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Caroline


Caroline

Historischer Roman
1. Auflage

von: Volker Ebersbach

8,99 €

Verlag: Edition Digital
Format: PDF
Veröffentl.: 07.12.2021
ISBN/EAN: 9783965215795
Sprache: deutsch
Anzahl Seiten: 388

Dieses eBook enthält ein Wasserzeichen.

Beschreibungen

Diese Frau war eine ganz und gar ungewöhnliche, sehr selbstbewusste und emanzipierte Frau – Caroline Michaelis-Böhmer-Schlegel-Schelling. Sie hat ein sehr bewegtes Leben geführt, war dreimal verheiratet, zuletzt von 1803 bis zu ihrem Tode 1809 mit dem Philosophen Friedrich Schelling, die einzige Liebesheirat.
Wie der Autor in einer Vorbemerkung zu seinem Historischen Roman anführt, müsse ein Buch, das von Caroline Michaelis-Böhmer-Schlegel-Schelling erzählt, auch eine lange Reihe mehr oder weniger bekannter Zeitgenossen berühren, die ihr auf unterschiedlichste Weise nahekamen. Wie sie aussehen, sich bewegen, sprechen, denken, fühlen, das kommt, soweit Briefe und andere Zeugnisse nicht eindeutig darüber Auskunft gegeben haben, aus dem Ermessen des Verfassers, der weder die ganze Objektivität einer Biografie anstreben noch die volle Freiheit eines Romans ausschöpfen wollte. Die Erfindung lässt sich von Vermutungen leiten, wo verbürgte Überlieferung stumm oder verschwommen bleibt. Es sind die Vermutungen eines Menschen, der rund zwei Jahrhunderte später lebt, und es bleiben bei aller Einfühlung die eines Mannes. Hier ein kurzer Ausflug in das Jahr 1793, als Caroline auf der Flucht aus der von Preußen eroberten Jakobiner-Republik Mainz verhaftet und festgesetzt wird:
„Visitieren!“, brüllt der Posten. „Name!“
Preußische Soldaten sind hinter den Strohballen hervorgesprungen, umzingeln mit vorgehaltenen Gewehren das Gefährt, zerren den Kutscher vom Bock.
Forkel, Böhmer, zweimal Wedekind.
Der Offizier lässt sich ein abgegriffenes Heft bringen. Auch im winzigen Feldlager eines Vorpostens auf der feindlichen Seite des Rheins funktioniert die Amtsstube. Er leckt bedächtig den Finger an, blättert, schielt zu den Damen, zu den Kindern, blättert, zieht ungeniert Rotz in der Nase hoch, streicht die Schnauzbartenden trocken, hält einen Finger zwischen die Seiten, noch einen.
„Wedekind! Verwandt mit dem Erzklubisten?“
Schon öffnet die alte Sophia Magdalena devot den Mund. Caroline schneidet ihr das Ja ab: „Wir antworten nur einer ordentlichen Amtsperson.“
Der Preuße grinst infam. „Werden wir gleich haben.“ Die Seite aufschlagend, in der sein erster Finger steckt, fasst er Caroline ins Auge: „Böhmer! Frau des Erzklubisten, wat?“
Caroline staunt selbst über die Ruhe, mit der sie trotz pochenden Herzens antwortet, und wird dabei noch ruhiger. Sie sei die Witwe des Bergmedikus Franz Böhmer, vor fünf Jahren in Clausthal gestorben. „Es gibt viele Böhmers. Eine Verwechslung.“
I. DIE UNIVERSITÄTSMAMSELLEN
Kritische Nachbarschaften
Die gescheiten Windbeutel
Männer fordern Opfer
II. MIT TRAUER SEH ICH DEN SCHNEE
Ofenbank und Kindbett
Was man so hört und liest
Der Tod ist ein Pedant
III. EIN SCHLEIER FÄLLT NACH DEM ANDERN
Lorbeer und Reseda
Nur noch ein Kind
Trotz?
IV. KEIN AUGENBLICK GEHT LEER VORÜBER …
Teetisch in Mainz
Schlaflos
Mit Erlaubnis des Bürgers Custine
V. DIE BELAGERTE FREIHEIT
Winter über Freiheitsbäumen
Karneval ohne Maske
Räuberformalitäten
VI. VERGESSEN UND VERGESSEN WERDEN?
Brüderliche Geister
Die Spinnen der Verleumdung
Ein neuer Name
VII. DER ZAUN EINER EHE
Jenaer Kaffeekränzchen
Weimarer Tafelrunden
Ob Romeo und Julie ein Trauerspiel ist …
VIII. FRAGMENTE
Streit mit Göttinnen und Gattinnen
Romantische Elbefahrt
Das Romänchen
IX. EIN ZAUBERKESSEL
Die absolute Freiheit aller Geister
Ich habe doch am Ende mehr Glauben als ihr alle!
Wie ein Schatten auf der Erde
X. ICH WAR DOCH ZUR TREUE GEBOREN
Heimwärts mit dem Hass auf den Fersen
Es liegt ein Druck auf der Welt
Als wäre ich ganz stumm geblieben
NACHSÄTZE
ÜBERSICHT ÜBER CAROLINES LEBEN UND IHRE ZEIT
