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WALKING TALKING


WALKING TALKING

Unterwegs in Irlands wildem Westen

von: Helga Kaffke, Gabriele Berthel

11,99 €

Verlag: Edition Digital
Format: PDF
Veröffentl.: 16.07.2018
ISBN/EAN: 9783956558924
Sprache: deutsch
Anzahl Seiten: 201

Dieses eBook enthält ein Wasserzeichen.

Beschreibungen

In der Kunstszene von Schwerin waren ihre Namen so bekannt wie das Staatstheater, das Museum oder das Schloss dieser Stadt – Helga Kaffke, Malerin. Gabriele Berthel, Autorin.
Das war im letzten Viertel des gewesenen Jahrhunderts.
In den Kulturnachrichten der jetzigen Landeshauptstadt spielen ihre Namen keine Rolle. – Beide Künstlerinnen leben seit mehr als zwanzig Jahren nicht mehr in Deutschland. Sie suchten ihren Lebensmittelpunkt zunächst in Frankreich und fanden ihn seit der Jahrtausendwende an der nordwestlichen Küste von Irland, in Mayo. Dort wurden sie sesshaft, heirateten, arbeiteten. „Möge die Straße dir entgegeneilen, möge der Wind immer in deinem Rücken sein.“ Der alte, irische Segensspruch löste nicht immer ein, was er versprach: Der Wind war oft Sturm und schüttelte „das alte Haus, das aus den Steinen wuchs“.
Die Künstlerinnen hielten ihre Leidenschaft dagegen, für das Leben, für die Malerei, für die Literatur; sie hatten ihre Begabung und einen Rucksack mit Wissen und Rüstzeug, erworben an den Hochschulen in Leipzig – Bindung für immer an ihr Geburtsland, das ihnen fremd geworden war.
Die Malerin Helga Kaffke ist im Winter 2017 gestorben.
Gabriele Berthel teilt ihr Leben auf der Insel nach dem Tod der Ehegefährtin mit Tausenden hinterlassenen Blättern. Aquarelle, Farbe auf Papier, Porträts von Landschaften, Menschen und Tieren, in Kaffke-Art. Kaffke-Art ist ein Gütesiegel. Niemand aquarelliert wie sie. Stürzende Linien, schräge Senkrechte, so chaotisch, dass man Karthago schon fallen sieht, und doch bleibt „ein Guckloch zum Himmel“, irgendwo. Großartig. –
Gabriele Berthel malt mit der Sprache. Ebenso großartig, und emotional bis zum Schmerz. Sie malt in Prosa und Poesie.
Mischt Märchen und Wirklichkeit, deckt erdigen Realismus mit Melancholie. So entsteht an einem fernen Ort der Welt, wo der Mensch im Vergleich zu Himmel und Meer ein Zwerg ist, ein Buch für jeden Ort der Welt über die Liebe zum Leben und über die Kraft, es auszuhalten.
„An diesem Platz hat immer ihr Leben im Wind gehangen –
Jacke wie Hose zwischen zwei morschen Stangen.
Und sie hält still, der Erde zugekehrt – die kennt sie gut –
die war ihr Leben wert.“
Helga Kaffke. Gabriele Berthel. Lange waren ihre Namen aus den Kulturnachrichten verschwunden. Das wird sich ändern.
In Schwerin und anderswo.
