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Christine Radomsky

Willkommen in der Welt der Digital Natives

Christine Radomsky

Willkommen in der Welt der Digital Natives

Wie Sie als erfahrene Arbeitskraft Ihre Stärken ausspielen

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen

info@redline-verlag.de

1. Auflage 2019

© 2019 by Redline Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH,

Nymphenburger Straße 86

D-80636 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Redaktion: Ulrike Kroneck, Rednitzhembach

Umschlaggestaltung: Manuela Amode, München

Umschlagabbildung: iStock.com/Squaredpixels

Satz: A flock of sheep Ltd., Lübeck

Druck: GGP Media GmbH, Pößneck

eBook: ePubMATIC.com

ISBN Print 978-3-86881-772-0

ISBN E-Book (PDF) 978-3-96267-166-2

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-96267-167-9

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.redline-verlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.m-vg.de

Inhalt

Prolog

TEIL 1 – Digital, instabil, unberechenbar: Arbeitswelt heute

Kapitel 1: Wie die Arbeitswelt tickt

Kapitel 2: Digital Natives, die unbekannten Wesen

Kapitel 3: Arbeit im Wandel – New Work wird agil

Kapitel 4: Führung und Organisationen im Wandel

Kapitel 5: Kompetenzen: Was Sie in der neuen Arbeitswelt brauchen

TEIL 2 – Ihr Weg durch die Arbeitswelt im digitalen Wandel

Kapitel 6: Warum Sie als lebenserfahrener Mensch gute Karten in der neuen Arbeitswelt haben

Kapitel 7: Karrierestrategien: Aussitzen oder aktiv gestalten?

Kapitel 8: Gut vernetzt? Xing, LinkedIn und der verdeckte Arbeitsmarkt

Kapitel 9: Lustvoll lernen: MOOCs, TED-Talks & Co

Kapitel 10: Selbstmarketing für Lebenserfahrene

Kapitel 11: Trittsteine

Epilog

Dank und Quellen

Über die Autorin

Literatur und Internet-Quellen

Prolog

Stefanies Alptraum

Stefanie strafft sich und klopft an die Tür ihres Chefs. Worum es geht, hat er am Telefon nicht verraten. »Herein!« Der Chef, Kurzhaarschnitt, gerade 30, könnte fast ihr Sohn sein. Beide schätzen einander und sind per »du«. Er bietet ihr einen Platz am kleinen Besprechungstisch an. »Kaffee? Tee?« »Wasser, bitte.« Was dann folgt, erscheint ihr so unwirklich wie der Beginn eines Albtraums, aus dem sie nicht erwachen kann.

Der Chef redet eine gefühlte Ewigkeit lang. Von den neuen Eigentümern der Weiterbildungsfirma, von Wettbewerbsdruck, Digitalisierung und Umstrukturierung. Von ihr, Stefanie, spricht er nicht. Bilder schießen ihr durch den Kopf: Genau hier in diesem Büro hat sie damals ihren Praktikanten-Vertrag unterschrieben. Vom schüchternen »Mädchen für alles« vor mehr als 20 Jahren hat sie sich zur geschätzten Trainings-Assistentin gemausert, Schritt für Schritt. Sie weiß besser als ihr Chef, was die Trainerinnen, die Coaches und die Kunden brauchen. Stefanie schüttelt den Gedanken ab und konzentriert sich wieder auf ihren Chef, dessen Blick auf den kahlen Linden vor dem Fenster liegt. Seine Hände spielen mit einem USB-Stick. Jetzt schweigt er und schaut sie endlich an.

