Cover

Impressum

 

www.beck.de

 

ISBN 978-3-406-69958-0

 

© 2016 Verlag C. H. Beck oHG
Wilhelmstraße 9, 80801 München

Satz: Fotosatz Buck, Kumhausen
Umschlaggestaltung: Ralph Zimmermann – Bureau Parapluie
Bildnachweis: © threeart – depositphotos.com
eBook‐Produktion: Datagroup int. SRL, www.datagroup.ro

Dieser Titel ist auch als Printausgabe beim
Verlag und im Buchhandel erhältlich.

2So nutzen Sie dieses Buch

Die folgenden Elemente erleichtern Ihnen die Orientierung im Buch:

Beispiele und Übungen

In diesem Buch finden Sie zahlreiche Beispiele, die die geschilderten Sachverhalte veranschaulichen.

Tipp:

Hier finden Sie zahlreiche Tipps.

Definitionen

Hier werden Begriffe kurz und prägnant erläutert.

Auf den Punkt gebracht

Am Ende jedes Kapitels finden Sie eine kurze Zusammenfassung des behandelten Themas.

6Der Pflichtteil

Jeder Erblasser kann seine nächsten Angehörigen enterben. Dies erlaubt die im Grundgesetz verankerte Testierfreiheit. Das Gesetz hat allerdings in den §§ 2303 ff. BGB für bestimmte Personen einen Ausgleich für die Enterbung vorgesehen, den sogenannten Pflichtteil.

§ 2303 BGB lautet:

„Ist ein Abkömmling des Erblassers durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen, so kann er von dem Erben den Pflichtteil verlangen. Der Pflichtteil besteht in der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils.

Das gleiche Recht steht den Eltern und dem Ehegatten des Erblassers zu …“

Da sich der wirtschaftliche Wert des Pflichtteils aus dem vorhandenen Erbe zum Todestag ergibt, könnte der Erblasser noch zu seinen Lebzeiten durch Schenkungen an Dritte das Erbe schmälern, um so den Wert des Erbes und daraus folgend den des Pflichtteils zu reduzieren. Dem begegnet der Gesetzgeber mit dem sogenannten Pflichtteilsergänzungsanspruch. Dieser schafft einen Ausgleich zugunsten des Pflichtteilsberechtigten für lebzeitige Schenkungen des Erblassers (siehe Seite 55).

Der Pflichtteilsberechtigte hat folglich zwei Ansprüche, nämlich

7Der Pflichtteilsanspruch

Der Pflichtteilsanspruch wird teilweise für eine eindeutige Unterscheidung zum Pflichtteilsergänzungsanspruch (siehe Seite 55) auch als sog. ordentlicher Pflichtteil bezeichnet.

Der Pflichtteil als Geldanspruch

Der Pflichtteilsanspruch ist als reiner Geldanspruch gegen den Erben ausgestaltet. Er entsteht erst mit dem Tod des Erblassers und ist ab diesem Zeitpunkt wie jeder andere Anspruch wiederum selbst vererblich und kann übertragen werden. Da es sich um einen Geldanspruch handelt, ist er als Forderung gegen die Erben im Falle des Verzugs verzinslich.

Der Unterschied zum Erbteil

Der Pflichtteilsberechtigte hat lediglich einen (Geld-)Anspruch gegen die Erben, den er nach seiner freien Entscheidung geltend machen kann. Der Pflichtteilsberechtigte ist aber nicht selbst am Nachlass beteiligt. Das deutsche Pflichtteilsrecht ist nicht als sogenanntes Noterbrecht ausgestaltet. Der Gesetzgeber hat das Spannungsverhältnis zwischen der Testierfreiheit des Erblassers einerseits und dem dem Pflichtteilsrecht zu Grunde liegenden Gedanken der Versorgung nächster Angehöriger andererseits dergestalt gelöst, dass lediglich eine Mindestteilhabe am Vermögen des Erblassers in Form eines Geldanspruchs gegen die Erben gewährleistet wird. Dabei wird der Pflichtteilsberechtigte aber nicht selbst Erbe (zu ausländischen Rechtsordnungen mit sogenannten Noterbrechten, siehe Seite 113).

