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Über dieses Buch:

Was bist du bereit, für deinen großen Traum zu opfern? Die junge Caroline Herschel folgt 1772 ihrem Bruder Wilhelm nach England. Bei seinen astronomischen Forschungen ist sie ihm dank ihres scharfen Verstands eine wichtige Stütze, ebenso dient sie ihm bei seinen Konzerten als Sängerin. Auf der anderen Seite betrachtet Wilhelm sie im privaten Umfeld als seine Haushälterin. Doch Caroline will sich nicht mit der ihr zugedachten gesellschaftlichen Rolle als Frau zufrieden geben. Sie begehrt gegen die Regeln und Moralvorstellungen ihrer Zeit auf und beginnt, gegen alle Widerstände ihren Weg zu gehen.

»Ein exzellentes Porträt einer außergewöhnlichen Frau« Buchkultur

Über die Autorin:

Eva Maaser, geboren 1948 in Reken (Westfalen), studierte Germanistik, Pädagogik, Theologie und Kunstgeschichte in Münster. Sie hat mehrere erfolgreiche Krimis, historische Romane und Kinderbücher veröffentlicht.

Bei dotbooks erschienen bereits Eva Maasers Kriminalromane »Der Clan der Giovese«, »Das Puppenkind«, »Tango Finale«, »Kleine Schwäne« und »Die Nacht des Zorns«. Kommissar Rohleffs erster Fall »Das Puppenkind« ist auch im Sammelband »Tatort: Deutschland« erhältlich.

Eva Maaser veröffentlichte bei dotbooks außerdem ihre historischen Romane »Der Geliebte der Königsbraut«, »Der Hüter der Königin«, »Der Moorkönig«, »Die Rückkehr des Moorkönigs« und »Der Paradiesgarten«. Zwei ihrer historischen Romane sind auch im Doppelband unter dem Titel »Der Geliebte der Königsbraut & Der Hüter der Königin« erhältlich.

Zudem erschienen bei dotbooks Eva Maasers Kinderbuchserien um Leon und Kim: »Leon und der falsche Abt«, »Leon und die Geisel«, »Leon und die Teufelsschmiede« und »Leon und der Schatz der Ranen«, »Kim und die Verschwörung am Königshof«, »Kim und die Seefahrt ins Ungewisse« und »Kim und das Rätsel der fünften Tulpe«.

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eBook-Neuausgabe September 2014

Copyright © der Originalausgabe 2004 Rütten & Loening Berlin, GmbH

Copyright © der Neuausgabe 2014 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Atelier Nele Schütz, München, unter Verwendung von shutterstock/DarkBird

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH

ISBN 978-3-95520-743-4

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Eva Maaser

Die Astronomin

Roman

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Auftakt

Meine Geschichte ist eine Liebesgeschichte und daher nichts Ungewöhnliches. Obwohl sie so offen, allen sichtbar verlief, hat sie nie jemand so recht bemerkt – nicht einmal ich selbst. Das ist um so erstaunlicher, weil sie schließlich alles enthielt, was Liebesgeschichten gern in den Brennpunkt allgemeiner Aufmerksamkeit rückt: ein sehnsüchtiges Verlangen, eine idiotische und die üblichen Konventionen sprengende Besessenheit für den Gegenstand der Sehnsüchte, tragische Konflikte, schmerzhafte Trennungen, Enttäuschungen, aber auch das süße Gefühl des Triumphs. Es ist die Geschichte eines langen, zähen Ringens und unaufhörlichen Werbens, und das Ziel rechtfertigte jede Mühe, ohne allen Zweifel. Und doch ist es ein Zweifel, der mich jetzt bedrückt, mich müde macht, mich voller Fragen in eine lange Dunkelheit entlassen hat, in die von fern das Licht, die Schönheit vergangener Tage leuchtet.

Ich muß wohl an den Anfang zurückkehren und alles noch einmal erleben, um jene ewigen Rätsel zu lösen, denen sich jeder am Ende stellen muß. Hier ist meine Geschichte, die vor mehr als neunzig Jahren begann:

KAPITEL 1

Von C nach C

Die Prime ist das Intervall, das eigentlich gar keins ist, weil nur der gleiche Ton wiederholt wird.

1

Hinter mir klappte die Haustür zu. Nur noch gedämpft hörte ich, wie Jakob oben im Flur aufgebracht meinen Namen schrie, während ich die drei Stufen zur Straße hinabsprang. Ohne Verzug lief ich Vater und Wilhelm nach, voller Angst, nicht schnell genug zu sein. In dem spärlichen Licht, das so spät abends in die Gasse fiel, sah ich sie bereits um die nächste Ecke biegen.

Nur noch in ein oder zwei Fenstern auf jeder Seite flackerte ein ungewisser gelber Schein von Lampen oder Kerzen, der sich verloren in der Schmutzwasserrinne spiegelte, die die Straße in der Mitte teilte. Ich strich dicht an den nachtdunklen Häusern entlang, eine Hand an den Mauern, als könnte mir der harte Stein etwas Sicherheit verleihen. Düster und verlassen wirkte die Straße breiter als sonst, vollkommen unvertraut. Wie hätte ich wissen sollen, daß die Leere so bedrohlich sein konnte?

Verschreckt schaute ich zurück. Eine schwarze Katze kreuzte die Straße und wandte jäh den Kopf nach mir. Ihre Augen glühten, und sie machte keine Anstalten, ihren Weg fortzusetzen. Vielleicht wäre ich jetzt doch umgekehrt, ohne diese Katze, die mich unbeirrt belauerte und nun auch noch fauchte, den Rachen weit aufgerissen. Ein Teufelstier. Warum lief es nicht weg? Gleichzeitig hallten die Schritte der beiden Davoneilenden immer schwächer, ich sah daher keine andere Wahl, als ihnen doch weiter nachzustürzen.

Als ich die beiden in der Kleinen Duvenstraße beinahe eingeholt hatte, ging ich langsamer. Ich wollte nicht riskieren, noch so nah bei unserem Haus entdeckt zu werden, denn sie würden mich ohne Frage zurückschicken. Außerdem wußte ich jetzt ziemlich sicher, daß sie zum Wall wollten, es war nun leicht, ihnen zu folgen. Während sie ab und zu stillstanden und nach oben deuteten, drückte ich mich vorsichtshalber flach an eine Hauswand.

Am Friedekenstift begannen sie, den Wall zu ersteigen, der hinter dem Stift eine lange Spitze bildete. Nun wurde es Zeit für mich, sie auf mich aufmerksam zu machen. Auf keinen Fall wollte ich riskieren, mich ohne sie durch das finstere Gebüsch schlagen zu müssen, das sich den Wall hinaufzog.

Oben gab es Plätze, von denen man über die Schanzwerke und den breiten Graben dahinter nach links bis zur Ihme und rechts zur Leine sehen konnte und noch weiter über das flache hannoversche Land.

