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www.beck.de

 

ISBN 978-3-406-70094-1

 

© 2016 Verlag C. H. Beck oHG
Wilhelmstraße 9, 80801 München

Satz: Fotosatz Buck, Kumhausen
Umschlaggestaltung: Ralph Zimmermann – Bureau Parapluie
Bildnachweis: © steuecoleimages – istockphoto.com
eBook‐Produktion: Datagroup int. SRL, www.datagroup.ro

Dieser Titel ist auch als Printausgabe beim
Verlag und im Buchhandel erhältlich.

2So nutzen Sie dieses Buch

Die folgenden Elemente erleichtern Ihnen die Orientierung im Buch:

Beispiele und Übungen

In diesem Buch finden Sie zahlreiche Beispiele, die die geschilderten Sachverhalte veranschaulichen.

Definitionen

Hier werden Begriffe kurz und prägnant erläutert.

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Die Merkkästen enthalten Empfehlungen und hilfreiche Tipps.

Auf den Punkt gebracht

Am Ende jedes Kapitels finden Sie eine kurze Zusammenfassung des behandelten Themas.

6Vorwort

Aktuelle Umfragen haben ergeben, dass 74 Prozent der deutschen Bundesbürger ab 18 Jahren keine letztwillige Verfügung errichtet haben. Die Vorsorge für den Todesfall ist für die meisten Menschen noch ein Tabuthema; häufig gilt das Prinzip „und nach mir die Sintflut“.

Wer keine durchdachte letztwillige Verfügung trifft, verschafft seinen Hinterbliebenen oft genug ein gewaltiges Streitpotenzial: Vermögensverluste, vermeidbare Erbschaftsteuerlasten oder eine ungerechte Vermögensverteilung sind nicht selten die Folgen. Kurz: Sorglosigkeit in dieser Hinsicht fügt der eigenen Familie Schaden zu.

Viele Menschen scheuen sich jedoch auch davor, sich mit einer so komplexen Materie wie dem deutschen Erbrecht auseinander zu setzen: Pflichtteil, Verfügung, Vermächtnis – hier lauern zahlreiche Fachbegriffe, die für Laien nicht immer einfach zu verstehen – zu unterscheiden – sind.

Dieser Ratgeber hilft Ihnen, die Struktur des Deutschen Erbrechts zu verstehen und die Nachteile der gesetzlichen Erbfolge zu erkennen. In leicht verständlicher Form werden die Formalien und der Inhalt einer letztwilligen Verfügung erklärt und wertvolle Gestaltungsvorschläge gegeben, zum Beispiel wie Sie Ihre Familienangehörigen für den Erbfall absichern und Streit unter Miterben vermeiden. Zudem wird erläutert, wie Sie durch Ihr Testament die Pflichtteils- und Steuerlast reduzieren können. Ehepaare, geschiedene Personen und Unternehmer erhalten spezielle Ratschläge.

7Das Testament – Verantwortung und Vorsorge für Ihre Familie

Mit der Erstellung eines Testamentes können Sie eigenverantwortlich bestimmen, wer Erbe wird. Wird kein Testament verfasst, bestimmt das Gesetz den Erben. Dies führt regelmäßig zu vielfältigen Nachteilen für die Angehörigen. Für die meisten Personen, also Singles, Familien und Partner ohne Trauschein, ist es deshalb eminent wichtig, durch ein Testament rechtzeitig Vorsorge zu treffen.

Wer erbt ohne Testament?

Hat der Verstorbene weder ein Testament noch einen Erbvertrag hinterlassen, wird er nach den Regelungen der gesetzlichen Erbfolge der §§ 1924 bis 1936 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) beerbt. Der Gesetzgeber hatte bei Schaffung dieser Bestimmungen Ende des vorletzten Jahrhunderts das Leitbild einer Durchschnittsfamilie vor Augen. Der Verstorbene (der sogenannte Erblasser) wird von einem zum Zeitpunkt des Todes vorhandenen Ehegatten und den engeren Verwandten, hilfsweise dem Staat, beerbt. Immer dann, wenn Ihre persönlichen Lebensverhältnisse mit diesem typischen Leitbild einer Durchschnittsfamilie nicht übereinstimmen, können die Regelungen der gesetzlichen Erbfolge zu Ergebnissen führen, die in persönlicher, wirtschaftlicher und steuerlicher Hinsicht von Ihnen nicht vorhersehbar und nicht gewollt sind.

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8Praxis-Tipp

Zur Beantwortung der Frage, ob Sie ein Testament errichten müssen, empfehlen wir Ihnen, einen Familienstammbaum zu erstellen. Hierbei sollten auch nicht eheliche oder adoptierte Kinder, frühere (geschiedene oder vorverstorbene) Ehegatten und nicht eheliche Partner ohne Trauschein nicht vergessen werden. Kennzeichnen Sie zunächst diejenigen Personen, die Ihren Nachlass, Anteile hiervon oder bestimmte Nachlassgegenstände erhalten sollen. Vermerken Sie außerdem, wer definitiv nichts von Ihrem Vermögen bekommen soll.

