VIVorwort zur 1. Auflage

Mit diesem Buch werden Sie...

...die Hilfe bekommen, die Ihnen in Ihrer Ausbildung gefehlt hat. Sie haben alles über Ihr Fachgebiet gelernt und studiert und sind aufgrund Ihrer Fachkompetenz in die Position gekommen, in der Sie nun ein Team leiten.

Und nun kommen Sie nicht mehr zu Ihrer „eigentlichen Arbeit“, sondern Ihre Mitarbeiter wollen ständig mit Ihnen sprechen, wollen Entscheidungen, kommen mit Forderungen, Sorgen und Nöten. Und Sie müssen auf all das reagieren und wissen nicht so recht wie.
Mit diesem Buch gewinnen Sie eine ganze Reihe von Erkenntnissen, wie sich ein Team entwickeln muss, um erfolgreich und zufriedenstellend arbeiten zu können. Die vier Phasen der Teamentwicklung werden von unterschiedlichen Gesichtspunkten beleuchtet, sodass Sie immer tiefer in die Bedeutungen der Entwicklungsschritte eines Teams einsteigen können. Sie werden dabei begleitet von der Geschichte eines Teams, in der Sie sicherlich das ein oder andere Ereignis aus Ihrer eigenen Erfahrung entdecken werden.

Das Leben ist nicht immer ordentlich und so verlaufen auch Teamentwicklungen nicht immer nach Plan. Umso hilfreicher ist es, eine Struktur im Kopf zu haben, die es Ihnen jederzeit ermöglicht, sich nach Turbulenzen, Unterbrechungen, Ablenkungen, Veränderungen wieder neu zu orientieren und die richtigen Weichen zu stellen.

München, im Mai 2002

Susanne Bender

11. Kapitel

Einführung

Es wird geschätzt, dass 90 %der Entlassungen und Kündigungen aufgrund von Personal- und Beziehungsproblemen erfolgen. Probleme, die sich aus fehlender Qualifikation der Teammitglieder ergeben, sind relativ unbedeutend verglichen mit den Schwierigkeiten, die aus den kollegialen Beziehungen herrühren. Dies kostet allen Beteiligten nicht nur viel Zeit und Nerven, sondern vor allem kostet es auch Geld. Die Ressourcen könnten sinnvoller eingesetzt werden, wenn sich die Verantwortlichen kompetent den zwischenmenschlichen Beziehungen zuwenden würden. Da Menschenführung aber in keinem Studium gelehrt wird, muss sich der Verantwortliche durch Schulungen und Literaturstudium dieses Wissen selbst aneignen. Dieses Buch soll dabei helfen, Kenntnisse der Team- und Projektarbeit zu erwerben.

Ob man Stellenanzeigen analysiert, Manager und Personalverantwortliche interviewt oder die Fachliteratur studiert – eine Forderung an die Mitarbeiter der Zukunft wird durchgängig artikuliert – Teamfähigkeit.Sie ist eine der wichtigsten Schlüsselqualifikationen geworden. Das gilt nicht nur für Wirtschaftsunternehmen, sondern für alle Organisationen – ob sie erwerbswirtschaftlich oder gemeinnützig ausgerichtet sind.

Die meisten von uns haben Erfahrungen mit Teams gemacht: positive oder negative. Negativ waren sie besonders dann, wenn das Zusammenwirken im Team unbefriedigend war und/oder auch das Ergebnis der Teamarbeit nicht den Erwartungen entsprach.

2Bei positiven Erfahrungen hat das Ergebnis gestimmt und die Zusammenarbeit der Teammitglieder wurde von allen als angenehm und produktiv empfunden. Dass die Ansammlung von Einzelkämpfern nicht zwangsläufig eine gute Teamleistung mit sich bringt, können wir bei Mannschaftssportarten beobachten. Teams mit hoch bezahlten Profis spielen nur mittelmäßig, weil das Zusammenspiel fehlt. Andere Mannschaften sind dagegen sehr erfolgreich, weil die Zusammenarbeit und das Zusammenspiel ausgezeichnet klappen.

Nun ist Teamfähigkeit keine angeborene Eigenschaft, über die man verfügt oder nicht. Teamfähigkeit ist erlernbar, auch wenn wir akzeptieren müssen, dass es Menschen gibt, die lieber für sich arbeiten und andere, die ausgesprochene „Teamplayer“ sind.

Den meisten Unternehmen bleibt gar nicht die Wahl, ob sie Teamarbeit einführen wollen oder nicht. Die Komplexität der Arbeitsplätze macht Teamarbeit notwendig. Nur in ihr können sich die Informationen, Technologien, Kompetenzen und Ressourcen – vor allem die Humanressourcen – so bündeln lassen, dass sie effektiv eingesetzt werden können.

Teamarbeit kann nur funktionieren, wenn die Verantwortlichen in der Lage sind,

Gerade durch den Druck Teamarbeit zu implementieren, fehlt es häufig an einer entsprechenden Planung und Schulung der Mitarbeiter. Teamentwicklung ist keine einfache Angelegenheit. Selbst unter besten Voraussetzungen wird es eine anstrengende Aufgabe mit vielen unberechenbaren Faktoren sein.

Wenn man noch berücksichtigt, dass die Arbeitnehmer weiterhin zu wenig an den Betriebsfragen beteiligen werden, wird deutlich, dass ohne ein klares und funktionales Modell diese Aufgabe nur 3schwer zu bewältigen ist. Wenn man die Literatur verfolgt, so kann man glauben, dass Teams die Erfindung der Neuzeit sind. Tatsächlich aber gibt es Teams solange es Menschen gibt. Nehmen wir z. B. die frühzeitlichen Indianer. Wenn sie ein Bison töten mussten, weil sie ansonsten ohne Abendessen da gestanden wären (von dem Ärger mit ihren Frauen mal ganz abgesehen), blieb keine Zeit eine Orgchart aufzumalen, Aufgaben zu verteilen und Autoritäten zu delegieren. Es lief einfach so, dass „Scharfes Auge“ das Tier als erster in der Ferne sah, „Schneller Windhund“ es am schnellsten verfolgen konnte, „Scharfer Pfeil“ den Speer am genauesten werfen konnte und die Person, die von allen am meisten respektiert und angehört wurde, war der „Häuptling“. Die Spontaneität dieses Beispiels ist genau das, was die heutigen Firmenkulturen so dringend bräuchten. Aber wir alle wissen ja, dass wir nicht mehr in der Wildnis leben und Entscheidungen nicht nur nach Kompetenzen getroffen werden.

