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ISBN 978-3-417-22672-0 (E-Book)

ISBN 978-3-417-26548-4 (lieferbare Buchausgabe)

Es heißt, dass jede graue Taube,
die zu dem Schwarm dazukommt,
im Laufe von vierzig Tagen weiße Federn bekommt.
Asne Seierstad
(aus „Der Buchhändler aus Kabul. Eine Familiengeschichte“)

Für Annette und Gerlint

wahre Schwestern
Frauen
über 40 Jahre
Gottvertrauen

INHALT

Inhalt

Vorwort

Tag 1

Am Anfang: das große göttliche Ja!

Tag 2

Die Größte: die Liebe!

Tag 3

Gott: viele Bilder und Namen.

Tag 4

Du: Tochter.

Tag 5

Dein Name: ruft dich.

Tag 6

Gebet: wie in jeder Beziehung.

Tag 7

Sonntag: Grund zum Feiern.

Zwischenruf I

Spiritualität

Tag 8

Christin: wegen Christus.

Tag 9

Rhythmus: durch die Kirchen-Jahres-Zeiten.

Tag 10

Diese Welt: anvertraute Größe.

Tag 11

Singen: täglich ein paar Strophen.

Tag 12

Grundstimmung: Freude.

Zwischenruf II

Mein Psalm

Tag 13

Rituale: wieder-holen, was fehlt.

Tag 14

Die Bibel: eine Stimme, die mitsprechen darf.

Tag 15

Advent: die Schönheit des Wartens.

Tag 16

Träume: deine Zukunft.

Tag 17

Passion: die große Leidenschaft.

Tag 18

Fasten: freiwillig verzichten.

Tag 19

Orte: verbunden mit Geschichten.

Tag 20

Weihnachten & Ostern: das Unglaublichste des Glaubens.

Zwischenruf III

Credo, ich glaube

Tag 21

Tischgebet: dankbar essen.

Tag 22

Anspruch: absolut, tolerant

Tag 23

Schlafen: gut.

Tag 24

Leiden: Warum?

Tag 25

Mitbestimmen: mit deiner Stimme.

Zwischenruf IV

Glaube ist Veränderung.

Tag 26

Auferweckungs-Energie: stärker als Gewohnheits-Energie.

Tag 27

Verzeihen: dass es nicht mehr wehtut.

Tag 28

Pfingsten: von Begeisterung besucht.

Tag 29

Heilig: Raum für dich.

Tag 30

Danken: Du wirst staunen.

Tag 31

Sünde: die Lücke, die schmerzt.

Tag 32

Abendmahl: deine Verwandlung.

Zwischenruf V

Der vierfache Pfad des Meisters Jesus.

Tag 33

Gemeinschaft: zu etwas Größerem gehören.

Tag 34

Gastfreundschaft: göttlichen Besuch empfangen. 94

Tag 35

Spenden: etwas von dir verschenken.

Tag 36

Mission: teilen, was wir lieben.

Tag 37

Freiheit: die mich meint.

Tag 38

Fürbitte: die Gleichgültigkeit schmilzt.

Tag 39

Übergänge: bewusst begrüßen.

Tag 40

Segen: loben und Gutes aussprechen.

Vorwort

Weiße Tauben sind Zeichen für Frieden und Hoffnung. Vierzig Tage lang regnete es sintflutartig auf die Erde. Als Noah am Ende eine weiße Taube fliegen lässt und sie mit einem frischen Olivenzweig zu seiner Arche zurückkehrt, kehrt auch die Zukunft zurück. Vierzig Tage sind in vielen spirituellen Traditionen eine besondere Zeitspanne. Mose fastete vierzig Tage auf einem Berg, bevor Gott ihm die Zehn Gebote anvertraute. Jesus fastete vierzig Tage lang in der Wüste; danach konnte er sich der Wüste in den Herzen der Menschen zuwenden. Auch von Buddha wird erzählt, dass er vierzig Tage lang in der Einsamkeit lebte.

