Cover

 

Außer der Hochbrücke ist nichts besonders an der kleinen Stadt, in der Alba lebt. Die Brücke misst 25 Meter, bei Windstille fällt man 2,28 Sekunden, die Straße darunter ist statistisch gesehen die tödlichste der Schweiz. So zumindest kommt es Alba vor: Das Schuljahr ist noch nicht vorbei, und schon hat ihre Klasse drei Schüler verloren. In Zürich gehen die Jugendlichen derweil auf die Barrikaden. Nach den Krawallen vor dem Zürcher Opernhaus kämpfen sie weiter, für kulturellen Freiraum, gegen Wohnungsnot, Drogenelend, Überwachung. »Macht aus dem Staat Gurkensalat!«, lautet die Parole. Die Welt steht Kopf und Alba ist nicht nur mittendrin, sondern hat noch dazu ihre ganz eigenen Probleme. Eines davon: Jack. Eigentlich heißt er René, aber weil die Dinge, die ihm zustoßen, normalerweise nur Helden aus grellen amerikanischen Roadmovies passieren, ist Jack einfach passender. Kurz nach Albas ›Unfall‹ werden sie ein Paar. Vorerst ist Alba glücklich, aber keiner weiß besser als sie, dass alles einen Haken hat – gerade das Glück. Und einmal auf der Abwärtsspirale, geht es rasant und unaufhaltsam bergab … oder?

Mit frappierender Originalität, intelligentem Witz und einer unterschwelligen Tragik erzählt Demian Lienhard von den Höhenflügen und Tiefschlägen im Leben seiner jungen Protagonistin. Der Leser folgt der erfrischend widerborstigen und einnehmenden Ich-Erzählerin durch die knisternde Atmosphäre der 1980er und frühen 1990er in der Schweiz, geprägt von wachsenden sozialen Problemen und einer aufrührerischen Jugendbewegung. Der glühende Kern des Romans ist die Erzählstimme selbst, eine funkensprühende Verbindung aus Smells Like Teen Spirit, La Boum und einer unwiderstehlichen Warmherzigkeit, schwarzem Humor und Sprachwitz – ihr würde man überallhin folgen, sogar auf einen Höllentrip.

 

 

Inhalt

Eins

Zwei

Drei

Vier

Fünf

Sechs

Sieben

Acht

Neun

Zehn

Elf

Zwölf

Dreizehn

Vierzehn

Fünfzehn

Sechzehn

Siebzehn

Achtzehn

Neunzehn

Zwanzig

Einundzwanzig

Zweiundzwanzig

Dreiundzwanzig

Vierundzwanzig

Fünfundzwanzig

Sechsundzwanzig

Siebenundzwanzig

Achtundzwanzig

Neunundzwanzig

Dreißig

Einunddreißig

Zweiunddreißig

Dreiunddreißig

Vierunddreißig

Fünfunddreißig

Sechsunddreißig

Siebenunddreißig

Achtunddreißig

Dank

 

Für Alba Doppler

 

Eins

Ich habe Jack an jenem Tag kennengelernt, als hinter unserem Haus ein Achtundzwanzigjähriger vom Himmel gefallen ist.

Jack kann sich mehr Zitronensaft in die Augen spritzen als jeder andere, den ich kenne. Jack sammelt die Flusen aus seinem Bauchnabel und bewahrt sie nach Farben getrennt in kleinen Weckgläsern auf. Jack hupt an der Kreuzung, wenn die Ampel auf Orange steht und der Vordermann noch nicht losgefahren ist. Keine Frage, Jack ist beliebt. Alle mögen ihn. Außer meine Mutter vielleicht. Immer wenn ich Jack erwähne, sagt sie nur Schlechtes über ihn. Ein einziges Mal hat sie sich gefreut über eine Nachricht, die mit Jack zu tun hatte. Das war, als ich ihr sagte, dass ich nicht schwanger bin von ihm.

Natürlich stimmte das nicht so ganz.

Als es passierte, lag ich im Krankenhaus. Der Mann neben mir, mein Zimmernachbar, war um die siebzig. Hatte irgendein Prostataleiden. Er sagte nichts, ich sagte nichts, wir schwiegen uns an. Ich würde sagen, wir mochten uns. Jeder ließ den anderen in Ruhe. Keine blöden Fragen. Das ist schon viel in einem solchen Krankenhaus.

Meine Mutter hat mich oft besucht in der Zeit. Am Anfang zumindest. Meine Mutter arbeitet am Flughafen, fertigt die Leute ab, die danach vom Himmel fallen. Das ist gut so. Wenn alles in die Luft geht, muss einer am Boden bleiben. Ich bin froh, dass das meine Mutter ist.

Irgendwann, als sich die Sache allmählich zum Guten wandte, haben sie mich auf den Flur gelassen. Stets mit von der Partie: Hugo. Sicher, Hugo war ungefähr so cool wie ein offener Wadenbeinbruch, aber er war mein bester Freund, bevor ich Jack kennengelernt habe. Hugo ist das Stahlgestell, mit dem ich die Kochsalzlösung neben mir herschob.

Hugo und ich waren unzertrennlich. Manchmal habe ich ihn ausgeführt. In die anderen Stockwerke. Chirurgie, Onkologie, Dialyse. Ab und an haben wir uns ein paar Fritten gegönnt in der Cafeteria. War natürlich verboten, aber musste ja keiner wissen. Hugo jedenfalls hat eisern geschwiegen.

Und dann steht da auf einmal Jack. Es ist einer der ersten Sonnentage. Obwohl die Wege noch vereist sind, schleiche ich hinaus in den Park. Und unten an der Bushaltestelle, da glitzert ein metallicgrüner Flitzer in der Haltebucht. Jack, so der Lässige, lehnt dagegen und zwinkert mir zu. Dann geht sein Blick eine Etage tiefer.

– Happiness is my blue potato, sagt er und deutet auf meine Brüste.

Ich schaue ihn fragend an.

– Steht auf deinem Pulli.

Ich nicke. Das heißt ungefähr so viel wie: Schon klar, du Depp.

– Was dagegen?, frage ich.

Jack schüttelt den Kopf. Er überlegt. Er sagt nichts. Dann sagt er doch etwas:

– Willst ne Runde?

– Mit dieser Rostlaube?

Jack zuckt mit den Schultern.

– Na und wenn schon.

Das überzeugt mich.

Wir wollen uns also hineinsetzen, Hugo und ich, aber Jack hat was dagegen. Jack, muss man wissen, ist eher einer von der eifersüchtigen Sorte.

– Hugo ist mein bester Freund. Uns gibt’s nur im Doppelpack, sage ich und schlage mit meiner Rechten freundschaftlich gegen die Stahlstange.

Jack sieht: Da ist nichts zu machen. Er hebt die Schultern. Das soll wohl heißen: Von mir aus.

Und dann geht’s also los. Ich auf dem Beifahrersitz, Hugo auf der Rückbank. Im Affenzahn blochen wir ein paar Runden um die Wäscherei, dass die Reifen qualmen. Das letzte Mal ging mein Herzschlag so hoch, als ich im Krankenwagen lag und das Leben vor meinen Augen vorbeizog.

Nach ein paar Minuten bringt Jack den Käfer zum Stehen.

