Lang von Langen, Stephanie Therapie auf vier Pfoten

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Für Eva

 

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Zitat

Gib einem Menschen einen Hund, und seine Seele wird gesund.

Hildegard von Bingen

Prolog: Lust auf einen Spaziergang mit uns?

Karl steht jeden Morgen um fünf Uhr auf, um es bis acht an seinen Arbeitsplatz zu schaffen, eine Caritas-Werkstatt in der Nähe seiner Wohnung. Der sechzigjährige rundliche Mann mit dichtem, noch immer dunklem Haar leidet seit vielen Jahren an einer Zwangsstörung. Es dauert Stunden, bis er seine Wohnung verlassen kann. Immer wieder muss er kontrollieren, ob der Herd ausgeschaltet, die Fenster verschlossen sind. Im Laufe seiner Erkrankung hat er zeitraubende Rituale entwickelt. »Hoffentlich schafft es Karl diesmal pünktlich«, seufzt eine Therapeutin, als wir vor dem Bus stehen, der uns zu einem Waldlehrpfad bringen soll.

Einmal im Jahr nehme ich mit meinen Therapiehundeteams am Betriebsausflug der Werkstatt teil. Jahr für Jahr warten wir bei der Abfahrt auf Karl, der sich auch heute verspätet. Karl legt sehr viel Wert auf tadellose Kleidung und pflegt übersteigerte Hygienevorstellungen. Ein kleiner Fleck auf der Hose kann ihn veranlassen, ausgiebig zu duschen, sich immer wieder einzuseifen und abzurubbeln. Im letzten Jahr haben wir vierzig Minuten gewartet. Wird Karl diesen Rekord brechen? Ja, aber anders als befürchtet: Wir starten mit einer Verspätung von nur siebzehn Minuten. Eine Therapeutin lobt Karl, deutet aber dennoch auf ihre Uhr.

»Entschuldigung«, murmelt Karl. Er ist ein freundlicher Mensch.

Jeder Mitarbeiter wählt sich am Parkplatz einen Hund aus – seinen persönlichen Begleiter auf der Wanderung. Karl zeigt auf einen Golden Retriever, weil er so schön sauber aussieht, und führt ihn stolz an der Leine. Das Frauchen des Golden Retrievers, eine ausgebildete Therapiehundeführerin, und ich gehen in einigem Abstand hinterher. Nach etwa einer Viertelstunde sehen wir schockstarr zu, wie sich der hübsche helle Sammie in ein Schlammloch am Wegesrand wirft, sich genüsslich wälzt und dann direkt vor Karl schüttelt. Nicht nur ein, zwei Flecken verunstalten Karls cremefarbene Hose – sie ist gesprenkelt. Fassungslos betrachtet er das Malheur. Die Zeit bleibt stehen. Was wird jetzt passieren? Wird Karl einen Nervenzusammenbruch bekommen?

»O je«, höre ich Karls Betreuerin in der Gruppe hinter mir seufzen. »Das ist eine Katastrophe. Jetzt können wir erst mal eine Stunde warten, bis Karl sich beruhigt hat. Womöglich geht er keinen Schritt weiter. Ich muss wahrscheinlich mit ihm zurück, er wird sich duschen und umziehen, und wir können froh sein, wenn wir bis zum Mittagessen wieder bei euch sind.«

Da hebt Karl mahnend den Zeigefinger, schaut Sammie streng an und sagt: »Das macht man nicht!«

Sammie schüttelt sich noch mal. Schlamm spritzt durch die Luft.

Und dann geschieht ein Wunder. Karl lacht. Schaut an sich herunter und lacht und lacht und ruft vergnügt: »Ich seh ja aus wie ein Gefleckter, wie ein Dalmatiner, ich gehöre jetzt zu den Hunden, wau wau!«

»Wow!«, entfährt es der Betreuerin.

Der Heiler im Hund

Darf der Hund auf die Couch oder nicht? An dieser Frage scheiden sich die Geister. Was Therapiehunde betrifft, ist der Fall eindeutig. Sie dürfen sogar in Betten, zum Beispiel in Krankenhäusern und Altenheimen, wo sie als befellte Therapeuten arbeiten. Damit sie ihren Patienten kein Hühnerbein vom Teller schnappen, passen Frauchen und Herrchen auf. Ein Therapiehund kann nur so gut sein wie das Team, und das besteht aus Hund und Mensch.

