau), Die schlechtesten Filme aller Zeiten. Eine Reise durch die größten Peinlichkeiten der Kinogeschichte (2002, mit Ronald M. Hahn) Godzilla – Gamera – Gappa. Die Geschichte der japanischen Monsterfilme. Japans Urwelt-Giganten in deutschen Kinos (1998), Special Effects. King Kong, Orphée und die Reise zum Mond (1985) sowie das in zwei Bänden erschienene Lexikon des phantastischen Films. Horror - Science Fiction - Fantasy (1984). 

Darüber hinaus verfasste Rolf Giesen Biographien über die Regisseure John Boorman und Alfred Hitchcock sowie Romane zu den TV-Serien Lexx – The Dark Zone (1997/98), Forsthaus Falkenau (1996), Poltergeist (1997) und Gegen den Wind (1998). 

Giesen lebt und arbeitet in Berlin und Peking.

 

 

 

 

 

 

 

Ähnlichkeiten mit lebenden und toten Personen

sind möglicherweise nicht immer rein zufällig.

HITLER IM WELTALL

 

 

 

 

  1. Ein Filmfreund unter der Erde

 

Ich hatte die Sache verkackt. Echt, Leute.

Jetzt senkte sich mein Sarg unter die Erde.

Nun endlich hatte ich Zeit und Muße, über mein ganzes verkacktes Leben nachzudenken.

Der Sarg war auf dem Boden angelangt.

Die wenigen Trauernden, die sich zusammengefunden hatten, ließen der Reihe nach Sand herunter rieseln.

Dann hörte ich das Geräusch von Spaten.

Es wurde nach Leibeskräften geschaufelt.

Die Sandmassen klatschten auf meinen Sarg.

Jetzt gab es kein Zurück mehr.

Vielleicht, Freunde, wäre ich jetzt noch am Leben, wenn ich das Kino nicht so sehr geliebt hätte.

In unserer Familie hatten alle einen ehrbaren Beruf: Vater, Mutter, Schwester, Bruder.

Nur ich war aus der Art geschlagen, das sprichwörtlich schwarze Schaf.

Aufgewachsen bin ich in Köpenick, in der damaligen DDR.

Und ins Kino gegangen bin ich schon immer gern.

Als Kind natürlich am liebsten in Kinos im Westteil Berlins, bis es 1961 unmöglich wurde. Ich versäumte nicht viel. 1961 war kein gutes Kinojahr.

Wussten Sie, dass bis zum Bau der Mauer jährlich rund 12 Millionen Kinobesucher aus dem Osten in Westberliner Filmtheater strömten? Aber als dann die Klappe zufiel, am 18. August 1961 (ich war damals 10), da verloren die an der Sektorengrenze liegenden Kinos schlagartig ihre Zuschauer. Die sogenannten Ost-Vorstellungen um 9.30, 11.30 und 13.30 mussten abgesagt werden. Zu den Abendvorstellungen kamen 90 Prozent weniger Besucher. Aber auch die Kinos am Kurfürstendamm litten unter Besucherschwund. Hier wurde ein Besucherschwund zwischen 30 und 50 Prozent verzeichnet.

Ich hatte mich zwischen den Vorstellungen immer im Klo eingeschlossen, um einen Film nicht ein-, sondern zweimal für mein Geld zu sehen. Damit war es nun vorbei. Ich musste meine Filme also selber drehen, denn die Ostfilme, die ich von da an reinzog, waren alle ein bisschen lahm und manchmal so düster wie unsere Städte.

Da musste ein bisschen Farbe rein - und so was wie Bardot, Moreau, Loren, die Lollo. Gut, wir hatten Eva-Maria Hagen und Vergesst mir meine Traudel nicht, aber eine Schwalbe macht bekanntlich noch keinen Sommer. Helene Weigel und die anderen waren härtere Kost.

Mein Ziel war die Staatliche Hochschule für Film und Fernsehen in Babelsberg. Mein Berufswunsch: Schauspieler und Regisseur im renommierten DEFA Studio für Spielfilme in der früheren Panfilmstadt, die einen Steinwurf von der Hochschule entfernt lag. Die Gebäude der Hochschule befanden sich im alten Villenviertel nahe der Grenze. Am anderen Ufer der Havel sah man die Lichter der Enklaven von Westberlin.