An diesem kalten Oktoberabend lag natürlich alles um mich herum, der Wall und das Gemäuer des Stifts hinter mir, im Dunkeln. Es war unheimlich, so allein im riesigen Schatten der Mauern, auf einmal mochte ich weder weitergehen noch nach den beiden rufen. Statt dessen zog mich das Sternenlicht über mir magisch an, denn hier war bereits ein größeres Stück vom Himmel zu sehen, mehr als in unserer Gasse. Ich spähte nach oben und zuckte im gleichen Augenblick zusammen.

»Lina!« Wilhelm war unbemerkt zurückgekehrt und hatte mich an der Schulter gefaßt. »Vater, warte.« Er wandte sich der Gestalt zu, die im Schatten der Büsche beinahe unsichtbar geworden war.

»Hab ich doch richtig vermutet, Lina ist uns gefolgt.«

Mein Atem ging flach, als ich neben Wilhelm darauf wartete, daß Vater zu uns kam und sich zu mir herabbeugte.

»Was willst du denn hier bei Nacht?« Seinen Augenausdruck konnte ich nicht erkennen, aber er fragte nicht unfreundlich.

»Der Komet, Vater«, stieß ich trotzdem voller Furcht hervor. Hinter uns auf dem Weg waren nämlich mittlerweile Schritte zu hören und die Stimme Jakobs, die gedämpft, aber doch scharf klang.

»Vater? Wilhelm? Ist euch Lina ...« Die Stimme stockte.

»Da ist ja das Gör.«

Mit einer raschen Bewegung schob mich Wilhelm hinter sich.

»Wir nehmen die Kleine mit nach oben.«

Vater lachte belustigt auf, bevor Jakob etwas erwidern konnte.

»Ja, richtig, die Mamsell soll den Kometen sehen, warum auch nicht. Geh nach Hause, Jakob, oder komm mit uns, ganz wie du willst.«

Ich stahl mich wieder nach vorn und drängte meine Hände in die von Wilhelm und Vater, die bereitwillig zufaßten, jetzt fühlte ich mich sicher vor Jakob.

»Ich hab nicht die Absicht, mir den Hals zu verrenken oder in dem scharfen Wind auf der Mauer durchzufrieren«, brummte er. Vielleicht störte es ihn nur, daß ich meinen Willen bekam, und er wäre eigentlich gern bei uns geblieben. Aber dann fügte er hinzu: »Außerdem muß einer ja Mutter Bescheid sagen, daß der Dirn nichts passiert ist.«

Er stapfte davon, und wir anderen verharrten noch ein wenig, fast wie gescholtene Schulkinder. Plötzlich zog Vater an meiner Hand, und ich wurde mit meinen kurzen Beinen von den beiden Männern den Wall hinauf mitgerissen – mein Bruder war zwölf Jahre älter als ich, und ich ein Kind von fünf.

Von da an erschien mir alles nur noch wie ein wunderbares Abenteuer, das mich vor Glück ein wenig schwindlig machte. Vater und Wilhelm schleppten mich die Treppe zum Umgang an der Schanzmauer hinauf und redeten dabei unentwegt von dem Kometen. Ich hörte zu und begriff nicht viel, was meine Begeisterung aber keineswegs schmälerte. Die beiden schauten zu den Sternen hinauf, und schließlich hob mich Wilhelm hoch, damit ich den funkelnden Sternen über uns etwas näher kam.

»Halt mich höher, Wilhelm, noch höher.«

Dann schwebte ich über der Erde und vergaß, daß ich gehalten wurde. Die Leine schimmerte, gekrümmt wie ein flachgewalztes Horn, ganz schwach im Sternenglanz, aber nicht golden, sondern silbriggrau. Auch sonst war gar keine Farbe da, das ganze Land verfloß wie in einem Traum, als gäbe es nichts Festes mehr dort unten.

»Das da ist der Orion, der große Jäger.«

Vaters Stimme drang aus der Tiefe zu mir herauf, er zählte die Sterne auf, die das Bild des Jägers ausmachen: die beiden Schultersterne, die drei, die den Gürtel bilden, die zwei Kniesterne, der rechte, besonders gleißende, heißt Rigel.

Später, im Bett, habe ich den Namen wiederholt, immer wieder, bis ich einschlief.

Meine Mutter hatte uns nach unserer Heimkehr alle drei heftig ausgezankt. In dem mir zugedachten Teil ihrer Schimpftirade klang Verwunderung durch, es war das erste Mal, daß ich mich selbständig gemacht hatte.

Meine Zähne klapperten vor Kälte, ich zitterte am ganzen Leib, die Finger waren zu klamm, um die Bänder meiner Schürze zu lösen. Mutter mußte mich wie einen Säugling auskleiden, aber das empfand ich seltsamerweise nicht als Erniedrigung, sondern wie eine leise, unbeabsichtigte Belohnung. Unverzüglich steckte sie mich in mein Bett hinter dem Wandschirm am Stubenofen. Tief ins Federbett verkrochen, lauschte ich, wie Vater und Wilhelm weiter über den Kometen debattierten. Ich fragte mich, was so besonders an einem Stern sein sollte, der nicht einfach still stand wie die anderen. Würde er vielleicht herunterfallen? Wie ein Ball, nachdem er eine Kurve in den Himmel beschrieben hatte? Und würde er in die Ihme fallen oder in die Leine und dort verzischen wie ein Stück glühende Kohle?

Ab und zu mischte sich Jakob brummend in das Gespräch, bis es endlich verebbte. Am Ende drang nur noch ein Stimmengemurmel aus der Schlafkammer, die sich Wilhelm und Jakob mit Alexander teilten, dem Bruder, der mir im Alter am nächsten stand, er war nur gut vier Jahre älter als ich.

Am nächsten Morgen ging das Gerede schon vor dem Sonntagsgottesdienst weiter, und danach standen Vater und Wilhelm wie so oft in der Stube über den blankgescheuerten, großen Tisch gebeugt, in dessen Platte eine Schiefertafel eingelassen war. Auf diese schrieben sie Zahlenkolonnen und kritzelten allerhand Zeichen und Figuren.

»Vater«, wagte ich schließlich zu fragen, »warum fallen die Sterne nicht vom Himmel?« Angespannt wartete ich auf eine Antwort, darauf, daß er den Kopf hob und mich ansah. Es schien mir von größter Bedeutung, daß ich eine Antwort erhielt. Dann wäre ich mir sicher gewesen, mein Erlebnis am Abend zuvor nicht bloß einer Laune zu verdanken. Bitte, Vater, flehte ich stumm mit weit aufgerissenen Augen.

Er rechnete, während der Stift stetig eine Zahlenreihe entlangglitt. Seine Lippen bewegten sich ohne einen Laut, und mit der freien Hand machte er rasch eine abwehrende Geste. Nur Wilhelm schaute zu mir hin, lächelte mich ein bißchen geistesabwesend an und senkte dann wieder den Blick, um Vaters Berechnungen zu folgen. Enttäuscht schlich ich zurück zu meinem Stühlchen am Fenster und setzte mein kleines Spinnrad in Gang, es war alles wieder beim alten.