Fast jeder Hundefreund, überhaupt jeder Mensch, der mit Tieren lebt, weiß, welche wohltuende Ausstrahlung sie auf uns Menschen haben. Ihre Gegenwart tut einfach gut. Sie müssen gar nicht viel machen. Sie grunzen im Schlaf, und wir sind glücklich. Ich habe von Fischfreunden gehört, dass sie die schönsten Minuten des Tages vor der Glasscheibe des Aquariums verbringen, versunken in die Beobachtung der trägen Flossenschwünge. Fische wären mir persönlich zu »nackt«; ich hab es gern mit Fell und Federn. Oft tanke ich auf, wenn ich meine Hunde berühre; dafür genügen Sekunden. Auch meine Katzen und Hühner machen mich froh, wenngleich Letztere wenig Wert auf Kuscheln legen. Als Tierpsychologin, Hundetrainerin und Ausbilderin für Hundetrainer und Therapiehunde weiß ich, dass ich mir meine Entspannung nach dem Kontakt nicht einbilde. Tiere verbreiten Lebensfreude, aktivieren Selbstheilungskräfte, senken den Blutdruck, reduzieren Spannungszustände, entstressen. Und das, obwohl sie Zeit kosten, die man eigentlich nicht hat. So setzt man sich doch wieder hin, krault und schmust und redet blödes Zeug, bei dem man nicht belauscht werden möchte.

Unsere Haustiere strukturieren den Tag. Sie trösten einsame Menschen, locken sie raus auf die Straße und in die Natur mit einem ganz raffinierten Trick – indem sie vorgeben, dringend Gassi gehen zu müssen. Hunde führen Menschen aus der sozialen Isolation. Und wenn ein Tag, den man am liebsten nicht erlebt hätte, sich seinem Ende zuneigt und man seinem Hund erzählt, dass der Chef doof ist und man morgens am besten gar nicht aufgestanden wäre, und der Hund dann entweder bestätigend wedelt oder um diese Uhrzeit keine Sprechstunde mehr hat und einem die kalte Schulter zeigt … dann erkennt man schlagartig, was wirklich wichtig ist im Leben. Der Chef ist es jedenfalls nicht. Gibt der Hund mit seiner Ignoranz nicht sogar einen hervorragenden Tipp, wie wir mit dem cholerischen Chef umgehen sollten?

 

Auch wenn wir nicht mit ausgebildeten Therapiehunden in Kontakt sind, wirken Hunde therapeutisch – einfach durch ihr Wesen. Vielleicht leben deshalb so viele Menschen mit Hunden, und es werden immer mehr. Oft höre ich von meinen Klienten, dass die schönste Zeit des Tages die Gassirunde mit dem Hund sei. Endlich mal abschalten. Einfach nur da sein. So wie der Hund. Fast jeder Mensch, der einen Hund bei sich aufnimmt, berichtet nach einer Weile, wie der Hund sein Leben veränderte – auch wenn man davor schwor, alles würde beim Alten bleiben. Die Veränderung wird meist positiv wahrgenommen, obwohl viele das Gegenteil befürchteten: Mit einem Hund ist man ganz schön angehängt, da kann man nicht mehr spontan in den Urlaub fahren, man muss bei jedem Wetter raus, und das alles über einen langen Zeitraum, man verpflichtet sich für zehn, zwölf, fünfzehn Jahre. Spätestens nach einem Jahr heißt es dann: »Schon eins rum! Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie ich jemals ohne Hund gelebt habe!«

Auch ohne Therapieauftrag übernimmt ein Hund in seinem Ersatzrudel Menschenfamilie verschiedene Jobs. Es liegt in seiner Natur, dass er herausfindet, wo sein Platz in der Gruppe ist, da ein Hund immer im Sozialverband lebt. Das hat Auswirkungen auf alle Familienmitglieder. Ich staune oft, wenn ich die Jobbeschreibung mancher Hunde entschlüssle.

Da ist Balduin, an dem alle verzweifeln, weil er einfach nicht folgt. »Er hat nur Unsinn im Kopf.« Aber keiner aus der Familie schafft es, ihm böse zu sein. Der Vater depressiv, die Mutter überabeitet, der Sohn schweigsam und in sich gekehrt, aber sie alle lachen zusammen über die Unartigkeiten von Balduin, der im Dienste der Familienharmonie in die Clownsrolle geschlüpft ist.

Chino dagegen ist ein Musterschüler. In der Hundeschule wird er von anderen ein wenig neidischen Zweibeinern »Streber« genannt. Aber seit Chino bei seiner Familie wohnt, reden die Eheleute wieder miteinander. Sie hatten über die Jahre in ihrem eingespielten Alltag den Kontakt zueinander verloren; was soll man auch groß reden, wenn man seit über zwanzig Jahren zusammen ist. Was gibt’s zum Essen und was kommt im Fernsehen? Mit Chino hat sich das Programm geändert. Frauchen erzählt von ihren Erlebnissen in der Hundeschule und bei den Gassirunden und Herrchen von seinen Erfolgen beim samstäglichen Hundesport. Und ein paar neue Leute haben sie auch kennengelernt. Durch den Hund hat sich ihr Menschenrudel erweitert.

Wie bei Bellas Frauchen. Sie hat ebenfalls viele neue Leute kennengelernt, denn Bella ist lauffreudig, und die Mitarbeiter im Tierheim haben ihrem Frauchen ans Herz gelegt, Bella fleißig zu bewegen. Jahrelang hat Bellas Frauchen versucht abzunehmen. Nun ist sie schon zwölf Kilo leichter, und ihr Arzt hat neulich schmunzelnd festgestellt: »Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich Ihnen längst vorher einen Hund verordnet.«

Sabine hat den Hund von einer Freundin »verordnet« bekommen, nachdem ihr Mann einen tödlichen Herzinfarkt hatte. Mit Laika kam die Lebensfreude zurück, anfangs nur hin und wieder für ein paar Sekunden, dann länger. »Der Hund hat mich vor der Einsamkeit gerettet und vor dem vollständigen Rückzug in die Trauer«, sagt sie.

