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Wilfried A. Hary (Hrsg.)

STAR GATE – das Original: Die 6. Kompilation

„Die Bände 51 bis 60 der laufenden Serie STAR GATE – das Original – zusammengefasst!“


Nähere Angaben zum Herausgeber und Hauptautor siehe hier: http://de.wikipedia.org/wiki/Wilfried_A._Hary


BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

STAR GATE – das Original:

 

Die 6.

Kompilation

 

Wilfried A. Hary (Hrsg.)

 

Impressum:

 

Urheberrechte am Grundkonzept zu Beginn der Serie STAR GATE - das Original: Uwe Anton, Werner K. Giesa, Wilfried A. Hary, Frank Rehfeld.

Copyright Realisierung und Folgekonzept aller Erscheinungsformen (einschließlich eBook, Print und Hörbuch) by www.hary-production.de.

ISSN 1860-1855

 

Diese Fassung basiert auf den Romanen 51 bis 60 der laufenden Serie!

 

© 2017 by HARY-PRODUCTION

Canadastr. 30 * D-66482 Zweibrücken

Telefon: 06332-481150

www.HaryPro.de

eMail: wah@HaryPro.de

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck und

Vervielfältigung jedweder Art nur mit schriftlicher Genehmigung von Hary-Production.

 

Lektorat: Werner Schubert

 

Titelbild: Gerhard Börnsen

Coverhintergrund: Anistasius

 

Achtung: „STAR GATE - das Original“ ist eine eigenständige Serie, die nachweislich Jahre vor Serien ähnlichen Namens begann, wie sie im Fernsehen laufen oder liefen oder im Kino zu sehen sind oder waren! Daher der Zusatz „das Original“!

 

 

Vorwort

 

Die Serie STAR GATE – das Original existiert nun schon seit 1986(!). Einige Autoren sind daran beteiligt. Viele Leser schätzten das frühere Heftformat und genießen das Taschenbuchformat, in dem die Serie inzwischen erscheint, aber es gibt nicht wenige Leser, die immer wieder auch nach einem umfangreichen Buchformat verlangen, vergleichbar etwa mit den Silberbänden der Perry-Rhodan-Serie.

Für diese haben wir nun nach den ersten fünf die sechste Kompilation geschaffen, basierend auf den Bänden 51 bis 60 der laufenden Serie!

 

Die Kompilation beinhaltet die Romane:

51 »Raumpatrouille« Wilfried Hary (AS)

52 »Der Wald der Augen« Frederick S. List (FSL)

53 »Der Alte Feind« Wilfried Hary (KF)

54 »Der große Coup« Wilfried Hary (KF)

55 »Der Gegenschlag« Wilfried Hary (KF)

56 »Entscheidung auf NAI-ROG« Wilfried Hary (KF)

57 »Aktion „Apfelernte“ I« W. Berner (KF)

58 »Aktion „Apfelernte“ II« W. Berner (KF)

59 »K.I. – Künstliche Intelligenz« Wilfried Hary (GB)

60 »Tor der Welten« Wilfried Hary (GB)

 

Viel Freude beim Lesen dieser immerhin wieder ganze 10(!) Bände umfassenden Kompilation!

Euer Wilfried A. Hary (Hrsg.)

 

Einführung

 

„Es ist nicht leicht, ein Gott zu sein - wahrlich!“

 

Das Randall-Team befindet sich nach einigen Abenteuern in der fernen Prupper-Galaxis. In der Todeszone am Rand dieser Galaxis treffen sie auf ein Mysterium der besonderen Art – und auf einen Computer, der sich erinnert:

Auf dem Planeten NAI-ROG entstand vor langer Zeit das Tor zu einem Paralleluniversum, und drei rücksichtslose Glücksritter nutzten rigoros ihre Chance.

Einer ließ inzwischen sein Leben. Nun sind Neb Reniets und sein jüngerer Bruder Dilk allein. Während sich Neb Reniets im Paralleluniversum um einen Krieg zwischen den Sternenreichen Gro-pan und San-dir-um kümmern muss, bleibt sein Bruder allein zurück auf dem Planeten NAI-ROG, den sie erst erfolgreich mit einer Art Hypnoprojektor erobert haben.

Es gelang dem Präsidenten von NAI-ROG, Ming-Bir, in letzter Sekunde, eine Warnmeldung ins All gehen zu lassen. Jetzt ist eine Überprüfung zu erwarten, was Neb Reniets Sorgen bereitet. Deshalb möchte er schleunigst zurückkehren durch das Weltentor, nachdem er den Krieg vorerst erfolgreich hat beeinflussen können. Er will endlich nach dem Rechten sehen...

 

Prolog

 

»Wir fliegen durch das Weltentor zurück!«, entschied Neb Reniets kurzerhand.

Sofort wurde sein Befehl in die Tat umgesetzt.

Viel lieber hätte er jetzt wieder den Gedankenhelm übergestülpt, um jedes Detail des Rückzugs der Flotte von San-dir-um zu erfahren. Er musste schließlich wissen, wie lange sie diesmal brauchen würde, um erneut anzugreifen. Und sie würde erneut angreifen, davon war er felsenfest überzeugt. Außerdem hätte er gern erfahren, was die gro-panische Flotte zu tun gedachte.

Er richtete eine entsprechende Anfrage an den PSI-Funkoffizier, der ihm daraufhin erklärte, dass die Flotte sich soeben neu formierte.

