Kristina Hočevar: Auf den Zähnen Aluminium, auf den Lippen Kreide

Originaltitel: Na zobeh aluminij, na ustnicah kreda

Copyright © Slowenischer Schriftstellerverband (DSP) 2017

Übersetzung

Ann Catrin Bolton

Nachwort

Tina Kozin

Sprachliche Korrektur

Maike Nedo

Redaktion von Litteræ Slovenicæ

Tina Kozin, Tanja Petrič

Redaktionelle Bearbeitung dieser Ausgabe

Tina Kozin

Herausgegeben und verlegt vom

Slowenischen Schriftstellerverband (DSP), Ljubljana

Vertreten durch seinen Präsidenten Ivo Svetina

Erste elektronische Ausgabe, Ljubljana 2018

https://litteraeslovenicae.si/

Kataložni zapis o publikaciji (CIP) pripravili v Narodni in univerzitetni knjižnici v Ljubljani

COBISS.SI-ID=294446592

ISBN 978-961-6995-36-8 (epub)

Kristina Hočevar

Auf den Zähnen Aluminium, 
auf den Lippen Kreide

Aus dem Slowenischen

von Ann Catrin Bolton

Mit einem Nachwort

von Tina Kozin

DRUŠTVO SLOVENSKIH PISATELJEV
SLOVENE WIRTERS’ ASSOCIATION
LJUBLJANA 2017

Auf den Zähnen Aluminium
auf den Lippen Kreide

dieses

nicht einzige herz ist eine brennbare plastikmit fell überzogenaufgestellt auf dem

            fensterbrett:

es krächzt zwischen den abwässern von kindern in die bungalows und ihre hermetische stille.

wo höre ich aufmich zu halbierenwenn sich die mehrheit aus meinen kreisen

an die mehrheit der kreise aus einer erinnerung klebt.

die händedie die erstarrten plasmaflecken von den platten riebensie tasteten

deine wände abzuvor hatten sie eine fremde hand gedrücktsie kratzten

den schmutz vom tisch, sie ergriffen die tausendmal ergriffene klinke, berührten

tastaturenzerrissen papier und wischten schlamm von der hautrieben sich

unter wasserdanach aßen sieund übten sich dabei im verdünnen

der bewegungwo sie sich dannwenn sich die worte verteilenvervielfachenwo ich

aufhörewenn das gesicht nicht aufhörtaber ihm ein anderes gesicht nicht glaubtwo

das lachen des gesichts das lachen des spiegels ist und glück istaber das andere gesicht weiß nicht

wo.                                                                                                                                            wo

sich die menge der kreise aus der erinnerung und die menge der kreise aus der vorstellung

in der berührung irgendwelcher hände zusammenschließenwo?

            in die tür in sie

möchte ich dich nicht auf meinem plastikwagen fahren.

der ganze körpergeschützt mit weißer kreideganze säcke von sternen,

in den keller gesperrtdie entfernungaus der diese isolation ist,

ist nur die zusicherungdass die ewigkeit ist.

du bist ein kindweil dein weinen als kehliger bach unter die bank des klassenzimmers läuft.

du kind hast eine kälte größer als ein atemzugdie sitze werden rissigwenn du schaukelst.

und nächte nächte schläfst du nichtdu hast die hand gesehenjemand hat sie nicht aus der kleidung gestreckt.

du hast worte gehörtjemand hat sie nicht in den baum gestecktund spiele und worte sind keine

weichheitum aufzulösen.

du kind bist verschlossendurch alle heizungskeller

               wirst du immer mehr ein graues kind.

es gibt mehr und mehr taubenman muss die fenster mehr und dichter schließen,

mit den türen schlagenobwohl sich der regenbogen der windräder in alle richtungen dreht,

wohin ich auch blickeer vertreibt das flattern nicht.

                       ich hocke unübersehbar da,

während sie vermeldendass jemand zwischen dem tagesund nachtdunkel bläschen steigen lässt.

doch zwischen dem nachtund tagesdunkel gibt es keine bewegung,

                        die die tauben häuten würde.

noch im schlaf um fünf uhr morgens geflattergegurregeferkel,

krachich versuche die stilledamit sie sich auf dem balkon ausbreitetentspannt

ausgestreckt in diagonalen kreuz und querplatten

                      von glanz auf die

augen zu auf dem gegenüberliegenden dachgegurreaufplustern von gefiederaugen,

wenn ich mich tagsüber klatschend näherestarren sie mich naiv anihnen

ist nicht klardass ich sie ablehnewenn ich den stock durch die wanne schwingeihnen ist nicht

klarwenn ich ihre kleinen eier tötenoch im schlaf noch im baden in der wanne,

gegurresich entleeren auf boden und wändeihnen ist nicht klardass ich sie nicht mag,

die gezähmten nicht mag.