Anstelle eines Vorwortes: Spiegelungen
Farm mit Blick auf Achill Island
Doona, Ballycroy
Frühling in Doona
Blick auf Rosturk Castle, Clew Bay
John’s Row, Westport
Westport, Oktagon
Westport, James Street
Stillleben mit Cottage
STILLLEBEN MIT COTTAGE
Lachsangeln im Tal von Delphi
Auf den zweiten Blick
Auf halbem Weg zum Himmel
NACHLASS
Disput am Bootshaus, Sligo
Sruhill Lough, Achill Island
Rosses Point, Sligo
Mullaghmore, Sligo
Leuchtende Himmelsschlüssel
Einsame Boote
Castelhill Church, Mayo
Stare über der Tullaghan Bay
Fahy Castle, Ballycroy
Fahy Castle mit Blick zum Slievemore
Connemaraschafe
BOGLANDROAD
Bundoran, Donegal
Mayos Bergschafe
Killala
Killala, Hafen
MALEN IN IRLAND
Unter dem Regenbogen
IR(R)LAND
Burrishole Abbey, Clew Bay
Clew Bay
Clew Bay
Newport Kathedrale
Newport, Mayo
1A-Verbindungen
WALKING TALKING
Birr Garden mit Castle
Wandelgang, Birr Garden
Südwind, Passage East
Sommer im Februar
Wildgänse an Mayos Küste
Liebes Leben, Bina McLoughlin
LIEBES LEBEN
Zuspruch – Friedhof Faulmore
ZUSPRUCH
Landleben in Mayo
Rush Hour, beleuchtet
Lough Arrow, Leitrim
Regnerischer Tag
Regnerischer Tag
Hook Lighthouse
Vor dem Fang
Abspann. Inverin, Connemara
ABSPANN
Letzte Aussicht, Leenane
Killary Harbour
Traumhaus 1. Untere Himmelsstraße
Traumhaus 2
Fishermen’s Friends
Tony’s Cottage, Leenane
Kleiner Hafen. Salin, Mullet Halbinsel
Swinging Town Belmullet
Ungeschoren. Im Hochmoor
Küste im Nebel, Killary Harbour
Signale im Moor
LETTERMORE ISLAND
Vor dem Auslaufen
Flotille, Passage East
Lauschiger Hafen, Dunmore
Killary Harbour bei Asleagh
Lough Mask
Nach Hause. Mullet Halbinsel
Cashel Town
Kilmacthomas
Rock of Cashel
Cashel. Panorama
Pallaver. Mullet Halbinsel
LOVELY DAY
Leenane, Hauptstraße
Blick von der oberen Himmelsstraße, Connemara
Janny’s Cottage, Connemara
The Twelve Bens, Connemara
WINDSPIEL
Blacksod Bay. Mullet Halbinsel
BARRACK STREET
Sturmmöwen über Faulmore
Im Watt. Murveagh, Donegal
Fischereihafen Killibegs, Donegal
Verfangen
Wieder und wieder: Gucklöcher des Herrn
Helga Kaffke
Geboren 1934 in Leipzig. Fotolithografin. Studium und Diplom an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig.
Malerin, Grafikerin.
Seit 1959 freiberuflich tätig, zunächst in Leipzig, später in Schwerin. Studienreisen nach Bulgarien, Frankreich, Irland, Polen, Rumänien, Ungarn.
Einzelausstellungen u.a. in Achim, Annaberg, Chemnitz, Clemenswerth, Eupen/Belgien, Flensburg, Geringswalde, Leipzig, Magdeburg, Parchim, Rostock, Schwerin, Sögel, Westport (Co. Mayo, Irland) sowie in verschiedenen Städten Frankreichs (Rouen, Yport, Sassetot le Mauconduit).
Lebte und arbeitete bis zu ihrem Tode Ende 2017 an der irischen Westküste.