Die bange Frage nach dem obersten Flottenkommando auf dem Regierungsplaneten des Sternenreiches Gro-pan wurde mit den Worten beantwortet: »Es ist voll des Lobes über die Militärbasis des namenlosen Wüstenplaneten – und auch über das erfolgreiche Handeln des hiesigen Flottenkommandos!«

Das hatte Neb Reniets hören wollen. Jetzt war er einigermaßen beruhigt und auch überzeugt, dem Wüstenplaneten und allem, was hier ablief, vorübergehend den Rücken kehren zu dürfen. Er konnte zurzeit sowieso nichts tun. Wenn er nur daran dachte, den Gedankenhelm aufzusetzen, verzog er schon angewidert die Mundwinkel. Nein, er brauchte dringend ein wenig Abstinenz. Sonst trug er doch noch bleibende Schäden davon.

Also jetzt schleunigst hinüber und nachschauen, ob mein kleiner Bruder nicht doch irgendwelche Dummheiten anstellt. Nicht auszudenken wäre das...

Sein Raumschiff kam zum Weltentor und brauchte die Energieblase, als die es Neb Reniets erschien, nur zu berühren. Ein Sogeffekt entstand. Das Raumschiff wurde auf der anderen Seite, im heimatlichen Universum, auf dem Dschungelplaneten NAI-ROG, regelrecht wieder ausgespuckt.

»Verbindung mit meinem Bruder!«, befahl Neb Reniets – um Sekunden später schon zu erfahren: Sein Bruder war gar nicht mehr da!

»Wie, nicht mehr da?«, echote er verblüfft. Wenn er mit allem gerechnet hätte, damit sicherlich nicht.

»Er ist gestartet, mit unbekanntem Ziel. Dabei hat er den Schutzschirm eingeschaltet, womit er komplett aus der Erfassung verschwand. Als habe sich das Schiff in nichts aufgelöst, wie die Raumüberwachung berichtet. Allerdings hat er anfragen lassen, ob die Tarnung wirklich so perfekt erfolgt. Man konnte es ihm nur bestätigen.«

»Wohin, um alles in der Welt, ist er geflogen?«, rief Neb Reniets genervt.

»Er hat keinerlei Nachricht hinterlassen. Es tut mir leid, Herr Reniets, Ihnen nichts anderes sagen zu können.«

Neb Reniets brauchte eine Weile, bis er sich beruhigt hatte. Dann sagte er: »Trotzdem versuchen, mit seinem psionischen Funkoffizier Kontakt aufzunehmen. Egal, wo er sich befindet, das müsste doch möglich sein – oder?«

Hoffentlich!, fügte er in Gedanken hinzu. Wer wusste denn, ob die psionische Verbindung mit den technischen Möglichkeiten aus dem Paralleluniversum hier die gleiche Reichweite hatte?

Nach fünf Minuten vergeblicher Mühe stand fest: Sein Bruder hatte sich zumindest außerhalb der Reichweite begeben, wobei in keiner Weise klar war, wie groß diese Reichweite überhaupt bemessen war.

Neb Reniets tobte erst einmal fünf weitere Minuten und vergaß dabei sogar, dass er sich körperlich eigentlich ziemlich elend fühlte.

Als er sich von diesem Wutausbruch endlich erholt hatte, fühlte er sich tatsächlich besser als zuvor. Als hätte ihn das keineswegs zusätzlich geschwächt, sondern sogar neue Lebensgeister geweckt.

»Ist sonst noch was vorgefallen in meiner Abwesenheit?«, fragte er seufzend.

»Ja«, kam die Antwort, vor der er sich beinahe gefürchtet hatte. »Es hat ein Raumschiff an der geostationären Orbitstation angedockt. Ein Teil der Besatzung befindet sich inzwischen im SG-Bahnhof. Zwei Männer. Ulo Naitsirch und Captain Keerc. Sie treten in diesen Augenblicken aus dem Empfangs-Gate, das sie von der Orbitstation zum Raumhafen gebracht hat.«

Neb Reniets runzelte die Stirn und schielte nun doch nach dem Gedankenhelm. Es half alles nichts. Um sicher zu sein, ob es sich um ein harmloses Schiff handelte, gab es nur eine Möglichkeit: Er musste das verdammte Ding wieder aufsetzen.

Aber eigentlich fühlte er sich schon viel besser. Bei Weitem noch nicht fit genug, um wirklich vollen Einsatz zu bringen, doch in einem Notfall wie diesem...

In Gedanken verfluchte er noch einmal die hoffnungslose Unfähigkeit seines jüngeren Bruders, bevor er den Befehl gab, mit eingeschalteten Schutzschirmen zu dem fremden Raumschiff hinaufzufliegen, um aus allernächster Nähe die Überprüfung vorzunehmen. Denn er wusste, dass ihm die Schutzschirme perfekte Unsichtbarkeit boten. Das fremde Raumschiff würde überhaupt nichts von der besonderen Überprüfung mitbekommen, und das war auch gut so.

Noch während des Fluges setzte er sich zurecht und stülpte sich den Gedankenhelm trotz seines Widerwillens über den Kopf. Beim psionischen Kontakt mit dem Biogehirn zuckte er wie erschrocken zusammen. Es war einfach nur unangenehm diesmal. Nichts von diesen Allmachts­gefüh­len stellte sich ein. Am liebsten hätte er den Gedankenhelm sofort wieder heruntergerissen. Doch zähneknirschend musste er sich überwinden.

Kaum in Position, war er endlich so weit. Zumindest teilweise. Er konzentrierte sich und streckte seine unsichtbaren Scanfühler aus. Seine Ortungsmöglichkeiten waren hier nur einen Bruchteil so großartig wie drüben im Paralleluniversum, doch es genügte voll und ganz, um ihn innerhalb weniger als einer Minute feststellen zu lassen, dass es sich keineswegs um ein harmloses Schiff handelte.