– Mehr geht nicht, sagt er und zeigt was weiß ich warum auf den Zigarrenanzünder. – Keine Kohle für Sprit.

Jack lässt uns also aussteigen und begleitet uns zum Eingang. Er bietet mir seinen Arm zur Stütze an, aber meine Linke deutet auf Hugo. Jack tut wie geheißen: Er schiebt Hugo vor mir her, und das, obwohl er ihn nicht besonders gerne mag.

Dann, ein paar Tage später, fängt das mit den Geschichten an. Uns ist langweilig, Jack und mir. Aber das, was man normalerweise tut, wenn man erwachsen ist und gelangweilt, dafür kennen wir uns noch zu wenig. Und das, was man sonst noch so macht, wenn man nichts zu tun hat, war gerade vorbei: Jack steht in der Tür, als ich eben mit dem Mittagessen fertig bin.

– Erzähl mir etwas, sagt er.

– Gut, sage ich, ohne nachzudenken, aber dann muss ich es trotzdem. Ich überlege ein paar Sekunden und dann noch ein paar, und dann erzähle ich ihm von Viktor. Viktor war mein Lieblingsukrainer. Und vor allem war Viktor mein Stiefvater. Gut, er war der einzige Ukrainer, den ich damals kannte, und die Ukraine, die gab es noch gar nicht. Aber angenommen, es hätte sie gegeben und von den Leuten dort wären so viele hergekommen wie von den Italienern, sodass ich viele gekannt hätte von ihnen, so hätte ich ohne weiteres gesagt: Viktor ist mein Lieblingsukrainer.

Aber das ist es nicht, was ich Jack erzähle. Ich erzähle ihm davon, wie Viktor geflohen ist von hinter dem Eisernen Vorhang und was er dabei erlebt hat, ich erzähle von Viktors Meinungsverschiedenheiten mit der Polizei und dann überlege ich mir auch zu erzählen, wie es dazu kam, dass Viktor nicht mehr mein Lieblingsukrainer ist. Aber das interessiert Jack alles nicht.

– Erzähl mir was anderes, sagt er. – Irgendwas, woran ich nicht die ganze Zeit denken muss danach.

– Okay, sage ich.

Aber dann sage ich nichts, denn als ich durch meine Erinnerung gehe, sind da nur Schritte, die leise hallen in ihr und doppelt.

Jack heißt eigentlich René. Mit Betonung auf der ersten Silbe, das erste E als Ö ausgesprochen, wie es hierzulande üblich ist: Rönee. René will, dass ich ihn Jack nenne, weil die Dinge, die ihm zustoßen, normalerweise nur den Figuren eines grellen amerikanischen Roadmovies passieren. Und René, sagt er, das würde eben nicht dazu passen.

Ich finde, Jack klingt richtig mies, aber wenn einer so sehr mit den Wimpern klimpert wie Jack, während er dich um irgendwas bittet, dann erfüllst du ihm jeden noch so dämlichen Wunsch.

Also gut. Ich meine, das mit den Geschichten. Angefangen hat das eigentlich später. Einen Tag vielleicht. Oder eine Nacht. Wenn man’s genau nimmt.

Aber will man das?

Es ist nur: Wenn es etwas gibt, was ich nicht ausstehen kann, dann sind das Anfänge. Ich verabscheue den Morgen und ich verabscheue das Neujahr. Immer sind die Leute begeistert und immer sind sie randvoll mit Hoffnung deswegen. Dabei ist es doch genau umgekehrt, das mit der Hoffnung.

– Erst wenn du am Ende bist und der letzte Ausweg versperrt, solltest du dich aufs Hoffen verlegen, hat Viktor einmal gesagt.

Ich habe darüber nachgedacht, ob es mir besser ginge mit diesen Anfängen, wenn der Tag erst um elf beginnen würde und das Jahr erst im März.

– Es ist müßig, sich darüber Gedanken zu machen, sagt Jack, – du kannst ja doch nichts daran ändern.

Natürlich hat er recht.

Aber deshalb habe ich nicht darüber nachgedacht. Ich habe darüber nachgedacht, weil ich nichts ändern kann an der Situation und gefangen bin in ihr.

Jedenfalls. Ich liege im Bett und denke nach. Es ist der Abend des Tages, an dem Jack diese Geschichten hören wollte. Doch in meinem Kopf gibt es gerade keine Geschichten. Es gibt nur Unruhe und es gibt Leere in ihm. Aber davon kann ich Jack nicht erzählen.

Dann fällt mir doch etwas ein. Mir kommt in den Sinn, warum mir nichts in den Sinn kommt: Als Hilde so spät noch ins Zimmer gekommen ist, um mir den Blutverdünner zu spritzen, ist es vergessen gegangen, das mit den Füßen. Ich mache das Licht an, werfe die Decke zurück, steige in die Pantoffeln und gehe ein paar Schritte umher, aber nur so weit, dass ich Hugo nicht wecken muss, der tief und fest schläft am Rand. Dann setze ich mich wieder aufs Bett, streife die Pantoffeln ab, strecke mich aus und decke mir die Beine zu. Ich merke sofort, wie es ruhiger wird in meinem Innern. Bevor ich ins Bett steige, muss man wissen, dürfen meine nackten Füße den Boden nicht berührt haben. Das Gefühl des kalten Bodens unter meinen Sohlen lässt alle Gedanken einfrieren in mir.

Am nächsten Tag ist alles besser. Jack ist wieder da und ich komme ins Erzählen. Die ganze Nacht über habe ich nachgedacht und den ganzen Morgen, und als ich damit fertig war, habe ich mir eine Dose Cola gekauft in der Cafeteria. Es muss Cola sein und es muss eine Dose sein. Wenn ich es mit den Nerven zu tun kriege, muss ich mich irgendwo festhalten können.

Wenn der Wind nicht weht, erzähle ich, ist er in den U-Bahntunneln versteckt. Bevor die U-Bahn auf den Kontinent kam, hat es keinen Wind gegeben in Europa. Bienen gehen am Durchfall zugrunde, wenn sie vom Nektar der Kornelkirsche trinken. Die UdSSR ist der einzige Staat auf der Welt, dessen Hauptstadt nicht im eigenen Land liegt, sondern in Südafrika.

– Soweto – Sowjetunion … Verstehst du?

– Klar, sagt Jack, und: – Hast du noch mehr davon?

Aber hallo.

Und dann erzähle ich ihm vom Boden in meinem Zimmer, einem Dielenboden aus zweiter Hand. Meine Mutter hat ihn auf Raten gekauft, in einem Pfandleihhaus, sage ich, und als es zu Ende war mit dem Geld, haben sie ihn wieder abgeholt. Seither kann ich den Nachbarn unter mir beim Schlafen zuschauen, wenn ich durch mein Zimmer gehe, und sie sehen meine Füße von unten, können mich im Grundriss betrachten.

– Echt?, fragt Jack.

Ich schüttle den Kopf. Natürlich nicht.

Jack verwirft die Hände.

– Schade, sagt er.

– Schade?

– Schade, dass das nicht wahr ist.