Ob die Regelungen der gesetzlichen Erbfolge ausreichend sind oder ob Sie ein Testament benötigen, sollten Sie auf jeden Fall überprüfen. Ein solcher Stammbaum kann Ihnen dabei eine große Hilfe sein. Auch die Checklisten zu Ihren Angehörigen, Ihrem Vermögen und bereits vorhandenen Vorsorgeregelungen am Ende dieses Kapitels sollten für Ihre Überlegungen nützlich sein.

Nachteile der gesetzlichen Erbfolge

Ohne testamentarische Regelung der Erbfolge entsteht in der Regel zwischen dem überlebenden Ehepartner und den Verwandten des Erblassers kraft Gesetz eine Erbengemeinschaft.

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9Achtung

Das Recht der Erbengemeinschaft ist so kompliziert, dass jeder Miterbe dem anderen das Leben schwer machen, ihn schikanieren, ja blockieren kann.

Typische Nachteile der gesetzlichen Erbfolge

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Achtung

Soll ein Haus oder eine Eigentumswohnung renoviert werden, müssen alle Erben einen Teil der Kosten übernehmen. Verfügt eines der Kinder nicht über ausreichend finanzielle Mittel, müssen oftmals notwendige Renovierungsarbeiten unterbleiben. Kann oder will der überlebende Ehegatte nicht mit eigenen Mitteln in Vorleistung treten, besteht die Gefahr, dass die Substanz der Immobilie geschädigt wird.

11Beispiel

Verfügt der überlebende Ehegatte nicht über ausreichend Barmittel, muss er unter Umständen ein Darlehen aufnehmen. Neben den ohnehin anfallenden Hauskosten muss er dann auch noch die Kosten für Zins und Tilgung tragen. Dadurch werden oft die finanziellen Mittel für den persönlichen Unterhalt des überlebenden Ehegatten verringert. Gelingt es ihm nicht, die notwendigen Barmittel zu beschaffen, droht die Teilungsversteigerung, bei der oft nur 50 bis 70 Prozent des Verkehrswertes erzielt werden.

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Achtung

Die Nachteile der gesetzlichen Erbfolge können Sie nur vermeiden, indem Sie durch ein klar formuliertes Testament vorsorgen. Ein Fachanwalt für Erbrecht kann für Sie prüfen, ob die gesetzliche Erbfolge Ihren Wünschen und Vorstellungen entspricht, ggf. kann er Ihnen auch Vorschläge für ein Testament formulieren. Besonders bei komplexen Vermögensverhältnissen sind Sie so auf der sicheren Seite.

12Für wen ist ein Testament unverzichtbar?

In vielen Situationen entstehen beim Eingreifen der gesetzlichen Erbfolge Probleme, Versorgungslücken und nicht selten auch Steuernachteile. Die folgende Checkliste zeigt Ihnen, in welchen familiären Konstellationen Sie auf die Errichtung eines Testamentes nicht verzichten sollten.

Checkliste „Brauche ich ein Testament?“

Bei gesetzlicher Erbfolge würde eine Erbengemeinschaft zwischen Ihrem Ehegatten und Ihren Kindern entstehen?

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Sie haben Kinder aus erster Ehe?

Sie haben nicht eheliche Kinder?

Sie möchten für ein behindertes Kind vorsorgen?

Sie haben ein minderjähriges Kind?

Ihr Kind ist überschuldet?

Ihr Nachlass soll nicht an Schwiegerkinder fallen?

Sie sind nicht verheiratet oder haben keine Kinder?

Sie sind verwitwet oder geschieden?

Sie leben in einer Partnerschaft ohne Trauschein?

Sie möchten ein Familienmitglied für besondere Leistungen (Pflege oder Unterstützung beim Hausbau) belohnen?

Sie möchten zu Lebzeiten vorgenommene Schenkungen ausgleichen?

Sie oder ein Familienmitglied haben eine ausländische Staatsangehörigkeit?

13Sie haben Vermögen im Ausland?

Zu Ihrem Vermögen gehören Anteile an Personen- oder Kapitalgesellschaften?

Zu Ihrem Vermögen gehört ein Betrieb oder Unternehmen?

Sie möchten Ihren Nachlass oder Teile davon karitativen, wissenschaftlichen oder künstlerischen Einrichtungen zuwenden?

Das regelt die gesetzliche Erbfolge

Wenn kein Testament oder Erbvertrag errichtet wurde, regelt der Gesetzgeber, wer im Todesfall Erbe wird. Juristen sprechen hier von der sogenannten gesetzlichen Erbfolge. Diese ist in den Paragraphen 1924 bis 1936 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geregelt. Im Einzelnen wird hier die Erbfolge durch Blutsverwandtschaft, Ehe-und Lebenspartner sowie durch den Staat bestimmt – wie gesagt, nur für den Fall, dass keine gültige letztwillige Verfügung vorliegt.