Da es einige Gesetzmäßigkeiten der Teamentwicklung gibt, wird in diesem Buch ein Modell der Teamentwicklung vorgestellt, das es Teammitgliedern und besonders Teamleitern erleichtert, die verschiedenen Entwicklungsstufen der Teamarbeit zu erkennen und die Arbeit entsprechend zu organisieren und zu planen.

Untersuchungen haben gezeigt, dass gut zusammengesetzte Teams unter Zeitdruck sogar noch besser funktionieren als ohne Zeitdruck, während inkompatible Teams ineffektiv werden (Schutz, 1984). Des Weiteren konnte festgestellt werden, dass die Produktivität von gut entwickelten Teams steigt, wenn ein neues Teammitglied hinzukommt, während sie von wenig entwickelten Teams sinkt (Wekselberg, Goggin, Collings, 1997).

So wie jeder Mensch seine eigene Entwicklung durchmacht und seine eigene Geschichte hat, entwickeln auch Teams ihre eigene „Lebensgeschichte“: Themen, Situationen, Umfeld und vor allem die Persönlichkeit der Teammitglieder und des Teamleiters bedingen, dass sich Teamprozesse nie identisch wiederholen. Von daher hat jedes Team seine Eigenart, trotzdem ähnelt sich aber der Ablauf der Teamentwicklung. Es lassen sich also gewisse Gesetzmäßigkeiten in der Entwicklung eines Teams erkennen. Die Kenntnis der Teamentwicklungsphasen hilft bei der Planung ebenso wie bei der Begleitung 4und der Auswertung des Teamprozesses, sofern man diese Gesetzmäßigkeiten nicht als festen Fahrplan versteht. Wenn es einmal nicht mehr weitergeht, wenn der Prozess „holpert“, wenn man sich unschlüssig darüber ist, warum sich das Team jetzt so verhält, bringt ein Blick auf den bisherigen Verlauf der Teamentwicklung wertvolle Hinweise zur Klärung der Situation.

In der Teamentwicklung spielt die Kommunikation der Teammitglieder in den einzelnen Phasen eine wesentliche Rolle. Wer über Grundkenntnisse in Kommunikationsbegriffen verfügt, wird sie hier wiederfinden. Für diejenigen, die eine kleine Einführung brauchen, sind im Appendix die wichtigsten Begriffe aufgeführt.

Um die Theorie mit Leben zu füllen, wird uns in diesem Buch das Team der Firma Bacher, ein mittelständisches Unternehmen, begleiten.

Damit der Leser und die Leserin immer wieder daran erinnert werden, dass die Teamleitung s von beiden Geschlechtern übernommen wird, wird im Text zwischen der weiblichen und männlichen Form abschnittweise gewechselt.

52. Kapitel

Kompetenz durch Ganzheitlichkeit

„Handle stets so, dass weitere Möglichkeiten entstehen.“
(Schiepek, 1991)

Über Teamentwicklung lässt sich nicht sprechen ohne dabei zu klären, in welcher grundsätzlichen Situation sich ein Team befindet. Jedes Team ist in ein Firmensystem eingebunden, das wiederum in ein bestimmtes Marktsegment eingebunden ist, das wiederum in einer bestimmten Gesellschaft angesiedelt ist, die wiederum in einem bestimmten Land anzutreffen ist usw. (Abb. 1)

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Wechselseitigkeit der Systeme

6All diese Elemente bilden eine komplexe Vernetzung, da sie jeweils aufeinander einwirken. Wenn z. B. eine deutsche mit einer italienischen Firma Geschäfte tätigen möchte, so muss sie sich auf die Gepflogenheiten des Landes einstellen. Will sie hingegen Geschäfte mit einer japanischen Firma machen, so müssen das Verhalten und die Strategien ganz anders aussehen, um zum Erfolg zu führen. Heute erscheint es fast undenkbar, die vernetzten Zusammenhänge zu ignorieren. Jede Nachricht im Fernsehen oder in der Zeitung vermittelt uns die Abhängigkeit von ökologischen und ökonomischen Bedingungen auf der ganzen Welt. Dies ist uns inzwischen so selbstverständlich geworden, dass wir gar nicht weiter hinterfragen, wie diese Vernetzungen überhaupt zustande kommen. Wer sich aber mit ganzheitlichen Denkweisen vertraut macht, erkennt Interaktionen und Probleme nicht als ein kausales „Wenn-Dann“, sondern als eine Vernetzung von miteinander abhängigen Faktoren. Ändert sich ein Faktor (z. B. ein Verhalten), so müssen die anderen Elemente des Systems (z. B. die Teammitglieder) sich ebenfalls anpassen und sich ändern.

So fragte mich einmal ein sehr strukturierter Manager, was er denn machen solle, da er sehr darunter litt, dass sein Chef ein sehr sprunghafter, kreativer Mensch war, von dem selten verlässliche lang anhaltende Zusagen zu erhalten waren. Ich riet ihm ein bisschen chaotischer zu werden. Er sah mit einem solchen Vorschlag natürlich das völlige Chaos ausbrechen. Als er sich aber dennoch dazu durchringen konnte, etwas unkonventioneller, weniger vorhersagbar zu sein, stellte er verwundert fest, dass sein Chef seit geraumer Zeit viel disziplinierter arbeitete.

Die Betrachtung dynamischer Wechselbeziehungen, die auch ohne äußeren Zwang geordnet ablaufen, hat sich erst in den letzten Jahrzehnten wissenschaftlich durchgesetzt (Schiepek, 1991, 1999, Schlippe & Schweitzer, 2009). Wir machen die Erfahrung: Wenn sich außerhalb des Systems etwas ändert, so bewirkt dies, dass einige wenige Variablen (dies können Menschen oder Bedingungen sein) verstärkt oder gedämpft werden.

Allen Mitarbeitern ist bekannt, dass sich die Umsatzzahlen drastisch reduziert haben und dass die Geschäftsleitung wahrscheinlich Entlassungen vornehmen muss. Ein Mitarbeiter eines Entwicklungsteams ist sowieso 7schon seit einiger Zeit mit den Anforderungen in seinem Arbeitsbereich unzufrieden. Das Team diskutiert, ob sie bei einer eventuellen Entlassungswelle auch davon betroffen sein werden. Der unzufriedene Kollege hält dies für möglich und sagt, dass er sich eine neue Stelle suchen will.

