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Mit 39 farbigen Abbildungen und einer Karte

Für meine Töchter Marijke und Raquel

Und für all jene, die ihre Träume und Ziele für absurd und unerreichbar halten – das sind sie nicht !

ISBN 978-3-492-97758-6

© Piper Verlag GmbH, München 2017

Karte : Eckehard Radehose, Schliersee

Litho : Lorenz & Zeller, Inning a. A.

Bildteilfotos : Brigid Wefelnberg, außer wenn Copyright direkt am Bild genannt wird

Innenteilfotos : Bild 1 Wüste: Brigid Wefelnberg; Bild 2

Laufbild: Vincent Kronental

Covergestaltung: Birgit Kohlhaas, kohlhaasbuchgestaltung.de

Covermotiv: Emanualle Molle/The LIWA Challenge, Abu Dhabi

Datenkonvertierung: Kösel Media GmbH, Krugzell

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Inhalt

DER ERSTE SCHRITT

Vorlauf

TransPyrenea

Der längste Ultramarathon der Welt

THE TRACK

Fünfhundertzwanzig Kilometer durch das Outback

Im Eingewöhnungscamp

Erste Etappe: Ellery Creek – Serpentine Chalet, 30 Kilometer

Zweite Etappe: Serpentine Chalet Dam – Finke River Camp, 41 Kilometer

Dritte Etappe: Finke River Camp – Hermannsburg, 41 Kilometer

Vierte Etappe: Hermannsburg – Boggy Hole, 47 Kilometer

Fünfte Etappe: Boggy Hole – Palmer River, 59 Kilometer

Sechste Etappe: Palmer River – Ernest Road, 58 Kilometer

Siebte Etappe: Ernest Road – Angas Downs, 64 Kilometer

Achte Etappe: Angas Downs – Mount Conner, 50 Kilometer

Neunte Etappe: Mount Conner – Uluru Ayers Rock, 130 Kilometer

Nach dem Lauf ist vor dem Lauf

Liste der Extremläufe

Dank

Für meine Töchter Marijke und Raquel

Und für all jene, die ihre Träume und Ziele für absurd und unerreichbar halten – das sind sie nicht!

Vorlauf

Noch nie war ich so aufgeregt vor einem Lauf wie vor diesem – knapp achthundertsiebzig Kilometer über die Pyrenäen. Und das nonstop in vierhundert Stunden, rund sechzehn Tagen. Die TransPyrenea war die größte Herausforderung meiner Laufbahn. Ich war bestens vorbereitet und hatte ausnahmsweise sogar gezielt trainiert. Normalerweise mache ich keine Trainingspläne. Ich laufe einfach, weil es auch so begann: Eines Tages lief ich einfach los im Schwarzwald und dann immer länger, immer weiter, und auf einmal war ich im Extremsport gelandet. Das hatte ich mir nicht vorgenommen, es lief wie von selbst. Weil mich das Laufen glücklich macht; die Grenzen, die ich überwinde, die Natur, die ich durchquere. Es ist ein bisschen so, als würde ich die Landschaften durch die extremen Bedingungen noch intensiver erfahren.

Bei der TransPyrenea würde ich allerdings häufig auf mein GPS blicken müssen. Es gab keine klare Route, den Weg zum Ziel musste ich mir selbst erarbeiten. Allein das Kartenmaterial nahm ausgelegt zwanzig Meter ein. Ich konnte mich aber nicht darauf verlassen, ideale Wetterbedingungen zum Navigieren per Karte vorzufinden. Was machst du bei einem Sturm, bei peitschendem Regen in der Dunkelheit? Da hilft dir das beste Kartenmaterial keinen Schritt weiter. Also GPS, wie es mittlerweile bei manchen Läufen Pflicht ist. Gerade in der Wüste, umgeben von Dünen, die alle gleich aussehen, hängt das Leben nicht am seidenen Faden, sondern am Leitstrahl. Da überprüft man seine Ersatzbatterien nicht bloß dreimal, eher sechsmal.