Von nun an hat mir Jack jeden Tag etwas mitgebracht. Unter seinem Alpacaponcho hat er einen Rucksack voller Fritten aufs Zimmer geschmuggelt. Manchmal auch Schokolade, dann sogar eine Flasche Champagner. Der Alte hat immer dichtgehalten. Aber Jack mag ihn trotzdem nicht. Ihm passt nicht in den Kram, dass wir das Zimmer teilen. Er ist eifersüchtig, glaube ich.

Auch meine Mutter hatte was gegen den Alten in meinem Zimmer, da war sie für einmal einig mit Jack. Natürlich hat sie ihm das nicht gesagt, ist ja nicht so, als ob deswegen gleich … Egal. Jedenfalls hat sie dem Chefarzt alle Schande gesagt, hat sie. Von wegen Geschlechtertrennung und Privatsphäre, und ob das alles nichts mehr gelte in diesem Sauladen. Ja, Sauladen sagte sie, aber viel drauf gegeben hat der Doktor nicht. Irgendwas von Wunschkonzert hat der gesagt und Auslastung und ökonomische Zwänge und das ganze Brimborium, das man veranstaltet, wenn dir einer blöd kommt wegen ein paar Wachteleiern, du ihm aber keine reinhauen darfst. Statt einer ordentlichen Abreibung also die Frage, ob sie schon mal über eine Privatversicherung nachgedacht habe.

– Und sonst gibt’s ja immer noch das Katholische, schiebt der Chefarzt nach und verlässt das Zimmer.

Das zeigte Wirkung. Zu den Katholen oder Privatversicherung? Dann doch lieber die Tochter mit einem Wildfremden im Zimmer.

Mir sollte es egal sein. Wenn dein Leben an einem dünnen Silikonschlauch hängt, hast du echt andere Sorgen als das Geschlecht deines Zimmernachbarn.

Einmal wollte Jack wissen, warum ich im Krankenhaus bin. Natürlich habe ich ihm nichts gesagt.

– Ist doch egal, habe ich gesagt, – jetzt geht’s mir wieder gut.

Jack zuckte mit den Schultern, wie er das immer tut, wenn er sagen will: Okay.

Aber lassen konnte er’s dann trotzdem nicht, hat überall herumgefragt. Aber die Schwestern: Haben sich dumm gestellt. Die Ärzte: Fehlanzeige. Meine Mutter: Wo denkste hin. Und Hugo: Erst recht nicht.

Blieb einzig, den Alten abzuklopfen, während ich auf Toilette war.

Als ich die Tür öffne, hebt der gerade seine Lider, mühevoll und unendlich langsam, und seine dünnen Lippen spalten sich. Es hüstelt in seiner Brust, dumpf und fern, als würden irgendwo dort unten die letzten Ausläufer eines Feuerwerks explodieren. Von den Händen, die auf der gestreiften Decke nebeneinanderliegen wie zwei rückwärts geparkte Autos, hebt sich einer der dünnen Finger. Jack und ich – jetzt ist uns beiden klar: Die Sache ist raus.

Aber der Alte: sagt nichts.

Jack wiederholt die Frage, doch das Geräusch, mit dem sich die Zunge des Schlosses hinter mir in den Türrahmen streckt, schreckt ihn auf.

Jack kam jetzt jeden Tag vorbei. Meistens um zwanzig nach drei, manchmal auch um halb vier. Wenn er um viertel vor noch nicht aufgekreuzt war, wurde ich nervös. Aber irgendwann vor Ende der Besuchszeit kam er trotzdem. Um fünf wurde er normalerweise weggeschickt. Hilde drückte auch mal ein Auge zu, ließ ihn bis zum Abendessen bleiben. Jack kam mit allen gut aus, aber Hilde, das ist die, mit der er sich am besten verstand.

Man hatte das Gefühl, die beiden kannten sich schon länger.

Und dann war da dieser Mittwoch mit dem Seidenschal. Das war nicht irgendein Seidenschal und schon gar nicht meiner. Aber ein Frauenschal war’s jedenfalls, den Jack da in seinem Rucksack hatte. Ich hab’s ganz genau gesehen, als er den kühlen Champagner hervorzauberte.

Ich meine, ich bin nicht eifersüchtig oder so. Aber wenn dein Typ einen Frauenschal mit sich herumträgt, dann musst du dir einige Fragen gefallen lassen. Es sei denn, er schenkt ihn dir. Dann ist es was anderes. Aber das hat er nicht getan. Also hat er eine andere. Oder er ist schwul. Du denkst: Ja klar, diese gewollte Vernachlässigung seiner Eleganz, die gezierten Wendungen seines Kopfes und vor allem: sein Alpacaponcho. Also schwul. Das ist scheiße. Nicht das Schwulsein an sich, wir verstehen uns. Aber ausgerechnet Jack. Der hat nicht schwul zu sein. Punkt.

Jack entkorkt inzwischen die Witwe und gießt galant zwei Gläser ein. Und schwupp, sind die auch schon leer. So geht das den ganzen Nachmittag. Jack ist guter Laune. Aber ich, ich bin irgendwie nicht bei der Sache. Und betrunken bin ich auch nicht. Da ist dieser Seidenschal in meinem Kopf und Hugo in meiner Vene, der ständig Kochsalzlösung nachschiebt, dass es mich fröstelt im Unterarm.

Keine guten Voraussetzungen also. Aber Jack pfeift drauf. Er zieht meinen rechten Arm zu sich und beginnt weiß der Geier weshalb an Hugo herumzufummeln. Ich frage ihn, was das soll, aber er antwortet nicht, also ziehe ich den Arm wieder weg.

Und dann geschieht es: Jack küsst mich.

Oder er versucht es zumindest, berührt aber nur meine Zähne, denn ich reiße meinen Mund auf.

– Hugo!, schreie ich.

Der baumelt nämlich frei in der Luft, und über meinen Arm läuft’s kalt und heiß. Jetzt ist auch Hilde im Zimmer, und wie sie die Sauerei sieht am Boden, da reißt ihr der Geduldsfaden. Sie zeigt auf die Tür, ohne etwas zu sagen, und Jack kapiert’s sofort. Ist ja nicht dumm, der Junge.

Und dann fing das mit dem Warten an. Am nächsten Tag war Jack auf einmal nicht mehr da, und auch am übernächsten nicht. Dann sagte ich mir, dass er nach dem Wochenende wiederkommt. Montag ist er wieder da, sagte ich mir, bestimmt.

Aber das war er nicht. Auch am Dienstag nicht. Am Mittwochnachmittag habe ich es nicht mehr ausgehalten. Ich habe Hugo genommen und mich zur Bushaltestelle aufgemacht, aber vom Käfer keine Spur.

Keine Frage, ich war traurig und ich war allein, mutterseelenallein. Um mich herum war nur noch die Luft des Krankenzimmers und dieses Desinfektionsmittel, das einem in die Nase wabert andauernd und sticht über den Augen.

Doch dann fällt mir plötzlich auf, dass er anders ist, der Flur und die Leute, die sich bewegen auf ihm. Es ist Freitagmorgen. Normalerweise gleitet lautlos ein Bett übers Linoleum, in seinem Schlepptau der müde Pfleger. Vor der Station verstopfen die Angehörigen irgendwelcher Neulinge den Durchgang und bestürmen die Schwestern, dass die mit der Bullerei drohen müssen. Im Wartezimmer läuft ein Radrennen der letzten Saison.