Stefanies Hände sind eisig, ihre Stimme klingt heiser: »Was heißt das für mich?« »Deine Aufgaben lagern wir an eine spezialisierte Support-Firma aus. Die wirst du erstmal einarbeiten. Und keine Panik! Danach haben wir etwas anderes für dich.« Stefanie holt tief Luft und schaut ihn fragend an. »Du wirst unsere Qualitäts-Managerin – eine ganz wichtige Rolle. Kennst du ISO 9001?« Stefanie schüttelt den Kopf. Der Chef dreht auf: »Das ist ein internationaler Qualitätsstandard. Immer mehr Kunden fragen, ob wir danach zertifiziert sind. Deshalb wirst du die nötigen Dokumente und das Qualitäts-Audit vorbereiten und unsere Leute schulen.« Er schiebt ihr den USB-Stick über den Tisch: »Hier kannst du dich schon mal einlesen, wir reden dann noch.« Stefanie nickt stumm, sie fühlt sich wie betäubt. Der Chef steht auf und schüttelt ihr mit einem lausbubenhaften Grinsen die Hand: »Glückwunsch!«

Die neue Business-Card: In den folgenden Wochen sitzt Stefanie oft bis abends an ihrem Computer und durchforstet die Qualitätsstandards. Mehrere Tausend Seiten, die sich ähnlich packend lesen wie die Schreiben ihres Finanzamtes. Sie gibt sich Mühe, doch wenn sie ehrlich ist, langweilt sie das Thema. Stefanie verzweifelt fast an all den Details, bis sie den Knackpunkt herausfindet: Alle Abläufe sind bis aufs Detail zu dokumentieren und die Mannschaft muss jeden Schritt kennen. Aha! Allerdings arbeitet ihre Weiterbildungsfirma immer seltener nach festen Prozessen, sondern entwickelt auch Prototypen, beispielsweise für neue Onlinekurse. Wozu soll sie dann die Prozesse ganz genau beschreiben? Ihr Chef erklärt es ihr – für das ISO-Zertifikat.1

Sie seufzt und macht sich wieder an die Arbeit. Manchmal ruft eine Mitarbeiterin der Support-Firma an und bittet sie um Hilfe – das sind dann die Augenblicke, in denen sich Stefanie gebraucht fühlt. Doch das kommt immer seltener vor.

Zum ersten Mal im Leben besitzt sie eine Business-Card. Unter dem Logo der Firma und ihrem Namen prangt in erhabenen Lettern »Qualitäts-Managerin«. Warum freut sie das eigentlich nicht? Gemeinsam mit ihrem Chef hat sie eine Roadmap entwickelt. Danach bleiben Stefanie sechs Wochen, um die vorhandenen Prozessbeschreibungen auf Übereinstimmung mit den Standards zu prüfen. In einem halben Jahr soll sie dann die Überarbeitungen fertiggestellt haben. Ach ja – die fehlenden Dokumente soll sie auch noch schreiben. Und anschließend die Trainerinnen und Coaches schulen, damit alle wissen, was sie den Auditoren zu antworten haben. In einem Jahr wird Stefanie dann das erste Audit mit den TÜV-Prüfern organisieren. Und ja – es ist ein langfristiger Job, verspricht der Chef. Schließlich werden ihnen die Prüfer Auflagen machen, außerdem sind die Audits alle zwei Jahre zu wiederholen.

Neun Monate später: Die Hausärztin schaut sie noch einmal prüfend an und schickt die Krankschreibung und ein Rezept auf den Drucker. »Haben Sie schon einmal an eine Reha gedacht?« »Nein.« Eigentlich wollte Stefanie gar nicht in die Praxis, doch Kopfschmerzattacken und Herzrasen überfallen sie immer öfter. Dann kann sie sich kaum noch konzentrieren – schon gar nicht auf Standards und Prozessbeschreibungen. Auch ihr Blutdruck schlägt seit Wochen Purzelbäume, nachts liegt sie lange wach und grübelt. Stefanie hat noch mindestens 20 Arbeitsjahre vor sich. Was wird aus ihr, wenn sie in diesem Job bleibt, der ihr jeden Tag sinnloser erscheint? Sie hat immer gern mit Menschen gearbeitet. Die dicken Dokumente, mit denen sie jetzt ihre Brötchen verdient, drücken auf ihr Herz.