Sein Geld verdiente Vater als Heeresmusiker, aber der Sold reichte nicht aus, um eine stetig gewachsene Familie zu ernähren. Daher gab mein Vater außerhalb des Dienstes noch Unterricht und kopierte Noten, die er an Musikalienhändler verkaufte. Und wenn er neben all diesen Verpflichtungen noch Zeit erübrigte, unterrichtete er seine Söhne.

Meinem ältesten Bruder Jakob hatte er so früh als möglich eine Geige ans Kinn gelegt. Eine ganz winzige, beinahe puppenhafte, wie sie eine dreijährige Kinderhand gerade greifen kann. Die Adempken wurde in unserem Hause sehr geschätzt und gepflegt, alle vier Herschelsöhne haben darauf spielen gelernt. Ich habe sie manchmal heimlich in die Hand genommen und den Tönen nachgelauscht, die ich vorsichtig mit zwei Fingern auf einer Saite zupfte. Ein gezupfter Ton schwirrt. Ein gestrichener dehnt sich dagegen in meiner Erinnerung wie ein Band. Die Töne eines Menuetts entrollten sich seidig, in zarten Farben wie Hellblau, Rosa oder Lindgrün, die einer Pavane konnten samtig sein und viel dunkler. Ich sah, wie sie sich wellten, sich kräuselten, rippten und in aufsteigenden Spiralen drehten, während ich versunken Vaters Unterricht verfolgte, auf dem Stühlchen am stillstehenden Spinnrad hockend, gänzlich unbeachtet. Bis mich die Hand meiner Mutter an der Schulter rüttelte.

»Träum nicht«, mahnte sie, »was soll aus dir nur werden, wenn du so träge bist?«

Diese Unterbrechungen verblüfften mich mehr, als daß sie mich erschreckten. Meistens hatte ich ja doch das Gefühl, überhaupt nicht wahrgenommen zu werden, ein Nebel schien mich von den anderen zu trennen, etwas, was mich für diese Familie beinahe unsichtbar machte.

Meine Brüder brachten schon sehr früh Geld heim, Wilhelm bekam mit vierzehn eine Anstellung als Oboist im gleichen Musikkorps wie Vater. Außerdem spielte er noch Geige und Orgel wie Jakob. Jakob wurde bereits mit neunzehn Jahren Organist an der Garnisonskirche, aber ein Jahr später trat er wie die anderen beim Militär ein, denn der Heeresdienst bot das sicherste Einkommen.

Möglicherweise fühlte ich mich von Wilhelm so angezogen, weil er sich nicht nur mit Musik befaßte, sondern auch noch mit etwas völlig anderem, das mir wie eine Geheimwissenschaft erschien. Etwas reizvoll Fremdartiges, das mich an jenem Abend auf dem Wall zum ersten Mal berührt hatte. Vor allem aber mußte es ja doch eine Auszeichnung gewesen sein, überhaupt mitgenommen zu werden.

Wenn gerade mal niemand in der Stube war und zufällig nichts oder nur wenig auf der Schieferplatte stand, nahm ich den kantigen Griffel und malte sehr vorsichtig kleine, schwache Kreise auf die Tafel, um ja nichts zu vergessen. Sieben Kreise, die zusammen ein Geheimzeichen bildeten: die beiden Schulter- und die zwei Kniesterne und den Gürtel des Orion.

Weil ich so oft wie möglich unbemerkt zuhörte und hinschaute, beherrschte ich bald ein paar weitere Sternbilder: das Fünfeck des Fuhrmanns und das Zeichen der Zwillinge, deren zwei Hauptsterne ich gern etwas kräftiger malte. Sie erinnerten mich an zwei glühende, unheimliche Lichter, an die Katzenaugen, die mich daran gehindert hatten, zurückzulaufen, und so gewissermaßen zwangen, meinen Weg bis zum Wall fortzusetzen. Bevor jemand die Stube betrat, der mich hätte ertappen und vielleicht unangenehme oder spöttische Fragen stellen können, gelang es mir noch jedesmal, die Schiefertafel blank zu putzen. Vor allem wollte ich gar nicht hören, was meine Mutter zu dem Treiben zu sagen hatte. Für sie war alles, was nicht einem praktischen Zweck oder, genauer, dem Broterwerb diente, unvernünftig und überflüssig.

2

Von den zehn Kindern meiner Eltern überlebten immerhin sechs, von den vieren, die im Säuglingsalter starben, wurde nicht mehr gesprochen. Nur einmal besuchte ich mit meiner Mutter ihr winziges gemeinsames Grab. Auf einer schlichten, schon verwitterten Holztafel standen schwarz eingebrannt vier Namen, die wir damals beide nicht lesen konnten, Mutter hatte nie lesen gelernt. Eins der Kinder, versicherte sie mir, habe Caroline geheißen. Auf einmal überkam mich Sehnsucht nach dieser toten, unbekannten Schwester und Trauer über einen schwer auslotbaren Verlust. Vielleicht wäre gerade sie eine Vertraute gewesen, mit der ich meine Geheimnisse hätte teilen können, wir hätten uns gestritten und vertragen. Meine siebzehn Jahre ältere Schwester Sophia Elisabeth, die Erstgeborene, war bereits vor meiner Geburt bei einer Familie in Braunschweig in Dienst gegeben worden. In diesem Herbst war von ihr öfter die Rede als bisher, denn sie würde nach Hause kommen, um zu heiraten.

Ein paar Tage vor ihr traf ein geflochtener Korb ein, der ihr Braunschweiger Zeug und etwas Hausrat für ihre eigene zukünftige Haushaltung enthielt. Sophia würde mit ihrem Mann in die kleine Wohnung über unserer ziehen, aber vorerst sollte der Weidenkorb bei uns unter Mutters Aufsicht stehen. Meine beiden ältesten Brüder hatten Mühe, diesen Korb durch die Tür zu zwängen, er fand nur schwer Platz unter einem der beiden Stubenfenster. Seinetwegen mußten alle übrigen Möbel verrückt werden. Mein Bett mit dem Wandschirm wurde so hinter den Ofen geschoben, daß ich nur noch vom Fußende her hineinschlüpfen konnte. So nah beim Ofen ließ mich die Hitze nachts kaum schlafen.

Meine Brüder freuten sich auf die Schwester, ja, die ganze Familie geriet in eine taumelige Geschäftigkeit. Mich dagegen ergriff nur Verwirrung, ich fühlte mich nicht berechtigt, an der Aufregung vollen Anteil zu nehmen, da ich Sophia als einzige nur aus Erzählungen kannte. Mutter sorgte seit Monaten für Berge von Haushaltsleinen aus selbstgesponnenem Garn, Wilhelm fertigte hübsche Scherenschnitte. Die Motive dafür hatte er sich bei Galakonzerten in den Salons abgeschaut, und ich bestaunte mißtrauisch die pechschwarzen Schatten von teetrinkenden Damen und Herren mit Federhüten auf gefährlich zerbrechlichen Stühlen.

