Herrscher der Urzeit

DER KÖNIG DER DINOSAURIER

Von allen prähistorischen Tieren sind die Dinosaurier zweifellos die bekanntesten. Das geht so weit, dass die Bezeichnung »Dinosaurier« ungenauerweise gleich für alle ausgestorbenen Tiere verwendet wird. An der Spitze der Beliebtheitsskala dieser prähistorischen Superstars steht der Tyrannosaurus rex, »König (oder Despot) der Tyrannenechsen«, verkürzt »T-rex«.

Wir sind überall von T-rex umgeben – sie brüllen uns mit aufgesperrtem Maul von Plakaten, Rucksäcken, Spielzeugregalen und Cornflakespaketen entgegen und verbreiten Angst und Schrecken in Filmen, Comics, animierten Fernsehdokus und Computerspielen. In der Popkultur werden sie als blutrünstige Echsenmonster dargestellt, immer auf der Jagd nach neuen Opfern, die sie verschlingen können. Bekommen sie mal keinen wehrlosen Pflanzenfresser oder unseligen Zeitreisenden zwischen die Zähne, brüllen sie sich die Lunge aus dem Hals. Aber deckt sich dieses Bild auch mit dem wirklichen T-rex?

Die Antwort ist ganz eindeutig: Nein! Nicht nur, weil Tyrannosaurier vermutlich gar nicht brüllen konnten – das tun nur moderne Säugetiere (z.B. große Katzen, Bären, Elefanten, und erstaunlicherweise manche Fledermausarten). Aber selbst wenn sie brüllen konnten, haben sie es wohl kaum die ganze Zeit getan. Und ganz sicher nicht bei der Jagd, weil sie mit dem Gebrüll nur ihre Beute verjagt hätten. Raubtiere müssen leise sein, wenn sie angreifen.

Und wir wollen hier klarstellen, dass die Tyrannosaurier keine Monster waren, sondern Tiere. Wenn auch fraglos riesige und Furcht einflößende. Größer als Elefanten, das Maul voller bananengroßer Reißzähne und Kiefermuskeln, die so kräftig waren, dass sie einen SUV hätten zerbeißen können. Aber trotz alledem waren es Tiere. Und nicht anders als die heutigen Raubtiere verbrachten sie vermutlich die meiste Zeit mit Schlafen und Verdauen ihrer Beute – und nicht damit, brüllend alles anzufallen, was ihnen vor die Schnauze lief.

TYRANNOSAURIER, TYRANNOSAUROIDEN UND TYRANNEN

In dem Zusammenhang muss man wissen, dass der T-rex längst nicht der einzige Tyrannosaurier war. Er war mehr oder weniger nur der letzte Vertreter einer Raubdinosaurier-Dynastie mit Dutzenden verschiedener Arten, deren Entwicklung sich über Hunderte Millionen von Jahren erstreckt. Die Gruppe wird unter dem Namen Tyrannosauroiden zusammengefasst. Es gab ein paar riesige Exemplare in dieser Gruppe, wie den T-rex, aber ursprünglich waren es kleine, flinke Wesen, die im Schatten anderer, viel größerer Fleischfresser lebten.

Die Tyrannosauroiden gehörten ihrerseits zu den Coelurosauriern – einer Gruppe weit entwickelter, gefiederter Raubdinosaurier, denen unter anderem auch Vögel zugeordnet werden.

Letztendlich gehören alle Coelurosaurier, inklusive der Tyrannosauroiden, zur Unterordnung der Theropoden, einer der drei großen Dinosauriergruppen. Sie werden alternativ auch »fleischfressende Dinosaurier« oder »Raubdinosaurier« genannt, obgleich einige von ihnen Allesfresser oder sogar Vegetarier waren.

Beispiele für andere bekannte Theropoden, die keine Coelurosaurier waren, sind der Allosaurus und der große, mit einem Hautsegel ausgestattete Spinosaurus.

Die heute lebenden Vogelarten sind das Zeugnis dafür, dass die Theropoden als einzige große Dinosauriergruppe überlebt und sich weiter vermehrt haben. Daraus folgt auch, dass die Vögel die engsten heute lebenden Verwandten der Tyrannosaurier sind. Die vielen komplizierten Namen und Gruppierungen sind schwer zu merken und auseinanderzuhalten. Darum habe ich in diesem Buch der Einfachheit halber häufiger die Bezeichnung »Tyrann« als Sammelbegriff für sowohl Tyrannosauroiden wie auch Tyrannosaurier angewendet und den Begriff Raubdinosaurier anstelle der schwerer zu merkenden Theropoden.

STAMMBAUM DER TYRANNEN

DIE WELT DER DINOSAURIER

Die Erdgeschichte wird in geologische Zeitabschnitte aufgeteilt: angefangen bei der Entstehung unserer Erde vor unfassbaren viereinhalb Milliarden Jahren bis in unsere Gegenwart. Die einzelnen Zeitabschnitte wiederum sind in größere Blöcke aufgeteilt, die Ära oder Zeitalter genannt werden. Wir Menschen leben im Zeitalter des Quartärs. Die Tyrannen und alle anderen Dinosaurier – auch die Horndinosaurier (Ceratopsier), um die es im zweiten Teil des Buches geht – lebten in der Ära Mesozoikum (Erdmittelalter), das vor 252 Millionen Jahren begann und vor 66 Millionen Jahren endete. Es erstreckte sich also insgesamt über 186 Millionen Jahre. Das Mesozoikum wiederum wird in drei Perioden unterteilt: Trias, Jura und Kreide.