Aber an diesem Tag hatte sich etwas verändert. Natürlich war da noch der Pfleger, der das Bett über den Flur schob, aber auf seinen Lippen zuckte ein Lächeln und um die Winkel seiner Augen. Und die dicken Winterjacken und Mäntel zeichneten sanftere Silhouetten auf die Schultern der Angehörigen, die sich brav auf den Plastiksitzen hielten heute.

Mir war sofort klar: Heute würde es passieren.

Jack tauchte gegen halb zehn auf, obwohl ich ihn nicht vor halb vier erwartet hatte. Der Alte mit der Prostata wurde gerade operiert, also setzte sich Jack aufs Bett gegenüber. Jack – man kann gar nicht so recht sagen, wie er ausgesehen hat an diesem Tag. Die Haare ducken sich zu einem bierfarbenen Scheitel und über seiner Nase balanciert eine viel zu große Hornbrille mit Fensterglas. Der Rest von ihm steckt in einem schwarzen Anzug, der so eng ist und so kurz, dass man den Eindruck nicht los wird, dass es der Anzug ist, der Jack trägt und nicht umgekehrt.

Zufrieden stellt er fest, dass Hugo nicht mehr im Zimmer ist.

– Manchmal vermisse ich ihn, sage ich.

Das hätte ich lieber nicht getan. Jacks Blick verfinstert sich. Er sagt nichts.

Die Eifersucht.

Natürlich.

Aber er tut ja auch nichts dagegen, um nicht als Idiot dazustehen. Als er nämlich den Champagner aus dem Rucksack holt, blitzt da wieder der Seidenschal hervor. Und er schenkt ihn mir auch dieses Mal nicht.

– Was tust du hier?, frage ich.

Jack zögert. Er bringt seine Kiefer nicht auseinander. Ist irgendwie von der Rolle heute. Irgendwann sagt er doch etwas:

– Meine Schwester …

Ja, seine Schwester. Wo kommt denn die auf einmal her? Hat er mir nie erzählt von. Aber ich kapiere: Jetzt ist nicht der Moment, um dumme Fragen zu stellen.

– Sie ist …, stammelt Jack, aber weiter kommt er nicht. Er schmiert irgendeinen Haken in die Luft, der entfernt an ein Kreuz erinnert. Ich begreife sofort. Bin ja nicht auf den Kopf gefallen.

Jack langt nach der Flasche auf der Ablage und nimmt einen großen Schluck. Verdutzt schaue ich auf die leeren Gläser und begreife: Es ist keine Zeit mehr für Umwege. Ich ziehe an seiner Hand, die ich die ganze Zeit gehalten habe, und lasse nicht nach. Da kapiert es auch Jack. Wir biegen und strecken und krümmen uns im Bett wie die beiden Enden eines zerteilten Regenwurms.

Die Küsse, die Berührungen, alles spüre ich einzeln, nacheinander und unendlich langsam. Und ich sehe das Neonlicht des Krankenwagens vor mir, wo mein Leben hinter den Augenlidern hellrot vorbeieilte, während der Tod auf mich wartete, und jetzt weiß ich, dass es nur richtig ist, dass in dem Moment, in dem ich endlich zu leben anfange, jede Empfindung einzeln und unendlich langsam auf mich kommt.

 

Zwei

Und dann fing das mit dem Rauchen an. Und das mit Eulalia.

Ich fing es an.

– Und du, Alba?, fragt sie.

– Ich?

Eulalia nickt. Und während ihr der Rauch langsam und blau aus dem Mund sprudelt, schneidet sie eine Grimasse, als wäre ich es, die gerade raucht und ihr den Qualm ins Gesicht bläst, und sie müsste gleich kotzen deswegen. Sie schiebt ihr Kinn nach vorne, wie sie das immer tut, wenn sie etwas von dir will. Ich starre auf den Glimmstengel zwischen meinen Fingern, die vor Kälte zittern, schaue am Filter auf das Braun der Verästelungen, die sich durch das Dunkelrot von Eulalias Lippenstift ziehen, folge dem dünnen Faden, der sich über unseren Köpfen in bläulichen Schwaden verliert, und spüre, wie sich die Härchen auf den Armen im Pulli verkrallen und die Haut sich aufstellt um sie.

– Na, was ist?

Ich weiß nicht. Ich schaue Hugo an, aber der ist mir irgendwie auch keine Hilfe.

– Nimm ruhig n Zug von meiner, das ekelt mich nicht. Oder willst du dir eine eigene anzünden?

Ich zögere. Ich schüttle den Kopf. Ich starre noch immer auf dieses dunkelrote Ende der Zigarette.

– Also?

Ich fühle einen Blick auf meinen Schultern. Es ist Hugo. Ein Windstoß lässt mich zittern vor Kälte.

Hugo schüttelt den Kopf. Das will heißen: Nein.

Und dann denke ich an Viktor, an die Schule und an Marcel, ich denke an die Chemieprüfung und den Abend ohne Softeis, und weil ich mir endlich einen Neuanfang wünsche, jetzt in diesem Moment, führe ich den Filter an meine Lippen und ziehe.

Natürlich war ich nicht mutterseelenallein, als ich im Krankenhaus lag.

Habe ich das gesagt?

Ja, das habe ich.

Gut. Meinetwegen.

Aber was ich meinte damit, ist, was jeder damit meint, wenn er sagt, er sei mutterseelenallein: Er fühlt sich mutterseelenallein. Und das ist es doch, was zählt in dem Moment.

Jedenfalls, da waren noch andere. Zum Beispiel die schlechte Schwester, die mir jeden Morgen einen anderen Finger zerstochen hat, um dann das Zeug, das sie rausgezogen hat an der Hand, doppelt und dreifach wieder hineinzuspritzen in den Oberschenkel. Natürlich nicht dasselbe. Aber so in etwa. Bisschen Blut gegen einen Haufen Verdünner. So.

Da war außerdem die gute Schwester, Hilde, die auch mal ein Auge zudrückte, wenn man keine Lust hatte auf den Krankenhausfraß und die Hauptmahlzeit durch drei Becher Softeis ersetzte. Da war der gute Assistenzarzt, der immer nach künstlicher Minze roch und mit dem ich gerne gevögelt hätte, und da war Eulalia.

Eulalia, das ist die andere Patientin im Krankenhaus, die gerne mit dem Assistenzarzt vögeln würde. Aber ihre Arme – sie waren gebrochen. Beim Skifahren. An einem Ort, wo sie die Cafés noch Tea Room nennen. Rutscht mit den Skischuhen aus und stürzt die Treppe hinunter, bleibt unten vor dem Herrenklo liegen. Als sie wieder zu sich kommt, haben es sich ihre Unterarme auf der Treppe bequem gemacht. Schmiegen sich an die unterste Stufe wie ein Winkeleisen und stellen sich schlafend. Sie schaut hin, schaut weg und dann wieder hin: Und schon knallt ihr Kopf zum zweiten Mal auf die braunen Fliesen. Woher ich das weiß? In Tea Rooms sind die Fliesen immer braun.