Andererseits – was passiert, wenn sie ihre sichere Position aufgibt, die ihr sogar eine Gehaltserhöhung eingebracht hat? Unlängst ist sie 47 geworden. Wird sie überhaupt noch etwas Neues finden, das ihr Freude macht? Welche Chancen hat sie? Immer wieder stöbert sie in Internet-Jobbörsen, wo sie vor allem Stellenangebote für Informatikerinnen, Ingenieure, Social-Media-Managerinnen und Handwerker entdeckt. Stefanie fühlt sich mutlos und verloren. Was tun?

Füllstands-Check

Und Sie? Vermutlich haben Sie in langen Berufsjahren schon manche Veränderung und reichlich Höhen und Tiefen erlebt. Sie wissen, was Sie können. Eine Frage: Wie geht es Ihnen gerade mit Ihrer Arbeit?

Gehören Sie zu den Glücklichen, die fast immer zufrieden mit ihrem Job sind? Soll alles so bleiben, wie es ist?

Oder flüstert Ihnen Ihr Bauchgefühl zu, dass Sie im aktuellen Job nicht mehr froh werden, wenn es so weitergeht wie bisher?

Beunruhigen Sie die Veränderungen, die in Ihrem Unternehmen, Ihrer Organisation in der Luft liegen?

Durchleben Sie vielleicht sogar eine berufliche Krise wie Stefanie – ein ungeliebtes neues Arbeitsfeld, ungewohnte Abläufe und Technologien, eine Umstrukturierung, drohenden Burn-out?

Wenn Sie noch sicher im beruflichen Sattel sitzen, können Sie sich wohl nur schwer vorstellen, Ihr »Pferd« demnächst in ein Kamel oder Digitalwesen umzutauschen. Doch manche Ihrer Tätigkeiten könnten schon bald anders aussehen oder gar überflüssig werden. Spüren Sie bereits, wie der Wind der Veränderung in Ihrer Organisation frischer und heftiger bläst als früher? Wie Sie damit umgehen können, darum geht es in diesem Buch.

Wie auch immer Ihre berufliche Situation heute aussieht: Sehr wahrscheinlich rollen Wellen von Veränderungen auf Sie, Ihr Team und Ihr Unternehmen zu. Darunter: neue Arbeits- und Organisationsformen, digitale Technologien, weitere Beschleunigung in vielen Bereichen. Manche Menschen verschließen die Augen davor und lassen sich treiben. Zu denen gehören Sie nicht, denn Sie lesen dieses Buch. Großartig! Andere informieren sich und machen das Beste daraus. Wieder andere sind neugierig und haben richtig Lust auf kleine oder größere Veränderungen, an denen sie wachsen können. Denn die digitale Transformation der Arbeitswelt bringt ja auch riesengroße Chancen mit sich – für diejenigen, die sie sehen und ergreifen. Wollen auch Sie zu den Menschen gehören, die auf den Wellen der Veränderungen surfen lernen, statt sich von ihnen überrollen zu lassen?

Bevor wir loslegen, lade ich Sie zu einem »Füllstands-Check« ein – ganz ähnlich, wie Sie ihn vor einer längeren Reise bei Ihrem Auto machen.

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Abb. 1
Ihre positive und negative Stimmung gegenüber den Veränderungen der Arbeitswelt

Hören Sie kurz in sich hinein und nehmen Sie wahr, wie Sie emotional zu den bevorstehenden Umbrüchen in der Arbeitswelt stehen. Die beiden Säulen zeigen an, wie stark Sie positiv und negativ gestimmt sind, wenn Sie daran denken.

Üblicherweise sind beide Säulen teilweise gefüllt, denn in komplexen Situationen spüren wir meist angenehme und unangenehme Gefühle gleichzeitig. Beispielsweise könnten Sie beim Gedanken an die digitale Transformation sowohl Neugier als auch Besorgnis empfinden. Sie brauchen Ihre Emotionen und Gedanken jedoch nicht zu benennen – es reicht, wenn Sie die beiden Füllstände ganz spontan einzeichnen.