Am Ende des Perms, der Periode vor der Trias, fand das größte Massensterben der Erdgeschichte statt. Mehr als neunzig Prozent aller Arten starben aus, darunter fast alle Synapsiden – die bis dahin das Land beherrschenden säugetierähnlichen Reptilien. Das hatte zur Folge, dass andere Kreaturen wie Dinosaurier und Flugechsen nach und nach ihre Lebensräume einnahmen.

Gorgonops, ein Synapside aus dem Oberperm.

 

 

 

TRIAS

252 bis 201 Millionen Jahre vor unserer heutigen Zeit

Während der Trias waren alle Kontinente in einer gigantischen Landmasse vereint, die sich von Pol zu Pol erstreckte – dem Superkontinent Pangäa. Das vom weltumspannenden Ozean Panthalassa umgebene Pangäa hatte die Form eines Halbmondes und schloss wiederum das Tethysmeer ein.

Das Klima in der Trias war warm und trocken. An vielen Stellen entstanden große Wüsten, während es in den feuchteren Gebieten Wälder gab. Wegen der hohen Temperaturen war an den Polen noch kein Wasser in Eis gebunden, weshalb der Meeresspiegel sehr viel höher als heute lag.

Während der Trias entwickelten sich einige der Reptilienarten, die das Mesozoikum dominieren sollten, wie Dinosaurier, Flugechsen, Fischechsen und Plesiosaurier. In der zweiten Hälfte der Periode tauchten die ersten pflanzenfressenden Dinosaurier auf.

 

 

 

JURA

201 bis 145 Millionen Jahre vor unserer heutigen Zeit

Im Laufe des Juras driftete Pangäa auseinander und teilte sich in Laurasien im Norden und Gondwana im Süden. In dem feuchtwarmen Klima breiteten sich große Wälder aus. Das Land war flächendeckend von Dinosauriern besiedelt, von denen einige – die Sauropoden – sich zu den größten Landtieren entwickelten, die es je gab. Auch die Raubdinosaurier wurden größer. Die ersten Vögel begannen, mit den Flugechsen zu konkurrieren, die bis dahin den Luftraum beherrscht hatten. Die pflanzenfressenden Dinosaurier breiteten sich immer mehr aus. Einige entwickelten sich zu lebenden Kampfpanzern oder wandelnden Nagelbrettern, wie die gepanzerten Ankylosaurier oder die stacheligen Stegosaurier. Und gegen Ende des Juras betraten ein paar kleine, zweibeinige Pflanzenfresser die Bühne, die sich nur durch einen unauffälligen Knochenkamm am Hinterkopf von ihren Artgenossen unterschieden. Aber just diese unauffälligen Kreaturen entwickelten sich im folgenden Zeitalter zu einer der erfolgreichsten Dinosauriergruppen. Auch die ersten Tyrannen zogen durch die Wälder. Noch klein und unansehnlich, aber das sollte sich ändern …

 

 

 

KREIDE

145 bis 66 Millionen Jahre vor unserer heutigen Zeit

In der Kreidezeit begann die Welt, wie wir sie heute kennen, allmählich Form anzunehmen. Der Meerespegel war nach wie vor höher, und große Teile der Kontinente lagen unter Wasser. In den flacheren, warmen Meeren wimmelte es von Lebewesen. Ausgedehnte Korallenriffe beherbergten unzählige Fische und Weichtiere, von denen sich Haie, Plesiosaurier, Riesenschildkröten und vielfältige Meeresvögel ernährten. Etwa der bemerkenswerte Hesperornis, der wie unsere heutigen Pinguine seine Flugfähigkeit verloren hatte.

An Land wuchsen die ersten blühenden Pflanzen. Im späteren Teil der Kreidezeit kam der Werdegang der Ceratopsier ernsthaft ins Rollen. Sie entwickelten sich von kleinen Pflanzen- und Allesfressern, die nicht viel Aufhebens um sich machten, in immer größere Tiere mit zunehmend auffälligerem Äußeren. Mehr zu ihnen im zweiten Teil des Buches. Auch die Tyrannen wurden mit der Zeit größer und entwickelten sich bis zum Ende der Kreidezeit zu echten Riesen. Von nun an waren die Tyrannosaurier die absoluten Herrscher – die berüchtigtsten Raubtiere, die je auf unserer Erde gewandelt sind.

DIE DREI GRUPPEN DER DINOSAURIER

Die Dinosaurier haben sich in der Mitte der Trias-Periode, das heißt vor 230 Millionen Jahren, aus Tieren entwickelt, die ein wenig an kleine, zweibeinige Krokodile erinnern. Sie teilten sich schon früh in drei unterschiedliche Gruppen auf. In der Forschung ist man sich nach wie vor nicht ganz einig, in welchem Verwandtschaftsverhältnis diese drei Gruppen zueinander stehen.

 

Die ORNITISCHIA waren die Vegetarier unter den Dinosauriern, also Pflanzenfresser. Sie hatten Schnäbel und bewegten sich meist auf vier Beinen vorwärts (obwohl es unter ihnen auch Zweibeiner gab). Zu dieser Gruppe zählten die Ceratopsier, die im zweiten Teil des Buches im Mittelpunkt stehen.

Die SAUROPODEN waren langhalsige und pflanzenfressende Dinosaurier mit zum Teil gigantischen Ausmaßen. Die größten von ihnen brachten es auf beinahe vierzig Meter Körperlänge und hundert Tonnen Körpergewicht oder mehr.

THEROPODEN