Konkret schließen sich immer mehr Variablen dieser Richtung an, und je mehr es sind, desto schneller werden auch die anderen in diese Bewegungsdynamik mit hineingezogen – ein typischer Vorgang der Autokatalyse.

Durch die Entschiedenheit des Teamkollegen sind die anderen nun so verunsichert, dass sie es auch für notwendig erachten, sich nach neuen Stellen umzusehen, weil sie inzwischen davon überzeugt sind, dass ihr Team als erstes aufgelöst wird.

Dies führt letztlich dazu, dass die Freiheitsgrade des Systems im Allgemeinen auf einen extrem kleinen Bruchteil reduziert werden. Trotz extrem hoher Komplexität des Systems wird das Verhalten nur durch wenige Elemente bestimmt. Diese Elemente bestimmen dann faktisch die Ordnung – sie sind die Ordnungsparameter.

So passiert es, dass von den 8 Teammitgliedern 5 eine neue Stelle finden, sodass sich das Entwicklungsteam praktisch auflöst und die Geschäftsleitung nun gezwungen ist, sich über den Fortbestand dieser Entwicklungsgruppe Gedanken zu machen, obwohl sie diese in ihre Überlegung zur Kostenreduzierung gar nicht berücksichtigt hatte.

Die klassische Regel, dass große Wirkungen nur durch große Ursachen erreicht werden können, gilt nicht für Systeme. Je nach Systemzustand können also minimale Einflüsse zu sehr großen Wirkungen führen, bzw. relativ große Einflüsse zu gar keinen Wirkungen. So kann ein Buchhaltungsteam durch einen kleinen Computerfehler, der die Zahlen falsch erfassen lässt, in großes Ungleichgewicht kommen (Überstunden, Stress, Beschuldigungen), während ein neuer Geschäftsführer keine Wirkung zeigt, wenn das Buchhaltungsteam gut zusammen arbeitet, die Arbeitsabläufe klar sind und das Buchhaltungssystem gut eingeführt ist und sich bewährt hat.

82.1 Wer beeinflusst eigentlich wen?

Ein System entzieht sich demnach jeder zugriffssicheren linearen Außensteuerung, weil externe Anstöße nur dann Wirkung zeigen, wenn sie in Informationen transformiert werden, die für das System relevant sind. Diese Gesetzmäßigkeit wird häufig bei der Übermittlung von Inhalten von der Geschäftsleitung auf entsprechende Teams vergessen.

So wird der Geschäftsführer eines zyklischen Unternehmens mit seinen Warnungen vor einem Umsatzeinbruch nur Erfolg haben, wenn er diese Informationen in für die entsprechenden Teams relevante Informationen umformen kann. Ansonsten stößt er „auf taube Ohren“, und die Teams wiegen sich weiter in Sicherheit der zurzeit guten Auftragslage. Ein System ist also zu einem gewissen Grade von der Umwelt unabhängig, aber abhängig von der Bedeutungsgebung hinsichtlich der Konstellationen und der Ereignisse.

Anschlussfähigkeit

Kommuniziere so, dass es an die Wirklichkeit und Sprache des anderen anschließt.

Diese relative „Unkontrollierbarkeit“ eines Systems wird in den meisten Firmen verleugnet, und der Teamleiter sieht sich mit der tagtäglichen Erfahrung dieser Unkontrollierbarkeit allein gelassen und lastet dies meist seiner eigenen Inkompetenz an. Es täte allen Teamleitern gut, ihre Omnipotenzansprüche auf ein realistisches Maß herunterzuschrauben.

Ein Team ist aber auch ein Beziehungsgeflecht. Die Menschen stehen miteinander in vielfältigen Beziehungen und beeinflussen sich gegenseitig. Viele Menschen glauben, dass sie durch Passivität das System nicht beeinflussen. Das funktioniert aber nicht. Wenn einer durch Passivität den anderen zu einer aktiven Entscheidung bringt, hat er genauso zu dem Prozess beigetragen, wie der aktive Entscheider.

9Es ist viel sinnvoller, die Bedingungen des Handelns zu erweitern, sodass die Beteiligten mehr Handlungs- und Denkspielraum bekommen. Gerade darin ist das Potenzial eines vernetzten Denkens zu sehen. (Tab. 1)

Denkfehler im Umgang mit komplexen Problemsituationen

Die Schritte des ganzheitlichen Problemlösens

Abgrenzung des Problems

Probleme sind objektiv gegeben und müssen nur noch klar formuliert werden.

Die Situation ist aus verschiedenen Blickwinkeln zu definieren und eine Integration zu einer ganz-heitlichen Abgrenzung anzustreben.

Ermittlung der Vernetzung

Jedes Problem ist die direkte Konsequenz einer Ursache.

Zwischen den Elementen einer Problemsituation sind die Beziehungen zu erfassen und in ihrer Wirkung zu analysieren.

Erfassung der Dynamik

Um eine Situation zu verstehen, genügt eine „Fotografie“ des Ist-Zustandes.

Die zeitlichen Aspekte der einzelnen Beziehungen und der Situation als Ganzes sind zu ermitteln. Gleichzeitig ist die Bedeutung der Beziehungen im Netzwerk zu erfassen.

Interpretation der Verhaltensmöglichkeiten

Verhalten ist prognostizierbar, notwendig ist nur eine ausreichende Informationsbasis.

Künftige Entwicklungspfade sind zu erarbeiten und in ihre Möglichkeiten mit einzubeziehen.

Bestimmung der Lenkungsmöglichkeiten

Problemsituationen lassen sich „beherrschen“, es ist lediglich eine Frage des Aufwandes.

Die lenkbaren, nicht lenkbaren und zu überwachenden Aspekte einer Situation sind in einem Lenkungsmodell abzubilden.

Gestaltung der Lenkungseingriffe

Ein „Macher“ kann jede Problemlösung in der Praxis durchsetzen.

Entsprechend systemischer Regeln sind die Lenkungseingriffe so zu bestimmen, dass situationsgerecht und mit optimalem Wirkungsgrad eingegriffen werden kann.

Weiterentwicklung der Problemlösung

Mit der Einführung einer Lösung kann das Problem endgültig ad acta gelegt werden.

Veränderungen in einer Situation sind in Form lernfähiger Lösungen vorwegzunehmen.