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Achtung

Das Gesetz kennt bei der gesetzlichen Erbfolge keine Ausnahmeregelungen. Wenn der Verstorbene ein Testament erstellen wollte, dies jedoch nicht mehr umgesetzt hat, bestimmt der Gesetzgeber die Erben, ohne Rücksicht auf die Wünsche und mündlichen Äußerungen des Erblassers.

14Beispiel

Der verwitwete Herr Ernst hat zwei Söhne. Mit Sohn Stefan ist er zerstritten. Er will deshalb den anderen Sohn Anton zum Alleinerben einsetzen. Bevor Herr Ernst sein Testament erstellen kann, verstirbt er. Miterben zu je ½ werden seine beiden Söhne. Der tatsächliche Wille von Herrn Ernst wird also bei gesetzlicher Erbfolge nicht beachtet.

Gesetzliches Erbrecht der Verwandten

Ohne letztwillige Verfügung (Testament oder Erbvertrag) und ohne Ehepartner geht das gesamte Vermögen des Verstorbenen an dessen Verwandte.

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Praxis-Tipp

Ist der Erblasser verheiratet, beeinflussen der Güterstand der Ehe und die Anzahl der Kinder die einzelnen Erbquoten der Erben.

Das Gesetz unterscheidet bei der gesetzlichen Erbfolge nach dem Grad der Verwandtschaft. Die Verwandten werden in vier sogenannte Ordnungen unterteilt.

Je näher ein Verwandter mit dem Erblasser verwandt ist, desto niedriger ist seine Ordnung. Ein Verwandter einer niedrigeren Ordnung schließt dabei Verwandte einer höheren Ordnung bei der gesetzlichen Erbfolge vom Erbe aus.

15Übersicht: Gesetzliches Erbrecht der Verwandten

Erben 1. Ordnung:

Abkömmlinge des Erblassers, d. h. die Kinder, Enkel, Urenkel, Ur-Urenkel

§ 1924 BGB

Erben 2. Ordnung:

Eltern und deren Abkömmlinge, d. h. die Geschwister, Neffen und Nichten, Großneffen und Großnichten des Erblassers

§ 1925 BGB

Erben 3. Ordnung:

Großeltern und deren Abkömmlinge, d. h. Onkel und Tanten, Cousins und Cousinen des Erblassers

§ 1926 BGB

Erben 4. Ordnung:

Urgroßeltern und deren Abkömmlinge

§ 1928 BGB

Erben 5. Ordnung:

Ur-Urgroßeltern und deren Abkömmlinge

§ 1929 BGB

16Beispiel

Der verwitwete Herr Mayer stirbt, ohne ein Testament zu hinterlassen. Als Verwandte sind nur noch sein Sohn Stefan (1. Ordnung) und seine Schwester Theresa (2. Ordnung) vorhanden. Gesetzlicher Erbe wird sein Sohn Stefan. Dieser ist Erbe der 1. Ordnung und schließt demnach Schwester Theresa aus der 2. und der somit höheren Ordnung aus.

Innerhalb der vier Ordnungen wird das Vermögen nach sogenannten Stämmen verteilt. Hinzu kommen ab der 2. Ordnung sogenannte Linien. Dies bedeutet, dass jedes Kind des Erblassers einen Stamm bildet. Jeder Stamm erhält bei der gesetzlichen Erbfolge den gleichen Erbanteil. Hieraus resultiert unter anderem, dass alle Kinder des Erblassers zu gleichen Teilen erben.

Beispiel

Der verwitwete Herr Mayer hat zwei Söhne und stirbt, ohne ein Testament zu hinterlassen. Jeder Sohn bildet einen Stamm. Alle Stämme erben zu gleichen Teilen. Gesetzliche Erben werden seine beiden Söhne zu je ½.

Innerhalb des einzelnen Stammes gilt das sogenannte Repräsentationsprinzip. Erbe wird, wer am nächsten mit dem Erblasser verwandt ist. Stirbt ein Repräsentant vor dem Erblasser, so rücken die Abkömmlinge des Repräsentanten an dessen Stelle nach.

Beispiel

Der verwitwete Herr Mayer hat zwei Söhne und stirbt, ohne ein Testament zu hinterlassen. Gesetzliche Erben werden beide Söhne zu gleichen Teilen. Sohn Stefan ist vor Herrn Mayer verstorben. Somit rücken aufgrund des Repräsentationsprinzips dessen beide Kinder, Lisa und Paul, an Stelle des vorverstorbenen Sohnes Stefan nach.

Linien gibt es erst ab der 2. Ordnung. Dort bilden die Mutter und der Vater – die Eltern – des Erblassers jeweils eine Linie. Die Geschwister des Erblassers bilden dabei wiederum Stämme. Auch hier gilt somit wieder das Repräsentationsprinzip. In der 3. Ordnung bildet jedes der beiden Großelternpaare des Erblassers eine Linie. Somit sind dort vier Linien vorhanden.

17Die Erbenordnungen