Diese vierzig Tage dienen der Vorbereitung, beleben die Sehnsucht, verändern uns. Die Fastenzeit vor dem großen Osterfest dauert vierzig Tage lang – das Christentum bedenkt die letzte Wegstrecke von Jesus von Nazareth. Der auferweckte Christus zeigte sich nach Ostern vierzig Tage lang seinen Vertrauten, bevor er sich in einer Himmelfahrt verabschiedete.

Eine Legende erzählt, dass ein Schwarm weißer Tauben eine graue Taube nach vierzig Tagen so verändert, dass sie ebenfalls weiß geworden ist. Vierzig Tage, um selbst ein Zeichen des Friedens zu werden. Ich mag diese Idee sehr! Und ich verbinde mit ihr und diesem Buch einen Wunsch: dass du, liebe Leserin, dir vierzig Tage Zeit gönnst, um dich gründlich mit Hoffnung zu umgeben. Dass du erlebst, wie das Grau der Seele sich dabei selbst in Hoffnung verwandelt.

Liebe, Licht und Leichtigkeit sind die Kräfte, die Zukunft ermöglichen. Dieses Buch lädt dazu ein, dich ihnen vierzig Tage lang anzuvertrauen. Das ist ein Experiment! Eine Art Reise nach innen. In dein eigenes Herz und ins Herz des christlichen Glaubens. Diese vierzig Impulse aufzunehmen ist sehr persönliche Seelenarbeit.

Dieses Buch streift eine Vielfalt von Themen: zum Beispiel Liebe, Gottesbilder, Schöpfung, Veränderung, Segen und Trostkraft. Es bietet unterschiedliche Anregungen, den Glauben im Alltag zu erfahren – durch Gebet, die Bibel, Musik, Fasten, Feiern und Schweigen.

Willkommen, wer auch immer du bist. Was auch immer du glaubst. Wo auch immer du dich befindest auf deiner Lebensreise. Ob du dich dem christlichen Glauben zum ersten Mal näherst oder neue Seiten an ihm entdecken willst.

Tag 1

Am Anfang: das große göttliche Ja!

Am Anfang hatte Gott eine wunderschöne Idee und erfand ein komplexes Gebilde aus Wasser, Sauerstoff, Chlorophyll, aus Wolken, Luft und Winden, Meeren und viel Grün. Gott rief die Jahreszeiten ins Dasein und die Wasserfälle. Berge wie den Kilimandscharo, Seen wie den Lago Maggiore, Flüsse wie den Nil, dazu die Sahara, das Kap der Guten Hoffnung, die Toskana, die Ostsee und das Ruhrgebiet. Dazu Elefanten, Delfine, Rotkehlchen, Schneeleoparden. Dazu das Blau, Türkis, Rosarot und Honiggelb. Himbeeren, Zimt, Pfirsiche, Kaffeebohnen, Rosen und Freesien.

Die Bibel erzählt auf ihren ersten Seiten davon, dass diese Welt Gottes Idee ist. Die Schöpfungsgeschichte, ein alter und berühmter Text der Weltliteratur, ist kein wissenschaftlicher Text, sondern vielmehr ein Gedicht, eine heilige Liebeserklärung. Sie sagt: Die Welt ist nicht zufällig entstanden, einfach so, aus sich heraus. Sie ist nicht vom Himmel gefallen (nachzulesen im ersten Buch der Bibel „Genesis“ oder „1. Mose“ in Kapitel 1 und Kapitel 2, Verse 1-4).

An Schöpfung zu glauben bedeutet nicht, die Erkenntnisse der Wissenschaft zu leugnen, Entwicklung zu verneinen oder die Erfindungen der Menschen zu schmälern. Es bedeutet, zu vertrauen, dass alles Leben göttlichem Sinn entsprungen ist. Dass Gott der Ursprung ist und Gott diese Erde segnend schuf, zum Guten. „Ex amore“, sagten die Kirchenväter, aus Liebe wurde die Welt geschaffen.

Und Gott wollte diese wundervolle, bunte Welt teilen. Aus Sehnsucht, die Welt zu teilen, entstand der Mensch – Mann und Frau, Familie Mensch mit ihren Kindern, ihren Sprachen, Farben und Kulturen. Gott will nicht für sich alleine Gott sein. Gott ist Schöpfer, kreativ, einfallsreich, Gott in Beziehung zu dieser Welt, Gegenüber der Menschen. Und das bedeutet: Auch du bist nicht nur zufällig hier, sondern du wurdest ins Leben geliebt! Gottes Geschichte mit dir reicht weit zurück. Denn Gott ist der Ursprung und Anfang von allem. Du bist gewollt, liebevoll geplant, erwünscht.