Volker Ebersbach ist am 6. September 1942 in Bernburg/Saale geboren und dort aufgewachsen. Nach Abitur und Schlosserlehre studierte er von 1961 bis 1966 Klassische Philologie und Germanistik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. 1967 promovierte er über den römischen Satiriker Titus Petronius. Danach lehrte er Deutsch als Fremdsprache ab 1967 in Leipzig, 1968 in Bagdad, 1971 bis 1974 an der Universität Budapest, wo er auch mit seiner Familie lebte.
Seit 1976 ist er freier Schriftsteller, Übersetzer und Herausgeber. Er schreibt Erzählungen und Romane, Kurzprosa, Gedichte, Essays, Kinderbücher, Biografien und Anekdoten. Er übersetzte aus dem Lateinischen ausgewählte Werke von Catull, Vergil, Ovid, Petronius, das Waltharilied, Janus Pannonius und Jan Kochanowski. Einzelne Werke wurden ins Slowenische und Koreanische übersetzt.
Von 1997 bis 2002 war er Stadtschreiber in Bernburg. Danach lehrte er bis 2004 an der Universität Leipzig.
Lion-Feuchtwanger-Preis, 1985
Stipendiat des Künstlerhauses Wiepersdorf und des Stuttgarter Schriftstellerhauses, 1993
Schlegel bosselt bis in den Abend an einer Antwort, zerknüllt grimmig Blatt um Blatt, zieht Caroline zurate, findet nichts gut, was sie sagt, alles ist ihm zu milde, zu versöhnlerisch, den literarischen Tyrannen gegenüber müsse endlich ein anderer Ton angeschlagen werden, auf diese Kriegserklärung gehöre kein Kompromiss. Das wäre ein fauler Kompromiss, und alles Neue bliebe, wie Fichte sich gern ausdrücke, nur Feuer in faulen Stoppeln, das mit Qualm und Gestank die klaren Horizonte verneble.
„Lies doch den Brief genauer!“, fordert Caroline. „Er gibt nicht zu, dass er dir für den Missgriff deines Bruders eins auswischen wolle, er hält eine Tür noch offen. Distanziere dich von Friedrichs Mitteln, damit vergibst du dir nichts, erreichst aber deine Zwecke, und du und Schiller, ihr könnt euch weiter in die Augen sehen! Er hat, ich spüre es, sich nicht mit seiner Frau beraten. Die Wut hat seine Feder geführt.“
Schlegel verschiebt das kühlere Nachdenken auf den anderen Tag, geht zerknirscht zu Bett und schläft nicht.
Auch Caroline findet keinen Schlaf. Sie hat noch immer mit Schiller darüber zu verhandeln, wie Gotters Nachlass für die Witwe am gewinnbringendsten zu publizieren ist; das Stück „Die Geisterinsel“ verdiente es am ehesten, gedruckt zu werden.
Am nächsten Morgen versichert Schlegel, ein ganzes Tagespensum schiebt er dazu beiseite, er werde eine versöhnliche Antwort entwerfen.
Sie aber geht, nachdem sie Hanne, sie zu melden, vorgeschickt hat, allein den Wiesenrain der Leutra entlang zu Schillers neuem Gartenhaus, keiner braucht es zu wissen, bei Männerstreit ist, auch wenn die Schillern ihre heimliche Feindin ist, vielleicht ein Wort von Frau zu Frau möglich, das Schlegels Brief den Boden bereitet.
Madame Schiller tut, als wüsste sie von keinem Zwist. Sie schildert, freundlicher als sonst, wie glimpflich bei Sohn Ernst die Blattern verliefen, seufzt aber über die Plage mit dem Gartenhaus, bedauert den Abschied des Professors Woltmann, der mit Stark gemeinsam so viel getan, von Hardenbergs süße Kleine, die Sophie von Kühn, zu retten, und zeigt sogar die Schachtel mit der Locke der Verstorbenen, die ihr auf Wunsch vor wenigen Tagen der Dichter schickte.
„Dieser Schlag hat uns alle getroffen“, flicht Caroline ein, „und nicht nur das unverhoffte Schicksal teilt Schläge aus. Verehrteste, ich fühle mich gedrängt, Ihnen zu versichern, dass mein Gemahl und ich den Zorn des Ihrigen wegen der Entgleisung meines Schwagers sehr bedauern. Was uns betrifft, so finden wir ihn grundlos.“ Da sie böse Augen sieht, geht sie gleich weiter: „Es ist nicht der erste Schwager, der mir schweren Schaden zufügt, glauben Sie mir, ich weiß, wie mir von Mainz her noch der Name Böhmer nachhallt. Aber ich kann nichts für die Umtriebe von meines ersten Mannes Bruder, sowenig wie für die …“