Die kleine Maja half ihren Menschen aus der Streitspirale heraus. Irgendwie hatte es sich bei dem jungen Paar eingebürgert, dass sie stritten, bis die Fetzen flogen. Kein Paartherapeut konnte helfen. Sie liebten sich, aber es ging hoch her. Die sensible Tierschutzhündin Maja vertrug diese lauten Auseinandersetzungen nicht, verkroch sich unter den Tisch und war sichtlich verstört. Sie schaffte es letztlich, dass ihre Menschen einen anderen Weg fanden, ihre überschüssigen Energien zu kanalisieren. Sie lernten, ruhig miteinander zu sprechen, und mussten nicht mehr zwanghaft streiten, wenn sie verschiedener Meinung waren.

 

Maja, Balduin, Bella und viele andere Hunde sind allesamt keine ausgebildeten Therapiehunde. Sie arbeiten undercover und ohne Therapieauftrag. Sie bewirken Gutes schlicht und einfach durch ihr Hundsein. Und manchmal, wenn zwei Hundebesitzer am Rand einer Wiese zusammenstehen, vertrauen sie sich das auch an: »Seit ich meine Laika habe, sind Wochenenden keine schlimmen Tage mehr für mich. Besonders der Sonntag war immer mein Horror. Jetzt freue ich mich darauf und unternehme einen besonders schönen Spaziergang, und es macht mir nichts aus, wenn wir überall Paare und Familien sehen. Ich fühle mich niemals einsam, ich bin ja auch eine Familie mit meiner Laika.«

Und Laika tobt mit Bella, und es ist den beiden ziemlich schnurz, wenn die Zweibeiner ihren Geheimnissen auf die Spur kommen. In einer repräsentativen Studie wurde festgestellt, dass die Gesundheit von Heimtierhaltern deutlich besser ist als die von tierlos Lebenden, die auch häufiger einen Arzt aufsuchen. Menschen, die ein Tier versorgen, achten besser auf sich, weil sie sich verantwortlich fühlen – so ähnlich wie Eltern. Sogar sehr kranken Menschen, die mit Haustieren leben und auf Hilfe angewiesen sind, ist es ein Anliegen und Antrieb, für ihre tierischen Mitbewohner da zu sein. Und das wiederum lenkt von der Krankheit ab und eröffnet neue Perspektiven.

 

Als Familienmitglieder sorgen Hunde nicht nur für Gesprächsstoff, sie fördern auch den Zusammenhalt. Durch ihr aufforderndes Wesen gelingt es ihnen, selbst lethargische Menschen zu motivieren. Sie hellen die Stimmung auf und schaffen es häufig, zu depressiven Menschen durchzudringen, die sonst keinen Anteil an ihrer Umwelt nehmen. Ihr oft heiteres Wesen hilft uns dabei, die guten Seiten des Lebens zu sehen; negative Erlebnisse verlieren an Bedeutung. So verwundert es nicht, dass zahlreiche Studien Hundebesitzer im Allgemeinen als zufriedener, gelassener, optimistischer, selbstbewusster und umgänglicher beschreiben. Es heißt sogar, dass sie auch bessere Ehen führen. Das kann ich nicht vorbehaltlos bestätigen, da ich in meiner Praxis auch mit Eifersucht auf den Hund konfrontiert bin.

Kein Wunder, dass Hundebesitzer mancherorts in einem etwas seltsamen Ruf stehen. Und sehen sie ihren Hunden nicht sogar ähnlich? Aber trotz mancher Vorbehalte gegen Hundebesitzer haben verschiedene Untersuchungen gezeigt, dass Menschen, die mit Hunden unterwegs sind, als vertrauenswürdiger beurteilt werden. In einem Experiment fragte ein weiblicher oder männlicher Proband fremde Menschen, ob sie ihm Geld geben könnten. In einem anderen Experiment sprach ein männlicher Proband fremde Frauen auf der Straße an und bat sie um ihre Telefonnummer. Wurden die Probanden in diesen und anderen Begegnungen von einem Hund begleitet, hatten sie mehr Erfolg. Aus der Sicht der Wissenschaftler weisen die Ergebnisse darauf hin, dass Hunde soziales Annäherungsverhalten unterstützen. Kurz: Menschen mit Hunden wird mehr Vertrauen beziehungsweise Sympathie entgegengebracht.