»Ein getarnter Raumkreuzer der Raumpatrouille, verdammt noch eins! Und mein Bruder tut gerade so, als hätten wir hier längst alles voll im Griff. Verdammt und abermals verdammt! Was soll ich bloß machen mit dir? Am liebsten würde ich dich in die Wüste schicken, ja, aber du bist nun mal mein Bruder – leider!«

 

*

 

Es hatte keinen Zweck. Er musste den Gedankenhelm wieder vom Kopf ziehen. Wenn er das nicht tat, lief er wirklich Gefahr, gesundheitliche Schäden davonzutragen. Er benötigte einfach noch mehr Erholung.

Ausgerechnet jetzt, zu diesem Zeitpunkt!

Ein krasser Widerspruch zu dem Gefühl, als er »drüben« die Flotte von San-dir-um praktisch im Alleingang in die Flucht geschlagen hatte – quasi als eine Art Überwesen, um nicht zu sagen: Als Gott!

Aber es war in der Tat nicht leicht, ein Gott zu sein. Vor allem, was die Risiken und Nebenwirkungen betraf, die er jetzt am eigenen Leib ertragen musste. Er fluchte lautlos in sich hinein, auch auf die Gefahr hin, dass es ihn zusätzlich schwächte.

Dann wandte er sich an den PSI-Funkoffizier: »Wie haben die sich angemeldet? Ich meine, aus welchem Grund sind sie angeblich hier?«

»Dieser Naitsirch gilt als schwerreich. Er hat angeblich so viel Vermögen, dass er selbst längst schon keinen Überblick mehr hat«, gab der Offizier bereitwillig Auskunft.

Es wäre viel leichter gewesen, es persönlich in Erfahrung zu bringen, aber in seinem Zustand war Neb Reniets leider auf die Hilfe Dritter angewiesen. Wenn doch wenigstens sein Bruder hinterlassen hätte, wohin er geflogen war! Der konnte doch nicht einfach so den Planeten verlassen, ausgerechnet dann, wenn es brenzlig wurde.

Oder vielleicht gerade deswegen?

Neb Reniets sinnierte kurz über diese Möglichkeit, verwarf sie jedoch sogleich wieder. Nein, sein Bruder war zwar ein Taugenichts und elender Feigling, darüber hinaus ziemlich dumm, aber er hatte bestimmt andere Motive gehabt, obwohl Neb grübeln konnte, wie er wollte, ohne auf diese Motive zu kommen. Kein Wunder, denn seine Gedankengänge unterschieden sich von denen seines Bruders wie die eines Genies von dem, was Prupper unter einem Affen verstanden. So jedenfalls lautete seine eigene Meinung zu diesem Thema.

Er konzentrierte sich wieder auf den Offizier.

»Wie ist er denn angeblich zu diesem beträchtlichen Vermögen gekommen, dieser Ulo Naitsirch?«

»Darüber gibt es nur Spekulationen – offiziell. Die Sicherheitsorgane haben natürlich sämtliche verfügbaren Informationen zum Schiff und zu seiner Besatzung überprüft. Sie haben aber nichts Verdächtiges gefunden. Es handelt sich anscheinend tatsächlich um eine Art Globetrotter, der von einem Planeten zum anderen fliegt, um irgendwie sein Vermögen zu schmälern, was ihm bislang offensichtlich nicht gelungen ist.«

»Soll es ja tatsächlich geben, so etwas«, murmelte Neb Reniets vor sich hin. »Es gibt genügend besiedelte Planeten in unserer Galaxis, die außerdem auch noch interessant genug sind. Wenn man jeden besuchen wollte, müsste man tausend Leben haben, so viele sind das. Ohne die Planeten, die noch darauf warten, überhaupt erst entdeckt zu werden.«

»Das ist in unserer Galaxis nicht viel anders – mit Verlaub bemerkt«, meinte der PSI-Funkoffizier dazu, und Neb Reniets wunderte sich wieder einmal darüber, dass die Gro-paner trotz der Hypnobeeinflussung tatsächlich in der Lage waren, eigene Gedanken zu fassen. Die einzige Auswirkung der Beeinflussung bestand darin, dass sie den Gebrüdern Reniets auf Gedeih und Verderb gehorchten. Nun, das genügte ja auch voll und ganz. Ansonsten waren sie in keiner Weise beeinträchtigt.

Das war auch bestens so, denn sonst hätte das Oberste Flottenkommando des Sternenreiches Gro-pan längst Lunte gerochen. Es hätte sich gefragt, was denn auf dem Stützpunkt Wüstenplanet eigentlich schieflief und ob es gar mit dem seltsamen Phänomen zusammenhing, das offiziell ein entartetes Transmitterexperiment der Feinde war, aber tatsächlich ein natürlich entstandenes Weltentor, das zwei parallele Universen miteinander verband.

Neb Reniets schloss die Augen, um so besser seine chaotisch werdenden Gedanken ordnen zu können.

»Egal, was man herausfindet über das Schiff und seine Besatzung, eines ist sonnenklar: Es handelt sich auf jeden Fall um ein getarntes Schiff der Raumpatrouille.«

Natürlich wusste der PSI-Offizier nicht, was Neb Reniets damit meinte, denn der war ein Gro-paner und stammte aus dem Paralleluniversum, wo die Gro-paner in der Tat ganz andere Probleme hatten.