Gabriele Berthel
Geboren 1948 in Schmölln. Werkzeugmacher. Studium an der Technischen Hochschule Karl-Marx-Stadt (Chemnitz). Diplomingenieur für Werkzeugmaschinenkonstruktion. Literaturfernstudium.
Schriftstellerin, Collagistin.
Bücher:
„Kurz und mündig" (Hrsg. 1989),
„Auszug der Wahrheit“ (Lyrik, Prosa, Collagen, 1991),
„Die Teufelei geht weiter“ (Collagen zu Aphorismen von K. Bernardt, 1992),
„Wer kämmt das Haar in der Suppe?“ (2004, mit Illustrationen von Helga Kaffke),
„Leben, was sonst“ (2010, Texte zu Porträts von Helga Kaffke),
„VALSE MUSETTE. ROUEN en miniature“ (2016, Texte zu Aquarellminiaturen von Helga Kaffke).
Lebt und arbeitet heute an der irischen Westküste.


WALKING TALKING
Alles hängt vom Gleichgewicht ab. Noch fünf Schritte, sechs, dann fällt die Straße steil ab in die Senke. Man muss das mitkriegen. Man muss die Kuppe genau im Auge behalten. Wenn man zu flott rankommt, ist man ruckzuck unten. Es zieht einem die Gräten weg. In der Senke hält sich die Nässe am längsten. Weil der Wind bloß drüberhin pfeift und die Sonne gar nicht erst auftaucht, oder nur auf einen Sprung, nur um Bescheid zu sagen, dass sie nicht kommt. Dort unten, am Grund, bleibt die Straße, wie sie immer war. Mit riesigen Lachen vom Regen. Mit tiefen Schlammlöchern. Es ist ein schwieriges Stück. Man kann nur einen Fuß vor den anderen setzen. Das muss man raushaben. Am besten ist es, genau in der Mitte zu gehn, denn die Straße schwankt ein bisschen. Der Schmadder im Graben tut nicht weh. Es dauert bloß, bis man hochkommt.
In Paddys Schädel zwitschert das Stout. Paddy hört es gut, er kennt jeden Ton, er kann sie genau auseinanderhalten. Bisschen die Kehle nassmachen war er, in Snoopy`s Bar, aber er hält sich so aufrecht er kann, das muss man bringen, einen abbeißen und hinterher gradegehn, alles hängt vom Gleichgewicht ab, das kann man hinkriegen. Man muss den Pfiff kennen, dann ist es so einfach wie einen Fuß vor den anderen zu setzen, langsam, es hat keinen Zweck, so aufzudrehn. Wenn Paddy ehrlich ist, muss er zugeben: mehr Tempo würden seine Treter gar nicht durchhalten. Nicht dass sie schon in Fetzen gehn, Leder, weiß Paddy, kann einiges ab, das ist zäh. Aber die Schnürsenkel, die sind fort, so‘n Krempel ist fix erledigt, am Ende kaum gut für‘n Knoten, Paddy hat das nicht gebracht. Klar kann er neue kaufen, kann er sich leisten, macht er nicht, die Botten schlackern bisschen, es geht so, es geht, man muss das weghaben, Dampf machen hat keinen Sinn.
Auch wegen dem Graben. Der tut Paddy nicht weh, aber Martha, Martha würde gleich sehn, wenn er im Schmadder gelegen hat. Martha sieht alles. Dann ginge das Jammern wieder von vorne los. Das ganze Lamento. Oder womöglich nicht. Weil ja auch Martha weg ist. Nicht zäh genug. Nicht zäh. Martha kann Snoopy nicht leiden. Weil der kein Ende macht, wenn Paddy keins kennt, wenn er sich zu viel auf die Lampe gießt, aber was bleibt ihm denn übrig, wo er‘s bloß tut, damit die Musik wiederkommt, das Zwitschern, das braucht seine Zeit.
Snoopy‘s Stout ist gut für Musik. Man muss es in kleinen Schlucken trinken, in ganz kleinen, beinahe wie Tee, das zieht sich hin, man muss warten können. Sowieso ist Paddy immer der letzte am Tresen, der erhört wird, der allerletzte, das dauert, warten kann Paddy endlos. Je kleiner die Schlucke, desto später kommt das Kribbeln im Bauch an. Je später das Kribbeln im Bauch ankommt, desto besser ist die Musik im Schädel. Das ist einfach. So wie man einen Fuß vor den anderen setzt, langsam, Paddy hat das drauf.
Shut up, Martha, sagt Paddy,vorsichtshalber, damit nicht alles wieder von vorne anfängt, und das ist ein Rüffel, aber er sagt noch bisschen mehr, nix Besonderes, so Zeugs eben, für Martha bestimmt, die wird schon ein Ohr dafür haben, Martha hat immer genau hingehört.
Der Weg von Snoopy‘s Tresen zu Paddys Koje zockelt sich so weg, Paddy spricht im Gehen und geht im Sprechen, und es scheint ihn nicht zu wundern, dass ein Gespräch einfach so in der Luft liegt. Er weiß ja noch, wie man das macht: das Wort ergreifen, wenn es vorbeikommt. Der Weg zockelt sich weg, schwankt, aber ist sicher, da kennt Paddy wirklich ein anderes Schlingern, lange her, lange vorbei, aber nichts ist verloren, Paddy kennt jeden Ton, jeden Zuruf, er kann sie genau auseinanderhalten – wo doch schließlich alles abhing davon: ob die Fische im Kahn landen oder der Kahn bei den Fischen und natürlich die Kiste Makrelen vom Fang für Paddy, den handyman, den Handlanger, darauf hat sich Paddy verstanden, das hat er gebracht, so‘n Leben kann da schon drüber hingehn, man darf bloß nicht eilig sein. Große Fänge wird Paddy nicht mehr machen, er hat getan, was er draufhatte, es ging so, es ging, das hat gedauert, jetzt gibt es nichts mehr einzuholen, aber das Leben ist nett zu Paddy: irgendwas ist immer noch drin.
Der Weg zockelt, er zieht sich hin, doch Paddy hat Zeit, jede Menge, und es ist gut so, denn in seinem Nest, in seiner blöden Falle, ratzbatz, ist die Musik aus, der Saft alle, abgedreht, nicht das leiseste Zwitschern. Da kann einer sich bloß noch hinhauen, alle Viere von sich, lauschen kann er ewig, bringt nix. Nicht mal‘n Krächzen, nicht mal das. Nicht mal Krähen vorm Fenster. Weil keine Kiefern mehr stehn. Keine krummgezogenen, schief in den Wind gestemmten, die bisschen was hatten von Padraic O‘Toole. Paddy ist noch da. Kiefern keine. Aber die Knorren waren zäh, noch im Feuer, Paddy hat das Wasser in den Augen gestanden, so viel Rauch. Es hat ihnen nichts genützt. Krähen, klar, sind auch weg. Paddy hat Ruhe, wenn die Musik aus ist.