Und wie ist das mit der Liebe? Dass der Hund das Flirten erleichtert, liest man alle paar Monate in irgendeiner Zeitung. »Ooch, ist der süß«, ruft eine Frau und denkt dabei nicht nur an den Hund, sondern auch an das andere Ende der Leine. Und »die ist ja hübsch«, mag ein Mann loben und eigentlich das Frauchen meinen. Menschen mit Hund haben es leicht, mit anderen ins Gespräch zu kommen. Es gibt unzählige Situationen im Alltag, in denen der Hund uns, ohne dass wir es merken, auf die Sprünge hilft, uns beisteht, Zuversicht vermittelt, uns zum Lachen bringt, positiv stimmt, an die frische Luft lockt, erdet, an die Gegenwart erinnert. Und das alles, wie gesagt, ohne Therapieauftrag. Was unterscheidet eigentlich einen vier- vom zweibeinigen Therapeuten?

Der befellte Therapeut 

Viele Tiere, allen voran Hunde, zeigen Eigenschaften, die wir uns von einer guten Psychologin wünschen. Sie sind aufrichtig, einfühlsam und ehrlich. Sie hören ihrem Menschen vorurteilsfrei zu, ohne sich selbst mit ihren Meinungen und Interpretationen einzumischen. Sie sprechen wenig, beziehungsweise gar nicht, deshalb bewahren sie auch absolute Diskretion. Sie intervenieren nicht, sie sind einfach da und führen den »Patienten« allein durch ihre Anwesenheit zu Erkenntnissen. Im Gegensatz zu menschlichen Therapeuten ist Körperkontakt nicht verboten, sondern erlaubt und sogar erwünscht, weil er das Herz öffnet und über die Sinne Trost spendet, was im menschlichen Therapieumfeld zumindest ein Übergriff wäre. Zusammengefasst ist es ganz einfach: Tiere berühren uns im tiefsten Inneren. Und dort heilen sie.

Wenn ich es genauer beschreiben soll, gehen mir die Worte aus, und das ist auch gut so, denn was hier geschieht, findet jenseits von Worten statt. Es ist ein Herzenskontakt, eine Seelenbegegnung. Ein ganz besonderes Glück, das Tierfreunde kennen und lieben und das vielen als die intensivste Form von Lebensqualität gilt – eine artübergreifende Begegnung, aus der sich eine artübergreifende Beziehung entwickeln kann, bei der idealerweise der Hund nicht vermenschlicht wird. Menschen können an Hunden Beziehung üben.

Und das ist wichtig, denn die meisten psychischen Schwierigkeiten basieren auf Beziehungsproblemen, nicht nur mit aktuellen Partnern, sondern auch aus der frühen Kindheit. Die Eltern-Kind-Beziehung ist die Basis unseres Sozialverhaltens. Dass hier etwas schiefgelaufen ist, merkt man oft erst später – oder auch nicht, dann merken es vermutlich die anderen. Wenn der Leidensdruck zu hoch wird, sucht man sich Hilfe, je nach Weltanschauung bei der Therapeutin oder beim Schamanen. Und dabei geht man wieder eine Beziehung ein. Es besteht die Gefahr, und bei manchen Interventionen wird genau damit bewusst gearbeitet, dass die bekannten Schwierigkeiten auch diese Beziehung stören. Aber nun kann man sie gezielt bearbeiten und idealerweise lösen oder zumindest mildern.

Auch ein Tier geht mit uns eine Beziehung ein. Ähnlich wie der Therapeut stellt es keine Forderungen und gibt keine klugen Ratschläge. Es hört zu und ist urteilsfrei für uns da – ob Hund oder Wellensittich. Ein Gegenüber, das keinen Erwartungsdruck ausstrahlt, entspannt uns. Wir müssen nichts leisten. Wir dürfen einfach da sein, genau so, wie wir sind. Aus dieser unbeschwerten Freiheit heraus bauen wir eine gute Beziehung zum Tier auf, und das ist die Grundlage dafür, dass sich eine Situation im weiteren Verlauf verbessern kann. Besonders Kinder finden rasch Zugang zu Hunden, aber auch Erwachsenen erscheint die Interaktion mit Tieren oft weniger bedrohlich als mit Menschen. Ein Tier erinnert den Menschen nicht an Fehler, die er in der Vergangenheit gemacht hat, und bewertet seinen sozialen Status nicht. Das Gefühl, als ganzer Mensch angenommen zu sein, tut gut. Es steigert das Selbstbewusstsein und stärkt die Persönlichkeit.

 

Die fünfzehnjährige Sophia hinkte nach einem Fahrradunfall und nahm sich die Hänseleien mancher Schulkameraden sehr zu Herzen. Das Mädchen zog sich immer mehr zurück, tröstete sich mit Schokolade und hatte nun noch einen Grund, sich ausgeschlossen zu fühlen: Sie war anders. Behindert und dick. Und sehr, sehr einsam trotz ihres fürsorglichen Elternhauses. Nichts wünschte sie sich sehnlicher, als zu einer Clique zu gehören. Dann zog Ricco ein. Für den quirligen Mischling aus dem Tierheim war Sophia der tollste, schönste, beste, wunderbarste Zweibeiner der Welt, und das zeigte er ihr täglich mit seiner vorbehaltlosen Zuneigung und Begeisterung. Wann immer sie ihn auch nur ansah, wedelte die Rute, manchmal so schnell, dass es aussah, als würde er gleich abheben, in die Luft gehoben von seinem Rotor. »Weißt du, Stephanie«, sagte Sophia eines Tages zu mir, »jetzt vermisse ich die anderen gar nicht mehr. Außerdem habe ich neue Leute kennengelernt. Und die fragen mich, wie ich das geschafft habe, dass Ricco so viele Tricks kann.«

Ja, dafür hatte Sophia ein Händchen – aber auch einen überaus begabten Schüler. Im Trick-Training der Hundeschule galten die beiden als unangefochtene Champions.