Ich glaube, dass Gott uns beschenken möchte. Uns begegnen, berühren, inspirieren, beseelen. Ich glaube, dass Gott sich mitteilt. Auf verschiedene Weise. Zum Beispiel durch die Schönheit der Schöpfung, die mich zum Staunen bringt. Oder durch Musik und durch andere Menschen. Weil Gott nicht stumm ist, sich nicht zurückgezogen hat, sondern uns sucht. Du bist nicht alleine. Du bist geliebt.

Am Anfang steht das große göttliche Ja! Gottes Ja zu dir. Die Einladung heißt: Wer auch immer du bist, was auch immer du glaubst, wo auch immer du dich befindest auf deiner Lebensreise – du bist willkommen.

Gebet

Gott, Ursprung von allem,

danke für dein großes Ja.

Danke, dass du das Leben beginnst.

Immer wieder und in mir.

Du hast mich ins Leben geliebt.

Ich möchte das Leben lieben. Amen.

Tag 2

Die Größte: die Liebe!

„Drei Farben: Blau“ (von Krzysztof Kie´slowski und mit Juliette Binoche in der Hauptrolle), einer meiner Lieblingsfilme, erzählt von Julie, die ihren Mann und ihr Kind verliert. Sie taucht ab in ihre Trauer, erst im Schock, dann im ohnmächtigen Zorn, dann lebensmüde. Im Film taucht sie immer wieder ins Wasser, in einem tiefen blauen Schwimmbecken. Wird sie jemals wieder auftauchen? Der Blues, ihr Schmerz, der Verlust gehen beim Zuschauen nah. Julies Mann war ein bekannter Komponist, aber die Notationen landen alle im Müll. Julie versucht zu vergessen. Immer banger fragt man sich, ob sie es schaffen wird, Zukunft zu finden, oder ob sie in der Vergangenheit hängen bleibt. Einen ganzen Film lang zittert man mit, ob sie die Kraft finden wird, weiterzuleben. Bis sie sich allmählich dazu entschließt, die Arbeit ihres Mannes weiterzuführen. Die Arbeit seiner Komposition, eine Vertonung des Hohen Liedes der Liebe aus dem 13. Kapitel des 1. Korintherbriefes, auch ein großer Text der Weltliteratur:

Die Liebe hat einen langen Atem und sie ist zuverlässig.

Sie ist nicht eifersüchtig. Sie spielt sich nicht auf.

Sie handelt nicht respektlos und sie ist nicht egoistisch.

Die Liebe wird nicht jähzornig und ist nicht nachtragend.

Wo Unrecht geschieht, freut sie sich nicht,

vielmehr freut sie sich an der Wahrheit.

Sie ist fähig zu schweigen und zu vertrauen,

sie hofft mit Ausdauer und Widerstandskraft.

Die Liebe gibt niemals auf.

Die Liebe ist das Herz des christlichen Glaubens. Sie ist Gottes innerstes Wesen. Der Grund der Welt und ihr Ziel. Sie bestimmt daher die Grundstimmung des Gottvertrauens. Sie ist der große Zuspruch. Du bist geliebt!

Und die Liebe ist das höchste Gebot, der höchste Anspruch. Sie gibt dem Handeln, der Ethik, dem Gewissen das wichtigste Kriterium. Du sollst lieben.

Ich glaube, dass wir geschaffen wurden, um in Beziehung zu leben, zu Gott, zu unseren Nächsten, zu uns selbst. Wir alle können diese Beziehungen als nicht liebevoll erleben: Die Beziehung zu uns selbst kann zerstörerisch sein, die Beziehung zu Gott dunkel und fragwürdig, die Beziehung zu anderen enttäuschend, ja sogar feindlich. Aber Gott sagt uns nicht einfach so, dass wir lieben sollen. Gott liebt uns. Und traut uns die Liebe zu.