Neb Reniets erklärte es ihm in knappen Worten: »Die Raumpatrouille ist die eine Hälfte der galaktischen Militär- und Polizeimacht. Die andere Hälfte ist die galaktische Verteidigung. Die ist ziemlich umfassend, denn wir haben einen tödlichen Gegner, genauso wie ihr. Nur heißt unser Gegner nicht San-dir-um, sondern Dhuul. Außerdem befindet sich der Gegner in einer fernen Galaxis, von wo aus er vor Jahrtausenden einen schrecklichen Krieg zu uns brachte. Und noch eine Unterscheidung gibt es: Unsere Feinde sehen ziemlich ähnlich aus wie wir und ihr. Nur haben sie nicht unsere graue oder eure grüne Haut, sondern sind eher hellhäutig. Überwiegend zumindest. Und sie haben sehr helle Haare. Blond sagt man, glaube ich, dazu. Bei uns völlig unbekannt. Ach was, das sagt euch sowieso nur wenig. Ihr kennt Haare ja erst, seit ihr mich kennt.«

Und Haare hatte er sogar überreichlich, denn Neb Reniets besaß nicht nur einen wild wuchernden Vollbart, sondern auch lange, ziemlich krause Kopfhaare, alle in steingrau, genauso wie seine Haut. Ein krasser Gegensatz zu den grünen und völlig unbehaarten Gro-panern.

»Und während die galaktische Verteidigung euer Reich sichert ... Was macht inzwischen die Raumpatrouille?«, wunderte sich der Gro-paner.

»Bei euch gibt es lediglich die Raumflotte, die das Reich Gro-pan sowohl nach innen als auch nach außen schützt. Hier, in der Galaxis der Prupper, teilt sich die Raumflotte diese Aufgabe. Während die galaktische Verteidigung für die äußere Sicherheit verantwortlich zeichnet, ist die Raumpatrouille für die innere Sicherheit verantwortlich. Das ist die Sicherheit zwischen den Sternen innerhalb der Galaxis von uns Pruppern.«

»Und ein Schiff dieser Raumpatrouille ist hier, um zu ... schnüffeln?«

»Genau richtig erkannt!«, lobte ihn Neb Reniets. »Aber das sollen die Sicherheitsorgane von NAI-ROG noch nicht wissen. Sie sollen getrost weiterhin sorgfältig beobachten und alles tun, dass die beiden, die ausgestiegen sind, keinerlei Verdacht schöpfen. Unter keinen Umständen dürfen die beiden behindert werden. Es wäre sogar gut, wenn auch andere Besatzungsmitglieder das Schiff verlassen würden. Je mehr, desto besser.«

»Und dann, wenn ich mir die Frage erlauben darf?«

»Tja, dann werde ich irgendwann doch noch persönlich eingreifen müssen. Aber zuvor muss ich mich schonen. Es geht leider nicht anders. Ich habe bei den Vorgängen drüben, im Paralleluniversum, zu viele Kräfte gelassen. Und der Scanvorgang vorhin hat mir sozusagen den Rest gegeben. Wenn ich in diesem Zustand gegen dieses Raumschiff vorgehe, birgt das zu große Unsicherheiten und somit Risiken. Es darf unter keinen Umständen geschehen, dass vom Schiff der vorangegangene Notruf des Planeten bestätigt wird, nachdem ich mir alle Mühe gegeben habe, ihn per Daten-Gate als Fehlalarm hinzustellen.«

»Sie wollen sich zurückziehen, Herr Reniets?«

»Ich will nicht, sondern ich muss, leider. Das heißt, ich gehe jetzt in meine Kajüte und versuche zu schlafen. Nur wenn wirklich etwas absolut Ungewöhnliches geschieht, darf man mich stören. Ansonsten, wie gesagt: Die Sicherheitsleute der Raumbehörde sollen Augen und Ohren offen halten. Natürlich auch die Sicherheitskräfte am Boden. Aber die wissen schon selbst, wie sie das anzustellen haben.«

Er stand wie angekündigt auf und ging zur Tür. Dort drehte er sich ein letztes Mal zu dem psionischen Funkoffizier um: »Auch wenn mein Bruder wieder auftauchen sollte: Ich bin für ihn vorerst nicht zu sprechen!«

Dieser Befehl war eindeutig.

Der Offizier salutierte und bestätigte gleichzeitig.

Dann war Neb Reniets draußen.

 

1


Captain Keerc schaute ihn nur an. Mehr war nicht nötig, denn Ulo Naitsirch verstand auch so, was er meinte: »Was bist du bloß so misstrauisch? Hier ist alles normal. Die vom obersten Flottenkommando haben uns doch mitgeteilt, dass es sich lediglich um einen Fehlalarm handelte. Und wir sind trotzdem hergekommen. Logisch, wir sind getarnt. Aber dennoch...«

Ulo grinste nur. Er schaute sich kurz um.

Soeben hatten sie den Star-Gate-Bahnhof von NAI-ROG verlassen. Auf dem Anflug hierher hatten sie sich auf die Schnelle sachkundig gemacht über diese Welt. Dabei hatten sie einige interessante Dinge herausgefunden: Zum Beispiel, dass es keinem fremden Raumschiff je erlaubt war, auf dem Planeten zu landen. Alle mussten an der geostationären Orbitstation andocken. Da diese ziemlich klein ausgefallen war und kaum Andockoptionen bereithielt, gab das Anlass zu der Vermutung, dass es nicht so oft vorkam, dass fremde Raumschiffe den Planeten anflogen.