Stofftiere 

Wir erfahren das Tier als ebenbürtiges Gegenüber, indem wir uns ihm zuwenden, es versorgen, füttern, ihm zuschauen, Anteil nehmen an seinen Lebensäußerungen. Die Qualität der Partnerschaft mit einem Tier ist in vielen Fällen nicht mehr von einer zwischenmenschlichen Beziehung zu unterscheiden. Wir kümmern uns um den anderen, ob Tier oder Mensch. Wir möchten, dass es ihm gut geht. Wir helfen ihm in der Not, wir sind für ihn da. Wenn er weg ist, fehlt etwas. Und dennoch sind wir uns natürlich darüber bewusst, dass ein Tier kein Mensch ist.

Als Kinder trennten wir dies nicht so klar, da konnten auch in Dingen beseelte Wesen stecken. Kinder leben in einer Welt, in der Gegenstände fühlen und sprechen. Die Kinderwelt ist voller Tiere, ja, mit ihnen beginnt die Sprache. Viele Kinder sagen bald nach Mama Miau und Wau-wau. In ihren Bilderbüchern und Zeichentrickfilmen tummeln sich unzählige Tiere. Diese sind klein wie sie selbst, und ihr Aktionsradius entspricht dem ihren: Sie krabbeln auch auf dem Boden herum. Tiere sind Freunde, die manchmal anderer Meinung sind als die Großen. Sie verständigen sich durch eine geheime Sprache und wissen oft mehr als die Großen, was die aber nicht merken. So stärken die Tierbilder auch das Selbstbewusstsein der Kinder. Wenn sie aus Stoff sind, können sie überall hin mitgenommen werden und trösten. Natürlich verleihen Kinder ihnen magische Eigenschaften. Sie können vielleicht fliegen und selbstverständlich reden – was allerdings nur die Kinder hören. Und sie behalten Geheimnisse für sich, sodass man dem kleinen Hasen schon mal einen großen Kummer anvertrauen kann. Und später dann dem Familienhund. Für Kinder sind auch lebendige Tiere mit magischen Eigenschaften gesegnet.

 

Trotz ihrer vielen positiven Auswirkungen auf den Menschen werden Tiere nicht verschrieben wie eine Verhaltenstherapie. Es gibt keinen Hund auf Rezept. Und natürlich helfen Tiere nicht bei allen und schon gar nicht bei ernsthaften Erkrankungen … oder doch? Aus unzähligen Geschichten weiß ich, dass auch sehr schwer kranke Menschen von ihren Hunden profitiert haben, die ihnen die Kraft gaben, eine Chemotherapie besser zu überstehen, ein hartes Schicksal ein bisschen leichter zu nehmen, ihre Verzweiflung zu vergessen oder sich trösten zu lassen von einer warmen Hundezunge, einem aufmerksamen Blick und weichem Fell. Das erklärt vielleicht auch, warum sich in wirtschaftlichen Krisenzeiten mehr Menschen Haustiere anschaffen, obwohl Tiere Geld kosten. Offenbar überwiegt der nicht-materielle Gewinn der Gegenwart eines Tieres. Das schwere Leben wird leichter, auch wenn man selbst dafür auf einiges verzichten muss. Es gibt viele in Not geratene Menschen, auch arme, die dennoch ein Haustier versorgen, das sie wiederum am Leben hält. Für manche von ihnen ist die Tiertafel ein Segen, weil sie dabei hilft, das Tier artgerecht und gesund zu ernähren. Es kommt ja nicht selten vor, dass ein Mensch am eigenen Essen spart, um sein geliebtes Haustier zu ernähren. So ist es leider kein Einzelfall, wenn eine Rentnerin gegen Ende des Monats von Kartoffeln lebt – Fleisch, wenn auch aus der Dose, bekommt nur der Dackel. Die Fürsorge ist ein ganz wesentlicher Faktor der Bindung vom Menschen an das Tier: Ich kümmere mich um dich, ich sorge für dich, ich habe eine Aufgabe, ich werde gebraucht, weil du mich brauchst. Und dann höre ich Sätze wie: »Ohne meinen Strolchi würde ich das alles ja gar nicht schaffen.« Die Dame, die dies zu mir sagte, ist schwer herzkrank. Auf den ersten Blick würde man meinen, dass Strolchi eine zusätzliche Belastung wäre. Doch das Gegenteil ist der Fall. Aber ist es so nicht oft? Das, wofür wir uns anstrengen, schenkt uns die größte Freude.