Schritte zur ganzheitlichen Problemlösung (Götz, 1994)

10Richtig verstandenes vernetztes Denken erkennt die Verflechtungen menschlicher Beziehungen, beachtet aber auch die persönliche Verantwortung für die Lebensgestaltung des Individuums. Das heißt, dass die Bedingungen, die ich in einem Team vorfinde, auf mich einwirken, ich aber gleichzeitig einen Gestaltungsspielraum habe, den ich nutzen oder ignorieren kann. Es kann sich also kein Teammitglied der eigenen Gestaltungsmöglichkeit entziehen. Nur wenn die Teammitglieder es verstehen, diese beiden Komponenten immer wieder in Beziehung zu setzen, wird Veränderung möglich.

Beispiel für das Beziehungsgeflecht eines 5-köpfigen Teams:

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Beziehungsgeflecht im Team

Wir sehen, wie bei nur 5 Teammitgliedern bereits ein komplexes Beziehungsgeflecht entsteht. Es ist hier bereits fast unmöglich, genau sagen zu können, wer wen wie beeinflusst. Es lässt sich lediglich sagen, dass jeder jeden beeinflusst. Die Teammitglieder werden aber auch wieder von äußeren Bedingungen beeinflusst und sie beeinflussen auch äußere Umstände. Von daher wird es noch komplexer.

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Beziehungsgeflecht innerhalb und außerhalb eines Teams

Durch ein vernetztes Denken weiß ich um die Komplexität von Situationen und Problemen und kann vorschnelle Einschränkung oder Ausgrenzung möglicher Problemdefinitionen und Persönlichkeitsanteile verhindern. Die Problemlöser müssen sich immer wieder darauf einlassen, dass es vielleicht auch noch ganz anders sein könnte. Denn sie sind nicht in der Lage, diese ganzen Abhängigkeiten zu erfassen, müssen sich also darauf einstellen, dass sie Einflussgrößen aufgrund der Komplexität nicht erkennen. Wenn sich die Verantwortlichen auf die Komplexität und Dynamik von Situationen einlassen, werden sie erfahren, dass viele Köpfe mehr Ideen haben als ein Kopf und werden kreative Lösungen eher zulassen, als wenn sie glauben, die Situation voll zu erkennen und von daher genau zu wissen, was passieren muss.

Gleichzeitig können wir dies aber nur, wenn wir auch wieder die Komplexität reduzieren, weil wir ansonsten überflutet werden von Möglichkeiten.

Zahlreiche Modelle für die Praxis dienen dem Zweck der Komplexitätsreduktion. Ist die Komplexität allerdings zu gering, werden zu viele Faktoren ausgeblendet, die vielleicht notwendige Informationen für zukünftige Entscheidungen enthalten. Ist die Komplexität des Modells zu groß, so verliere ich den Überblick und bin mehr mit der Theorie als mit der Lösung des Problems beschäftigt. Günstiger ist es, die Komplexität des Modells nach der Zwecksetzung zu variieren. Dies leistet das folgende Phasenmodell. Es kann für den 12„Anfänger“ komplexitätsreduzierend genutzt werden. Mit fortschreitendem Verständnis des Phasenmodells wird die Erweiterung der Komplexität möglich, ohne den Überblick zu verlieren. Jeder kann also seine eigene Zeit wählen, in das Modell hineinzuwachsen und die Bedeutung der einzelnen Aspekte zu erkennen.

2.2 Wir wollen so bleiben wie wir sind

Ein menschliches System strebt immer einen Zustand an, den es selbst als normal bezeichnen würde. Da Normalität ein sehr relativer Begriff ist, kann auch für ein System ein Zustand normal sein, den ein Mensch aus einem anderen System völlig aus dem Gleichgewicht bringt. Diese Erfahrung macht jedes Kind, das die Gepflogenheiten der eigenen Familie für „normal“ hält. Wenn es dann in ein Alter kommt, wo es auch andere Familiensysteme kennenlernt, ist es oft verwirrt, wenn dort andere Regeln und Normen gelten, und es weiß nicht, wie es sich „richtig“ verhalten soll.

Dieselbe Erfahrung wiederholt sich manchmal als Erwachsener. Wenn einer lange in einer Firma gearbeitet hat, empfindet er das Arbeitsklima dort als „normal“. Wechselt er die Firma, ist er zunächst verunsichert, weil die Normen und Regeln in einer anderen Firma andere sind. Diese Faktoren verstärken sich natürlich erheblich, wenn zu solchen Bedingungen noch ein anderer Kulturkreis hinzukommt.

Dieser Prozess der Erhaltung eines Gleichgewichts, d. h. des Bemühens, dass alles so bleibt, wie es immer schon war, wird Homöostase genannt.

Homöostase

Unter Homöostase (griechisch) wird die Erhaltung des normalen Gleichgewichts, (z. B. Konstanthaltung des Blutdrucks oder der Körpertemperatur) verstanden, bei offenen Systemen die Erhaltung der Binnenstabilität trotz sich wandelnder Umwelt.

13Durchläuft ein Team massiven Veränderungen (z. B. Trennung von Teammitgliedern, Aufnahme von neuen Teammitgliedern) oder Einwirkungen von außen, so muss es sich wieder in ein Gleichgewicht bringen, ansonsten zerbricht es. Gleichzeitig sorgt das Prinzip des Gleichgewichts dafür, dass alle notwendigen Elemente vorhanden sind. Wird eine wichtige Funktion im Team nicht ausgefüllt, so muss ein Teammitglied dieses „Vakuum“ ausfüllen, ansonsten zerfällt das Team. Infolgedessen kann ein eher lockerer Kollege plötzlich zum fast zwanghaften Teammitglied werden, weil sich niemand für die Strukturen im Team verantwortlich fühlt. Besonders das Maß an Freiheit und Strukturiertheit sucht immer nach einer Balance. Werden die Teammitglieder durch den Teamleiter stark kontrolliert, so werden sie für sich selber Nischen finden, in denen sie nicht zu kontrollieren sind. Ist der Teamleiter zu lasch, wird ein Teammitglied Kontrollfunktionen übernehmen.

Für Teams bedeutet dies, dass die Mitglieder unbewusst bereit sind, alle notwendigen Eigenschaften zu erfüllen. Dies ist immer schwer zu verstehen, wenn ein Teammitglied so gar nicht in das Team zu passen scheint. Nicht selten aber bleibt die Störung dieselbe, auch wenn das Teammitglied ausgetauscht wird. Das zeigt, dass nicht das Teammitglied das Problem ist, sondern das Thema, das diese Person in das Team einbringt, für das Team von Bedeutung ist. Und erst wenn dieses Thema beachtet und gelöst wird, kann das Teammitglied sein Verhalten ändern.