Die Senke liegt jetzt hinter ihm. Die mit den Wasserlöchern. Mit den Gräben. Das schwierige Stück. Hier oben pfeift‘s wieder. Aber auch die Sonne scheint Paddy auf den Pelz, und sie nimmt nichts dafür, sie macht das ganz umsonst, dafür hat er was übrig. Im klammen Kreuz kriecht sie ihm hoch, das tut gut, wo er jetzt gleich an Martha vorbei muss. Von der Straße aus ist Martha nicht zu sehn. Aber Paddy weiß, wo er sie findet. Erst muss er durch den engen Steintritt in der Mauer. Jeder passt da nicht durch, er schon. Oder er geht hintenrum, Knoten aufdrieseln. Knoten, die immer morscher werden, wie die quietschenden Scharniere, an denen der Strick festgezurrt ist. Das Gatter, das in die Scharniere passte, lauert hinterrücks als Blechgerippe im Gras. Man muss die Stelle kennen, sonst liegt man fix auf der Plauze. Der Rost kaut dran, aber er konnte‘s nicht kleinkriegen, noch nicht, man muss Geduld haben, muss zusehn können, wie das Gras sprießt, saftiges Gras, es wächst wie wild, aber es kann nicht alles zudecken, nicht den ganzen Rost, nicht alle alten Geschichten.
Meistens wartet Martha schon. Manchmal muss er allerdings erst die Schafe scheuchen. Nicht dass Paddy Geheimnisse vor denen hätte. Aber schließlich muss er ihretwegen immer öfter kommen. Das grüne Gras, das auf Martha wächst, ist denen nicht genug. Es juckt sie, und dann ist der Stein dran. Paddy hatte wenig Kies damals, deswegen blieb der roh, deswegen hat der raue Kanten. Die Schafe kommen gerne zu Martha. Aber so fest kann ein Stein gar nicht stehn. Dass er so viele Schafe aushält. Lehnt er erst schief in der Luft, kann er bald kippen. Zwar ist Martha nach zwanzig Jahren keine Fremde mehr für den Stein. Da darf der sich über sie beugen. Aber auf der Seele liegen, weiß Gott, das soll er ihr nicht. Paddy muss dann ran, Paddy geht öfter nachsehn. Und Martha, falls er sie richtig verstanden hat, hat ihm verziehn.
Früher hat Paddy das schwere Stück noch alleine hochgewuchtet. Jetzt kann er das vergessen. Jetzt wär‘ er ohne Hilfe aufgeschmissen. Einer hält und einer hält gegen. Es hängt vom Gleichgewicht ab. Meistens findet Paddy wen. Wenn grade keiner da ist, kann er Martha nicht helfen. Dann muss sie flacher atmen. Paddy sagt ihr jedes Mal, dass sie nicht vergessen soll, Luft zu holen. Aber Martha antwortet nicht etwa: „He Paddy, danke, merk ich mir“, oder so was, was sie wirklich könnte, weil‘s ‘n guter Tipp ist. Paddy weiß, wie wichtig das Luftholen ist, man muss das bringen, dann ist es so einfach wie Tee trinken, man muss sich Zeit nehmen dafür, und davon hat Martha doch genug. Nein, manchmal ist Martha nicht ganz richtig. Manchmal brabbelt sie ruppigen Stuss, Kokolores, so Zeugs eben, für Paddy bestimmt, der jeden Ton kennt, der sie genau auseinanderhalten kann. Aber wenn er will, kann er auch weghören. Über jedes Gesabbel wird er sich nicht den Schädel zerbrechen, den schönen Schädel mit der ganzen Musik drin. Shut up, Martha, sagt Paddy, shut up!
Martha antwortet selten, aber Paddy weiß, dass davon nichts abhängt für ihn und die Welt. Nichts geht verloren, nichts wirklich Wichtiges, selbst was Paddy in den Wind redet, ist nicht auf und davon, der Wind wohnt in den Drähten über ihm, und hier oben pfeift er ihm eins, dass seine Ohren glühn, dass sie ihm klingen, Musik zur Musik, das ist gut.

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