Kein Wunder, denn der Hauptverkehr fand üblicherweise per Star Gate statt. Raumschiffe wurden kaum benötigt. Abgesehen von Yachten wie die seinige, die auch Planeten anfliegen wollten, auf denen es noch kein Star Gate gab. Sie hatten für diesen Zweck sogar immer komplette SG-Bausätze im Frachtraum. Wenn sie so einen Planeten entdeckten und er annehmbare Verhältnisse aufwies, aber noch kein SG besaß, nahmen sie den Planeten nach prupperischem Recht einfach in Besitz, indem sie ihr eigenes SG dort errichteten. Das war hier, in der Prupper-Galaxis, vor dem Gesetz durchaus erlaubt und sogar erwünscht, während es im Einflussbereich des Bundes von Dhuul-Kyphora absolut unmöglich gewesen wäre. Aber davon wussten sie nichts, denn der Bund herrschte Millionen von Lichtjahren entfernt von der Prupper-Galaxis.

Nur wenn sich auf der betreffenden Welt größere Bodenschätze oder anderes wertvolles Gut befand, meldete der Planetenbund der Prupper-Galaxis Besitzansprüche an. Die Entdecker wurden dann zwar äußerst großzügig an der Ausbeute beteiligt, aber der Löwenanteil wanderte zwangsläufig in die Kassen des Bundes: Irgendwie musste ja die teure Flotte finanziert werden, die sich aufteilte in galaktische Verteidigung und innere Sicherheit mit Namen Raumpatrouille.

Ulo Naitsirch war tatsächlich so reich, wie er vorgab. Es war keineswegs nur Teil seiner Tarnung. Dass er trotzdem für die Raumpatrouille flog, konnte man beinahe als eine Art Hobby bezeichnen. Und die Führung der Raumpatrouille machte das nur zu gern mit, weil sie sich eben keine bessere Tarnung für verdeckte Einsätze wünschen konnte. Eine Tarnung zumal, die sie nicht das Geringste kostete, also ihren Etat nicht zusätzlich belastete.

Hier würde ihnen die Tarnung besonders gut bekommen, fand Ulo Naitsirch und winkte seinem Kapitän vage zu. Keerc war zwar ein exzellenter Raumfahrer, aber in gewissen Dingen war er für Ulos Geschmack doch ein wenig zu naiv. Wieso störte er sich beispielsweise überhaupt nicht an der Tatsache, dass die NAI-ROGer keinerlei Misstrauen zeigten – zumindest nicht offiziell?

Noch bevor sie das Schiff verlassen hatten, war dies das entscheidende Argument von Ulo Naitsirch gewesen – intern, gegenüber seiner Besatzung:

»Dieser psionische Funkoffizier hatte Kontakt mit uns. Wir haben ihm unsere Schiffskennung durchgegeben, also auch unseren Schiffsnamen PERIS-SE-IDAM. Anschließend wird behauptet, es habe sich lediglich um einen Fehlalarm gehandelt. Unsere Führungsorgane innerhalb des Flottenkommandos fielen auch prompt darauf herein und gaben ausdrücklich Entwarnung. Aber wir wollten ja sowieso einmal hierher. Als Globetrotter, einfach so. Jetzt sind wir da – und niemand wundert sich darüber? Wieso spricht uns niemand an auf den Fehlalarm? Wieso sagt uns niemand wortreich und entschuldigend, wie es eigentlich dazu kommen konnte?«

Er hatte in die Runde geschaut. Niemand hatte ihm geantwortet.

»Ich will es euch sagen«, war er fortgefahren: »Es ist, als könnte man den psionischen Funkoffizier gar nicht mehr danach fragen, mit wem er eigentlich Kontakt hatte!«

»Aber auch dann«, hatte Rotnem, der Kyborg, aufbegehrt. »Sie hätten jedes Schiff befragen müssen, ob es sich denn nun um jenes Schiff handeln könnte, mit dem der Funkoffizier Kontakt hatte. Es wäre normal gewesen.«

Ulo hatte ihm wohlwollend zugenickt. »Ganz recht. Wenigstens einer, der versteht, worum es mir geht. Es kann ja wohl kaum damit zusammenhängen, dass die Planetarier hier ganz besonders zugeknöpft sind gegenüber Fremden und deshalb eine solch immens wichtige Befragung unterlassen. Sicher ist also, hier ist etwas nicht in Ordnung. Was es ist, müssen wir noch herausfinden. Dafür werde ich mich jedenfalls höchstpersönlich bemühen.«

Rotnem hatte natürlich mitkommen wollen. Klar. Aber Ulo hatte es abgelehnt: »Wenn die dich sorgfältig scannen, merken sie, dass du kein normaler Prupper, sondern ein Kyborg bist. Das Risiko können wir nicht eingehen. Nein, ich nehme nur Captain Keerc mit. Der ist am unverdächtigsten von uns allen. Es sei denn, er hat was dagegen einzuwenden?«

Ein fragender Blick hatte den Captain getroffen.

Der hatte zunächst überlegen müssen. Er machte nie ein Geheimnis daraus, dass er zum Heldentum nicht unbedingt geboren worden war. Als Raumfahrtexperte, der er war, brauchte er normalerweise auch gar nicht in den persönlichen Einsatz zu gehen. Dafür war er sowieso auch nur unzureichend ausgebildet. Bei den anderen Besatzungsmitgliedern sah das schon ganz anders aus. Aber genau das war schließlich der Grund, wieso Ulo ihn hatte mitnehmen wollen. Da Captain Keerc schon seit Jahrzehnten im Raumdienst stand, konnte man unschwer Informationen über ihn herausfinden. Niemals in seiner gesamten Laufbahn hatte es offiziell auch nur die geringste Berührung mit der Raumpatrouille gegeben. Er arbeitete für diese inzwischen ja auch nur deshalb, weil er sich ohnedies bereits an Bord der Yacht befand, in seiner Funktion als Schiffsführer und Hauptverantwortlicher für Technik und Navigation. Somit war er von allen wirklich derjenige, der am unverdächtigsten war.