Ich bin ja noch ein bisschen »old-school«. Nach Karte zu laufen macht einen zusätzlichen Reiz für mich aus. Keine Markierungen, keine Streckenposten, die mir die Richtung weisen. Diese unglaubliche Stille, lediglich durchbrochen von meinem Atem und den Füßen auf der Erde. Erde! Die kann so unterschiedlich sein. Manchmal hart, dann moosweich, glatt, geröllig, steil, sandig, gefährlich, glitschig, felsig. Zuweilen brauchen die Füße Unterstützung von den Händen; es gibt Passagen, die sind nur auf allen vieren zu bewältigen. Oder mit Beinen, die bis zu den Schenkeln im Matsch stecken. Vor allem in der Wüste braucht es stellenweise sogar kräftigen Armeinsatz, denn um die hohen Sandberge zu erklimmen, muss man die Hände mit ausgestreckten Fingern regelrecht in die Dünen hauen.

Pro Jahr absolviere ich drei bis vier große Läufe und zusätzlich den 24-Stunden-Lauf für Kinderrechte in Freiburg, bei dem ich im Schnitt einhundertvierzig Kilometer erreiche. Da meine Läufe so kräftezehrend sind, trainiere ich nicht täglich, zumal ich »nebenbei« noch Vollzeit berufstätig bin, denn ich leite das deutsche Büro einer indischen Softwarefirma. Am Wochenende bin ich zuweilen acht Stunden auf meinen Läuferinnenbeinen. Dieses Training bringt mir wirklich etwas. Eine Stunde joggen am Morgen, darauf verzichte ich, da ich sozusagen in einer anderen Dimension laufe. Das heißt allerdings nicht, dass ich werktags ruhe, ganz im Gegenteil: Alltagstraining hat einen hohen Stellenwert bei mir, jedoch nicht, um meine Fitness zu steigern, sondern um ein gewisses Grundlevel zu bewahren. So nutze ich jede Gelegenheit, um mich zu bewegen. Rolltreppen und Fahrstühle ignoriere ich aus Prinzip.

Neulich erlebte ich wieder einen Klassiker: In einem Hotel, in dem ich zu einem Meeting verabredet war, fragte ich am Empfang nach der Treppe. Ein livrierter Mitarbeiter geleitete mich zu den Fahrstühlen. Als ich abermals um den Weg zur Treppe bat, schaute er mich an, als sei ich ein bisschen merkwürdig. Immerhin lagen neun Stockwerke vor mir. Und ich hatte eine große Tasche dabei, auf die der Mann dann auch deutete, kummervoll geradezu. Was für mich eine Freude ist, hätte für ihn eine Strafe bedeutet.

Bei solchen Begegnungen grinse ich meist in mich hinein. Ich finde es meinerseits ein bisschen verrückt, wenn Leute, die sehr wohl die Gelegenheit dazu hätten, sich den ganzen Tag nicht bewegen, an ihrem Arbeitsplatz nur den Lift benutzen, mit dem Auto auch Kurzstrecken fahren, aber abends in der Muckibude sporteln. Das wäre für mich Zeitverschwendung; ich kann das doch alles miteinander verbinden.

Gerade die Bewegung draußen macht mir unglaublich viel Spaß. Was man da alles mitkriegt! Das hat eine völlig andere Erlebnisdichte als auf dem Laufband im Fitnessstudio. Ich glaube, dass viele Menschen gar nicht mehr darüber nachdenken, sie wählen automatisch den komfortabelsten Weg, als gäbe es keine Alternative. Dabei fängt das Abenteuer gerade dann an, wenn man die Komfortzone verlässt. Man muss einfach nur beginnen – womit auch immer. Dann verpasst man auch nichts, ganz im Sinne des Journalisten Norman Cousins: »Der Tod ist nicht der größte Verlust im Leben. Der größte Verlust ist das, was in uns stirbt, während wir leben.«

Ich habe keinen Führerschein und wohne ein Stück außerhalb von Freiburg. Wenn ich in die Stadt will, nehme ich nicht den bequemsten Weg – Bus, Fahrrad, kürzeste Gehstrecke –, sondern suche mir den schwierigsten aus. Auf der einen Seite den Hausberg Roßkopf hinauf, auf der anderen Seite hinunter nach Ebnet. Das dauert dann nicht zwanzig Minuten wie mit dem Bus, sondern hundertzwanzig. Dafür komme ich schwungvoll an. Laufen macht gute Laune.