Noch dazu holt sie sich eine Gehirnerschütterung. Als ihr Kopf zum zweiten Mal auf die Fliesen prallt oder auf der Treppe schon, das weiß ich nicht und Eulalia schon gar nicht. Eulalia, muss man wissen, hatte keinen Helm auf. Aber das ist die Zeit, als nur die allergrößten Idioten einen Helm tragen beim Skifahren. Also, sagen wir, fünf auf tausend. Und auf dem Weg zum Klo – dazu gibt es wahrscheinlich sowieso keine Zahlen.

Der Rest ist das, was immer geschieht, wenn man in solchen Gegenden ist und ein Krankenhaus braucht: Man findet keins. Also lässt man sich an einem Ort behandeln, von dem jeder sagen würde, wenn er zu Hause mit einer Tasse Früchtetee am Tisch sitzt und sich nebenbei die Nägel lackiert: Nie im Leben. Denn: Während die Schamanen des Provinzlazaretts irgendwas an deinen Armen herumkleistern, hörst du, wie im Nebenzimmer die Kuh muht und mit den Hufen ausschlägt, weil sie gerade dabei sind, ihr die Hörner auszubrennen.

Und wenn alles vorbei ist, kommst du nach Hause und willst dir eigentlich bloß den Gips wechseln lassen nach ein paar Tagen, aber die Ärzte im Krankenhaus schlagen nur die Hände über dem Kopf zusammen, als sie die Buckelpiste unter deiner Haut sehen, und trommeln gleich die ganze Chirurgie zusammen. Und dann fängt alles wieder von vorn an, nur schlimmer. Mit Schrauben diesmal und diesen langen Narben mit den seitlichen Stichen, dass es aussieht, als hätte sich ein Langläufer einmal quer über deinen Unterarm gestoßen. Und du schwörst dir, dir die Knochen beim nächsten Mal zu Hause zu brechen, oder am besten direkt vor der Notaufnahme.

So war das bei Eulalia. Ja.

Wenn du einen Film schaust, von dem du vergessen hast, dass du ihn schon einmal gesehen hast, und dann irgendwie voraussiehst, was jeden Moment geschehen wird: diese Vorahnung, so war das mit Eulalia. Ich komme aus dem Aufzug, mache mich klein vor dem Empfang, um dem bohrenden Blick der Schwester auszuweichen, und noch bevor ich Hugo bei der Yuccapalme um die Ecke schiebe, weiß ich: Wenn du jetzt in die linke Ecke schaust, dann sitzt da Eulalia.

Natürlich wusste ich nicht, dass es Eulalia sein würde. Oder, dass da jemand sitzen würde, der Eulalia heißt. Aber ich wusste, dass es jemand wäre, den ich kennen würde.

Nicht gut, aber Parallelklasse. Immerhin.

Turnunterricht.

– Der fällt erst mal flach für uns, was?, sagt sie und hebt den Daumen. Weil sie das tatsächlich gut findet oder weil es die einzige Bewegungsmöglichkeit ist, die der Unfall ihren Armen gelassen hat.

Ich nicke. Ich sage nichts. Ich überlege. Dann sage ich doch etwas:

– Ja, sage ich.

Und dann will ich noch etwas sagen, aber da ist ihr Blick, der sich in Hugo verbeißt und nicht mehr ablassen will von ihm. Der Länge nach mustert sie ihn, von unten nach oben und wieder zurück.

Und gleich noch einmal.

Es ist nicht zum Aushalten.

Irgendwann gleitet er trotzdem ab, ihr Blick, aber nur, um dann umso länger auf mir zu verharren. Auf mir, meinem Handgelenk und dem Verband, auf der Schiene und der künstlichen Sehne, an der er so fest zerrt, dass sich mein Daumen krümmt davon.

– Kompliziert, hm?

Blut steigt mir in die Wangen und unter den Scheitel. Ich zwinge meinen Blick auf den Boden, aber bald ertappe ich ihn, wie er hinübergleitet zum Zeitungsständer, zur Essensausgabe, zum Empfang. Dann geht er durchs Fenster hinaus in den Schnee, huscht über Wege, Büsche und Bäume, aber er findet keinen Halt: Das Weiß hat den Dingen die Umrisse genommen und das Glas die Geräusche.

Ich zögere. Wieder will ich etwas sagen. Ich tue es nicht.

Dann sehe ich Eulalia an. Unsere Blicke treffen sich. Ich schaue an ihr herunter, und sie tut es. Beide starren wir auf ihre Arme, die so zufällig vor ihr auf dem Tisch drapiert sind, als hätten sie überhaupt nichts zu tun mit dem Körper, vor dem sie liegen.

Sie räuspert sich.

– Meiner auch, sagt sie. – Splitterbruch. Auf beiden Seiten. Stell dir vor.

Wenn man sich Freunde machen will, habe ich in einer der Frauenzeitschriften gelesen, die hier an jeder Ecke herumliegen, soll man die Leute ausquetschen wie eine Zitrone und man soll sie nicht ausquetschen wie eine Zitrone. Wenn es ums Geld geht, ist Zurückhaltung angesagt, hieß es da, aber nach ihrer Geschichte könne man die Leute gar nicht oft genug fragen.

Zwar weiß ich nicht, ob ich auf eine neue Freundschaft aus bin in diesem Moment, dafür ist mir umso klarer, dass ich nicht die geringste Lust verspüre, Eulalia von meinem Unfall zu erzählen. Und um das zu verhindern, eignen sich die Ratschläge aus diesen Zeitschriften mindestens genauso gut. Also setze ich für eine Weile die nachdenklichste Miene auf, die sich nur finden lässt in meinem Repertoire, und sage: – Aha, und: – Splitterbruch, und: – Uff. Und dann frage ich sie, wie das passiert sei und wo und wann genau und wer denn dabei gewesen sei und was man halt so fragt, wenn man nicht will, dass der andere wieder herausfindet aus seinem Erzählen. Und als mir langsam die Fragewörter ausgehen, schwenke ich über auf andere Themen, ich frage sie nach Klassenkameradinnen, Lehrern und Wahlfächern, Geschwistern, Haustieren und der Anzahl der Großeltern, die noch leben, aber irgendwann senkt sich wieder ein Schweigen zwischen uns.

Aber wenn ich nicht in die Cafeteria gekommen bin, um mich über meinen Unfall ausfragen zu lassen, dann schon gar nicht, um eine ganze Weile vor mich hinzuschweigen und den anderen beim Essen zuzuschauen: Wenn ich etwas am Zoo verabscheue, dann ist es genau das. Einen Tag nichts Rechtes zwischen die Zähne zu kriegen und hinter Gittern stehend irgendwelchen Tieren mit viel zu gescheckten Fellen dabei zuzusehen, wie sie sich jede Menge köstlicher Huftsteaks und Lachs und Thunfisch in den Rachen stopfen, wofür du auch noch bezahlt hast mit deinem Eintrittsgeld.

– Warum isst du nichts?, frage ich.

– Essen ist mir nicht so wichtig.

Unweigerlich schiebe ich meinen Kopf nach vorn, biege die Rechte zur Muschel und halte sie mir ans Ohr, wie Jack es tut, wenn er dir nicht direkt ins Gesicht sagen will, dass du lauter Schmu erzählst und deswegen so tut, als hätte er sich verhört. Andere Leute würden einfach fragen: Wie bitte? Aber deshalb sind die anderen Leute eben nicht Jack, sondern die anderen Leute, und deswegen mag ich ihn so gerne und die anderen Leute eben nicht.