Wie geht das? Befragen Sie einfach Ihr Bauchgefühl. Zunächst malen Sie sich aus, was Sie in Zukunft an Positivem am Arbeitsplatz erwarten könnte. Vielleicht ermöglichen ja digitale Werkzeuge demnächst, dass Sie kürzer arbeiten können – bei gleichem Gehalt. Vielleicht nehmen diese Ihnen schwere oder langweilige Routinetätigkeiten ab. Vielleicht ist das ja auch die Chance für Sie, mal wieder etwas Neues zu tun, das Sie reizt? Was könnten Sie sich noch vorstellen, worüber würden Sie sich noch freuen? Spüren Sie mit allen Sinnen in die angenehmen Vorstellungen hinein, die gern auch etwas verrückt sein dürfen. Dann zeichnen Sie den Füllstand in die linke Säule ein – nur so ungefähr.

Anschließend fragen Sie Ihr Bauchgefühl, was es an Bedenken oder Ängsten spürt, wenn Sie sich die anrollenden Veränderungen am Arbeitsplatz vorstellen. Falls die unangenehmen Gefühle zu stark werden, holen Sie sich mit einem gesagten oder gedachten »Stopp« ins Hier und Jetzt zurück und atmen tief durch. Zeichnen Sie nun den ungefähren Füllstand in die rechte Säule ein. Wenn Sie mögen, schütteln Sie zum Abschluss die Arme kräftig aus, damit die Vorstellungen von Ihnen abfallen.

Was zeigt Ihr Füllstands-Check heute: Welche Säule ist höher gefüllt? Stellen Sie nun sich vor, wie Ihre positive Grundstimmung dem Wandel gegenüber steigt, während die negative sinkt. Wie würde sich das anfühlen? Mit diesem Buch lade ich Sie ein, genau das zu erreichen – mehr Vorfreude auf den Wandel der Arbeitswelt und weniger Befürchtungen.

In jedem Fall möchte ich Sie ermutigen: Was auch immer auf Sie zukommt – Sie tragen schon heute alle Ressourcen in sich, um in der neuen Arbeitswelt zu bestehen. Warum dann dieses Buch? Ganz einfach: Potenzielle Ressourcen können wir in stürmischen Zeiten nur nutzen, wenn wir sie klar als unsere Schätze erkennen. Deshalb erfahren Sie in diesem Buch nicht nur, welche Fähigkeiten in der digitalen Transformation besonders gebraucht werden. Sie entdecken auch, über welche Kompetenzen lebenserfahrene Menschen im Allgemeinen und Sie im Besonderen verfügen.

Was Sie erwartet

Wie das Buch aufgebaut ist

Das Buch besteht aus zwei Teilen, eingebettet in die anonymisierte Geschichte einer Klientin im Prolog und Epilog.

Im ersten Teil unternehmen wir gemeinsam einen Streifzug durch die zunehmend digitale und schnell veränderliche Arbeitswelt. Welchen Einfluss haben die Digitalisierung und andere Trends auf die Arbeit von heute und morgen? Wie verwandelt sich das Arbeitsumfeld, welche Kompetenzen sind gefragt, welche neuen Tätigkeiten entstehen, welche Jobs verschwinden? All das hilft Ihnen auch dann, wenn Sie »nur« Ihren aktuellen Job sichern und ausbauen wollen. Falls Sie jedoch mit dem Gedanken spielen, sich eines Tages beruflich zu verändern, ist dieses Wissen unverzichtbar. Denn wer möchte schon auf einem Arbeitsplatz landen, der bereits morgen nicht mehr in die Zeit passt?

Im zweiten Teil geht es um Ihren individuellen Weg durch die Arbeitswelt im Umbruch. Zunächst lesen Sie, warum Sie als lebenserfahrener Mensch gute Karten in der Arbeitswelt von heute und morgen haben. Sie reflektieren, welche Karrierestrategien Sie bisher verfolgt haben, und finden heraus, ob und was Sie daran ändern wollen.

Danach erfahren Sie, welchen Nutzen Ihnen Business-Plattformen und andere Wege der Vernetzung bringen und welche reichen Lernquellen für das selbstbestimmte Lernen im Internet auf Sie warten. Sie lernen, wie digitales Selbstmarketing funktioniert und wozu Sie es brauchen – auch wenn Sie im Moment weder auf Jobsuche noch selbstständig sind.