8Auf den Punkt gebracht

Das Pflichtteilsrecht beinhaltet

Ausgangspunkt – gesetzliches Erbrecht

Da das Pflichtteilsrecht in mehreren Punkten an das gesetzliche Erbrecht anknüpft, nämlich sowohl im Rahmen der Pflichtteilsquote als auch bei der Pflichtteilsberechtigung, ist zunächst das gesetzliche Erbrecht zu klären. Hierbei muss zwischen dem Verwandtenerbrecht einerseits und dem Ehegattenerbrecht andererseits unterschieden werden.

Verwandtenerbrecht

Das Erbrecht der Verwandten des Erblassers richtet sich nicht nur nach dem Grad der Verwandtschaft. Vielmehr sieht der Gesetzgeber eine klare Einteilung der Verwandtschaften des Erblassers in sogenannte Ordnungen vor. Die einzelnen Ordnungen ihrerseits unterliegen einer Rangfolge.

Dabei sind die folgenden Grundsätze zu beachten:

9img

Beispiel

Der verwitwete Erblasser hinterlässt einen Sohn (S) und eine Tochter (T), die wiederum selbst Kinder haben. Damit erben der Sohn und die Tochter jeweils zu ½, da Kinder zu gleichen Teilen erben. Die Enkel sind durch das Repräsentationsprinzip von der Erbfolge ausgeschlossen.

Alternative

Wäre der Sohn vorverstorben und hätte seinerseits zwei Kinder, würden diese Kinder an die Stelle des Sohnes treten und sich dessen Erbteil wiederum teilen müssen (sogenannte Erbfolge nach Stämmen). Die Enkel würden also je zu ¼ erben (vgl. nachfolgende Übersicht).

10img

Bei einem kinderlosen Erblasser gibt es keine Abkömmlinge der ersten Ordnung, so dass nunmehr im Rahmen des Verwandtenerbrechts die Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge erbberechtigt sind. Eltern erben zu gleichen Teilen.

Beispiel

Der kinderlose Erblasser, dessen Eltern beide noch leben, hat eine Schwester. Damit erben der Vater und die Mutter je zu ½. Die Schwester ist durch das Repräsentationsprinzip ausgeschlossen.

Alternative

In dem genannten Beispiel ist die Mutter vorverstorben. Da an die Stelle der vorverstorbenen Mutter deren Abkömmlinge nach den Regeln der ersten Ordnung treten, erbt die Schwester neben dem Vater zu ½ (vgl. nachfolgende Übersicht). Würden keine weiteren Abkömmlinge des vorverstorbenen Elternteils vorhanden sein (also weder Geschwister noch Neffen und Nichten des Erblassers), würde der überlebende Elternteil alleine erben.

11img

Tipp für den Pflichtteilsberechtigten

Gerade bei umfassenderen Verwandtschaftsverhältnissen empfiehlt es sich dringend, einen Stammbaum zu erstellen. So werden falsche Erbquoten und daraus resultierend falsche Pflichtteilsquoten vermieden. Dies gilt insbesondere, wenn der Erblasser verheiratet ist, da dem Ehegatten ein gesondertes Erbrecht neben den Verwandten zusteht.

Entferntere Ordnungen sind für das Pflichtteilsrecht in der Praxis nicht relevant.

Ehegatten-Erbrecht und eheliches Güterrecht

Das Ehegatten-Erbrecht des überlebenden Ehegatten ist abhängig von dem Verwandtenerbrecht und dem Güterstand. Der überlebende Ehegatte erhält als Erbquote

  • neben Verwandten der ersten Ordnung

¼

  • neben Verwandten der zweiten Ordnung

½

  • neben den Großeltern

½

sowie bei vorhandenen Abkömmlingen der Großeltern den Anteil eines vorverstorbenen Großelternteils.

  • 12Sind weder Verwandte der ersten Ordnung noch der zweiten Ordnung und auch keine Großeltern vorhanden, erbt der überlebende Ehegatte allein.

Dies sind lediglich die Erbquoten, die der Gesetzgeber ohne Einfluss eines ehelichen Güterstands dem überlebenden Ehegatten zubilligt.

Die Güterstände

Der Güterstand hat Auswirkung auf die Erbquote des Ehegatten. Das Gesetz kennt drei Güterstände, nämlich

Die Gütertrennung und die Gütergemeinschaft können nur in einem Ehevertrag vereinbart werden, der der notariellen Beurkundung bedarf. Da der Güterstand Einfluss auf die gesetzliche Erbquote und daraus resultierend auch auf die Pflichtteilsquote hat, hat der Pflichtteilsberechtigte einen Anspruch darauf zu erfahren, in welchem Güterstand der Erblasser lebte.