Er hatte jedenfalls nach einigem Zögern eingewilligt – und jetzt schauten sich beide hier um. Die Hauptstadt von NAI-ROG unterschied sich in einem Punkt von den meisten anderen planetaren Hauptstädten: Hier war alles ungewöhnlich ruhig, um nicht zu sagen: ausgesprochen provinziell!

»Die leben hier vom Export von Genmaterial«, murmelte der Captain vor sich hin. »Wie kann man von so etwas überhaupt leben?«

Ulo Naitsirch musste lachen. »Denen reicht es zumindest, wie wir sehen. Alles wirkt zwar extrem beschaulich, um nicht zu sagen hinterwäldlerisch, aber es ist nichts von dem zu erkennen, was man als Armut bezeichnen könnte. Und vergiss nicht, der Planet ist äußerst reich an ungewöhnlicher Flora und Fauna. Auch wenn nur ein Bruchteil von dem stimmt, was über diese Flora und Fauna geschrieben steht, ist es immer noch ziemlich fantastisch. Ich wundere mich eigentlich nur über eines: Wieso sind wir nicht viel früher hierher gekommen, um uns das aus der Nähe zu betrachten?«

Er war der Überzeugung, dass seine Worte völlig unverdächtig blieben, auch wenn jedes einzelne belauscht wurde.

Endlich entdeckte er, was er gesucht hatte: Das Gebäude für Touristik. Es stand am Rande des relativ großen SG-Bahnhofs und wirkte äußerst unscheinbar. Anscheinend spielte Tourismus auf NAI-ROG nicht wirklich eine Rolle.

Ulo Naitsirch dachte sich, dass es keinerlei Misstrauen erzeugen konnte, wenn er sich dorthin wandte. Captain Keerc folgte ihm zögernd, aber als Ulo Naitsirch seine Schritte beschleunigte, beeilte er sich, den Anschluss nicht zu verlieren, als befürchtete er, allein zurückgelassen zu werden.

Immer wieder schaute er sich verstohlen um. Ob sie wirklich beobachtet wurden, wie sein Freund und Chef offenbar annahm? Wenn ja, geschah es so dezent, dass man es wahrlich nicht bemerken konnte.

Er richtete seinen Blick wieder nach vorn.

Die Tür zu dem Gebäude stand offen, wie einladend. Sie traten beide ein. Gegenüber dem Eingang gab es einen halbhohen Tresen. Dahinter saß eine sehr schlanke und sehr hübsche Prupperin. Die graue Hautfarbe stand ihr ausgesprochen gut. Ihr hübsches Gesicht wirkte wie von einem Künstler aus reinstem Granit gemeißelt. Nur die helleren Augen stachen daraus hervor. Die nachtdunklen Pupillen richteten sich auf die Neuankömmlinge. Das Lächeln erschien gefroren, verfehlte jedoch nicht seine Wirkung: Es berührte die beiden angenehm, obwohl sie genau wussten, dass dieses Lächeln nicht ehrlich gemeint war, sondern nur zum Geschäft gehörte.

»Touristen?«, fragte sie statt einer Begrüßung. Ja, es hatte wie eine Frage geklungen, tatsächlich. Und Freude hatte bei diesem Wort mitgeschwungen – diesmal echte Freude.

Die Schlanke sprang auf und schüttelte ihre langen, dunkelgrauen Haare in den Nacken. Eine anmutige Geste, die auf dem Rücken von Ulo Naitsirch einen angenehmen Schauer verursachte – und nicht nur auf seinem Rücken.

»Na, allzu oft werden Sie wohl nicht von dieser Gattung heimgesucht, die normalerweise andere Planeten belästigt wie die sprichwörtlichen Schmeißfliegen.« Er benutzte natürlich ein anderes Wort als Schmeißfliegen, doch es kam dem irdischen Wort in der Bedeutung hundertprozentig gleich.

»In der Tat!«, freute sich die Prupperin, trotz des eigentlich ziemlich unfeinen Vergleichs. »Was kann ich für Sie tun?«

Ulo Naitsirch wechselte einen kurzen Blick mit seinem Captain. Dann meinte er leichthin: »Wir sind neu auf NAI-ROG – logisch, als Touristen, nicht wahr? – und haben von diesem Dschungel gehört, der angeblich so eine Art Eigenleben hat. Ich meine, als sei er irgendwie ein wenig intelligent und wollte sich gegen die prupperischen Bewohner wie gegen Invasoren wehren. Das finden wir reichlich übertrieben, aber solange wir diesen Dschungel nicht selbst erlebt haben...«

Ihr Gesicht umwölkte sich deutlich. »Das tut mir ehrlich leid, aber wir haben nur einen einzigen Fremdenführer, nämlich Romf Nerlat. Doch der ist leider zurzeit nicht abkömmlich.«

»Nur einen einzigen Fremdenführer, wie? Für einen ganzen Planeten, der darüber hinaus so faszinierend ist wie NAI-ROG?«, wunderte sich Ulo Naitsirch.

Sie druckste ein wenig herum.