Immer wieder entdecken Sie Boxen mit »Wissenshappen« zu Begriffen der Digitalisierung und der neuen Arbeitswelt – genau dort, wo diese Themen auch praktisch auftauchen. Am Ende eines jeden Kapitels wartet eine Box namens »Kompakt« auf Sie, die das Wichtigste zum Mitnehmen enthält. Doch vor allem lade ich Sie mit zahlreichen Übungen zur Selbstreflexion ein, damit Sie Ihre eigenen Schlüsse für sich ziehen. Denn dieses Buch können Sie gern auch als Arbeitsbuch verwenden.

Abschließend nehmen Sie eine Wegskizze mit. Wenn Sie mögen, umreißen Sie darin Ihr individuelles Etappenziel in der neuen Arbeitswelt und entwickeln die nächsten Schritte. Und ganz zum Schluss erfahren Sie im Epilog, wie Stefanies Geschichte weitergeht.

Wie Sie dieses Buch lesen können

Weil Menschen auch beim Lesen unterschiedlich ticken, gibt es mehrere Wege durch dieses Buch.

Wenn Sie gern systematisch vorgehen, haben Sie zwei Möglichkeiten. Wollen Sie sich erst einmal einen Überblick verschaffen? Dann lesen Sie am besten das Buch »in einem Rutsch«, wobei Sie diejenigen »Wissenshappen« überblättern, die Sie momentan weniger interessieren. Lassen Sie anschließend das Gelesene ein paar Tage oder Wochen sacken. Gut zu wissen: Es wird in Ihnen weiterarbeiten. Anschließend widmen Sie sich in einer zweiten Leserunde der Vertiefung und vor allem den Übungen. Alternativ können Sie das Buch gleich beim ersten Mal mit einem Stift in der Hand von vorn nach hinten durcharbeiten – einschließlich der Übungen.

Sind Sie etwas spontaner veranlagt, starten Sie vielleicht lieber mittendrin – mit den Themen, die Sie im Moment am meisten locken. Später springen Sie dann an den Anfang und lesen den gesamten Text.

Und noch ein Hinweis: Wenn Sie mögen, laden Sie sich einige Arbeitsblätter aus dem Download-Bereich herunter.

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Abb. 2
QR-Code für Download-Bereich

Nägel mit Köpfen machen: Ihr Journal

Lesen Sie dieses Buch, um Ihren Horizont zu erweitern? Dann freue ich mich über Ihr Interesse. Wollen Sie es außerdem nutzen, um aktiv Ihren Weg durch die Arbeitswelt von heute und morgen zu gestalten? Dann legen Sie sich bitte ein Journal an. Was ist das und was haben Sie davon?

Gut eignet sich ein dickes Notizbuch, das Sie gern in die Hand nehmen, vielleicht mit einem fröhlichen Einband, der Ihnen ein Lächeln auf die Lippen zaubert. Geben Sie Ihrem Journal einen sprechenden Namen, vielleicht »Meine Zukunftsarbeit«, »Meine Surf-Tour durch den digitalen Wandel« oder etwas Konkreteres. Hier notieren Sie, was Ihnen beim Lesen und bei den Selbstreflexionsübungen einfällt. Vielleicht haben Sie ja sogar schon einige Ideen im Hinterkopf, wie Sie demnächst gern arbeiten möchten.

Ihr Journal kann Ihnen helfen,

Und noch etwas Wichtiges. Wenn Sie Nägel mit Köpfen machen wollen, sollten Sie dreierlei mitbringen: Neugier auf sich selbst, etwas Spielund Experimentierfreude und einen langen Atem. Legen Sie los – es lohnt sich! Ich wünsche Ihnen viel Spaß dabei.