Aber noch bevor ich etwas hinzusetzen kann, gibt Eulalia mit einem mehr als deutlichen Kopfnicken zu verstehen: Du hast schon richtig gehört.

Ich bin entsetzt. Geradeso gut hätte sie mir erzählen können, dass ihr das Atmen nicht so wichtig sei.

Ich meine, das Essen. Ich würde sagen, es ist für mich das, was man Lieblingsbeschäftigung nennt. Aber ernster. Ich verstehe die Leute nicht, die die Intelligenz der Mäuse in Frage stellen oder der Ratten, die wegen eines Stückchens Speck in die Falle gehen. Oder vielmehr: Die Leute verstehen die Mäuse nicht. Es geht hier nicht um Intelligenz. Es geht darum, dass es Dinge gibt, die man fürs Leben gern tut. Und wenn’s der Speck ist oder der Käse, der dich voll und ganz ausfüllt von innen, dann spielt es überhaupt keine Rolle, wenn du im Gegenzug etwas früher aus dem Programm genommen wirst.

Ich denke, diese Vorliebe fürs Essen liegt in der Familie. Meine Mutter, muss man wissen, ist ein Kriegskind, und ich, ich bin so was wie eine Kriegsenkelin. Im Krieg, oder in diesem sonderbaren Zustand von Frieden inmitten eines zerbombten Europas, den hier alle Krieg nennen, gab es nichts zu essen. Wenn trotzdem einmal eine Kuh geschlachtet wurde, weil sie sich nicht mehr auf den Beinen halten konnte, musste alles aufgegessen werden, auch wenn es so viel auf einmal war, dass bald keiner mehr konnte.

Fett und Öl und Zucker. Sie sind in meinen Lieblingsspeisen zuhauf enthalten. Und deswegen komme ich so gerne in die Cafeteria. Wenn die in der Krankenhausküche immer nur diese geschmacklose Rohkost zubereiten, dann ist es in der Cafeteria das genaue Gegenteil. Warum das so ist, darüber gehen die Meinungen auseinander. Manche Leute hier glauben zu wissen, es sei einfach billiger, weil man schlechtere Zutaten verwenden könne, deren mieser Geschmack unter einer knusprigen Haube aus Frittenfett versteckt werde. Ich bin der Ansicht, dass da ein ausgeklügeltes Geschäftsmodell dahintersteckt. Dass die Patienten hier auf etwas anderes Lust haben als auf gedämpften Kohlrabi, ist schließlich ein offenes Geheimnis.

Das Seltsame an der ganzen Sache mit dem Fett und dem Öl und dem Zucker ist nur: Wie viel ich auch esse, ich werde nicht dick davon. Auch das ist ererbt, wenn man meiner Großmutter glauben darf. – Und leider ist es das Einzige, sagte meine Mutter, als die Bestatter den Sarg in den Leichenwagen schoben, und wischte sich eine Träne aus dem Auge.

Aber vielleicht gibt es ja andere Dinge, die Eulalia mag, und alles ist halb so schlimm. Und deswegen stelle ich ihr eine zweite Frage, die, wie ich meine, ein ziemlich faires Angebot ist, mit einer einigermaßen befriedigenden Antwort den Schlamassel wiedergutzumachen, den sie gerade angerichtet hat.

– Und Kaffee?, frage ich.

– Auch nicht.

Eulalia. Eine Freundin wie sie habe ich noch nie gehabt zuvor. Eulalia traf im Krankenhaus mit einem blutroten Mund und vier Taschen ein, wovon eine allein für diese halbdurchsichtigen Seidenfantasien vorgesehen ist, die sie zum Schlafen anzieht. Ihre braunen Haare trägt sie schwarz und meistens hochgesteckt, die braunen Augen sind immer geschminkt und die Wangen sind es. Weiß man dazu, dass sie nicht will, dass man ihr für ein neues Gericht den Teller wechselt, wird einem auch klar, woher sie kommt, die Eulalia. Eitelkeit und Bescheidenheit: Das sind die Eigenschaften, die nur deshalb zusammenpassen, weil sie aus einer dieser Villen am Schlossberg stammt und die Bescheidenheit eigentlich falsch ist. Trotzdem, ich mag Eulalia. Sie weiß, was sie tut, und sie ist nie um einen Spruch verlegen oder zwei. Sie macht, würde ich sagen, dass ich mich schlagfertiger fühle und weniger einsam.

Anfangs habe ich geglaubt, Eulalia esse nicht viel, weil sie abnehmen will. Viele Mädchen in meinem Alter wollen abnehmen, die wesentlich schlanker sind als sie. Aber Eulalia will das nicht, im Gegenteil. Sie gehört zu der Sorte Frau, die schon früh erkannt hat, dass es viel zu viele Typen da draußen gibt, die auf so was stehen, als dass sie sich schämen müsste dafür. Und die zudem weiß, wie sie es anstellen muss, dass auch die Typen darauf stehen, die es eigentlich gar nicht tun.

Ich glaube, dass das eines meiner Probleme war.

– Magst du was haben?

Ich weiß nicht, warum ich das vorschlage. Vielleicht weil ich das Gefühl habe, dass ich, wenn ich den ersten Ratschlag aus der Zeitschrift ernst nehme, auch den zweiten beherzigen muss. Ich bin ja schließlich keine dieser Katholinnen, die zwar nicht verhüten wollen, aber dann doch wieder zweimal im Jahr in irgendeinen düsteren Hinterhof rennen müssen, und das noch vor der Ehe.

Vielleicht habe ich aber auch einfach nur Hunger und will mir endlich was holen.

– Ich weiß nicht so recht.

– Ich geb’ dir was aus.

– Na wenn du meinst …

– Klar doch. Was willst du?

– Hm, was gibt’s denn so?

Und schon wendet sich das Blatt. Ich weiß nicht. Eulalias Ratlosigkeit. Das löst etwas aus bei mir. Eben noch: Mein … Unfall. Und plötzlich fühle ich mich unanfechtbar wie der Kronprinz. Es ist ein wenig wie am Morgen in der Schule: Ich ertrage ihn einfach nicht. Aber wenn ich jemand anderes sehe, wie er leidet und schlecht gelaunt ist und auf seine Tasse Kaffee herabschweigt, hast du keinen Menschen gesehen, der aufgestellter ist als ich.

– Alles.

Meine Rechte deutet auf die Kaffeemaschine, die Essensausgabe und die Plexiglasscheiben mit dem Gebäck dahinter.

Eulalia schaut mich an. Ihr Blick senkt sich und bleibt auf ihren Armen haften. Sie zögert. Ich sage:

– Ich meine, ich kann dir was mitbringen. Du bleibst hier sitzen, ich hol uns was. Ja, so.

Ich ertappe mich dabei, wie ich mein bestes Lächeln aufsetze und beständig nicke, so wie man es tut, wenn man mit seiner Oma spricht, die nicht mehr alle Tassen oder einfach alt oder so. Aber bei Eulalia, ich meine, es sind ja nur ihre Arme.

– Meinetwegen.