„Sie brauchen sich darüber nicht weiter zu verbreiten, liebe Schlegel, Ihre Beteuerungen in allen Ehren! Aber wir haben nicht wenig Anlass, in Ihnen selbst die Verderberin Ihres sehr begabten Schwagers und Ihres noch begabteren Gatten zu sehen. Ich verlasse mich da durchaus nicht nur auf mein eigenes Urteil, sondern hatte Gelegenheit, es mit dem anderer zu vergleichen, da wäre das der Gattin unseres Freundes Körner in Dresden, die mit Ihrer Schwägerin, Madame Ernst, auf vertrautem Fuße steht, Sie waren ja erst kürzlich dort, nicht wahr, man hatte dort, auch wenn man Sie mit gutem Grund nicht überall empfing, Gelegenheit, Sie zu beobachten. Und da wäre auch das Urteil von Körners Schwägerin, der Ihre Busenfreundin Therese, gewesene Forster, den Gatten zu stehlen beliebte, diesen Herrn Huber, nicht wahr, woran Sie wohl nicht wenig Anteil hatten, indem Sie erst Forstern seiner Gattin abspenstig machten, Sie Dame Luzifer Sie!“
„Ich möchte Sie bitten …“
Doch Madame Schiller lässt sie nicht zu Wort kommen – ist das ihr ganzer Adel? „Die Gattin unseres Freundes von Humboldt nennt Sie längst eine Schlange. Es ist kein Ort der Gesellschaft, wo Sie nicht Ihr Gift ausgestreut hätten! Sie sind ein Übel! Und ich werde nicht allein dafür sorgen, dass es durch Räucherpulver an seiner Ausbreitung gehindert wird.“
Die Stille im Haus hatte Caroline hoffen lassen, Schiller wäre ausgegangen. Da steht er aber mit überraschtem Blick und eingezogenem Kopf in der Tür, die für ihn wie die meisten nicht hoch genug ist.
„Wir sprechen schon zu lange von Herrn Friedrich Schlegel“, erklärt ihm nicht ganz wahrheitsgemäß seine Frau.
„Ach, der Laffe.“ Mit einer wegwerfenden Bewegung schickt sich der Dichter an, hinauszugehen.
Caroline erhebt sich, um der Furie zu entkommen. Ihr Kleiderrauschen zieht seinen müden, ein wenig kränklichen Blick noch einmal ins Zimmer.
„Ihr Zorn ist nur zu verständlich …“
„Zorn?“, fragt Schiller. „Ich habe mit anderem Plage genug. Mit Herrn Rat Goethe bin ich den ärgerlichen Fall noch einmal durchgegangen. Er konnte mich sogar zu einiger Mäßigung bewegen.“
„Mein Mann würde Ihnen gern alles erklären!“
„Nicht nötig, es ist klar genug.“ Unter Schillers langen Beinen knarren schon die Bauerntreppen des Gartenhauses.
Die Schillern, von seinem Dazwischentreten überrascht, hat sich beruhigt. Die Dame Luzifer vermochte ihren Mann durch ihre entzückende Erscheinung nicht umzustimmen. Gleich wird sie etwas freundlicher: „Ach wissen Sie, das Ganze braucht ja keine Ballade zu werden. Mein Gatte verfasst jetzt nämlich Balladen …“
Caroline geht schon auf den Flurfliesen. Auf dem Gartenweg kommt ihr der Herr Rat Goethe entgegen. Er begrüßt sie mit Charme und leuchtenden Augen. Dass sie mit der Affäre etwas zu tun hätte, findet er ohne alles Hinundherwenden absurd. „Die Sache muss in Ordnung kommen.“
Schlegeln berichtet sie nur, sie hätte Goethen getroffen, und das wären seine Worte gewesen. Da schreibt Wilhelm seine Antwort noch einmal um; sie fällt noch milder, höflicher, eleganter, klarer, ehrerbietiger aus. So antwortet nur, wer sich keines Unrechtes bewusst ist, und Caroline fügt eine Nachschrift an: „Wir verehren und lieben Sie so aufrichtig, dass diese gerade und feste Gesinnung uns auch auf einem geraden Weg führte, wenn noch so viel anscheinende Kollisionen da waren. Vergeben Sie mir, dass ich diese Versicherung jetzt nicht unterdrücken kann, da Schlegel in Gefahr ist ein Glück einzubüßen, wovon ich weiß, wie sehr es ihm am Herzen liegt.“
Schiller hüllt sich denn auch nicht in Schweigen, sondern beklagt seinerseits den Verlust des unbegrenzten Vertrauens. Aber er halte es für besser, das Verhältnis aufzuheben, eine „unangenehme Notwendigkeit, der wir beide unschuldig, wie ich hoffe, nachgeben müssen; dies bin ich mir schuldig, da niemand begreifen kann, wie ich zugleich der Freund Ihres Hauses und Gegenstand der Insulten Ihres Bruders sein kann.“ Vor allem, weiß Caroline nun, Madame Schiller und ihr Anhang nicht, auch wenn ihr Schiller versichert, er finde es lächerlich, in ihr die Verfasserin jener Rezension zu sehen. Er halte sie überhaupt für zu vernünftig, als dass sie sich in solche Dinge mische.
Man grüßt einander höflich. Aber Schlegels Mitarbeit an den „Horen“ ist beendet, unwiderruflich. Die Göttinnen verzichten auf seine Dienste, weil Gattinnen seiner Gattin übelwollen.

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