Noch mitten in der Einrichtung der Räume traf das Brautpaar ein, Vater hatte die beiden an der Poststation abgeholt. Mein Vater war ein sehr ausgeglichener, heiterer Mensch, desto befremdlicher schien mir, daß er nicht einmal höflich lächelte, als er Sophias Zukünftigen hereinkomplimentierte. Und dieser selbst blickte ebenso ernst, beinahe verdrossen drein.

Auf einmal war von der freudigen Erwartung nichts mehr zu spüren. Etwas stimmte nicht bei diesem Familientreffen. Wir alle standen wie erstarrt und warteten darauf, daß ein Wort, eine Geste die Erstarrung löste.

Unbeachtet von den übrigen, irrte mein Blick von einem zum anderen, und dabei fiel mir auf, daß Sophia wie Jakob groß, blond und sehr hellhäutig war. Beide hatten sie feine Gesichtszüge, und damit glichen sie unserer Mutter. Wilhelm und Vater dagegen waren beide dunkel und nicht mehr als mittelgroß, mit abfallenden Schultern und im ganzen sehr viel unscheinbarer als der schönere Teil der Familie, zu dem auch ich nicht gehörte, wie ich in diesem Augenblick traurig, aber klar feststellte. Mausbraun hatte Mutter einmal zu meiner Haarfarbe gesagt, und es klang nicht eben wie eine Nettigkeit. Außerdem war ich kleiner als andere Kinder meines Alters, und wahrscheinlich flößten mir deshalb sehr große Menschen leicht Furcht ein.

Nie hatte ich mich so unscheinbar gefühlt wie jetzt, als ich meine Schwester betrachtete, ich wünschte mir brennend, zu einer ihr ebenbürtigen, stattlichen Schönheit heranzuwachsen. Ich ballte die Hände zur Faust und bohrte die Nägel in die weiche Innenseite, um den Wunsch nur heftig genug zu unterstreichen. Flüchtig schaute ich zu Alexander. Bei ihm war noch nicht entschieden, zu welcher Seite er tendierte, in sein blondes Haar mischten sich seit einiger Zeit dunklere Strähnen.

Griesbach aber, der Bräutigam, wirkte auf mich geradezu erschreckend riesig und ungeschlacht, vor ihm wich ich in Gedanken sofort zurück.

Die ungute Stimmung verflüchtigte sich erst, als Mutter mit zwei raschen Schritten auf ihre Älteste zutrat und ihr vor Freude aufschluchzend um den Hals fiel. Eine ganze Weile hielten sich die Frauen umschlungen.

Der Mann, der mein Schwager werden sollte, hatte sich unterdessen in den Ohrenbackensessel gesetzt, unser einziges bequemes Sitzmöbel, das bisher allein Vater zugestanden hatte. Die Ungehörigkeit seines Verhaltens dürfte Griesbach kaum bewußt geworden sein, ich nahm sie aber als eine mögliche Erklärung für Vaters anhaltende Grabesmiene, eine andere bot sich vorerst nicht an.

Sophia antwortete halbwegs bereitwillig auf die Fragen meiner beiden ältesten Brüder, aber es war ihr die Erschöpfung von der Reise anzumerken, sie wirkte so leidend, daß ihr Ton manchmal geradezu schroff ausfiel. Dann zog auch meine Mutter unwillig die Brauen zusammen, denn auf Höflichkeit und Anstand wurde in unserer Familie viel Wert gelegt. Wohl deshalb bemerkte Alexander auf einmal, daß sich niemand um Griesbach, das neue Familienmitglied, kümmerte. Beherzt trat er an diesen heran.

»Sie spielen ebenfalls Oboe im Korps, wie Vater? Und Sie waren zum Sommermanöver mit ihm in Braunschweig?« Beiläufig schaute er von unserem Gast zu Sophia.

»Misch dich nicht in die Gespräche Erwachsener«, polterte Griesbach, »das gehört sich nicht.«

Alexander starrte den Mann verblüfft an, der ihn nicht weiter beachtete, sondern Vater ansprach. »Herschel, Sie sollten mehr Zucht halten.«

Gleich darauf wuchtete Griesbach sich aus dem Sessel, um sich zu verabschieden und zur Garnison zurückzukehren, in der er bis zur Hochzeit logierte. Nach seinem Verschwinden hellte sich die Stimmung merklich auf, trotzdem hatten wohl alle noch den schweren Mann vor Augen, das mehlweiße, stumpf wirkende Gesicht, er war ein richtiger Klotz, mit dem niemand warm wurde.

Ich fühlte mich ebenfalls erleichtert, sah aber noch eine schwierige Aufgabe vor mir.

Wie sollte ich mich mit einer Schwester vertraut machen, die so viel älter war und plötzlich, als mir gänzlich Unbekannte, in mein Leben geschneit war? Sobald meine Brüder von ihr abgelassen hatten, ging ich bedacht langsam auf sie zu, faßte meinen Rock seitlich mit beiden Händen und knickste mit aller Eleganz, zu der mich meine fünfeinhalb Jahre befähigten, wobei ich recht gut die Balance hielt.

»Ich bin froh, so eine schöne ältere Schwester wie dich zu haben, Sophie.«

Sie stemmte beide Hände in die Hüften, beugte sich ein wenig herab, um mich zu mustern, und lachte hell auf.

»Mein Gott, Mutter, was ich die ganze Zeit schon sagen wollte, sie ist ja wirklich ein Zwerg.«

Wie hätte ich nicht gekränkt sein sollen? War meine mangelnde Größe wirklich alles, was ihr an mir auffiel, nichts, nichts sonst? Weder mein Mut, sie aus freien Stücken anzusprechen, noch meine kindliche Würde, noch meine offenkundige Bereitschaft, ihr einen Platz in meinem Herzen einzuräumen? Versteinert schaute ich zu ihr auf. Modisch ringelten sich ein paar Locken an ihre ungewöhnlich blassen Wangen. Sie trug ein enggeschnürtes Mieder, aus dem die Brüste herausquollen, das gab ihr etwas unerwartet Damenhaftes, zumindest in meinen Augen. Ein merkwürdiger Geruch haftete ihr an, der Geruch einer anderen Stadt und eines anderen Lebens. Sie würde mich erdrücken mit dieser Fremdheit, wenn sie mir noch näher käme. Unauffällig rückte ich von ihr ab und deutete gleichzeitig mit großer Geste zur Wiege, die mit meinem jüngsten Bruder Dietrich in der Ecke stand. »Und der da ist noch kleiner, du siehst ihn kaum.«

Ich war bis zum Tisch zurückgewichen und spürte auf einmal jemanden hinter mir, aufblickend erkannte ich Wilhelm, er zwinkerte mir zu.