Genauso wird aber auch jeder, der schon einmal versucht hat, Firmenstrukturen (oder auch Familienstrukturen) zu verändern, festgestellt haben, wie widerspenstig ein System ist. Das ist selbst dann noch der Fall, wenn alle zustimmen, dass dringend etwas geändert werden muss. Aber Menschen fühlen sich immer am wohlsten in dem was sie kennen. Dies mag nicht unbedingt das sein, was sie glücklich macht, aber wenigstens kennen sie sich aus. In eine ungewisse Zukunft zu gehen, ist wohl für die meisten Menschen bedrohlicher als in einer unbefriedigenden Situation zu bleiben. Auch hier spürt die Person, die etwas verändern möchte, dass das System immer das Gleichgewicht anstrebt und nicht bereitwillig das Chaos der Veränderung auf sich nimmt.

14Ein Team aus Investmentmanagern einer großen Bank war ein bunter Haufen von älteren Frauen, die aus den verschiedensten Berufen kamen und sich in diese komplizierte Branche eingearbeitet hatten, und jungen Männern, die eine Banklehre oder sogar ein BWL-Studium absolviert hatten. Einer dieser jungen Mitarbeiter versuchte verzweifelt seine Kolleginnen für neue Fondsformen zu interessieren. Es erschien ihm selbstverständlich, dass das Team ständig auf dem Laufenden bleiben musste. Bei dem Vorschlag, einen kleinen Vortrag zu einer neuen Fondsform zu halten, wehte ihm ein eisiger Wind aus der Ecke der „Alteingesessenen“ entgegen. Dort hatte eine Frau aufgrund der langen Zugehörigkeit zur Bank die Position des Primus inter Pares. Sie wurde bei vielen Fragen zu Rate gezogen. Hier wurde aber deutlich, dass sie plötzlich nicht mehr diejenige war, die das meiste Wissen hatte. Der Vortrag wurde zwar allgemein begrüßt, kam aber nie zustande.

Macht des Vertrauten

Menschen versuchen in der Situation zu verbleiben, die ihnen vertraut ist.

2.3 Alle sind beteiligt

Ein sehr unangenehmer Aspekt des vernetzten Denkens ist der, dass sich niemand entziehen kann. Genauso wie niemand „nicht nicht kommunizieren“ kann (Watzlawick, 2000), kann sich auch niemand „nicht nicht verhalten“. Gerade Passivität hat einen starken Einfluss auf das Team. Die anderen müssen dieses Aktivitätsvakuum auffüllen und werden wahrscheinlich entsprechende innere und äußere Reaktionen dazu haben. Es kann sich also niemand entziehen und sagen, dass er damit nichts zu tun hat und dass dies das Problem des anderen ist. Es fällt den Menschen aber sehr schwer, davon Abschied zu nehmen, weil Schuldzuweisungen so einfach sind. Wenn ich mir aber Gedanken darüber machen muss, was ich zu einer Situation beitrage (und das auch noch ständig), komme ich aus der Verantwortung nicht mehr heraus. Aber verantwortliches Handeln ist schließlich die Triebfeder für Teamarbeit.

15 „Ja aber!!!!“, höre ich jetzt einige sagen. „Da gibt es aber auch noch die Machtverhältnisse und an denen kann ich doch nichts ändern.“ Ich will nicht leugnen, dass es machtvolle, aber damit auch meist gewalttätige Systeme gibt, die Menschen unterdrücken. Aber wir wollen uns hier mit ganz normalen Firmensituationen beschäftigen, wo niemand gefoltert wird, Gewerkschaften für ein Gleichgewicht der Kräfte sorgen, und es so etwas wie Kündigungsschutz gibt. Die Unterordnung trotz demokratischer Arbeitsverhältnisse ist nur deshalb so beliebt, weil die Personen die Verantwortung nicht übernehmen wollen, und weil sie um ihre Privilegien fürchten. Selten geht es wirklich um existenzielle Themen.

Damit ein Team zu einem reflektierenden Team wird, müssen die Teammitglieder folgende Fakten akzeptieren lernen:

  1. Es gibt nicht nur eine Wahrheit, sondern viele Standpunkte und die damit möglichen Perspektiven bereichern den Betrachtungsgegenstand. So ist für die Optimisten das Glas halb voll, für die Pessimisten halb leer. Und beide haben Recht.
  2. Jedes Handeln macht für den Handelnden Sinn, auch wenn die anderen nicht in der Lage sind, diesen Sinn zu erkennen (und es von daher für unsinnig halten). Dies bedeutet nicht Vernebelung, Verleugnung und Beschwichtigung „negativer“ Aspekte.
  3. Deutungs- und Handlungsalternativen dürfen nicht auf Kosten des Selbstwertes irgendeiner Person gehen, wenn sie hilfreich sein sollen.
  4. Deutungs- und Handlungsalternativen und -lösungen, die bereits vorhandene Tendenzen aufgreifen und verstärken, sind wahrscheinlich erfolgreicher als abgetrennte Theorien und Lebensweisheiten.
  5. Wir alle lieben es, Vermutungen über Menschen und Situationen anzustellen ohne diese zu überprüfen. Wenn andere Menschen auch noch meine Vermutungen teilen, werden diese schon bald zur Wahrheit, auf der ich mein weiteres Handeln aufbaue, ohne es je bei meinem Gegenüber abgeklärt zu haben.

173. Kapitel

Was ist ein Team?

Bei jedem Teamtraining werde ich mindestens von einem Teilnehmer gefragt, was denn nun ein Team sei. Dies ist sicherlich eine berechtigte Frage, und es ist immer wieder spannend die Teilnehmer zu hören, was sie denn darunter verstehen. Für viele ist es eine Bezeichnung für eine emotionale Anbindung an mehrere Menschen, andere sehen darin nüchtern eine Arbeitsgruppe und halten den Ausdruck Team lediglich für eine moderne Variante des Wortes Gruppe.

Ein Team sollte immer dann zusammengestellt werden, wenn ein komplexes Vorhaben eine interdisziplinäre Zusammenarbeit erfordert.

Team

Ein Team ist eine Gruppe von Mitarbeitern, die für einen geschlossenen Arbeitsprozess verantwortlich sind und die das Ergebnis ihrer Arbeit als Produkt oder Dienstleistung an einen internen oder externen Empfänger liefern.