»Ja, wissen Sie, das hängt damit zusammen, dass es uns nicht so recht ist, wenn Fremde unserem Dschungel einen Besuch abstatten. Wie soll ich es ausdrücken: Der Dschungel mag das selbst nicht sonderlich. Er könnte es als eine Art Provokation auffassen.«

»Und Sie sind ganz sicher, dass es sich nicht bloß um eine Art ... Aberglauben handelt?«, provozierte Ulo Naitsirch sie, doch sie ging überhaupt nicht darauf ein, sondern fuhr ungerührt fort:

»Deshalb ist Romf Nerlat der einzige Prupper, der für eine Fremdenführung infrage kommt, denn er kennt sich von uns allen am besten damit aus und tut bei seiner Führung alles, um eine Provokation der heimischen Flora und Fauna zu unterbinden.«

»Na, allzu oft scheint er ja nicht in den Einsatz gehen zu müssen«, vermutete Ulo Naitsirch aufs Geratewohl, einer inneren Eingebung folgend.

»Ach, erst vor wenigen Tagen kamen drei Touristen hierher und haben ihn angefordert. Sie konnten ihn als Letzte buchen. Seitdem ist er mir als krank gemeldet. Oder war es kurz danach?«

»Ach, was hat er denn?«

Sie machte eine hilflos anmutende Geste. »Das entzieht sich leider meiner Kenntnis – und bevor Sie danach fragen: Ich weiß auch nicht, wann er wieder einsatzfähig sein wird. Ich muss darauf warten, dass man es mir mitteilt.«

»Das finde ich seltsam«, gab Ulo Naitsirch zu.

»Ach was, das ist ganz und gar nicht seltsam. Sie sind schließlich hier auf NAI-ROG!« Ihr überaus gewinnendes Lächeln nahm ihren Worten die Schärfe. »Vergessen Sie nicht: Andere Planeten, andere Sitten! Sie kennen ja das Sprichwort – und auf NAI-ROG trifft dies ganz besonders zu, wie Sie sicherlich auch noch auf eigene Faust feststellen werden. Bei uns ticken zum Beispiel die Uhren wesentlich langsamer als auf anderen Welten. Bei uns ist alles wesentlich gemütlicher und beschaulicher. Deshalb sind wir alle so gern hier, trotz der Gefahr durch den Dschungel, die allgegenwärtig bleibt – zumindest außerhalb der Hauptstadt und den wenigen Siedlungen, die untereinander lediglich per planetarem SG-Netz in Verbindung stehen.«

»Aber wieso gibt es dann überhaupt ein Touristikbüro, wenn eine Fremdenführung gar nicht möglich ist?«

»Da haben Sie offensichtlich etwas missverstanden, werter Herr«, belehrte ihn die Prupperin prompt. Sie tat es jedoch nach wie vor überaus charmant, wie sie überhaupt alles ausgesprochen charmant vorbrachte. »Es gibt über Fremdenführung hinaus auch noch ganz andere Möglichkeiten für Touristen.«

»Welche denn? Ohne Fremdenführer den Dschungel kennenlernen?«

»Nein, nein, das ist ja völlig ausgeschlossen – zumindest, was die direkte Annäherung an den Dschungel betrifft. Wir hatten aber auch automatische Gleiter, die von Touristen gebucht werden durften. Sie flogen einen genau vorgeschriebenen Kurs und blieben dabei hoch genug über dem Dschungel. Aber die Touristen hatten die Möglichkeit, sich während des Fluges eingehend vom Bordcomputer in Kenntnis setzen zu lassen über die Besonderheiten unseres Dschungels. Außerdem hatten die automatischen Gleiter optische Systeme, die einen dem Dschungel virtuell hautnah kommen ließ.«

»Sie reden andauernd in der Vergangenheitsform. Gibt es denn diese Möglichkeit inzwischen ebenfalls nicht mehr?«

»Nein, leider nicht!« Ihr Bedauern war durchaus echt, wie Ulo Naitsirch fand. Überhaupt, so erschien es ihm, hatte diese junge Prupperin ganz und gar nichts mit ihrer Überwachung zu tun, sonst hätte sie sich anders benommen – nämlich unverdächtiger. Und dass es eine lückenlose Überwachung ihrer beiden Personen gab, daran zweifelte er keinen Augenblick.

Anscheinend haben unsere Überwacher nicht damit gerechnet, dass wir uns ausgerechnet an das Touristikbüro wenden?, schlussfolgerte er insgeheim. Oder sie fanden es nicht wichtig genug, die junge Dame auf unser eventuelles Kommen vorzubereiten.

Wie dem auch war: Er schoss die nächste Frage ab, die nur logisch erschien: »Seit wann sind die automatischen Gleiter nicht mehr im Angebot? Hat das etwa mit dem kranken Romf Nerlat zu tun?«

Sie machte abermals eine hilflos anmutende Geste. »Es kommt zwar zeitlich damit zusammen, aber das scheint mir eher ein Zufall zu sein.« Ihre Stimme senkte sich und wirkte plötzlich sehr vertraulich. »Also, wenn Sie mich fragen ...« Sie schaute sich unwillkürlich um, als befürchtete sie, belauscht zu werden. »Also, ich bin der Meinung, dass der Dschungel draußen mal wieder verrücktspielt. Es hat vor Kurzem ja auch einen Alarm am Todesstreifen gegeben. Was sich dort genau abspielte, darüber schweigt seltsamerweise die Berichterstattung. Und ich weiß auch haargenau, wieso das so ist: Der Dschungel spielt eben mal wieder verrückt! Und man hat alles total im Griff. Würde man aber darüber berichten, hätte die Bevölkerung nur unnötig Panik. Also vertuscht man es lieber und verstärkt stattdessen die Überwachung des Todesstreifens, damit uns dieser mörderische Dschungel auch ja nicht zu nahe kommt.«

»Mörderisch?«

»In der Tat!« Sie nickte heftig. »Wenn Sie wollen, gebe ich Ihnen entsprechendes Infomaterial zur Hand. Sie können auch einen wahrlich winzigen Ausschnitt der hier verbreiteten Flora und Fauna in einem unserer Museen besichtigen. Natürlich sind alle Lebewesen dort hundertprozentig unter Verschluss. Aber Sie werden allein schon bei ihrem Anblick begreifen, wie gefährlich es dort draußen für uns Prupper ist. Selbst ein durchtrainierter Mann wie Sie ...« – ein bewundernder Blick streifte die Gestalt von Ulo Naitsirch, was diesem sichtlich gefiel, obwohl er sich gegen dieses Gefühl zu wehren versuchte – »... würde keine zehn Sekunden überleben, wenn er es wagen sollte, diesen Dschungel zu betreten!«

Das klang ziemlich überzeugend. Auch was sie sonst noch sagte...