»Sie mag ja klein für ihr Alter sein, aber sie ist pfiffiger als jedes andere Mädchen, paß nur auf, sie steckt dich in die Tasche, eh du dich versiehst. Auf unsere Kleine laß ich so leicht nichts kommen«, sagte er zu unserer Schwester. Dann beugte er sich zu mir herab und senkte verschwörerisch die Stimme. »Nicht wahr? Auf die Größe kommt es doch wirklich nicht an.«

»Nein«, antwortete ich ebenso leise, »Jakob ist größer als du, aber das macht gar nichts. Du spielst die Oboe viel besser als er«, ich zögerte ein wenig, bevor ich fortfuhr, »und ich mag auch braune Haare, du mußt nicht blond sein.«

Wilhelm legte mir die Hand auf die Schulter. »Ich weiß, was du sagen willst, wir zwei gehören zusammen.«

»Ja, für immer.« Es war mir sehr ernst damit. Zur Bekräftigung rückte ich eng an ihn heran. Den Hinterkopf an seinen Bauch gepreßt, konnte ich mit einem Anflug von Trotz und Zuversicht zu Sophia spähen, aber sie hatte längst das Interesse an mir verloren.

Nachts lag ich auf einem Strohsack in der elterlichen Schlafkammer. Mein Bett hatte Sophia mit Beschlag belegt, weil sie nicht allein in der neuen Wohnung nächtigen wollte. Sie mußte sich ordentlich krümmen, um hineinzupassen. Es hatte lange gedauert, bis sich endlich alle zur Ruhe begeben hatten, und eine Weile dachte ich, die letzte zu sein, die überhaupt noch wach war.

Aus dem Bett meiner Eltern drang ein Rascheln herüber, einer der beiden wälzte sich unruhig auf der harten Strohmatratze herum.

»Ilse«, sagte mein Vater plötzlich, »wir hätten die Sophie nie aus dem Haus geben dürfen, und wir hätten sie wie die Buben zur Schule schicken sollen.«

»Isaak Herschel, du redest närrisches Zeug, weil du den Griesbach nicht magst. Mein Vater mochte dich anfangs auch nicht, Väter sind manchmal so.«

Ich hörte, wie Vater sich mit rasselndem Atem hochstemmte. »Hast du ihre Hände gesehen? Meine älteste Tochter hat die Hände einer Spülmagd. Wenn sie etwas gelernt hätte, wäre ihr das erspart geblieben.«

»Woher denn? Was glaubst du, wer nun für sie spült?«

Vater hustete, es klang nicht gut. »Und dieser Griesbach ist ein elender Musiker, was der kann, konnten meine Söhne nach zwei Jahren Unterricht, Alexander macht ihm auf der Geige leicht was vor. Noch ist sie nicht verheiratet, sag ich dir.«

»Du ärgerst dich doch nur, daß du die beiden miteinander bekannt gemacht hast. Man macht eine erwachsene Tochter nicht so mir nichts dir nichts, ohne sich was dabei zu denken, mit einem Mann bekannt, das hättest du wissen müssen. Und bitte rede mir nicht wieder von Zufallsbegegnung und Höflichkeit, Zufälle haben in solchen Angelegenheiten nichts zu suchen. Am besten gibst du jetzt Ruhe, denn hadern hat ja doch keinen Sinn mehr, dafür ist es zu spät.«

Nach Mutters Mahnung blieb es eine Weile still. Mein Körper wollte zwar Schlaf, aber Anspannung und Müdigkeit stritten sich schmerzhaft, außerdem wagte ich nicht, mich in eine bequemere Lage zu drehen. Da begann Vater von neuem.

»Lina geht zur Schule, sag mir nichts dagegen, Wilhelm hat recht, das Mädchen ist aufgeweckt.«

In der Schlafkammer herrschte wie üblich um diese Jahreszeit klamme Kälte, dazu zog es übel vom Fenster. Ich schauderte, denn ich war an die Wärme der Stube gewöhnt, wo unser einziger Ofen stand. Aber auf einmal wurde mir warm. Es begann im Bauch mit einem unbeschreiblichen Gefühl, das wie glühende Zungen in Beine und Arme fuhr und die Hände kribbeln ließ. Meine Fingerkuppen, fest in die Faust geballt, wurden prall und heiß. Bis dahin hatte ich nicht gewußt, daß sich Freude, Erwartung, Begeisterung so bemerkbar machen konnten.

Ich mußte daran denken, wie ich zuweilen nicht nur Sternzeichen auf die Schieferplatte kritzelte, sondern Wörter. Zwei, drei Buchstaben hatte ich bei Alexanders Schreibübungen verstohlen abgeschaut, alle anderen erfand ich einfach hinzu. Ich wollte schreiben, um zu lesen. Um anders als Mutter zu werden, der das Unverständnis für alles Gedruckte ins Gesicht geschrieben stand, sobald sie beim Aufräumen ein Buch in die Hand nahm oder jemand von den anderen in einem blätterte oder etwas auf die Platte schrieb. Den anderen genügte ein Fingerzeig, ein Blick zur Verständigung. Die Frage nach der Schule hätte ich nie zu stellen gewagt, sie erübrigte sich, denn meine Mutter hatte sie bereits beantwortet, ziemlich oft sogar allein mit Gesten oder Anweisungen, bevor sie mir überhaupt in den Sinn kam. Spinnrad und Spindel statt Schiefertafel und Griffel, so eindeutig waren die Verhältnisse zwischen Frauen und Männern geregelt, bei allen, die wir kannten, bei uns, bis jetzt, bis zu dieser Nacht.

Ja, jetzt würde es damit ein Ende haben, daß ich Alexander jeden Morgen beneidete, sobald er zur Schule aufbrach. Ich würde in die Welt meiner Brüder eindringen, die Zeichen auf der Schiefertafel im Tisch verstehen lernen und ganz selbstverständlich auf die Stubentür deuten, wenn meine Mutter fragte, wann der nächste Schüler für Vaters Geigenstunde zu erwarten war.

»Da steht es, Mama: um 5 Uhr, der Friedrich Hoppenstedt.« Und würde zum Beweis an die Tür treten, mich auf die Zehen stellen und auf die fünfte oder sechste Zeile von unten tippen und darauf achten, daß ich die Kreide nicht verschmierte.

3

Am nächsten Morgen war ich vor allen anderen auf, ergriff den Wassereimer, rannte im Dunkeln in Pantoffeln, ein Tuch um die Schultern, zum Brunnen und hatte als Morgengruß und Überraschung das Wasser in der Waschschüssel gewechselt, obwohl es erst drei Tage stand. Vater schätzte Reinlichkeit über alles wie sonst kein vernünftiger Mensch.

Kurz vor sieben wartete ich ausgehfertig auf Alexander. Er warf mit geübtem Schwung sein Schulbündel am Riemen über die Schulter und wollte sich an mir vorbei zur Tür hinausdrängen. Ich hielt ihn auf, indem ich nach dem herabbaumelnden Ende des Riemens faßte.

»Ich komm mit zur Schule, Vater hat es erlaubt.«

»Was?« schrie Alexander und drehte sich zum Tisch um, an dem die anderen frühstückten. »Stimmt das?«

Unwillkürlich hatte ich mich auf die Zehen gestellt, um einerseits größer zu wirken und andererseits die Reaktion meines Vaters besser verfolgen zu können. Gespannt hielt ich den Atem an.