Ein optimales Team ist eine Gruppe, die

Ein Team ist also eine kleine Gruppe von Menschen, die die Verantwortung für die Qualität und die Produktivität ihres Aufgabenbereiches übernimmt, ihre Arbeit selber managt und ihre Kenntnisse und Fertigkeiten ständig verbessert.

Dabei kann unterschieden werden zwischen einem

Fachteam

Projektteam

Strategieteam

Übernimmt über einen längeren Zeitraum eine bestimmte Aufgabe. Dies ist z.B. das IT-Team einer Firma.

Dauer ist auf ein bestimmtes Vorhaben begrenzt. Dies kann z.B. ein Team aus der Personalabteilung sein, das sich mit der Erarbeitung und Umsetzung von Trainingskonzepten beschäftigt, daneben aber jedes Teammitglied durchaus noch Tagesgeschäft zu erledigen hat.

Meist im Management anzutreffen, entscheidet über die Strategien der Firma.

3.1 Voraussetzungen zur Teamentwicklung

Damit eine Gruppe sich überhaupt mit der Entwicklung zu einem Team beschäftigen kann, brauchen diese Menschen bestimmte Voraussetzungen:

  1. Anstehende Aufgaben können selbst strukturiert werden. So können die Teammitglieder ihre Fähigkeiten untereinander abstimmen und haben die Chance, rivalitätsarm und damit effizient zu arbeiten. Das Management muss an das Team glauben.
  2. 19Durch prozessorientiertes Denken können die Teammitglieder die Arbeitsprozesse planen. Die verschiedenen Stufen der Teamentwicklung werden richtig erkannt und alle stellen sich entsprechend darauf ein.
  3. Die Aufgabenverteilung ist zielbezogen. Das klingt zwar selbstverständlich, aber nicht selten genug werden Aufgaben nur verteilt, um individuelle Bedürfnisse zu befriedigen oder Konflikte zu vermeiden.
  4. Das Verhalten der Teammitglieder ist partnerschaftlich. Viele Teammitglieder fangen partnerschaftlich an, verlieren sich aber in Konkurrenzkämpfen. Wieder andere sind erst einmal Solotänzer, bevor sie sich zusammenraufen und erkennen, dass sie gemeinsam produktiver sind und Fehleranalysen schneller vornehmen können.
  5. Das Team braucht das richtige Produkt, die richtige Dienstleistung .
  6. Eine Teamgröße von 5–8 Personen hat sich als optimal erwiesen. Deswegen sollten die anstehenden Aufgaben von dieser Teamgröße bewältigt werden können.
  7. Das Management und das Team stimmen in dem Grund und den Erwartungen der Zusammenstellung überein.
  8. Das Management stellt die notwendigen Ressourcen zur Verfügung.
  9. Das Team hat ergebnisorientierte Technologien zur Hand.
  10. Es gibt eine kundenorientierte Kultur, die die Teamarbeit belohnt.

Teamarbeit darf nicht als polarer Gegensatz zur Einzelleistung gesehen werden. Teams sind eine Organisationsform genauso wie die Einzelarbeit. Wie eine Arbeit am besten zu erledigen ist, welches die optimalste Form ist, muss von der Aufgabe bestimmt werden und nicht von Dogmen. Mitarbeiter sollten sich also dagegen wehren, wenn Teamarbeit nur deswegen eingeführt wird, weil das Management besonders innovativ erscheinen möchte, zu den oben genannten Voraussetzungen aber nicht bereit ist.

20Teamarbeit ist sinnvoll, wenn

3.2 Größe des Teams

In der Vorbereitung zur Teambildung ist die Frage der Teamgröße ein schwieriges Unterfangen. Nach unten hin ist die Personenzahl dadurch begrenzt, dass man zwei Personen üblicherweise als Dyade oder Paar, aber nicht als Gruppe bezeichnet.

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Eine Triade, d. h. drei Personen, ist immer ein ungleichgewichtiges System, weil sich bei dem Zusammenschluss von zwei Personen die dritte Person ausgeschlossen fühlt. Sie wird sich bemühen, wieder Kontakt zu den anderen zu bekommen. Von daher ist es wahrscheinlich, dass das Team in seinen Rollenzuschreibungen flexibel bleibt.

21Ein Viererteam ist da wesentlich stabiler, weil sich zwei Paare bilden können. Diese Stabilität ist aber gefährlich, weil sich beide Paare in ihren Rollenzuschreibungen festfahren können und sie nicht mehr auf die anderen zugehen.

Ein Sechserteam lässt eine große Flexibilität zu. Es können sich Paare (Dyaden) und Dreierbeziehungen (Triaden) bilden, ohne dass jemand ausgeschlossen wäre.

Eine Teamzusammensetzung macht nur dann Sinn, wenn der Sachzwang die Zusammenstellung einer Kleingruppe zulässt. Nur diese Größe ermöglicht einen direkten Kontakt, sodass jedes Teammitglied mit allen Teammitgliedern unkompliziert und schnell ins Gespräch kommen kann. Aufgrund unserer ersten Kindheitserfahrungen mit einer Gruppe, nämlich der Familie, sind wir offensichtlich nicht in der Lage, eine größere Gruppe zu bewältigen. Werden größere Teams zusammengestellt, bilden sich sofort informelle Untergruppen von ca. 4–5 Leuten. Diese bilden sich aufgrund von Freundschaft und Sympathie und nicht aufgrund des Auftrages, den das Team zu erfüllen hat. Von daher sollte ein Team die oben genannte Größe nicht übersteigen, bzw. sollten die Arbeitsbereiche sinnvoll aufgeteilt werden.

Ein weiterer entscheidender Grund die Anzahl der Teammitglieder nicht zu erhöhen ist das Kommunikationsverhalten in Gruppen.

Teamgröße

ungesagte Ideen

gar nicht sprechen

4 Personen

10%

niemand

10 Personen

20%

1 Person

(Wahren, 1994)

Neben diesen kommunikativen Verhaltensweisen hängt die Festlegung der Teamgröße natürlich auch von dem Arbeitsauftrag und den kommunikativen Kompetenzen der Teammitglieder ab. Daraus ergeben sich folgende Orientierungspunkte:

Wenn ein Team zu klein ist, entstehen folgende Auswirkungen:

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23Wenn ein Team zu groß ist, entstehen folgende Auswirkungen:

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Diese Anzeichen können auf eine inadäquate Teamgröße hinweisen, können aber auch Anzeichen für Schwierigkeiten und Spannungen in den Beziehungen sein. Bevor also in die Teamstruktur eingegriffen wird, sollten diese Anzeichen sorgfältig analysiert werden. Hier können die Teammitglieder häufig selbst am besten Auskunft geben.