»Und was machst du, wenn du verschwitzt bei einem Termin auftauchst?«, werde ich manchmal gefragt. Nun, so schnell komme ich nicht ins Schwitzen. Ich bin ja keine Sprinterin, sondern eine Langstreckenläuferin. Und außerdem gibt es Rucksäcke, in die man Wechselklamotten stecken kann, ebenso wie High Heels. Vor einer Besprechung tausche ich dann die Laufschuhe gegen die Riemchensandaletten. Zu empfehlen sind ferner strategisch verteilte Bekannte. In Freiburg und Umgebung habe ich mittlerweile eine Reihe von Duschmöglichkeiten, falls ich doch mal ins Schwitzen geraten sollte und danach ein Geschäftstermin ansteht.

Als ich mich vor rund zehn Jahren zum ersten Mal auf einen Extremlauf vorbereitete, lief ich jeden Tag eine Distanz meines Arbeitswegs, achtzehn Kilometer. Mal zu Fuß in die Arbeit, mal nach Hause, im Rucksack stets die Wechselklamotten. Neben dem Firmensitz befand sich eine Polizeidienststelle, dort durfte ich freundlicherweise duschen und mich umziehen. Fremdduschen ist witzig, normalerweise kommt man ja nicht auf die Idee, bei Fremden oder Bekannten zu fragen, ob man deren Bad benutzen könne. Selbstverständlich habe ich stets ein Handtuch dabei. So autark wie möglich, das ist mein Motto. Zur Not tun’s auch Feuchttücher oder Babywaschlappen, die haben sich selbst in der Wüste bewährt! Nicht jede Frau, die im Drogeriemarkt vor den Babypflegeprodukten steht, verwendet diese laut Herstellerangaben!

Es freut mich, wenn ich in meinen Alltag viel Bewegung integrieren kann. Sollte ich mal mehr zu tragen haben, umso besser, das erhöht den Trainingseffekt, denn bei meinen Läufen schleppe ich auch alles, was ich benötige, auf dem Rücken. Da gibt es keinen Service, der das Gepäck von Camp zu Camp fährt, ja, oft gibt es nicht mal ein Camp, weil ich mein Lager spontan aufschlage, wenn ich wirklich eine Pause brauche. Zwischen dem Gefühl, eine Pause zu benötigen, und dem Moment, in dem man wirklich eine Pause braucht, liegen manchmal Dutzende von Kilometern.

In Freiburg werde ich öfter von netten Leuten angesprochen, wenn ich schwer bepackt durch die Stadt laufe. Warum ich nicht mit dem Bus führe? Ob sie mich mit dem Auto mitnehmen sollen? Viele von ihnen verstehen nicht, dass man freiwillig den anstrengenden Weg wählt. Ich verstehe nicht, wie man freiwillig den einfachen Weg wählen kann, weil ich dabei so viel verpassen würde. Selbst wenn ich nur vom Büro zur Bank möchte, nutze ich diese Strecke, um fit zu bleiben. Wenn mein Chef aus Indien in Deutschland ist und wir uns bei einem Termin treffen, lacht er gutmütig. Den Bewegungsdrang seiner Mitarbeiterin findet er »amazing«. So wie man sich an die Komfortzone gewöhnt, kann man sich auch an die Pfade rechts und links daneben gewöhnen, zumal sie einen an wundervolle Orte führen, die man sonst niemals gesehen hätte, ob mit oder ohne GPS.

Hinter Ultra beginnt das Extrem

Bei der TransPyrenea gehört das GPS zur Pflichtausrüstung. Erst kurz zuvor waren einige Wanderer auf der Strecke GR 10, Grand Raid, die zu großen Teilen vor mir lag, abgestürzt. Das Gelände ist steil und gefährlich, der Weg nicht gesichert, man muss vielerorts mit Steinschlag und Gerölllawinen rechnen. Nein, das war kein Spaziergang und auch kein Marathon, das war ein Lauf der Extreme.

Laut Definition beträgt die Distanz eines klassischen Marathons 42,195 Kilometer. Alles darüber hinaus wird als Ultramarathon bezeichnet, meistens Strecken zwischen fünfzig und einhundertsechzig Kilometern. Hinter Ultra beginnt das Extrem. Da bin ich zu Hause. Und deshalb war das härteste Rennen der Welt wie für mich gemacht.

Zum ersten Mal fühlte ich mich auch richtig frei, denn seit Kurzem wohnte keine meiner beiden Töchter mehr bei mir. Das ist schon ein Unterschied, ob man seinen Rucksack unter den kritischen Blicken seiner Kinder packt: »Mama, wozu brauchst du ein Schlangenbissset?«, und sich immer wieder fragt: Bin ich verantwortungslos? Was ist, wenn mir etwas zustößt? Ich will meine Kinder nicht zu Halbwaisen machen! Aber letztlich hat man das nicht in der Hand. Es kann einem überall etwas zustoßen. Ich gehe kein unnötiges Risiko ein, aber von übertriebener Vorsicht halte ich nichts.