Vater zwinkerte seltsam verlegen und sog bedächtig an seiner Pfeife, er rauchte, um seinem Asthma Linderung zu verschaffen, zumindest glaubte er an eine heilsame Wirkung des Tabaks. Ansonsten schien er nicht zugehört zu haben, eine erste Unsicherheit beschlich mich, ich überlegte, ob ich meinen Spruch wiederholen sollte. Aber da erhob sich Mutter bereits, ergriff energisch meine Hand und zog mich von der Tür fort, wobei sie Vater einen bösen Blick zuwarf.

»Hier hat keiner gesagt, du sollst mitgehen. Und du, Alexander, machst, daß du fortkommst.« Damit gab sie meinem Bruder einen Klaps, der ihn bewog, schleunigst zu verschwinden.

Ein Schweigen kann eine Antwort sein auf eine nicht gestellte Frage, ein Flehen, ein Nachbohren. Vater verstand sich bestens aufs Schweigen, sehr angelegentlich kratzte er mit dem Federmesser seine Pfeife aus. Beide Fäuste in die Augen gebohrt, schluchzte ich verzweifelt auf. Plötzlich nahm ich wieder diesen fremden Duft wahr. Sacht wurden meine Hände heruntergezogen. Ich blickte in Sophias Gesicht. Diesmal glänzten ihre blauen Augen hell und klar, der Schlaf hatte die Abgeschlagenheit vom Vortag getilgt. Durch einen Tränenschleier fielen mir ihre längen gebogenen Wimpern auf, die rosige weiche Kurve der Wangen, der Duft war auch nicht mehr fremd, sondern erfrischend süß und seltsam tröstlich. Meine schöne, große Schwester hatte sich vor mich hingehockt, hatte sich für mich ganz klein gemacht und wandte nun den Kopf zum Tisch.

»Ja, schickt sie zur Schule, das ist eine ausgezeichnete Idee. Die Zeiten ändern sich, immer mehr Mädel lernen lesen und schreiben, und warum auch nicht, wo euch der Unterricht nicht einmal etwas kostet. Schiefertafel und Fibel werden sich von Jakob oder Wilhelm finden. Ich wollte, ich hätte ...«

Meine Mutter krampfte ihre Hände in den Umhang über dem Nachthemd, ihr Gesicht war verschlossen und abweisend. Brüsk fiel sie Sophia ins Wort.

»Red du nur. Mich kostet es was. Daran denkst du nicht, niemand hier. Und hast du nicht gestern selbst gesagt, sie ist noch ein Zwerg? Wie soll sie da in der Schule zurechtkommen?«

Als Sophia sich erhob und neben Mutter stellte, wurde die große Ähnlichkeit zwischen ihnen wieder deutlich, gleichzeitig aber der Unterschied, der auf das Konto der Jahre ging, die beide trennten. Ich meine damit nicht so sehr die zwei tiefen Kummerfalten, die sich in Mutters Gesicht von der Nase bis zum Kinn eingekerbt hatten, und die Spuren ständiger Übermüdung wie die aschgraue Haut, sondern vor allem der runde Rücken und die Schultern, die nach vorn fielen, als würden sie von einem viel zu schweren Korb herabgezogen. Nur die Hände waren bei beiden gleich rot und rissig.

Sophia ist an diesem Morgen zu einer Schwester geworden, wie ich sie mir immer gewünscht hatte. Rückhaltlos bewunderte ich sie mit ihrer kleinen koketten Nachthaube und dem rüschenbesetzten Umhang, der sich über dem Nachtgewand an der Taille bauschte. Ich wollte nicht mehr glauben, daß sie in Braunschweig nur Spülmagd gewesen war, Spülmägde waren derb und schwerfällig und bewegten sich nicht so gewandt und leicht wie sie.

»Sie könnte es doch wenigstens einmal versuchen, nicht? Woher willst du wissen, daß sie nicht zurechtkommt, wenn du ihr nicht einmal erlaubst, einen Versuch zu wagen? Und was die Hausarbeit betrifft: Jetzt bin ich ja wieder da, und es macht mir nichts aus, bei euch mit Hand anzulegen, wenn Mutter Hilfe braucht, soviel hab ich in der Wohnung oben nicht zu tun.«

Noch während Sophia redete, maß Mutter sie mit einem abschätzenden Blick, der vom Gesicht abwärts glitt und unterhalb der Taille hängenblieb.

»Wird nicht lange dauern, und du wirst mich um Hilfe anflehen«, murmelte sie gedämpft.

Sophia war langsam errötet, sie senkte verlegen die Augen. Ohne mich anzuschauen, faßte sie meine Hand und ging mit mir zum Tisch zurück.

»Du hast ja kaum was gefrühstückt, setz dich und iß.«

Willenlos ließ ich mich neben ihr nieder, ich wagte keinen Einwand, da Vater fortfuhr, sich mit der Pfeife zu beschäftigen, als gäbe es nach Mutters Einspruch nichts hinzuzufügen.

Den ganzen Tag blieb ich gedrückter Stimmung und wich Mutter aus, weil sie mich mehrmals scharf musterte, aber nichts dazu äußerte, als müßte dieser Blick mir schon klarmachen, daß ich mir am Morgen etwas herausgenommen hatte, auf das sie nicht ausdrücklich zurückzukommen wünschte. Aber natürlich ging mir die Schule nicht aus dem Kopf.

Vor dem Abendbrot war ich mit Sophia allein in der Stube. Sie kramte in der Ecke in ihrem Weidenkorb, der noch immer nicht in ihre Wohnung hinaufgeschafft worden war. Ich trat neugierig hinzu und bemerkte erstaunt, daß es im Korb gar nicht so ordentlich aussah, wie ich erwartet hatte, denn Mutter hatte mir Sophia mehrmals als Muster aller weiblichen Tugenden, zu denen fraglos auch die Ordnung gehörte, vorgehalten. Im Augenblick aber hatte ich etwas anderes im Sinn. Mit einem kleinen Ruck zog ich an ihrer Schürze.

»Ich muß dir was zeigen, Sophie.«

Zerstreut wandte sie sich mir zu. »Laß mich.« •

»Es ist aber etwas ganz Besonderes, du wirst sehr staunen.« Ich ließ nicht locker und zog sie mit mir zum Tisch, wo ich mich auf die Bank davor kniete und den Griffel aufnahm, den ich bereits zurechtgelegt hatte.

Sorgfältig malte ich sieben kleine Kreise auf die Platte in der Tischmitte, während Sophia mit allen Anzeichen von Ungeduld zu ihrem Weidenkorb schielte.

»Du sollst nicht auf der Platte herumschmieren, Vater und die Brüder werden sich darüber ärgern.«

Über meiner Zeichnung standen hell auf dunkelgrau ein paar Worte und Zahlenreihen in Vaters steiler akkurater Handschrift.