Das Ziel zu erreichen machte ich mich nützlich in Staat und Partei.

1973 - wir gaben uns weltoffen aus Anlass der Weltjugendfestspiele - begann ich mein Studium in Filmregie und Schauspiel. Mein Zimmergenosse, Paul, war ein richtiger Aufreißer, ein Womanizer. Im selben Jahr erschien Paul und Paula, und wir zogen den Paul, der auch so ein langer Lulatsch war wie der Glatzeder, damit auf. Das wurmte ihn mächtig, den Paul.

Ich hatte damals keine Freundin. Dafür trieb ich viel Sport: Laufen (im Westen hieß das Jogging), Expander, Krafttraining, Ringen. Ich probierte es auch mit Gewichtheben, aber das war dann doch nicht mein Ding. Eines Tages aber würde ich auch das schon schaffen, jawohl, eines schönen Tages würde ich die Gewichte stemmen, sagte ich mir.

Klar, dass auf man auf eine so exklusiv gelegene Hochschule nur mit einer echten Gesinnung kam. Ich unterschrieb also eine Verpflichtung und versprach, die Ohren offenzuhalten.

Eines der Hochschulgebäude war das Stalin-Haus. Hier hatte Stalin während der Potsdamer Konferenz logiert. Die Großen der Welt. Sie alle hatten eine Nähe zum Kintopp. Warum nicht also auch ich? John F. Kennedy war der Sohn von Joseph P. Kennedy, einem Spekulanten, der in Hollywood Millionen machte und die Marke »Gloria Swanson« kontrollierte. Ronald Reagan war Filmstar bei Warner Brothers. Na ja, Star ist ein bisschen übertrieben. Mussolini finanzierte Filme. Sein Sohn Vittorio plante, mit Hal Roach, dem Hersteller der Dick&Doof-Filme, eine Filmgesellschaft namens RAM zu gründen: Roach and Mussolini und in Italien Opernfilme zu produzieren, aber der Deal fiel durch, als die mehrheitlich jüdischen Studiobosse in Hollywood gegen den Schulterschluss mit dem europäischen Faschismus intervenierten.

Kim Jong-il ließ sogar Filmemacher entführen, damit sie ihm bessere Filme in Nordkorea drehten. Breschnew war Westernfan. Der hat sogar Chuck Connors in den Kreml eingeladen. Honecker hatte in seiner Videosammlung auch den Film Die amerikanische Nacht von Truffaut, aber da handelte es sich wohl um eine Verwechslung. Sonst fanden die Ermittler bei einer Durchsuchung seines Feriendomizils in Libbesicke See, Kreis Templin, unter den über hundert Schmalfilmen und Video-Kassetten nur Titel wie Die schwarze Nymphomanin, Black Manuela oder Lady Diamond.

Wenn man so unter der Erde ist, kommt man schnell ins Plaudern, damit die Zeit schneller vergeht. Mittlerweile hatte ich ja unendlich viel davon: Z-e-i-t.

Auf Ludendorffs Anregung hin war Europas größte Filmgesellschaft gegründet worden. Sie sollte ein kriegswichtiges Instrument als Propagandawaffe sein, aber auch in der Spionage. Göring. Hitler. Goebbels. Das waren doch echte Filmfreaks. Der Führer sah nächtelang Filme: Die Fabel von King Kong, einen amerikanischen Trick- und Sensationsfilm, der von der von Joe Kennedy 1929 gegründeten RKO-Radio-Filmgesellschaft produziert worden war, gleich 17-mal. Und immer wieder Disneys Schneewittchen und die sieben Zwerge. Die deutsche Fassung von Schneewittchen war in Amsterdam von jüdischen Emigranten unter Leitung von Kurt Gerron synchronisiert worden.

Wenn schon komisch, so konnten es die Deutschen nach Vertreibung der jüdischen Komödianten nur unfreiwillig sein. Stets fühlten sie sich von der Welt missverstanden und meinten, man lache hinter ihrem Rücken über sie. Hitler hatte den Juden gedroht, das Lachen werde ihnen vergehen. Als er dies, am 30. September 1942, sagte, war die Vernichtung der europäischen Juden längst in vollem Umfang angelaufen. Eines der Opfer wurde Schneewittchens Synchron-Regisseur Gerron.