3.3 Merkmale eines Teams

Damit sich ein Team bilden kann sind verschiedene Aspekte zu berücksichtigen, die für alle Entwicklungsphasen wichtig sind. In Experimenten wurde nachgewiesen, dass es sechs Bedingungen gibt, damit sich ein Team auch als solches fühlt (Rosini, 1996).

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Kommunikation und Interaktion : Die Teammitglieder müssen die Möglichkeit zur direkten Interaktion und Kommunikation haben, d. h. sie müssen sich sehen und sprechen. Dies ist nicht zu verwechseln mit Informationsaustausch. Auch wenn dieser sichergestellt sein muss, so müssen die Teammitglieder die Chance zu einem direkten Kontakt haben. Alle modernen „Kommunikationsmedien“ können den direkten Kontakt nicht ersetzen. Nur so können die Teammitglieder sowohl auf der Sach- als auch auf der Beziehungsebene miteinander kommunizieren und die erforderlichen Aufgaben übernehmen. Gleichzeitig müssen die Teammitglieder auch in ihrer Kommunikationsfähigkeit geschult werden.

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Persönliche Motivation : In jeder Person wohnt eine Kraft, die nach höherer Leistung, Wachstum und persönlicher Erfüllung strebt. Diese Kraft ist zwar in den Menschen unterschiedlich stark vorhanden, aber jedes Individuum hat den Drang zu arbeiten und produktiv zu sein (Buller, 1986). Wenn ein Teammitglied also nicht hinreichend motiviert ist, liegt es mit hoher Wahrscheinlichkeit an den Bedingungen des Teams (Arbeitsauftrag, Personen etc.).

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Aktivitäten: Jedes Teammitglied braucht eine klare Aufgaben- oder Rollenzuweisung, um für sich einen Sinn im Team zu sehen.

Die Arbeitskraft der Teammitglieder kann sich nur dann auf die Aufgabe konzentrieren, wenn

  1. die Klarheit der Erwartungen, Ziele und Positionsanforderungen in Zusammenhang mit der Aufgabe stehen.
  2. die individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten zur spezifischen Aufgabe passen.
  3. die dafür bereitgestellten Werkzeuge hilfreich sind, um diese Aufgabe zu erfüllen.
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Gefühle: Die Teammitglieder müssen eine Gemeinsamkeit auch auf dem emotionalen Sektor haben, sonst wird es schwierig, sich als Team zu fühlen. Um aufkommende Schwierigkeiten zu meistern, ist ein positives Grundgefühl gegenüber den Teammitgliedern wichtig („Die sind toll.“). Sind z. B. alle Teammitglieder sehr ehrgeizig und ordnen alles in ihrem Leben dem Beruf unter, werden sich alle Teammitglieder einig darin sein, ständig und ohne Murren Überstunden zu leisten.

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Verhältnis zur Umgebung: Eine klare Absprache über das Verhältnis zu anderen Teams, zum Management, zum Kunden etc. wird die Zusammengehörigkeit festigen. Dies sollte allerdings nicht in die Suche nach Feindbildern ausarten, sondern die Erwartungen an die Umgebung klären helfen.

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Akzeptanz : Die gegenseitige Akzeptanz ermöglicht die Identifikation mit dem Team.

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Gemeinsames Ziel: Nur ein gemeinsames Ziel wird all die Voraussetzungen mit Leben erfüllen und sollte deshalb bei der anfänglichen Bildung des Teams abgeklärt werden.

3.4 Zusammensetzung der Teammitglieder

Bei der Entscheidung für die Zusammensetzung des Teams spielen in der Regel die fachlichen Qualifikationen der einzelnen Personen die zentrale Rolle. Dabei sollte aber nicht außer Acht gelassen werden, dass ein Team sich nicht aus Qualifikationen zusammensetzt, sondern aus Menschen mit verschiedenen Persönlichkeiten.

26Wenn die Teammitglieder hinsichtlich Alter, Geschlecht, Ausbildung, Herkunft, Qualifikation zu homogen sind, entwickeln sich die sogenannten „blinden Flecken“ in der Wahrnehmung, weil alle der gleichen Meinung sind oder das gleiche Vorgehen bevorzugen. Dies führt zwar zu einer großen Harmonie, aber es ist nicht zuträglich für das Fortkommen der Teamaufgabe. Es kann fatal sein, wenn wichtige Aspekte von niemandem gesehen oder hinterfragt werden. Auf der anderen Seite darf die Zusammensetzung nicht so heterogen sein, dass eine gemeinsame Kommunikationsebene kaum zu erreichen ist.

Teamzusammensetzung

So heterogen wie möglich, so homogen wie nötig!

In Experimenten konnte nachgewiesen werden, dass Homogenität umso nützlicher ist, je kürzer die Zusammenarbeit ist. Heterogenität ist jedoch zu bevorzugen, wenn das Team auf eine längere Dauer angelegt ist. Jedoch bedarf es Mitglieder, die zwischen den Gegensätzen vermitteln können (Schmidbauer, 1999).

274. Kapitel

Von der Familie zum Team

Wir machen unsere ersten Teamerfahrungen in unserer Familie. Unabhängig davon wie groß die Familie war, wie die wirtschaftliche Situation oder das Wohnumfeld war, wir werden in ein bereits bestehendes System hineingeboren. Auf jeden Fall waren die Eltern schon da, die ein Paarsystem bildeten oder es waren schon Geschwister geboren, sodass sich bereits ein Familiensystem entwickelt hatte. Das System wird eine Veränderung erfahren. Von daher sind wir davon abhängig, dass die Bezugspersonen uns Platz machen, – in emotionaler wie in tatsächlicher Hinsicht. Mit zunehmender körperlicher und geistiger Entwicklung lernt das Kind, sich in diesem Familiensystem durchzusetzen. Durch die Gefühle der Zugehörigkeit und des Einflusses auf dieses Familiensystem entstehen starke emotionale Bindungen. In der Familie lernen wir die Tricks und Kniffe, mit denen wir uns in diesem System, bei diesen Menschen durchsetzen. Kinder bekommen ganz schnell heraus, ob sich die Eltern in Erziehungsfragen einig sind, wen sie als Jugendliche am besten um Geld anpumpen können, und wie man am besten kleine und große Geschwister ärgert oder je nach Bedarf sich mit ihnen verbündet.