die hündin hascht nach den federnadrenalinder vogel kämpftflattertfedern

fliegen in die boxunter der leiterdie hundeschnauze rupftich rufe ausaus und,

und der graue körper versteckt sichder hund will zurückich lasse ihn nichtich schließe den balkon ab;

vogelflecken auf den fliesenexkrementeblutich rufe leutedas tier versteckt sich,

fliegt erschrocken aufflattert aus einer Eckezurück in die dachluke und zurückwiederholt sich,

wartet dann stundenstunden und stundenbis

ich zwei naturmenschen anrufedamit sie

                   der taube etwas flüstern.

dieser schnee ist nicht für mich gedachtobwohl er auf meinen balkon fällttauben liegen auf dem boden

immer ähnlich verwundetein neuer winter hält die windräder an.

zwischen einem tag und dem anderen wachsen nur zweifel und entscheidungen warten auf schauspielerinnen.

die siedlung bricht die schenkel

des blaus asymmetrisch.

ich wische         alle kleinen fische vor unserem hochhaus wegwenn

sie sich sammelnplastikflaschen werfen – zuhause brüllenzuhause brüllen,

ich radieredie frau

aus dem nachbarhochhaus schnauzt sie anich habe

kinderman muss euch verlassen,

                 verlassen muss man euch,

brüllt siemit zwei kleinen als händemit zwei

  ihr verlassenen,

              schon einen tag zuvor

radiere ich ihre eltern aus,

sie schreit im autobus die bande vor der tür an,

ich habe kinderkinder habe ich,

            ich radiere sie auses verzieht ihr die augen,

weil der vati sie

anschielt,

sie schreitich schieße auf alle,

             bis ich mich

in sicherheit hinlege.

   ich lege mich nicht

in sicherheit hin.

die schritte des alten mit der brille bewacht eine hündin.

sie führt ihn zwischen hindernissen hindurchzieht ihn vom randstein weg und führt ihn zum eingang

sie hat absonderungen um die augensie ist zu dickihr einsamer alter ist ordnungsgemäßmanchmal

diszipliniert er sie um die augenich möchte die beiden nicht sehenich möchte nicht mit meinen

tieren vorbeigehendie hündin muss unfehlbar seinder alte gleitet ausdas nächste maldenkst du,

soll er das auf der straße tun.

                  hinter dem

tisch hervor über alle übrigen tische

                  spricht sie die andere frau an:

es ist süß,

dein kindwirklich süß,                                                         meine tochter wünscht sich ja

                   einen neger als freund:

sie ist bravgeht zur schulesie ist eine schönheitsieh sie dir anmacht ja nichts,

wenn er jünger ist,

      aber weißt duwas ich gern wüsste,

wie nennt man überhaupt

       einen neger mit einer weißen mutter,

fährt die zigeunerin fort,

immer fehlen

der anderen mutter die sätze,

die sätze für die anderen.

wie die zähler sitzennicht einmal so viel reichlicher als mit vollem mund.

beim jubiläum zählen sie ihre nachkommensie ähneln

verkäufern mit weinerlichen gesichtern.

              beim sprechen mit diesen strichmenschen

ist jedes

       wort aus meinem mund

eine abrasionder tisch

voller popcornoder frauendie an bäumenan erdbeerenan strahlen ersticken;

die lätzchen sind schon ganz verschmiert.

        :was ist ein jubilarihm

tropft es aus der nase auf den tellerer schöpftschlürfttropft;

sie redet ihm zu,

  wie dich alle besuchendu bist ein jubilar;

er tropft weiter,                        ich esse,                        was soll ich:

     wozu und ist es überhaupt wichtig,

an welcher stelle ich sein werde.

ich werde keine langen grauen zöpfe habenmeine haare sind schon jetzt zu dünn.

kahlköpfig unter dem klopfenküsse von planeten und zwischen den schraubstöcken der sterne werde

ich sein.

wo mir die zähne ins waschbecken fallen werdenwo mir mein körper die tageschoreografie vorgeben wird;

werde ich einen sinn fürs lachen habenwo meine fingerabdrücke auf den klinken

die hologramme auf den plasmen ersetzen werden.

ich werde meine garderobe nicht auf pastellfarbenebeige stoffe beschränkenmeine shirts werden eine kapuze haben.

meine augen werden mehr und dichtere vorhänge haben;

wovon die falten tiefer werden – ich würde gerne jeden ungekennzeichneten vorhang greifen.

meine oberarme werden schlabbrig sein,            aber ich werde anders

                   anmut bieten können;

meine leutewir werden mit den ohren näher sein,

               oder die lücken werden