»Das glaub ich nicht«, sagte ich forsch, »schau, das ist das Sternbild des Orion, des großen Jägers, der jetzt am Himmel steht. Ich kann dir auch den Fuhrmann aufmalen und die Cassiopeia, und wenn die Sternlein heut nacht funkeln, zeige ich sie dir, du brauchst Wilhelm und Vater nicht darum zu bitten.«

Meine Schwester sollte mich trotz meiner geringen Größe nicht für ein gänzlich unwissendes Kind halten. Mittlerweile hörte sie mir zu, ja, sah mich sogar mit aller Verblüffung an, auf die ich gehofft hatte, ich rutschte näher zu ihr und drückte mich an ihre Röcke. Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, meine Geheimnisse vor ihr auszubreiten.

»Du darfst mir glauben, es hat alles seine Richtigkeit, ich hab's bei Vater und Wilhelm ganz genau abgeschaut.«

Sophia legte eine Hand auf meine Zeichnung, zwischen den gespreizten Fingern lugten die Schultersterne des Orions hervor. Ungläubig schüttelte sie den Kopf.

»Mein Gott, was hast du nur für Flausen in deinem kleinen Kopf, das ist ja nicht auszuhalten! So etwas Verdrehtes habe ich noch nie gehört.«

Unversehens schossen mir Tränen in die Augen.

»Nichts ist verdreht. Die Sterne stehen doch am Himmel.«

Sophia stöhnte auf, stemmte die Fäuste in die Hüften und blickte zur Decke, während ein paar meiner Tränen auf die Zeichnung tropften. Die Kreise schwammen auf einmal und verbogen sich.

»Laß bloß Mutter diesen Unsinn nicht hören.«

»Sophie«, fragte ich schluchzend, »warum willst du denn, daß ich zur Schule gehe, wenn das mit den Sternen nur Unsinn ist?«

Sophia seufzte ungehalten, blieb aber bei mir am Tisch stehen. »Das sind ja wohl zweierlei Sachen. Dieses Gekritzel und das, was du in der Schule lernst.«

»Ja?« fragte ich zweifelnd.

Sie blickte mich streng an und rückte mit ihrem Kopf näher. »In der Schule geht es nicht um Phantastereien. Was du dort lernst, bewahrt dich davor, Dummheiten zu machen, und hilft dir, im Leben voranzukommen.« Ein bitterer Zug erschien um ihre Mundwinkel.

»Sophie«, fragte ich leise, »hast du Dummheiten gemacht?« Der Korbinhalt fiel mir ein, dessen Unordnung ein seltsames Licht auf meine schöne und so perfekte Schwester warf. Ich fand das sehr beunruhigend, denn nichts sollte das wunderbare Bild von ihr trüben. »Hast du?« wiederholte ich trotzdem, weil sie nicht antwortete.

Heftig wischte sie sich über die Augen. »Ach was, aber eins merk dir: Wenn du die Gelegenheit hast, was zu lernen, schlag sie ja nicht aus. Und putz das weg, bevor es jemand anders sieht. Vater und Wilhelm werden es nicht mögen, wenn du in ihren Berechnungen herumschmierst.«

Eh ich noch etwas sagen konnte, hatte sie die Stube verlassen. Ich starrte auf die Zeichnung und die Worte samt den Zahlenkolonnen darüber. Ich hatte vergessen, Sophia zu sagen, daß ich in die Schule gehen wollte, um all das zu verstehen, was auf der Schieferplatte stand, und um einmal über das mitreden zu können, was Vater und Wilhelm so sehr bewegte.

Den Griffel hielt ich noch immer fest. Ich war so stolz auf meine Zeichnung gewesen, deren Zauber ich Sophia ganz umsonst preisgegeben hatte. Vorsichtig zog ich einen der kleinen, halbverwischten Kreise nach, traf aber nicht exakt die Linie. Rasch führte ich den Stift noch einmal rund und noch einmal, und aus meinem schönen Kreis war ein Auge geworden, das hämisch zu mir heraufglotzte und mich dazu trieb, in einem Zickzack darüber hin- und herzufahren und danach ein wildes Gekrakel über alle Worte und Zahlen zu setzen, bis von ihnen nichts mehr zu erkennen war, während ich am ganzen Leib vor Wut zitterte. Als ich fertig war, warf ich den Griffel mitten auf den Tisch.

Obwohl es ihn am wenigsten anging, begann Jakob herumzuschreien, als er gleich nach seiner Heimkehr vom Dienst das Gekritzel entdeckte, ich hatte es aus Trotz nicht weggewischt.

»Jetzt schaut euch das doch einmal an, Wilhelm, Vater! Diese kleine Kröte.« Offensichtlich hegte er keinerlei Zweifel, von wem das Geschmier stammte.

Ich kniete auf der Ofenbank und schaukelte Dietrichs Wiege, um mich selbst zu beruhigen, kletterte nun aber eilig herunter und wollte mich an Jakob vorbeidrücken.

Sophia trug gerade das Brot herein, mit einer Hand ergriff sie Jakob am Arm, als dieser gegen mich ausholte.

»Wag es ja nicht, sie zu schlagen, sie ist ein Kind und weiß nicht, was sie tut.«

Er hätte mich geschlagen, ich bin ganz sicher, er war ja viel stärker als Sophia und schüttelte sie mühelos ab, aber sobald er erneut ausholte, stand auf einmal Wilhelm neben ihm.

»Sie ist schon ein lustiges Mädelchen, unsere kleine Caroline. Wenn's nach mir ginge, würde sie in die Schule gehen, sie hat das Zeug zum Lernen, sie begreift im Flug. Weißt du, was sie neulich auf die Platte gemalt hat? Die Zwillinge mit allen Haupt- und Nebensternen, ich kann mich nicht einmal erinnern, ihr das Sternbild erklärt zu haben«, sagte Wilhelm ruhig und schlug Jakob leicht auf die Schulter. »Du darfst ihr nicht böse sein. Sie muß mit ihren erwachenden Geisteskräften und ihrer Neugier ja irgendwohin.«

Rasch griff ich nach seinem Rockschoß. »Du hast es gesehen? Ich dachte, ich hätt's weggewischt. Du bist nicht böse? Zeigst du mir noch mehr von den Sternbildern, ja? Ich will sie alle lernen.«

Er lachte. »Wenn ich einmal viel Zeit habe, Herzchen, dann lernst du alles von mir, was ich weiß, ich versprech's dir. Aber die Platte laß bis dahin sauber.«

Ich nickte zögernd, wußte aber bereits, daß die Zustimmung eine Lüge war, ich würde wieder auf die Tafel kritzeln, ich spürte geradezu den Griffel in der Hand, aber gleichzeitig einen kleinen Stich, ein leises Schuldbewußtsein, weil ich Wilhelm hintergehen würde.

Über die Schule wurde nicht mehr gesprochen, wie sehr ich auch darauf lauerte und um Vater herumstrich, als er wie gewöhnlich abends Noten kopierte.

Gegen zehn Uhr am nächsten Morgen, einem Sonntag, kam Griesbach. Kein Mensch in Hannover kleidete sich morgens an, bevor es Zeit für einen Ausgang wurde, so traf er uns naturgemäß in Schlafröcken und Nachtmützen an und nahm sich inmitten unseres familiären Treibens in seinem adretten Rock und der geblümten Weste etwas befremdlich aus. Nach der allgemeinen Begrüßung trat er auf mich zu und gab mir seine dicke, fischig-kalte Hand, die ich sofort angeekelt fahren ließ.

