Tatjana Kruse

Meerjungfrauen morden besser

Die K&K-Schwestern ermitteln

Insel Verlag

 
 
 
Für Captain Jack Sparrow

 
 
 
Zum Teufel mit den Torpedos ‒ volle Kraft voraus!

~ ‌Miss Marple

Worum's geht:

Tag eins

Der Amoklauf der bösen Heinzelmännchen

Wenn Amor den Pfeil aus dem Köcher holt, dann duck dich weg!

Schlachtplatte de luxe

O Käpt'n, mein Käpt'n!

Die Verrohung der Sitten bei den heutigen Jugendlichen, unter besonderer Berücksichtigung Spätpubertierender zwischen fünfundvierzig und neunundfünfzig

Tag zwei

»Fernweh ist mein Heimweh.« Der Kommodore

Phase eins: Irreführung der Staatsgewalt

Phase zwei: Nebelbomben auf die unmittelbar Betroffenen werfen

Phase zweieinhalb: Nebelbömbchen-Nachschlag

Phase drei: Vergiss den Saftsack nicht!

Die Konny, die Kriemhild, der Kater und die Urne

Wenn ich ein Vöglein wär, flög ich zu dir. Da ich kein Vöglein bin, trink ich ein Bier.

Tag drei

Abramakabra: Sesambrötchen!

Von Nacktkatern, Nacktmullen und anderen Nackedeis

Nacktmull ‘Heterocephalus glaber“

Nacktkater ‘felis nudus“

Es geht eine Nudel auf Reisen

Über Faultürme ‒ oder: Das dynamische Verhalten der mesophilen anaeroben Schlammstabilisierung in Hinblick auf die Verbesserung der Abwassersituation durch organische Reduktionsmittel

Rumtopf auf der Reeperbahn

Tag vier

Chuck Norris, der Schnabel des Todes

Gib Küsschen!

Der letzte Flug der Kanonenkugel

Warum es so wichtig ist, bei Enterhaken in rostfreien Stahl zu investieren …

Ein liebend Männerherz hat Platz für tausend Frauen

Rosen sind rot, Veilchen sind blau … au!

»Wer aber unter euch angezogen sei, der lebe.« Pterodaktylus 21,4

1001 Nudelvariationen für Anfänger und Fortgeschrittene

Dr. Clooney, bitte in die Notaufnahme!

Frogman ‒ ungeküsst unter Prinzessinnen

Meerjungfrauen morden besser

Hochwürden zieht den Stöpsel raus

nu mal butter bei die fische

All die Tage danach

Es ist nie ganz zu Ende …

Danksagungen

Soundtrack zum Buch

Mit an Bord

Tag eins

Der Amoklauf der bösen Heinzelmännchen

Der Kopf kullerte die drei Steinstufen hinunter ‒ plopp, plopp, plopp ‒ und landete im Kies am Fuß der Treppe, wo er knirschend auseinanderbrach.

Es war nicht das erste Mal, dass ein abgetrennter, malträtierter menschlicher Schädel vor dem Eingang der Bed-&-Breakfast-Pension zum Liegen kam. Aber dieser hier war wenigstens nicht echt.

Statt zu bluten, bröselte er.

Gipsbrösel.

Der Gipskopf stellte Vincent van Goghs Haupt in Originalgröße dar. Noch mit beiden Ohren.

Jemand hatte die Büste schnöde durch die offene Tür gekickt, bevor er sich daranmachte, die komplette Pension zu zerlegen.

Sie waren zu dritt, und sie kannten kein Pardon in ihrem Wüten ‒ wie King Kong, Godzilla und der unglaubliche Hulk, die nach der Einnahme enthemmender Psychopharmaka alles in Klein- und Kleinstteile zerlegten, was ihnen vor Augen kam.

Aber die drei waren nicht auf Drogen, und sie nahmen die Pension auch nicht sinnlos aus Jux und Dollerei auseinander. Sie suchten etwas. Und sie suchten es mit einer Gründlichkeit und Gewissenhaftigkeit, die einem unbeteiligten Beobachter fast schon wieder Respekt abgenötigt hätten.