»Du schaffst das«, sagt mein Freund vor jedem Wettkampf zu mir, und er weiß, wovon er spricht. Jürgen ist Ultraläufer, am liebsten im Gebirge. Ich bin Typ Extrem, Ausrichtung Wüste. Mein letzter Wüstenlauf lag fünf Monate zurück, und ich spürte, dass ich nach der TransPyrenea unbedingt mal wieder in die Wüste sollte, Sehnsucht nach Sand! Aber eigentlich hatte ich mir einen gewissen Sandvorrat erlaufen. Die offizielle Distanz bei der Liwa Challenge durch die Wüste in den Vereinigten Arabischen Emiraten an der Grenze zu Saudi-Arabien hätte normalerweise zweihundert Kilometer betragen, nonstop. Aber wenn man an der falschen Düne abbiegt, werden daraus schnell zweihundertzwanzig Kilometer. Es hatte dennoch zum zweiten Platz gereicht, den ich in zweiundsiebzig Stunden und neunzehn Minuten erlief, über die höchsten Dünen der Welt!

Geschlafen habe ich bei diesem Rennen dreimal eineinhalb Stunden. So etwas begeistert mich immer wieder: zu welch unglaublichen Leistungen der Mensch fähig ist. Oft wissen wir selbst nicht, was in uns steckt! Erst wenn wir es wagen, die Komfortzone zu verlassen und die Distanzen zu erweitern, entdecken wir das Wunder im Gleichschritt von Körper, Geist und Seele. Und dabei muss man sich nicht kasteien, quälen oder ein spartanisches Leben führen. Es ist alles eine Sache des Willens. Es gibt eigentlich nur eine einzige Schwierigkeit: den ersten Schritt.

Wanderern wird empfohlen, sechzig Tage für die Tour durch die Pyrenäen einzuplanen. Sechzehn Tage betrug das Limit für die rund zweihundertsiebzig Teilnehmer am Wettkampf, darunter ein Siebtel Frauen. Wie würde es mir konditionell ergehen in den Pyrenäen? Besser als zwei Jahren zuvor beim La Ultra – The High über die drei höchsten Pässe der Welt im indischen Himalaja? Bei diesem Lauf startete ich als einzige Frau und hatte wegen Höhenkrankheit aufgeben müssen. Ich schob diese Gedanken weit weg. Es zieht einen nur runter, wenn man an gescheiterte Touren denkt. Wobei ich manche Erinnerungen durchaus für wichtig halte, denn aus jedem Fehler lernt man.

Noch mehr habe ich aus meinen Erfolgen gelernt. Bei meinen mittlerweile über fünfzig Extremläufen verpasste ich erst zweimal das Finish. Ich motivierte mich also lieber mit dem Bhutan Ultra, bei dem ich 12 500 Höhenmeter überwunden hatte und gut ins Ziel gekommen war, obwohl ich unterwegs von einem Hund gebissen wurde und ins Krankenhaus musste beziehungsweise in ein Haus, das als solches bezeichnet wurde. Dass es keine Computer dort gab, störte mich weniger als die Vermutung, »steril« sei hier ein Fremdwort. Aber ich bekam, was ich brauchte: eine Impfung gegen Tollwut. Und so konnte ich weiterlaufen.

Meine größte Motivation stammte aus dem Vorjahr: The Track in Australien im Mai 2015, fünfhundertzwanzig Kilometer durch das Outback. Der Sprung von fünfhundertzwanzig auf achthundertsiebzig Kilometer ist nicht so groß, wie es der von meiner bisher längsten Distanz um die dreihundert Kilometer auf achthundertsiebzig gewesen wäre. Da ich The Track gut geschafft hatte, erschien es mir realistisch, auch bei der TransPyrenea durchs Ziel zu laufen. Und wenn ich The Track und die TransOmania addierte, bei der ich in neunundachtzig Stunden nur sechs Stunden geschlafen hatte – sonst hätte ich die dreihundert Kilometer nonstop durch die Wahiba-Wüste im Oman nicht geschafft –, ja, dann war ich doch bei den achthundertsiebzig Kilometern, die ich in den Beinen haben musste. Laufen stärkt nicht nur den Körper, sondern auch das Rechenvermögen!