Zugewinngemeinschaft

Wenn die Ehegatten nichts anderes vereinbart haben, leben sie im Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Dies bedeutet, dass das Vermögen der Ehepartner, welches sie in die Ehe mitbringen, getrennt ist und bleibt. Jeder Ehegatte verwaltet sein Vermögen selbständig. Lediglich im Fall der Beendigung 13des Güterstands wird der Zugewinn, den die Ehegatten in der Ehe erzielen, ausgeglichen. Dabei ist Zugewinn der Betrag, um welchen das Endvermögen eines Ehegatten zum Zeitpunkt der Beendigung des Güterstands sein Anfangsvermögen zum Stichtag der Eheschließung übersteigt. Eine Beendigungsmöglichkeit dieses Güterstandes ist der Todesfall eines Ehegatten, so dass eine konkrete Berechnung erfolgen müsste, damit der überlebende Ehegatte diesen Zugewinn als Ausgleichsforderung von dem Erben geltend machen könnte. Um sich diese Berechnung zu ersparen, hat der Gesetzgeber eine einfache Pauschal-Lösung gewählt und erhöht für den Zugewinnausgleich das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten um ¼. Dabei ist es unerheblich, ob tatsächlich ein Zugewinn erzielt wurde.

Die Erhöhung des gesetzlichen Erbteils um ein Viertel für den Zugewinnausgleich ist jedoch nicht möglich, wenn der Ehegatte vollständig enterbt wurde. In diesem Fall verbleibt es für die Berechnung der Pflichtteilsquote bei dem Anteil aus dem Ehegattenerbrecht. Dies bedeutet, dass bei Kindern (Verwandten der ersten Ordnung) der Ehegatte ¼, mithin eine Pflichtteilsquote von 18 erhält. Zudem kann er den wirklich während der Ehe erzielten Zugewinn neben seinem Pflichtteilsanspruch gegenüber dem Erben geltend machen.

Tipp für den Pflichtteilsberechtigten (sogenannte taktische Ausschlagung)

Der überlebende Ehegatte muss sich nicht auf die Erhöhung seines gesetzlichen Erbrechts um ¼ beschränken lassen, sondern er kann auch das Erbe ausschlagen, um den Zugewinn konkret zu berechnen (als Ausgleich für 14das eheliche Güterrecht) und zugleich seinen Pflichtteil geltend machen (sog. taktische Ausschlagung). Die Folgen einer Ausschlagung können aber in einem Ehevertrag durch einen Pflichtteilsverzicht ausgeschlossen sein. Dann wäre die Ausschlagung ein fataler Fehler.

Die taktische Ausschlagung des überlebenden Ehegatten ist rein wirtschaftlich motiviert und kommt dann in Betracht, wenn der konkret berechnete Zugewinn sehr hoch ist. In der Praxis ist dies grundsätzlich erst dann gegeben, wenn der Zugewinn des Erblassers einen Anteil am Nachlass von über 85 % ausmacht.

Beispiel

Der Erblasser, der mit seiner Ehefrau im Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebte, hat einen Nachlass in Höhe von € 100.000,– an Barvermögen hinterlassen, der zudem seinen gesamten Zugewinn darstellt. Der übrige Nachlass ist ohne Wert. Es sind noch Kinder, somit Verwandte erster Ordnung, vorhanden.

An diesem extremen Beispiel zeigt sich, dass bei der gesetzlichen Erbfolge ohne Ausschlagung die Ehefrau insgesamt ½, nämlich ¼ aus dem Ehegattenerbrecht und ¼ aus dem pauschalierten Zugewinnausgleich, wirtschaftlich also € 50.000,– erhalten würde. Schlägt die Ehefrau hingegen die Erbschaft aus, erhält sie als konkreten Zugewinnausgleich € 50.000,–, da der Zugewinn € 100.000,– beträgt. Aus den verbleibenden € 50.000,– errechnet sich der Pflichtteil. Da die Pflichtteilsquote 18 aus € 50.000,– beträgt, erhält sie weitere € 6.250,–, insgesamt also € 56.250,–.