Das Verhalten der Eltern, Geschwister und weiterer Bezugspersonen in der Familie bietet dem heranwachsenden Kind ein Modell für sich selbst. Mit allem, was die Eltern tun oder lassen, senden sie zugleich auch Botschaften an das Kind. Sie bilden die Grundlage für seine Entscheidung, wie man in dieser Welt mit anderen umgeht und am besten überlebt.

28Bei einem Eintritt in eine neue Gruppe wiederholen sich unbewusst die in der Familie erlernten Muster für soziale Beziehungen. Es ist immer wieder erstaunlich, wie wir bei jedem Eintritt in eine neue Gruppe auf die alten Erfolgsstrategien zurückgreifen. Wir sind wieder genauso witzig, intelligent, schweigsam, charmant oder beobachtend wie wir es schon immer waren. Ob das für die aktuelle Situation passend und angebracht ist, können wir häufig gar nicht erkennen. Und wenn wir es erkennen, fällt uns trotzdem nichts Besseres ein. Da nimmt sich die Stille noch so sehr vor, diesmal als erste das Wort zu ergreifen und dann kommen ihr die anderen doch wieder zuvor. Der Clown nimmt sich ganz fest vor, sich dieses Mal nicht mit einem schlechten Witz zu blamieren und kann es doch nicht lassen, einen witzigen Kommentar zum Besten zu geben.

In der Familie lernen wir auch den Umgang mit der Sach- und Beziehungsebene. Wenn die Eltern den Kontakt zu den Kindern nur suchen, wenn es um schulische Belange geht, werden die Kinder ein Beziehungsmodell verinnerlichen, das sie glauben lässt, man könne nur auf der Sachebene eine Beziehung herstellen. Hier fehlt vielleicht nicht die Anerkennung, aber das Kind hat nie die Möglichkeit, über Ängste oder Freuden zu sprechen und sich an „sinnlosen“ Dingen zu erfreuen.

Frau Rechwald, die Mutter von Eduard, legt sehr viel Wert auf die Ausbildung ihrer Kinder, da ihr dies in ihrer Jugend aufgrund der schwierigen finanziellen Verhältnisse der Familie nicht möglich war. So wird Eduard bereits im Kindergarten zu allen möglichen Kursen gebracht, damit er „optimal gefördert“ wird. Mit Eintritt in die Schule geht ihre Konzentration völlig auf die Schulleistungen ihres Jungen. Eduards jahrelanges Nägelkauen hält sie für eine unnötige Marotte, der sie weiter keine Beachtung schenkt. Eduard entspricht den Erwartungen der Mutter und vollendet die Schule und die Ausbildung erfolgreich. Er hält es selber für sehr wichtig beruflich voran zu kommen. Der fehlende Kontakt zu Freunden hat er immer damit begründet, dass er keine Zeit hat für die Albernheiten seiner Schul- und Studienkameraden. Er kann auch nicht verstehen, warum die Frauen kein Interesse an ihm haben, wo er doch einiges zu bieten hat.

29Wächst das Kind in einer kommunikativen Umgebung auf, in der aber keinerlei Strukturen eingehalten werden, so wird es später sicherlich auch Schwierigkeiten haben, diese Strukturen einzuhalten. Oder es wird überkompensieren und sehr viel Struktur einfordern und bei jedem freien Gedankenfluss sofort wieder das Chaos ausbrechen sehen.

Carlos wuchs in einer Familie auf, in der es immer lebendig und laut war. Jeder wollte seine Geschichten erzählen. Wenn er und seine Geschwister aus der Schule kamen, buhlten sie durch Lautstärke darum, wer am besten die neuesten Schulgeschichten los wurde. Dabei regten sich alle immer fürchterlich über die Lehrer auf. Es kam auch schon mal vor, dass für den einen oder anderen Lehrer oder Lehrerin geschwärmt wurde. Die Eltern fanden dies alles sehr amüsant und hörten die Geschichten gerne. Sie freuten sich auch immer, wenn eines der Kinder noch Freunde mit nach Hause brachte, was auch ziemlich häufig vorkam. Auch wenn die Familienmitglieder zusammen hielten, waren sie durch den Beruf des Vaters häufig gezwungen umzuziehen. Auch dies war für die Mutter immer wieder ein neues Abenteuer. Die Neugierde auf die neue Umgebung ließ sie auch schon mal vergessen, die letzten Kisten auszuräumen. Die Unordnung im Haus störte sie nicht. Bei vier Kindern erschien ihr der Versuch einer Ordnung sowieso hoffnungslos.

Auch wenn der Teamleiter nicht immer die familiären Hintergründe der Teammitglieder kennt, sollte er diese im Bewusstsein haben, besonders wenn das Verhalten eines Teammitglieds aus der aktuellen Situation heraus unerklärlich erscheint.

Erfahrungsgemäß suchen wir uns die Arbeits- und Teamstrukturen, die unseren früheren Familienstrukturen entsprechen. Das geht manchmal so weit, dass Personen bei einem Team bleiben, das von der Mitgliederzahl genau der Familiengröße entspricht. Nicht selten passieren in der Wahrnehmung Überlappungen mit früheren Beziehungen und Ereignissen.

So muss jede Teamleiterin und jede Vorgesetzte immer berücksichtigen, dass sie die Elternbilder wiederbelebt. Mit Vorgesetzten verbringen wir täglich mehr Zeit als wir wahrscheinlich mit unseren Eltern verbracht haben. Von daher ist die Verführung groß zu versuchen, alle ungeklärten Aspekte der Eltern-Kind-Beziehung in die 30Vorgesetzten-Mitarbeiter-Beziehung einzubringen. So kann es passieren, dass jemand nie genügend Anerkennung von seinem Vater bekommen hat. Nun braucht er von seinem Vorgesetzten mehr Anerkennung als dieser bereit ist zu geben. Nicht selten sucht sich so jemand auch noch einen Vorgesetzten, der genauso mit Anerkennung geizt wie sein Vater.

Besonders zu Beginn der Teamentwicklung wiederholen sich unbewusst die Modelle der frühen Beziehungen. Dies dauert so lange, bis eine befriedigende und angstfreie Kommunikationsstruktur gefunden wurde.