Auf dem Studiogelände, das zwischen Potsdam und Berlin lag und wo Gerron 1929 als Partner von Emil Jannings und Marlene Dietrich im Blauen Engel vor der Kamera gestanden war, gab es damals eine Funkstation, von der aus Truman, der zur Potsdamer Konferenz angereist war, der erste erfolgreiche Atomwaffentest »Trinity« in New Mexico gemeldet wurde. Stalin, der kurz vor Beginn der Konferenz einen leichten Herzinfarkt erlitten hatte, blieb dennoch unbeeindruckt. Er wusste von den Versuchen längst durch seine Spione.

Das Filmstudio war ein Mikrokosmos der Zeitgeschichte, eine kleine Welt voll Glück und Tragik, Intrigen und Mobbing, Laster und Bigotterie, Fanatismus, Horror, Schlager, heiler Welt und utopischer Wahnideen. Statt Vicki Baums Menschen im Hotel trifft man nicht minder interessante Menschen unter dem Dach eines großen Filmateliers.

Erster Weltkrieg, Weimarer Republik, Nationalsozialismus, DDR, Wende, Europa,  Globalisierung und digitales Zeitalter. Wechselndes Ensemble und Personal, aus Russland, Amerika und China, aber ein Name blieb: sozusagen der einzige »Weltstar«, den Deutschland je hatte – Franz Witz! Das ist kein Witz, denn die Zuschauer kannten ihn nur unter seinem berühmteren Rollennamen.

Die Geschichte ist verrückt und klingt wie eine schlechte Satire, und doch ist sie wahrhaftig, so wahrhaftig wie eine gnadenlose Schein- und Schauwelt nur sein kann, in der es für die Mitspieler kein Erbarmen gibt.

Aber ich wollte nicht vorgreifen.

 

 

2. Die Schlacht der braunen Roboter

 

Der Erfolgsregisseur des von der Obersten Heeresleitung gegen Ende des Ersten Weltkriegs ins Leben gerufenen Pangermania-International-Studios, kurz PAN, war Siegbert P. Bolle. Bolle war verdächtig, seine Frau nach einem handfesten Ehestreit ermordet zu haben. Doch die Polizei hatte alle Hände voll zu tun. Es war der 24. Juni 1922. Rathenau war gerade erschossen worden. Was war dagegen die Frau eines Filmregisseurs? Bolle heiratete nach der Tat eine andere, als hätte er nur auf diese Gelegenheit gewartet. Mit seiner zweiten Frau, Anna Nilsson, einem als Blutsaugerin bekannten Film-Vamp in der Hauptrolle, plante er den größten utopischen Film überhaupt. Die in Hollywood würden Bauklötze staunen. Aus billigem Kintopp würde große Kunst werden. Bolle sah alles mit den Augen eines Malers. Tatsächlich aber hatten die Amerikaner längst ihre Agenten vor Ort und Filialen auch in Berlin aufgemacht und wussten Bescheid über Bolles Pläne. Sie hatten sich Bolles Drehbuch und Blaupausen verschafft.

In Bolles neuem Film sollte es um eine Armee von Maschinen-Menschen gehen, die mit einer neuartigen kinematografischen Aufnahmetechnik geschaffen werden sollte, einem raffinierten Vielspiegler-Effekt, der aus zehn Roboter-Statisten einhundert machte und aus einhundert tausend.

Als der Großfilm, der den Ausländern demonstrieren sollte, wozu filmische Wertarbeit in Deutschland imstande war, zwei Jahre später in die Filmtheater kam, floppte er schon gleich nach der Premiere. Die PAN schrieb in erheblichem Maße rote Zahlen und musste Kredite bei den Amerikanern aufnehmen und ihnen im Gegenzug mehr Spielzeit in ihren Kinoketten einräumen.

Bolles Armee der Roboter wurde von skrupellosen Schneidermeistern bis zur Unkenntlichkeit für den amerikanischen Markt umgeschnitten, bis die Geschichte keinen Sinn mehr ergab, und als er in ein paar Kinos anlief, ließ das  Interesse am stummen Film merklich nach. Der Tonfilm hatte seinen Siegeszug angetreten. In Japan allerdings lösten die Bilder von martialisch aufmarschierenden Robotern Assoziationen an die Samurai-Rüstungen aus und legten die Grundlage für eine moderne Roboter-Kultur.