Autoreninfo
Gabriele Hamburger, geboren 1953 in Karlsruhe, ist verheiratet und lebt in Königswinter. Sie ist promovierte Juristin mit wissenschaftlichem Interesse an frühneuzeitlicher Geschichte. Zehn Jahre lang recherchierte und schrieb sie an ihrem Debütroman »Vanitas«.
Haupttitel
Gabriele Hamburger
Historischer Kriminalroman
Impressum
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Zweite verbesserte Auflage
© 2011, 2012 by CMZ-Verlag
An der Glasfachschule 48, 53359 Rheinbach
Tel. 02226-9126-26, Fax 02226-9126-27, info@cmz.de
Alle Rechte vorbehalten.
Umschlagbild:
Abraham Storck, Das Bonner Rheinufer mit dem Zollschloss (Ausschnitt), 1674; Öl auf Leinwand, 87 × 109 cm, Stadtmuseum Bonn
Umschlaggestaltung
(nach einem Entwurf von Raphaela Rutschke, Nersingen):
Lina C. Schwerin, Hamburg
eBook-Erstellung:
rübiarts, Reiskirchen
ISBN Paperback 978-3-87062-130-8
ISBN epub 978-3-87062-273-2
ISBN mobi 978-3-87062-274-9
20120429
www.cmz.de
Motto
Mein sind die Jahre nicht die mir die Zeit genommen/
Mein sind die Jahre nicht/ die etwa möchten kommen
Der Augenblick ist mein/ und nehm’ ich den in acht
So ist der mein/ der Jahr und Ewigkeit gemacht.
Andreas Gryphius (1616–1664)
April 1649
Mai 1649
Juni 1649
Juli 1649
August 1649
Oktober 1649
April 1650
Mai bis August 1650
Oktober 1650
Christmonat 1650
Juni 1651
Oktober 1651
Februar 1652
Mai 1652
Juni 1652
Juli 1652
November 1652
April 1653
Juni 1653
Juli und August 1653
Juni 1657
August 1657
September 1657
April 1658
Juni 1658
Juni 1659
Juli 1659
Oktober 1659
November 1659
Dezember 1659
März 1660
April 1660
Juni 1660
Oktober 1660 bis Mai 1661
Juni 1663
Mai 1664
September 1664
Oktober 1664
Februar 1665
März 1665
Juni 1665
Juli 1664
August 1665
September 1665
Oktober 1665
November 1665
Dezember 1665
Historischer Hintergrund
Historische Personen
Glossar
Danksagung
Man sagt: Die Zukunft jedes Menschen steht in den Sternen. Das mag stimmen. Aber warum soll Gott unser Schicksal in den Himmel schreiben? Wir sind aus der Erde gekommen und kehren auch wieder zu ihr zurück. Während alle Welt den Astrologen ehrfurchtsvoll Glauben schenkt, missachtet man die irdischen Zeichen des Allmächtigen wie auch oft genug das, was Herz und Gewissen uns sagen. Aber zu dieser Einsicht kam ich erst viele Jahre später, als Mord und Totschlag um mich herum mein Leben zerstörten, in dem ich bis dahin so manche Klippe glücklich umschifft hatte.
Nun, ich wurde im Sternbild des Stiers auf Burg Merhoffen, unweit der kurfürstlichen Residenzstadt Bonn, geboren. Es war der 26. April 1639 – ein Dienstag – und das Osterfest lag zwei Tage zurück, so sagte mir meine Mutter. Das Horoskop, auch Nativität genannt, das mein Vater neun Jahre später erstellen ließ, versprach mir zwar keinen Reichtum, aber Ansehen, eine gute Gesundheit, Kinder und eine leidliche Ehe.
»Eine Nativität, die auf jeden zutrifft«, murrte mein Vater.