Dieses Krankenhaus ist voller Irrer. Und das Schlimme daran ist: Damit meine ich nicht die Patienten. Wenn du Fotos von der Klapse machst und die Negative, die sie nach dem Entwickeln mitliefern, gegen die Sonne hältst: So muss man sich das hier vorstellen. Wie eine Klapse, einfach hässlicher.

– Wir hätten gerne einen Tee, einen Kaffee und zwei Croissants, sage ich an der Theke, aber der komische Kauz dahinter denkt gar nicht dran, das Zeug einfach rauszurücken. Stattdessen spreizt er Daumen und Zeigefinger und fährt sich damit gleichmäßig übers Kinn, als wüsste er weder ein noch aus. Natürlich tut das kein Mensch, das tun nur die Figuren im Trickfilm. Allenfalls. Und jetzt weißt du auch schon, was das für ein Typ ist, der hinter der Theke.

– Wir, ja, sagt er und kratzt sich am brotblonden Kopf, um sich von einem Jucken zu erleichtern, das er sich gerade ausgedacht hat.

Ich nicke.

– Ja, wir.

Aber der Typ tut so, als würde er an mir vorbeischauen, links und rechts, hebt dann die Arme und winkelt dabei die Hände ab. Nach ein paar Sekunden, als sein Blick auf Hugo fällt, klatscht die Hand gegen seine Stirn. Er zeigt abwechselnd auf mich und auf die Kochsalzlösung.

– Du – er; er – du, erklärt er und setzt so eine saudumme Heurekavisage auf. Und als wäre das noch nicht genug, tippt sein Zeigefinger einmal gegen die Stirn und zeigt dann senkrecht zur Decke.

Ich halte den Blick auf ihn gerichtet. So einen muss man im Auge behalten. Immer.

– Verstehe, ja, sagt er.

– Was gibt’s denn da zu verstehen?

Der Kerl weicht einem unsichtbaren Degen aus, aber es hilft alles nichts: Er hält sich die rechte Seite wie getroffen und kreischt.

– Touché!

– Touché du kannst mich mal! Kriegen wir jetzt unsere Getränke und die Croissants?

Der Typ lacht und reißt dabei den Mund so weit auf, dass für einen Augenblick das Dunkel in seinem Rachen rot wird und fleischig.

– Hältst dich fürn Sonnkönig, ja.

– Steck dir deinen Sonnenkönig sonst wohin! Dieser Aasgeier mit seiner abgeschmackten Perücke geht mir am Arsch vorbei.

– Was gehtn dir nicht am Allrwertestn vorbei, ja. Meine Nummr zum Beispiel, ja.

– Und dann hebt dein Mütterchen ab, und ich muss dir was ausrichten lassen?

– Probiern geht über Studiern, ja.

Der Typ zwinkert mir zu und fingert in seiner Hosentasche nach einem Kugelschreiber.

– Das hätte gerade noch gefehlt. Lass den Stift da, wo er steckt: in deinem Arsch.

Er grinst und zeigt auf seinen Arm. Das will heißen: Ein As im Ärmel hab ich noch. Er deutet auf meine Schiene und krümmt sich schon vor Lachen, bevor er den Satz überhaupt losgeworden ist:

– Bist heut mitm linkn Arm aufgstandn, ja.

Ich schaue Hugo an, er schaut mich an. Wir fragen uns: Echt jetzt? Aber der Lackaffe will sich gar nicht mehr erholen.

– Meinst du das eigentlich ernst, wenn du so saudumm vor dich hin schwadronierst, oder ist das irgendso ’ne Art Zirkusnummer, in der du dich selbst durch den Kakao ziehst?

– Das is hier nich die Frage, ja.

Er zwinkert. Natürlich. Und schnalzt mit der Zunge.

– Wenn du jetzt drauf wartest, dass ich dich nach der Frage hinter der Frage frage, dann hast du dich aber geschnitten.

Der Kerl zuckt mit den Schultern. Aber er lächelt. Das ist einfach nicht aus seinem Gesicht zu kriegen, dieses Lächeln. Wie im Sommer die Fruchtfliegen in der Küche. Ekelhaft.

– Die Frage is, ja, beantwortet er sie also selbst, während sich um sein Auge die ganze Visage zusammenzieht, – ob’s mir gelingt, dich zum Lachn zu bringn, ja.

Ich lache laut auf.

– Siehst du, ja, verkündet er stolz.

– Also das ist so, meldet sich jetzt die Kassiererin zu Wort, die gerade noch eifrig damit beschäftigt war, gar nichts zu tun, aber sich plötzlich für das Hin und Her zu interessieren beginnt: – Er meint es nie ernst. Und dann, etwas nachdenklicher: – In Wirklichkeit meint er’s manchmal ernst und manchmal wieder nicht.

– Wirklichkeit, ja. Was willstn du schon von der Wirklichkeit wissn, ja, sagt jetzt der Kerl hinter der Theke. – Was für dich wirklich is, ja, muss es noch lang nich für mich sein, ja, flüstert er geheimnisvoll und macht ein Gesicht, das er für das irgendeines Philosophen hält, was aber nur wieder zeigt, wie blöd er eigentlich ist.

So geht das zu und her hier. Jeden Tag. Sag ich doch: ein Irrenhaus.

– Ist der vielleicht heiß, sagt Eulalia, als ich ihr die Tasse von den Lippen nehme. Sie rollt mit den Augen.

Ich runzle die Stirn.

– Hätte ich den Tee kalt bestellen sollen?

Ich nehme einen Schluck aus ihrer Tasse. So heiß ist der nicht.

– Ich meine den Typen, mit dem du so lange geschäkert hast.

Zwei Augenblicke lang verstehe ich nichts. Ich überlege. Ich schaue zur Theke. Dann trifft es mich wie ein Leichenwagen in der eigenen Hauseinfahrt.

Ich spucke den Tee über den Tisch.

– Du meinst doch nicht den widerlichen Typen dahinten?

Eulalia nickt.

– Ganz schön süß, nicht?

Im Ernst? Gut, das mit den Patienten nehm ich zurück. Dieses Krankenhaus ist voller Irrer. Punkt.

– Süß? Du meinst süß wie … attraktiv?

Eulalia nickt und lächelt.

Süß also. Sie findet ihn süß.

Gut, so erstaunlich war es dann auch wieder nicht. Eulalia, muss man wissen, fand jeden Typen süß. Und das war das viel größere Problem.

– Ich will mir eine rauchen.

Eulalia schaut mich mit großen Augen an, und ich, ich schaue einfach nur zurück.

– Du weißt schon: quarzen. Einen Lungentorpedo, einen Sargnagel, ein Erfrischungsstäbchen.

Ich zögere. Ich nicke. Ich sage nichts.

– Eine Nikotinspargel, eine Tabakwurst, ein Lungenbrötchen.

Ja, schon verstanden. Bin ja nicht schwer von Begriff. Doch ich sage: nichts.

– Ja, was ist denn jetzt? Kommst du mit?

Ich senke den Blick, betrachte lange und aufmerksam die leere Tasse, die zwischen ihren Armen steht. Dunkelrote Halbmonde hängen vom Rand, einer neben dem anderen. Ich denke an einen hochgezogenen Samtvorhang, ich denke an Kronleuchter unter einer türkenhonigfarbenen Stuckdecke, an gedimmte Leuchtäpfel über den Emporen und an ferrarirote Plüschsessel zum Einklappen. Und jetzt frage ich mich, wie Eulalia sich eigentlich geschminkt hat mit diesen Armen und wozu.