Hundetrost 

Häufig stärken uns Hunde den Rücken, wenn wir sie als Projektionsfläche für unsere eigenen Empfindungen betrachten. Wir beobachten den Hund und interpretieren sein Verhalten vor dem Hintergrund unserer momentanen Befindlichkeit. Das kennt jeder Hundehalter. Ein Beispiel: Wir treffen einen Bekannten, dem wir aus irgendeinem Grund gerade nicht so gern begegnen. Dennoch begrüßen wir ihn höflich, wir haben ja Manieren. Der Hund hingegen ignoriert den Bekannten oder, wie mir ein Klient berichtete, »hat ihn angeknurrt. Der Oskar weiß genau, dass der mir nicht wohlgesonnen ist und hinter meinem Rücken schlecht über mich spricht.«

Nun, das möchte ich bezweifeln. Gewiss ist jedoch, dass Oskar aus der Körperspannung seiner Menschen schließen kann, bei wem sich Herrchen wohlfühlt und wer Frauchen in Alarmbereitschaft versetzt. Und den knurrt Oskar solidarisch an.

Noch ein Beispiel: Seit dem Tod ihrer Mutter ist die fünfundvierzigjährige Katharina oft schwermütig. Ein Jahr lang hat sie die entsetzlich leidende Mutter gepflegt. Diese Zeit, so sagt sie selbst, hätte sie ohne ihren Freddie, einen selbst schon in die Jahre gekommenen Pudel, nicht überstanden. Wenn sie nun mit Freddie spazieren geht, denkt sie noch immer viel an ihre Mutter. Doch der Hund reißt sie wieder aus ihren dunklen Gedanken. Er bringt ein Stöckchen, stupst sie an, will ein Leckerchen, fordert ihre Aufmerksamkeit – und lockt sie in die Gegenwart. Katharina sagt: »Er will mir helfen.« Das möchte ich nicht ganz verneinen, vielleicht will Freddie das, doch in erster Linie zeigt er die für ihn rassetypischen Eigenschaften, die Katharina als Beistand interpretiert. Und das ist gut so.

 

Bei einem ausgebildeten Therapiehund »passieren« die Eigenschaften des Hundes nicht, sondern werden gezielt eingesetzt – und in vielen Fällen ist die tiergestützte Therapie ein Durchbruch auf dem Weg der Gesundung. Ich würde niemals behaupten, dass Tiere die besseren Ärzte sind, doch manchmal ist ihr Ansatz der bessere, vielleicht weil sie in gewisser Weise von Herz zu Herz kommunizieren – und wo sind wir empfänglicher als im Herzen?

Was würden die Hunde wohl sagen, wenn man sie fragte? Verrichten sie diesen Dienst am Menschen gern? Ich glaube: ja. Allerdings können sie uns längerfristig nur beistehen, wenn ihre Bedürfnisse erfüllt sind. Das gilt für den Familienhund wie für den Therapiehund. In meinem Buch Entspannt mit Hund – Mit den fünf Grundbedürfnissen des Hundes zur Dog-Life-Balance habe ich diese ausführlich beschrieben. Das Hund-Mensch-Team kann nur dann erfolgreich arbeiten, wenn sich beide wohlfühlen – miteinander und mit ihren Lebensumständen.

 

Bei Therapiehunden denken die meisten Menschen als Erstes an Blindenhunde. Sie sind im weitesten Sinne Assistenzhunde, auch Servicehunde genannt, und ermöglichen es Menschen mit Beeinträchtigungen, ein relativ normales Leben zu führen. Als vierbeinige Assistenten meistern sie mehr als hundert Aufgaben – sie bringen das Telefon, schalten Lichter an, öffnen Türen. Blindenhunde vollbringen sogar die Leistung, intelligent ungehorsam zu sein. Herrchen sagt Los!, Hund bleibt stehen – weil eine Gefahr droht, die Herrchen nicht sieht.

Therapiehunde, die Helden dieses Buches, verrichten andere Jobs. Nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung bieten die Teams ihre Dienste unter anderem in Senioren- und Behinderteneinrichtungen, Schulen, Kindergärten, Rehazentren und Hospizen an, um den Menschen dort einen besseren Zugang zu ihrer Umwelt zu ermöglichen, Heilungsprozesse für Körper und Seele zu beschleunigen sowie den sozialen und natürlichen Umgang mit Hunden zu fördern. Aber auch die Begleitung auf einer Schulwanderung oder eines Nachhilfelehrers gehört zu unseren alltäglichen Einsätzen.