»Kann es denn sein, dass die – äh – Krankheit des einzigen Fremdenführers Romf Nerlat eben mit diesem Dschungel dort draußen in Zusammenhang steht?«, fragte Captain Keerc und erntete dabei nicht nur von Ulo Naitsirch einen überraschten Blick.

»Sie haben ja völlig recht!«, entfuhr es der hübschen Prupperin hinter dem Tresen. »Er ist mit diesen drei Touristen losgezogen. Dabei muss etwas schiefgelaufen sein. Deshalb die Maßnahmen. Ja, logisch, jetzt passt alles zusammen. Wieso bin ich da nicht selbst draufgekommen?«

Jetzt fühlte sich auch Captain Keerc überaus geschmeichelt.

Ulo Naitsirch runzelte unwillkürlich die Stirn. Nicht weil er so etwas wie Eifersucht empfand, sondern weil er bei sich dachte: Vielleicht irre ich mich ja auch gewaltig und es handelt sich ganz einfach nur um die Masche der jungen Dame, um jeglichen Verdacht von sich abzulenken? Vielleicht ist sie im Gegensatz zu meiner ursprünglichen Vermutung sogar ein wichtiges Bindeglied zur Überwachung von uns beiden?

Je mehr er darüber nachdachte, desto mehr leuchtete ihm dieses Argument ein.

Er schätzte die junge Dame ab. Jemand, der so hübsch und darüber hinaus auch noch so clever erschien, war mit Sicherheit in festen Händen – normalerweise.

Er setzte das überzeugendste Lächeln auf, zu dem er fähig war. Und er wusste durchaus, dass er damit auf Prupperfrauen in der Regel den besten Eindruck machte.

»Übrigens mal was anderes: Wann haben Sie eigentlich Feierabend hier? Ich meine, wenn wir schon keinen Fremdenführer für den Dschungel bekommen können, wie wäre es denn dann mit einer Fremdenführerin für die Stadt?«

»Offiziell gibt es eine solche gar nicht!«, schnurrte sie und schaute wie verlegen zu Boden.

»Was nicht ist, kann ja leicht werden, nicht wahr?«

»Nicht solange ich im Dienst bin.« Sie wagte es nicht, ihn direkt anzuschauen.

»Und wie steht es ... nach dem Dienst?«

Jetzt hob sie den Kopf und strahlte ihn an, als wäre gerade eben erst die Sonne aufgegangen. »Nach dem Dienst wäre das eigentlich nicht das geringste Problem!«

»Na, dann ... kommen wir doch einfach auf dieses großzügige Angebot Ihrerseits zurück. Und ab wann könnten wir mit dieser überaus charmanten und sicherlich nicht weniger sachkundigen Führung rechnen?«

»Ähm, eigentlich ist gerade sowieso nix los. Außerdem habe ich jede Menge Überstunden. Darüber hinaus ...« Sie klatschte begeistert in die Hände. »Wissen Sie was? Ich mache einfach Feierabend, jetzt gleich, auf der Stelle. Wenn Sie bitte vor die Tür gehen würden? Ich schließe dann alles ab und so – na, Sie wissen ja ... Ich will mich auch ganz kurz umziehen.« Sie lächelte jetzt ein wenig verlegen. »Bin eben eine Frau, Sie verstehen? Und Frauen sind bekanntlich ein wenig ... nun, sie sind ein wenig auf ihr Äußeres bedacht.«

»Ein wenig!«, bestätigte Ulo Naitsirch – immer noch lächelnd wie der sprichwörtliche Eroberer.

»Es dauert nicht lange, versprochen!«

Die beiden verließen weisungsgemäß den Schalterraum und gingen vor die Tür.

Captain Keerc blies die Wangen auf und murmelte unwirsch: »Was soll das denn? Ich denke, wir schauen uns hier um und ...?« Er brach ab.

»Tun wir doch auch – sogar unter sachkundiger Leitung«, meinte Ulo Naitsirch leichthin.

»Aber wir können uns mit ihr nicht so frei bewegen, als würden wir...«

Ulo Naitsirch unterbrach ihn mit einer warnenden Handbewegung und kam dann sehr nahe, um seinem Captain ins Ohr flüstern zu können: »Sie gehört mit zur Überwachung. Ist das nicht offensichtlich? Und solange sie bei uns ist, werden sich die Überwacher in Sicherheit wiegen.«

Als er sich zurückzog und seinen Captain anschaute, gönnte dieser ihm einen überraschten Blick.

Darauf wäre er anscheinend selbst nie gekommen.

Dann richteten sie beide ihre Blicke auf die Glastür, die sich hinter ihnen geschlossen hatte.

Die junge Prupperin war schneller fertig, als es für eine junge Frau üblich war – sehr viel schneller sogar. Als könnte sie es gar nicht erwarten, an der Seite der beiden Besucher die Hauptstadt NAI-ROG-City zu erobern...