Nichts, wirklich gar nichts im Haus blieb verschont.

Der Kleinste und Schmächtigste der drei riss die Tapeten von den Wänden, um zu sehen, ob sich irgendwo dahinter ein geheimer Tresor verbarg.

Der Mittelgroße mit der ausladenden Leibesmitte ratschte mit einem funkelnden Armeemesser sämtliche Kissen auf. Er tat es genüsslich. Daunen stoben.

Der Größte und Unheimlichste von ihnen, ein Zwei-Meter-Kerl, dessen rechte Hand keine Hand, sondern eine Eisenklaue war, zerlegte das Mobiliar. Nicht mit seiner Klaue, wohlgemerkt, die war auf Hochglanz gewienert und sollte kratzerfrei bleiben, sondern mit einem Hammer, den er in seiner Linken hielt. So eine Klaue ist nämlich teuer, und die Krankenkasse zahlt bei Fahrlässigkeit kein Ersatzteil.

Drinnen im Hausflur nahm die verheerende Demontage ihren Lauf.

In dem leerstehenden Haus hallten das Reißen, Ratschen und Hämmern besonders laut nach. Darum war es eigentlich verwunderlich, dass der Kleine, den sie Das Wiesel nannten, plötzlich innehielt und stutzte. Also … nicht dass er es tat, sondern weswegen.

»Habt ihr das auch gehört?«, rief er über seine Schulter.

»Was?«, erwiderte Hans Schenk, der mit dem Kugelbauch.

»Hä?«, donnerte die Eisenklaue. Genauer gesagt, nicht wirklich die Klaue, sondern der Mann, der an ihr dran hing.

»Da ist doch jemand!« Das Wiesel hob die Nase und schnupperte. Das vermittelte jetzt irgendwie den Eindruck, als könne das Wiesel mit seinen Nüstern hören. Aber er hatte nur eine Sommergrippe und kein Taschentuch dabei, und da half es, wenn er bisweilen den Kopf in den Nacken legte und die Nase mehrmals hintereinander rasch hochzog. »Ich habe ein Geräusch gehört! Von da unten.«

Die Blicke von Hans Schenk und der Eisenklaue folgten der Nase, die nach oben zeigte, nicht dem Zeigefinger des Wiesels, der nach unten in den Keller wies.

»Da unten, sag ich! Im Souterrain!« Er sprach es Suhterängg aus.

Die drei nahmen Aufstellung am Kopf der Treppe, die ins Untergeschoss führte.

»Wir haben doch alle wegfahren sehen. Es kann niemand mehr hier sein«, flüsterte Hans Schenk und lugte über seinen Bauch in den dunklen Schlund des Pensionskellers hinab.

»Wir sollten nachsehen.« Die Eisenklaue, die eigentlich Herbert hieß, in bestimmten Kreisen auch Enterhaken-Herbert, schaltete das Treppenlicht ein und grinste diabolisch. Es war allgemein bekannt, was er mit Männern machte, die versuchten, seine Pläne zu vereiteln. Diese Männer einte hinterher alle eine langgezogene Narbe quer über das Gesicht. Wie ein Burschenschafts-Schmiss, der höllisch schiefgegangen war. Manche hatten hinterher auch einen zweiten Scheitel. Oder ihnen fehlte ein Auge. Es ging jedenfalls nie gut aus.

Das Wiesel, die Eisenklaue und Hans Schenk stiegen die Treppe hinunter. Nicht knarzend, sondern lautlos, weil es sich um Steinstufen handelte. Man hätte sie nur atmen hören können. Aber es war ja niemand außer ihnen da, also konnte sie auch niemand hören.

Oder doch?

Unten angekommen, verharrten sie einen Moment.

Das Wiesel warf einen bedeutungsschwangeren Blick in die Runde und zeigte mit dem Kopf zum Kellerraum auf der rechten Seite. Die anderen beiden nickten. Hans Schenk hob sein Messer, Herbert seinen Enterhaken.