Eier gesucht, Hund gefunden 

Ich selbst habe die heilende Wirkung eines Hundes am eigenen Leib nach einem schweren Autounfall erfahren, den ich nur mit viel Glück überlebte. Zu dieser Zeit, ich war Anfang zwanzig, hatte ich mich gerade selbstständig gemacht – der Unfall war auch für meine berufliche Existenz eine Katastrophe. In den vielen Wochen im Krankenhaus und später in der Reha konnte ich mich nicht um meine Praxis als Hundepsychologin kümmern, konnte keine neuen Kunden akquirieren und verlor sogar den Kundenstamm, den ich hatte. Ich war völlig aus der Bahn geworfen, alle meine Pläne hatten sich zerschlagen. Als ich endlich entlassen wurde, fühlte ich mich noch immer sehr schwach. Es kam mir so vor, als hätte ich den Anschluss ans Leben verloren. Woher sollte ich die Kraft nehmen, mit Schwung und Tatendrang dort weiterzumachen, wo ich aufgehört hatte? Außerdem war es Winter, und da blieb ich ohnehin gern zu Hause. Die Tage waren lang und hatten keine Struktur. Über Monate hatten sich andere um meinen Tagesablauf gekümmert, in der Reha war mein Terminkalender voll gewesen. Jetzt sollte ich alles selbst organisieren. Aber mir fehlte die Motivation.

Eines Morgens raffte ich mich auf, beim Bauernhof Eier zu kaufen. Ich kam zurück ohne Eier, aber mit einem vier Monate alten Hund, der dort in Pflege war und an einen guten Platz vermittelt werden sollte. In meiner momentanen Lebenssituation konnte ich einem Hund keinen guten Platz bieten. Aber ich hatte einen Hund nötig, und das merkte Wunjo womöglich, denn er nahm den Therapieauftrag an. Natürlich heimlich. Nach außen hin, ganz klar, war ich die Chefin. Heute weiß ich, wir sind ein Team auf Augenhöhe. Damals kam ich zu Kräften und wurde nach dem Trauma des Unfalls auch wieder seelisch stabil, ohne es zu merken, einfach weil ich Verantwortung übernommen hatte. Wäre ich meinem Plan treu geblieben, hätte ich erst nach einem Hund Ausschau gehalten, wenn es mir besser gegangen wäre. Doch wäre es mir ohne Hund so schnell besser gegangen? Wunjo brachte mir den Durchbruch zurück in ein gesundes Leben. Durch den Hund und seine Bedürfnisse strukturierten sich meine Tage. Die Spaziergänge an der frischen Luft – auch im Winter – taten mir gut. Ich baute Muskeln auf, wurde aktiver, fand zurück zu meiner alten Fröhlichkeit.

Der Hund als Brücke in die Natur 

In unserem durchgetakteten Alltag vergessen wir oft, welches Kraftreservoir die Natur für uns bereithält. Doch in Krisenzeiten oder eben auch nach einem gesundheitlichen Einbruch zieht es viele Menschen nach draußen. Das ist ein ganz »natürlicher« Impuls. Ein Ansatz, dieses Phänomen zu begründen, ist die Biophilie-Hypothese von Edward O. Wilson. Sie besagt, dass der Mensch sich von Natur aus zu anderen Lebewesen hingezogen fühlt und den Kontakt zur Natur braucht, um ein erfülltes Leben führen zu können. Durch die Begegnung mit Tieren als fester Bestandteil unserer Umwelt und als Lebewesen, die, abhängig von ihrer Art, mehr oder weniger intensiv mit dem Menschen kommunizieren können, erfüllen viele Menschen ihre tiefe Sehnsucht, ein Band zur Natur zu knüpfen.

Wenn der Mensch sich verbunden mit Natur und Umwelt erfährt, sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass er psychische und physische Erkrankungen erleidet. Der Aufenthalt in der Natur wirkt vorbeugend. Der innere Schweinehund wird nicht bekämpft, sondern geht Gassi. In der Natur werden alle unsere Sinne satt. Morgens das Leintuch des noch schlafenden Sees schwimmend auftrennen. Oder im Frühling die ersten Insekten hören. Mit geöffnetem Autofenster an frisch gemähten Wiesen vorbeifahren. Im Herbst durch den raschelnden Wald stapfen und die schwere Süße des Laubes riechen – Natur tut uns einfach gut.

Und ein Hund lockt uns nach draußen. Allein das ist schon ein therapeutischer Ansatz, von dem jeder Hundehalter profitieren kann, wenn er seine Antennen auf Empfang für Natur stellt – anstatt nur auf das Smartphone zu schauen.

 

Auch Hamster und Hauskatzen schenken Naturerlebnisse, denn sie sind Tiere. In Deutschland werden rund 34 Millionen Haustiere gehalten, darunter 14 Millionen Katzen und mehr als 9 Millionen Hunde. So hoch ist zumindest die Zahl der steuerlich gemeldeten. Während Tiere bis vor wenigen Jahrzehnten überwiegend als Nutztiere der Lebenserhaltung und Ernährung des Menschen dienten, hat sich zumindest die Bedeutung der Haustiere für den modernen Menschen gravierend verändert. Wir haben sie in den Stand von fast gleichberechtigten Partnern erhoben. Sie thronen auf Sofas, haben Termine beim Ernährungsberater oder Homöopathen, bei der Physiotherapeutin und Osteopathin. Sie werden kostspielig operiert, bekommen künstliche Gelenke, verbringen Urlaube in Hunde-Wellness-Hotels, und am Ende bezahlen Frauchen und Herrchen eine Beerdigung mit Feierlichkeiten auf einem Tierfriedhof. Der Stellenwert, den eine Gesellschaft ihren Tieren gibt, zeigt die Haltung dieser Gesellschaft und ihre Wertvorstellungen.