Gott vertraut uns, dass wir lieben können. Gott kümmert sich um uns und darum, dass wir lieben. Man könnte sagen: Gott liebt uns in die Liebe. Ja, ich bin überzeugt: Gott ist ein Gott der Liebe, sehnt sich nach Beziehung, schafft und erneuert die Beziehung zwischen uns und sich. Ich glaube, dass Gott die Nähe zu uns sucht. Nicht zufrieden wäre damit, alleine für sich Gott zu sein. Und wir sind es auch nicht: Wir brauchen diese ewige Liebe zu unserem Heil.

Gebet

Gott, ich nenne dich ewiges Glück,

Liebe meines Lebens, unendliche Kraft. Amen.

Tag 3

Gott: viele Bilder und Namen.

Wir sprechen von Gott in Bildern. Die Bibel tut es in besonderer Weise. Sie ist auch meine Inspirationsquelle für das Reden von Gott. Auf der einen Seite erhebt die Bibel Einspruch gegen das Bildermachen. Mit dem sogenannten Bilderverbot, unmissverständlich klar: „Du sollst dir nicht ein Bild von Gott machen!“

Andererseits redet genau diese Bibel ständig in Bildern von Gott, in Vergleichen. Ja, es ist geradezu typisch für die Bibel, dass sie besonders bildhaft ist. Gott ist wie Licht, wie ein Fels, ein König, wie ein Hirte, eine Quelle, wie ein Vater, wie eine Mutter. Gott ist allmächtig, ewig, heilig, wie ein Freund, ist der Friede, wie eine Hebamme, Heiland, Hilfe, ein großer Künstler, Lehrer, Leben, Kraft, Gott ist „Ha-Maqom“, der Ort, „Schechina“, die Gegenwart, „Jahwe“, der war, ist und bleibt, „Dein Immerda!“. Im Judentum nicht auszusprechen, so heilig. Daher wird „Adonaj“ gesagt, wo JHWH steht, übersetzt heißt das HERR. Viele gläubige Jüdinnen und Juden sagen: Ha-Schem (der Name). Der Name ohne Bild … Gott ist wie eine Burg, wie ein Löwe, ein Adler oder ein Gänsegeier. Gott ist Schutz, Stimme, Schöpfer, Tröster. Gott wird menschlich beschrieben. Kann zornig sein und Reue empfinden, strafen, lieben, zu Recht verhelfen oder ruht am Ende der Schöpfung von seiner Maloche, wie ein alter Gewerkschaftler.

Jesus, der die schönsten Geschichten vom Größten erzählen konnte, vergleicht ihn mit einem verreisten Hausbesitzer, einem ungeduldigen Richter, einem Geldverleiher, einem bedenkenlosen Unkrautzupfer, einem engagierten Hirten, einer glücklichen armen Frau, die ein Geldstück wiederfindet. Das sind alles Bilder, genauer gesagt Wort-Bilder.

Wir haben kein Foto von Gott. Schade? Gut so! Denn jedes Bild würde Gott festlegen. Eingrenzen. Niemand kann sagen „So ist Gott – mein Gott – und nicht anders – ich allein weiß es …“ Vor diesem vermeintlich allgemein-gültigen objektiven Festlegen soll Gott geschützt werden. Aber die Bibel ermutigt uns ausdrücklich dazu, Gott anzusprechen.

Wähle einen Namen für Gott, ein Bild, einen Vergleich, den du für dich stimmig findest. Vielleicht ist Gott wie ein liebevoller Vater für dich. Oder wie eine treue Mutter. Wie ein guter Freund oder eine verständnisvolle Freundin. Oder möchtest du einfach „du“ sagen? Du bist eingeladen, Gott anzusprechen.

Gebet

Schöpferkraft, Freund, Gott,

segne meine Seele.

Tröste mich, stärke mich, hülle mich in Güte. Amen.

Tag 4

Du: Tochter.

Wie sprichst du eigentlich über dich selbst? Wie über einen Menschen, den du magst? Achtest? Vielleicht sogar bewunderst? Wie über eine Person, auf die du stolz bist? Wie über eine Frau, die dich erfreut und glücklich macht?