»Vorgestern war etwas zuviel Trubel, um sich richtig bekannt zu machen. Also, Caroline Herschel, sei mir daher heute besonders gegrüßt und willkommen in der Familie.«

Selbst ich Fratz merkte, daß sich bei allem feierlichen und ernsten Gehabe in Griesbachs Oberstübchen die Räder nicht ganz korrekt bewegten.

Vater starrte ausdruckslos vor sich hin, Mutter aber lächelte angetan, als Griesbach zur Wiege ging und vom acht Wochen alten Säugling Dietrich ähnlich förmlich Notiz nahm.

Die Hektik der Hochzeitsvorbereitungen hielt an. Die freudige Stimmung schlug aber zuweilen kurz um, wenn Sophia, die Hand auf dem Leib, erneut blaß und leidend, auf einen Stuhl sank, und eine Mahnung Mutters sie auffahren ließ – vor allem in Gegenwart von Nachbarinnen, die sich einen raschen Blick zuwarfen. Natürlich wußten inzwischen alle Bescheid, sogar ich hatte etwas aufgeschnappt. Nur sprach keiner in unserer Stube das Offensichtliche aus, nicht einmal in Griesbachs Abwesenheit, zu heikel und auf seine Ehre bedacht, bewegte er sich unter uns. Vater verabscheute ihn immer mehr.

Aber das beschäftigte mich nur am Rande.

Es war der dritte oder vierte Morgen nach der Nacht, in der ich die Eltern belauscht hatte, als ich meine Unruhe und meine Sehnsüchte nicht mehr aushielt. Ich war wie schon einmal vor allen anderen angekleidet und lief Alexander nach. In diesen Tagen achtete sowieso kaum einer auf mich. Am Ende unserer Gasse holte ich ihn ein und krallte mich weinend an seinem Rock fest.

»Nimm mich mit zur Schule, der Vater würde nichts dagegen sagen, bitte, Alexander, ich tu alles, was du willst, für dich.« Alexander schüttelte mich ab, blieb aber stehen.

»Du hast keine Ahnung, wie es in der Schule zugeht. Du bist strohdumm, du weißt gar nichts. Außerdem kannst du ja nicht mal über die Bank schauen.«

Unschlüssig und unbehaglich musterte er mein tränenfeuchtes Gesicht.

»Ich will dir was zeigen.«

Mit rascher Geste hob er seinen Rock hinten hoch, zog sich die Hose herunter und bückte sich ein wenig.

»Siehst du's?«

Vater schlug uns nicht, von Mutter bekamen wir höchstens Ohrfeigen. Über Alexanders Hinterteil aber liefen akkurat gerade blaurote Striemen, die die Haut daneben sehr hell schimmern ließen.

»Tut das weh?« Neugierig drückte ich meinen Finger auf eine etwas aufgequollene, dunkelrote Stelle.

Alexander zuckte mit einem Aufschrei zurück, bevor er seine Hose richtete.

»Heute schon weniger, aber gestern! Und wenn der alte Bock nicht den Rohrstock nimmt, dann das Lineal, und die Backpfeifen zähl ich gar nicht. Er haut auch die Mädchen, er kennt keine Gnade, glaub ja nicht, du kommst ohne Hiebe davon.«

Im Reden hatte er das Schulbündel aufgehoben und entfernte sich im Laufschritt.

»Von mir aus kann er mich hauen, so viel er möchte, ich will aber lesen lernen und schreiben und rechnen«, schrie ich ihm aufgebracht nach. Nicht daß ich mir wirklich vorzustellen vermochte, derart geschlagen zu werden, ich war nur wild entschlossen, jeden Einwand, jedes Hindernis niederzuschreien.

»Du begreifst die Zahlen nie, kein Mädchen kann das«, rief Alexander, bevor er in die nächste Quergasse verschwand.

In der Nacht hatte es geregnet. Durch den Regen war der Schmutz in der Gasse aufgequollen, kleine Pfützen standen auf dem unregelmäßigen Pflaster, dunkle Augen, in denen Kot schwamm, den das Vieh bei seinem morgendlichen Austrieb hinterlassen hatte. Entmutigt drehte ich mich um und schlurfte nach Hause, ohne darauf zu achten, wohin ich trat. Auf der Stiege merkte ich dann wohl, daß mir etwas an den Sohlen klebte und sich eine stinkende Spur bis in unsere Stube zog. Mutter musterte meine Schuhe, den Fußboden, holte aus und gab mir eine Ohrfeige, die ich als unausweichlich hinnahm, den Schmerz spürte ich nur dumpf.

Woher dieser unbändige Wille zu lernen rührte, kann ich auch heute noch nicht sagen, vielleicht hatte ich ihn von meinem Vater geerbt. Ich hatte so viele Fragen, die mich bedrängten, die herauswollten, für deren Beantwortung kaum jemand die Zeit erübrigte. Manchmal preßte ich die Hände gegen die Ohren, in der Hoffnung, den Tumult in meinem Kopf zum Schweigen zu bringen. Meine Mutter, mit der ich die meiste Zeit zusammen war, hielt nicht viel vom Reden. Es lenke von der Arbeit ab, sagte sie einmal sehr bestimmt.

Die Hochzeit Sophias war mir vollständig verleidet. Den Hochzeitsschmaus, für den sich Jakob und Wilhelm je zwei Monatsgehälter hatten vorab auszahlen lassen, rührte ich kaum an.

Alle anderen dagegen ergaben sich der ungewohnten Völlerei, die zeigen sollte, daß die Herschels nicht zum Pack gehörten und es sich leisten konnten, eine Tochter anständig unter die Haube zu bringen. Sogar der Bräutigam lächelte an diesem Tag ausgesprochen leutselig.

Sophias Herrschaft hatte ihr das Hochzeitskleid als Abschiedsgeschenk für jahrelange Plackerei spendiert. Der braune Seidenrock war mit roten und gelben Blumen durchwirkt, dazu gehörte eine grasgrüne Schnürbrust, mit einer ganz schmalen Goldlitze abgesteppt. Genau vor dem Spalt zwischen den Brüsten steckte ein Kunstblumensträußchen, das für ähnlich feierliche Gelegenheiten aufbewahrt werden sollte. Vielleicht dachte Mutter bereits an meine Hochzeit, denn sie warf mir, als sie die Blumen befestigte, einen bedeutungsschweren Blick zu, der mich jedoch wenig kümmerte.

Abends wurde in der Gastwirtschaft, in der das Fest stattfand, zum Tanz aufgespielt. Normalerweise ließ Tanzmusik mein Herz sofort höher schlagen, aber an diesem Abend steckte mich nicht einmal die Fröhlichkeit eines Rundtanzes an, auch wenn ich mich dem Rhythmus nicht vollständig entziehen konnte. Voller Traurigkeit drehte ich mich ganz allein zwischen all den Paaren.

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