Trotz seiner Skepsis gab er dem bekannten Astrologen Franciscus Agricola auf, auch für meinen ein Jahr jüngeren Bruder Philipp Leander die Zukunft vorauszusagen. Diese fiel weniger glückverheißend aus. Philipp, zart, mit träumenden graublauen Augen und über die Schultern reichendem Blondhaar, das meistens einen Teil seines Gesichtes bedeckte, ohne dass er sich allzu oft die Mühe machte, die Strähnen zur Seite zu streichen, Philipp werde – so sagte der Astrologe – erst spät zu einer Profession finden und – Agricola seufzte – ähnlich wie sein Bruder, in Geldnöte geraten, die aber Einkünfte aus einem geistlichen Amt halbwegs milderten. Ein langes Leben sei ihm gewiss, sofern er in nächster Zeit einige Krankheiten überstände; hier runzelte mein Vater die Stirne. Sofort beruhigte ihn der schmiegsame Mann mit Hilfe seiner Wissenschaft, der die Heiligen Drei Könige die christlichen Weihen verliehen hatten. Den Zeigefinger hebend verkündete er: Jupiters günstiger Einfluss sei zum Glück bestimmend. Auf unseren eichenen Esstisch legte er eine Zeichnung und erklärte, wie die Konstellation der Sterne in der Stunde der Geburt, die Tierkreiszeichen, Häuser, Konjunktionen, Mond- und Sonnenzeichen, Mars, Venus, Jupiter und Saturn ihn zu seinem Ergebnis geführt hätten.
Gebannt verfolgten Philipp und ich seine Rede. Meine Mutter hatte, wie sie später gestand, es bald aufgegeben, dem gelehrten Wirrwarr zu folgen. Sie war eine in sich gekehrte, hagere Frau, deren besonderer Schmuck ihr helles Engelshaar war, das sie modisch schulterlang trug. Ihrem Gatten überließ sie stets alle Entscheidungen über die »großen Sachen«, nämlich die über den Gang der Weltgeschichte und die Geheimnisse der Wissenschaften. Selbst in Fragen der Religion hielt sie sich zurück, obwohl sie sich oft mit frommen Schriften beschäftigte. Ihre Kräfte setzte sie ausschließlich nutzbringend ein. So schweiften ihre Gedanken ab, nachdem sich Herr Agricola in den Details verloren hatte. Mein Vater hingegen strich sich nachdenklich über den schmalen Knebelbart, der wie sein kastanienfarbenes welliges Haupthaar schon ergraute. Mir als Erben eines ansehnlichen Adelssitzes war der Lebensweg vorgezeichnet. Für Philipp, den Zweitgeborenen eines mit Gütern nicht übermäßig gesegneten Landedelmannes, bot die Kirche die bequemste Möglichkeit, ein standesgemäßes Leben zu führen. Alles war auch ohne Sterne vorhersehbar. So mochte der Lauf seiner Gedanken gewesen sein, während er, der dahinplätschernden Rede des Sterndeuters zuhörend, seinen weißen Spitzenkragen glatt zog. Agricola bemerkte das erlahmende Interesse seines wichtigsten Zuhörers und wendig beendete er seine Ausführungen: »In summa: Überraschende Gefahren können leicht den Kopf kosten. Wer’s Böse kennt, das ihn erwartet, ist gewappnet und braucht sich nicht zu fürchten.«
Meine Eltern brachten zwar der Astrologie ein gesundes Misstrauen entgegen, gleichwohl waren die Voraussagen für sie ein Hoffnungsanker, der sie getroster in die Zukunft blicken ließ. Sie hatten gefasst die Zeiten des Großen Krieges ertragen, den man schon bald nach dem Friedensschluss in Münster am 24. Oktober 1648 den Dreißigjährigen nannte. Klaglos erduldeten sie ihre sich verschlechternde wirtschaftliche Lage. Gottergeben nahmen sie den Verlust dreier ihrer acht Kinder hin. Der Tod meines Bruders Georg Heinrich, der im 16. Lebensjahr an der Bräune starb, war ein Schicksalsschlag, von dem sie sich kaum erholten. So glaubten sie gern an den rosigen Schein der angekündigten aussichtsreichen Zukunft ihrer beiden verbliebenen Stammhalter. Mein Bruder Maximilian zählte noch nicht. Einem Säugling drohten zu viele Gefahren, als dass man sein Herz allzu sehr an ihn hing. Ich jedoch baute fest auf die Voraussage. Bei wilden Spielen wagte ich nun mehr, da ich – laut der Prophezeiung – ja groß werden und heiraten sollte und keinesfalls vorher sterben konnte. Allerdings zeigte sich bald, dass auch mir die süßen Trauben nicht in den Mund wuchsen.