15Alternative

Der Nachlasswert beträgt wiederum € 100.000,–, der sich aber diesmal aus einem Zugewinn des Erblassers in Höhe von € 50.000,– sowie weiterem Nachlassvermögen ebenfalls in Höhe von € 50.000,– zusammensetzt. Belässt es die Ehefrau bei der gesetzlichen Erbfolge, das heißt der pauschalen Erhöhung ihres erbrechtlichen ¼ um das ¼ des Zugewinnausgleichs, erhält sie insgesamt ½ aus dem gesamten Nachlasswert, also € 50.000,–. Würde sie das Erbe ausschlagen, wäre der Zugewinn konkret zu berechnen. Damit würde die Ehefrau als Zugewinnausgleich € 25.000,– erhalten. Daneben erhält sie 18 aus € 75.000,–, da der Zugewinn zunächst vom Nachlass in Abzug gebracht werden muss. Insgesamt würde sie € 34.375,– (€ 25.000,– konkreter Zugewinn und einen Pflichtteil von € 9.375,–) erhalten.

Tipp für den Pflichtteilsberechtigten

Da eine Ausschlagung im Regelfall innerhalb von sechs Wochen zu erfolgen hat, sind die notwendigen konkreten Berechnungen im Hinblick auf den Wert des Zugewinns und den des Nachlasses, wenn diese nicht offensichtlich sind, nicht verlässlich durchzuführen, insbesondere bei Bewertungen von Immobilien. Lediglich in eindeutigen Fällen (z. B. nur vorhandenes Barvermögen) lässt sich konkret und schnell der notwendige Vergleich zwischen der Annahme der Erbschaft und einer taktischen Ausschlagung berechnen.

16Gütergemeinschaft

Im Rahmen der Gütergemeinschaft gibt es keine Besonderheiten, so dass der gesetzliche Erbteil für den überlebenden Ehegatten neben Verwandten der ersten Ordnung immer ¼ beträgt. Zu einer Erhöhung der Erbquote um ein ¼ kommt es nicht, da kein Zugewinn auszugleichen ist.

Gütertrennung

Bei der Gütertrennung hat der Gesetzgeber eine besondere Regelung getroffen. Wie bei der Gütergemeinschaft gilt, dass ein Zugewinn nicht auszugleichen ist. Neben einem Kind oder zwei Kindern erben der überlebende Ehegatte und jedes Kind zu gleichen Teilen. Folglich wird der überlebende Ehegatte neben einem Kind Erbe zu ½, neben zwei Kindern zu 13. Bei mehr als zwei Kindern erhält der überlebende Ehegatte ¼.

Übersicht „Gesetzlicher Erbteil des Ehegatten“

neben 1 Kind

neben 2 Kindern

bei mehr als 2 Kindern

bei Zugewinngemeinschaft
(ohne sog. taktische Ausschlagung)

¼ + ¼ = ½

¼ + ¼ = ½

¼ + ¼ = ½

bei Gütertrennung

½

13

¼

bei Gütergemeinschaft

¼

¼

¼

17Lebenspartner nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz

Gleichgeschlechtliche Personen können eine Partnerschaft auf Lebenszeit begründen. Sofern im Rahmen dieser Lebenspartnerschaft keine anderen Vereinbarungen getroffen werden, leben sie im Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Es ist den Lebenspartnern aber auch die Möglichkeit eröffnet, güterrechtliche Vereinbarungen zu treffen. Dies geschieht häufig in dem Lebenspartnerschaftsvertrag selbst. Erbrechtlich sind Lebenspartner einem Ehegatten gleichgestellt, so dass die vorherige Darstellung des Ehegatten-Erbrechts auch für Lebenspartner gilt.

Einfluss eines Scheidungsverfahrens

Das Ehegatten-Erbrecht und daraus resultierend das Pflichtteilsrecht kann nicht nur im Fall der Scheidung, sondern bereits durch ein bei Gericht eingereichtetes Scheidungsverfahren ausgeschlossen sein. Damit es nicht allein vom Zufall abhängig ist, wann die Scheidung rechtskräftig wird, genügt es, wenn die rechtlichen Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe vorliegen und entweder der Erblasser selbst die Scheidung beantragt oder einem Scheidungsantrag des überlebenden Ehegatten zugestimmt hatte. In diesen Fällen hat der Ehegatte nur noch Ansprüche aus der Auflösung des ehelichen Güterstands. Er selbst ist aber nicht mehr erb- oder pflichtteilsberechtigt. Der Güterstand selbst ist hierfür ohne Bedeutung.

18Tipp für den Pflichtteilsberechtigten