 

Das Aufkommen erster Haustiere – sprich: gezähmter Hunde zum Nutzen des Menschen – wird auf 12.000 bis 10.000 vor Christus datiert. Andere Tiere wie beispielsweise Katzen und Pferde wurden erst vor fünftausend Jahren domestiziert. Die Beweggründe sind nicht eindeutig geklärt – wurde der Hund als Nutztier, zum Beispiel Wachhund, gesehen, oder haben sich die Menschen damals schon in seiner Gegenwart wohlgefühlt? Jedenfalls ist der Hund das einzige Haustier, das freiwillig beim Menschen blieb, das ihn als vollwertigen Sozialpartner ansah und seine Gesellschaft der von Artgenossen vorzog. Der australische Tierarzt David Paxton ist sogar der Ansicht, dass nicht so sehr der Mensch den Wolf, sondern dieser den Menschen domestizierte. Die Pädagogin Sabine Maier (Tiergestützte Intervention in der Sozialen Arbeit) schließt daraus, dass der Hund eine symbiotische Beziehung zum Menschen eingeht und eine Sonderstellung gegenüber anderen Tieren einnimmt.

Der Hund ist die bessere Arznei 

In einer Studie wurden verschiedene Mensch-Tier-Kontakte in Bezug auf ihre Wirksamkeit getestet. Es überrascht nicht, dass allein das – selbst beiläufige – Streicheln des Tieres den Menschen beruhigt. Und rückwirkend das Tier. Und es klappt auch ohne Körperkontakt: Eine schnurrende Katze im Raum führt zu einer Entspannung der anwesenden Menschen; bei Hunden hat man das auch in Praxisräumen getestet und nachgewiesen, dass die bloße Anwesenheit eines Hundes den Blutdruck und die Herzfrequenz der Probanden senkte – sie bauten Stress ab.

Der Sympathikus, also der in Stresssituationen aktive Teil des autonomen Nervensystems, entspannt. Der Blutdruck sinkt, die Herzfrequenz verlangsamt sich, und man schwitzt auch weniger. Im Gegenzug kommt es zu einer vermehrten Freisetzung von Endorphinen, bekannt auch als Glückshormone. Außerdem werden die Hormone Oxytocin und Prolactin freigesetzt, die bei sozialen Bindungen eine Rolle spielen. Die Entspannung kann man auch messen: Der Spiegel des Stresshormons Cortisol sinkt. Nicht nur unser Wohlgefühl, auch viele Studien sprechen dafür, dass das Zusammenleben mit einem Hund förderlich für die Gesundheit des Menschen ist. Es schenkt genau jenen sozialen Rückhalt, der die Risikofaktoren für verschiedene Krankheiten senkt und allgemein das Immunsystem stärkt.

Interessanterweise profitieren auch Hunde vom Kontakt mit dem Menschen, nicht nur durch einen stets vollen Napf. Streicheleinheiten können die Herzfrequenz des Hundes und seinen Cortisolspiegel senken: Der Hund entstresst durch den Menschen wie der Mensch durch den Hund. Man hat herausgefunden, dass bereits ein freundlicher Blickwechsel zwischen Hund und Herr bei beiden Oxytocin ausschüttet, das auch als Wohlfühl- oder Bindungshormon bekannt ist. Und an wen wir uns binden, mit dem fühlen wir auch. Wenn ich die tief berührende Begegnung mit manchen Hunden beschreiben möchte, lande ich immer wieder bei dem Wort Herzenskontakt. Mein Herz ist berührt, wenn ein fremder Hund aus freien Stücken zu mir läuft und signalisiert, dass er an einem Kontakt mit mir interessiert ist und alles versucht, mir das zu vermitteln – artübergreifend. Dabei ist es ihm egal, ob ich dick oder dünn, alt oder jung bin, schnell laufen und denken kann und wie hoch mein Kontostand ist. Alles außenherum ist ausgeblendet. Zwei Herzen begegnen sich, und Hunde scheinen einen Schlüssel zu besitzen, manche verschlossene Kammer zu öffnen.

 

Übrigens auch Kornkammern: Einmal betrat ich während einer Einsatzpause in meiner Uniform der Rettungshundestaffel eine Bäckerei. Die Schlange war lang. Ohne dass ein Wort fiel, bedeuteten mir alle Anstehenden, dass ich zur Theke nach vorne gehen dürfte. Ich sollte nicht warten müssen, ich gehörte im weitesten Sinne zu den Sanitätern, und denen macht man den Weg frei. Muss ich erwähnen, dass in der Metzgerei immer zwei »Radln Wurscht« für meine vor dem Laden wartenden Hunde abfallen?