– Ich weiß nicht.

– Komm schon.

Ich blicke durch die Fenster auf den Parkplatz. Es hat wieder angefangen zu schneien. Nass fallen die Flocken herab und in dünnen Strichen und schräg.

Ich versuche, mit den Zähnen zu klappern, verschränke, so gut es eben geht, die Arme und deute ein Reiben an an meiner Schulter.

– Sei kein Feigling!

Ich seufze. Kann sie denn nicht alleine gehen? Ich schaue Eulalia ins Gesicht, dann schaue ich auf ihre Arme. Nein, kann sie nicht.

– Und du, Alba?, fragt sie und nimmt einen Zug. Zwischen meinen Fingern glimmt hell die Zigarette und dann wieder dunkel.

– Ich?

– Ja. Wen findest du denn süß?

Ich nehme ihr die Zigarette aus dem Mund und ziehe langsam daran. Und weil Eulalia danach immer noch auf eine Antwort wartet, nehme ich einfach noch einen Zug und hoffe darauf, dass diese saublöde Frage vergessen geht währenddessen, und diese Hoffnung, die erfüllt sich auch fast, weil ich nämlich einen Hustenanfall kriege, und zwar nicht absichtlich, wie man jetzt meinen könnte, sondern weil ich meine Gedanken zu sehr auf diese Hoffnung richte und zu wenig auf das Rauchen.

Aber Eulalia interessiert das überhaupt gar nicht mit meinem Husten.

– Den Müller vielleicht?

– Den Fußballer?

Eulalia schüttelt heftig den Kopf.

– Was denn bitte für ein Fußballer? Ach so! Nein! Den Müller aus der 3c mein ich doch.

– Welcher denn?

– Was welcher? Sag mal …

– Es gibt zwei Müller in der 3c.

– Na der blonde.

– Hättest du aber auch gleich sagen können!

– Hab ich doch.

Ich schaue zu Hugo. Der wackelt mit dem Kopf: Hat sie nicht.

Eulalia schiebt wieder das Kinn nach vorn.

– Also?

Gerade hebe ich zur Antwort an, als plötzlich eine Hand zwischen uns auftaucht und hin- und herzeigt zwischen Eulalias Armen und meiner Schiene.

– Untr Amputiertn ist der Einarmige Athlet, ja, höre ich es grölen in meinem Rücken.

Gar nicht nötig, sich umzudrehen, um zu wissen, dass das der Volltrottel aus der Cafeteria ist.

– Wer hat dich denn herbestellt?

– Ist ein freies Land, ja. Und wir sind freie Menschn, ja, verkündet er und setzt so eine staatsmännische Miene auf wie der Bronze-Escher, der in Zürich so gebieterisch auf die Bahnhofstraße glotzt, dass er nicht einmal merkt, dass ihm andauernd die Tauben in den Bart scheißen und ins Gesicht.

– Frei am Arsch!, sage ich, während Eulalia mich ansieht mit so einem Blick, der in etwa heißt: Halt die Klappe. Aber ich, ich denke gar nicht dran. Ich puste den Rauch so heftig in die Luft, dass er sich in Wirbeln überschlägt über unseren Köpfen.

Der Typ zuckt mit den Schultern und schlurft zum Aschenbecher. Er quetscht die Kippe aus, kramt eine Weile in der Tasche, fischt umständlich nach der Zigarettenschachtel, klappt den Deckel weg, steckt sich eine neue Kippe in den Mund.

– Hat jemand Feuer, ja.

Eulalia nickt eifrig.

– Wie hast du denn die von eben angezündet?, frage ich.

– Geheimnis, ja.

Er zwinkert mir zu. Schon wieder. Wenn ich es nicht besser wüsste, ich würde sagen: Der Kerl hat ein ernsthaftes Problem mit seinem Augenlid. Aber das stimmt nicht. Es liegt ein paar Zentimeter weiter hinten bei ihm, sein Problem.

– Find’s doch raus, ja.

Schon wieder so ein dämliches Zwinkern.

– Hättest dir die Zigarette halt an deiner alten anstecken sollen.

Eulalia rammt mir ihren linken Gips in die Rippen. Wie so ein Kaltwachsstreifen klebt ihr Blick auf meiner Wange, das spüre ich ganz genau, aber ich schaue nicht hin. Wenn man hinschaut, tut’s nämlich nur noch mehr weh.

– Na gut.

Ich halte ihm das Feuerzeug hin. Der Clown höhlt seine Hände zum Windlicht, steckt seine Zigarette hinein und zieht.

– Danke, ja, sagt er und schiebt den Rauch ganz langsam aus dem Mund.

Ich sage nichts.

– Gerold, ja, sagt er dann und zeigt auf sich.

– Eulalia, sagt eine Stimme neben mir.

Und ich, ich halte schön die Klappe.

Aber der Typ zeigt auf mich mit seinem Griffel und fragt oder sagt oder was er auch immer tut mit seinen Sätzen, die keine Höhen haben und keine Tiefen:

– Und du, ja.

Ich zögere. Ich denke an meinen Namen und an den meiner Schwester, aber dann fällt mir ein: Nein, der ist viel zu ähnlich. Und dann denke ich an eine Geschichte, die wir vor kurzem gelesen haben im Englischunterricht, und die eigentlich gar keine ist, sondern wahr, und das weiß ich deshalb so genau, weil sie wie meine Geschichte ist, und die ist das ja auch, wahr. Wirklich, wenn ich mich daran erinnere, fühlt es sich an, als würde ich mich die ganze Zeit im Spiegel betrachten, dieses wenn du hineinschaust und merkst: Die auf der anderen Seite, das bin ja ich, einfach spiegelverkehrt.

Natürlich denkt das keiner, wenn er nach seinem Namen gefragt wird, und ich tue es ebenso wenig da vor dem Krankenhaus. Ich suche einfach nur nach einem anderen Namen, und dabei kommt mir diese Geschichte in den Sinn, und deshalb sage ich dann:

– Sylvia.

Natürlich klebt da sofort wieder Eulalias Blick auf meiner Wange, aber ich lasse mir nichts anmerken, und das geht deshalb so gut, weil der Typ jetzt eine ganze Menge Fragen stellt, die er zwar von mir beantwortet haben will, die ich aber allesamt und eifrig Eulalia überlasse mit meinem Schweigen. Als er endlich geht, allerdings nicht, ohne mir einen Zettel mit seiner Nummer zuzustecken, da findet Eulalia, ich hätte mich nicht gut geschlagen.

– Sag mal, bist du bescheuert?, fragt sie.

– Warum?

– Schnapp ihn dir, sonst …

– Sonst was?

– Sonst tu ich es.

Das, denke ich, wäre gut so. Ich will Jack. Und ich will, dass sie ihn nicht will.

Und dann lasse ich den Zettel mit Gerolds Nummer auf den Boden fallen.

– Heb das wieder auf!, zischt Eulalia.

Ich zögere einen Moment. Aber dann greife ich nach dem Zettel und stecke ihn in meine Tasche.