Ich liebe meine Beine! Sie sind ein bisschen wie Helden für mich, sie sind so wunderbar und stark und tragen mich durchs Leben. Wie viele Abenteuer, Impressionen, wie viel Glück verdanke ich ihnen. Und dass sie mich immer ans Ziel gebracht haben. Ich sage oft Danke zu meinem ganzen Körper, weil er mir so viel Schönes ermöglicht.

Meine Beine müssen nicht aussehen wie die eines Models. »Stramme Wadl hat das Madl«, sagen die Bayern und sprechen mir aus der Seele. Wenn ich Frauen mit sehr schönen Beinen sehe, frage ich mich manchmal, ob ich mit ihnen tauschen würde. Die Antwort ist immer: Nein! Auch wenn meine Beine schon so unglaublich viele Kilometer draufhaben. Genau deshalb. Auf meine Beine kann ich mich verlassen. Die sind kein bisschen »abgelaufen«, sie funktionieren wie am Schnürchen. Und damit das so bleibt, trainiere ich schonend. Ich habe ja schließlich noch viel vor, wir haben noch viel vor, meine Beine und ich …

Warm- und Kaltduscher

Die Entbehrungen bei der TransPyrenea sind gewaltig. Ich musste damit rechnen, sechzehn Tage ohne Dusche auszukommen. Die Hygienebedingungen bei einem solchen Lauf sind für viele ein No-Go. Aber es ist ganz einfach: Entweder man trinkt das Wasser, das man dabeihat, und überlebt, oder man wäscht sich damit und stirbt. Da muss ich nicht lange überlegen, wie ich mich entscheide. Außerdem gibt es ja noch die Feuchttücher.

Den Läufern wird vorgeschrieben, zwei bis drei Liter Wasser mitzuführen, die man an jedem Checkpoint nachfüllen kann. Wenn man nicht an natürlichen Wasserquellen wie Bächen vorbeikommt, kann es schon mal knapp werden, denn die Checkpoints liegen vierzig bis sechzig Kilometer weit auseinander. Deshalb müssen die Läufer alles, was sie zum Überleben benötigen, bei sich tragen, auch Medikamente und Verbandsmaterial. Die Wasserflaschen und Micropur-Tabletten, um Wasser trinkbar zu machen, gehören zur Pflichtausrüstung. Bei jedem Lauf gibt es gewisse Dinge, die man vorzeigen muss, um teilnehmen zu dürfen. Bei der TransPyrenea sah die Pflichtausrüstungsliste folgendermaßen aus:

warme Jacke

Regenponcho

Schlafsack (Aluschlafsäcke sind verboten)

50 Wasserreinigungstabletten (Micropur) oder Filter

Trinkblase (Camelbak) oder Flaschen, Minimum zwei Liter

Rettungsdecke

Signalspiegel

Pfeife

zwei Stirnlampen und zwei Sätze Ersatzbatterien

zusätzlich zwei Sätze Ersatzbatterien in den Dropbags

Feuerzeug

Erste-Hilfe-Set

Klebepflaster, zwei Meter (zum Beispiel Elastoplast)

Kompass

Taschenmesser

Leuchtstab mit drei Ersatzbatterien (chemische Knicklichter sind verboten)

Handy mit eingespeicherten Telefonnummern der Organisatoren

Verpflegung, mindestens 6000 Kalorien (für drei Tage)

Mülltüte, die an den Checkpoints geleert und kontrolliert wird

Multifunktionsbecher

ausgedrucktes Roadbook

Startnummer

Kreditkarte und etwas Bargeld

In den Pyrenäen würde ich die Komfortzone weit hinter mir lassen nach dem Motto: »Adventure may hurt you, but monotony will kill you!« So ist das bei all meinen Extremläufen. Und ich liebe es! Nirgendwo fühle ich mich lebendiger, glücklicher als jenseits der Komfortzone. Dort beginnt für mich das pure Leben – und was ich unterwegs erfahre, hält lange an. Bis ich dann wieder aufbreche zu einem neuen Abenteuer außerhalb der Komfortzone. Das überwältigende Gefühl im Ziel entschädigt mich für alle Entbehrungen und Anstrengungen. Und die lieben wir ja, wir Extremläufer. Grenzen erfahren, ausloten, ausdehnen. Und weiter. Go, go, go!