Das Wiesel versuchte, das Licht im Kellerraum einzuschalten, aber der Schalter klackte nur, ohne dass sich etwas tat.

Vorsichtig betraten sie den halbdunklen, nur vom Flurlicht illuminierten Raum. Der vollkommen leer war. Abgesehen von einem gigantischen Eichenholzschrank.

Der Schrank ‒ ausufernd mit Weinreben und anderen Holzschnitzereien verziert, wie man das in den Jahrhunderten vor dem puristischen Credo Form follows function eben so gemacht hatte ‒, also dieser Schrank sah ein wenig so aus, als hätten sie sich in ihrer Zerstörungswut schon an ihm vergangen. Die linke Tür hing nur noch lose in den Angeln, eins der Beine war durch ein Stück Brennholz ersetzt worden, die hintere Seite des Schrankes fehlte ganz. Aber etwas ‒ oder jemand ‒ schien sich im Innern des Schrankes zu befinden, in dem Teil hinter der rechten Tür, der sich ihren Blicken entzog.

Man hörte jetzt deutlich ein Atmen. Nein, kein Atmen. Mehr ein Röcheln. Quasi das Röchelatmen von Darth Vader.

Hans Schenk, das Wiesel und die Eisenklaue schlichen sich auf Zehenspitzen heran. Das Wiesel zog eine Handfeuerwaffe aus dem Holster unter seinem Sakko hervor. Nicht aus Besorgnis, sondern wegen des Überraschungseffekts. Wer immer sich im Schrank befand, war in der Unterzahl und hatte keine Chance. Er würde sein blaues Wunder erleben.

Direkt vor dem monströsen Eichenholzschrank angekommen, warteten sie kurz, bis sich ihre Augen einigermaßen an das Restlicht aus dem Flur gewöhnt hatten und sie wieder sehen konnten.

Das Wiesel nickte erneut. Enterhaken-Herbert legte seine Eisenklaue um den Knauf der noch funktionierenden Schranktür und zog die Tür mit einem Ruck auf. Sie knarzte und ächzte, und gleich darauf blickten die drei Männer ins Innere des Schrankes.

Das sich ihnen gähnend leer präsentierte.

Abgelenkt, wie sie waren, bemerkten sie erst kurz darauf, dass die Präsenz, die sie spürten, nicht aus dem Innern, sondern von der Decke des Schrankes kam. Sie hoben ihre Blicke.

Im ersten Moment erkannten sie nichts als ein türkisblau leuchtendes Augenpaar, das sie von oben herab anstarrte.

Böse anstarrte.

Es war ein nachgerade unheimliches Starren. Horrorfilm-unheimlich.

Dieses Etwas, was immer es war, hatte auf sie gewartet. Was doch eigentlich merkwürdig war. Da könnte man auch gleich sagen, der nordatlantische Meeresboden habe auf die Titanic gewartet. Als wüsste die Verdammnis schon vorab, dass die Verdammten im Anmarsch waren.

»Was zum …?«, fing das Wiesel an und fuchtelte mit seiner Waffe. Enterhaken-Herbert hob seine Eisenklaue.

Dann lachte Hans Schenk gackernd. Die anderen fielen mit ein.

»Das ist ja nur eine Katze. Großer Gott, noch dazu eine grottenhässliche Katze ‒ die hat ja gar kein Fell.« Er stellte sich auf Zehenspitzen. »Na, du hässliche Kreatur, leidest du an galoppierendem Haarausfall? Miez, miez, miez.«

»Blödes Vieh«, brummte das Wiesel. »Stech es ab, dann machen wir weiter.«

»Aber gerne doch!« Hans Schenk grinste und wollte nach dem Nacktkater greifen.

»Lass mich das machen.« Enterhaken-Herbert nahm mit seiner Klaue Anlauf. Er grinste fies.

»Sag adiós, Kätzchen!«