TEIL 1

Digital, instabil, unberechenbar: Arbeitswelt heute

Kapitel 1:
Wie die Arbeitswelt tickt

Am Berliner Hauptbahnhof fiel mir unlängst eine großformatige Jobanzeige der Deutschen Bahn ins Auge: Gesucht wurden Männer und Frauen (auch Quereinsteiger), die lernen wollen, eine Lok zu führen. Und ich weiß: Auch der Berliner Nahverkehr fahndet händeringend nach Menschen, die sich hinter das Steuer von U-Bahn oder Bus setzen wollen. Es gibt sie also doch noch, die traditionellen Jobchancen mit Festanstellung im Großunternehmen. Doch würden Sie Ihrem Nachwuchs raten, sich auf solche Annoncen zu bewerben? Würden Sie selbst es tun? Dahinter steckt die Frage, auf die wir gleich zusteuern werden: Welche Zukunft hat diese oder jene Arbeit eigentlich noch?

Anderes Beispiel: In den Hochgeschwindigkeitszügen, die computergesteuert mit mehr als 250 Stundenkilometern durch den Gotthard-Tunnel in den Schweizer Alpen donnern, sitzt der Lokführer nur noch zur Beruhigung der Passagiere im Cockpit. Eine komplette Automatisierung des Zuges wäre überhaupt kein Problem. Woher ich das weiß? Vor Jahren waren meine Kollegen und ich an der Entwicklung der Vorgänger-Technik beteiligt. Für Bahnbetreiber in der Schweiz, Österreich und Spanien entwickelten wir ETCS-Streckenzentralen (European Train Control Systems). Diese Systeme helfen den Lokführern, ihre Hochgeschwindigkeitszüge fast automatisch zu steuern – bei Geschwindigkeiten, die die menschliche Wahrnehmungsfähigkeit übersteigen. Herkömmliche Signale sind auf diesen Strecken überflüssig, weil der Lokführer sie bei 250 Stundenkilometern ohnehin nicht mehr zuverlässig wahrnehmen kann. Also werden sie durch Symbole auf der Anzeige im Führerstand ersetzt. Auch im Nahverkehr ist eine Vollautomatisierung heute schon machbar, wie die Betreiber der Londoner U-Bahn beweisen.

Von Feldversuchen mit fahrerlosen Autos haben Sie vermutlich auch schon gehört. Erst unlängst wurde während einer Testfahrt wieder ein Passant überrollt. Doch das wird die Einführung der fahrerlosen Autos kaum aufhalten. Sie merken, worauf ich hinaus will? Arbeitsmarkt und Arbeitswelt sind dabei, sich in kurzer Zeit einschneidend zu verändern. Herkömmliche Berufe wie Lokführer oder Taxifahrerin verschwinden. Andere Berufe wie Lehrerin oder Pfleger werden nicht wiederzuerkennen sein. Das klare Fazit ist: Die an Langfristigkeit orientierte Karriereplanung aus dem 20. Jahrhundert taugt einfach nichts mehr.

Langzeitkarriere in Festanstellung als Auslaufmodell

Auf welche Berufsbiografie schauen Sie bisher zurück? Haben Sie viele Jahre oder gar Jahrzehnte in der gleichen Position bei ein und demselben Unternehmen gearbeitet? Oder sind Sie eher von Job zu Job gesprungen? Lebensläufe wie »25 Jahre Controllerin bei Siemens« haben mit den Dinosauriern in der Kreidezeit vieles gemeinsam: Sie sterben aus. Denn Firmen strukturieren um oder schlittern sogar in die Insolvenz. Auch erfahrene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stehen dann von heute auf morgen vor dem Aus. Die, die bleiben, müssen sich den Trends der Arbeitswelt stellen: Digitalisierung und Agilität. Was das bedeutet? Vor allem flexible und beschleunigte Abläufe unter Einsatz von Computernetzen und Digitaltechnologien sowie neue Formen von Führung und Zusammenarbeit (Brandes-Visbeck und Thielecke, 2018). Sogar in Behörden werden althergebrachte, starre Prozesse immer mehr zu Korsetten, die das freie Atmen behindern – darum werden solche Arbeitsformen auch dort wohl nicht mehr allzu lange in traditioneller Form existieren. Weil es kaum noch »statische Arbeitsplätze« gibt, brauchen Mitarbeitende wie Führungskräfte lebenslanges Lernen wie nie zuvor.

Der Mythos vom Fachkräftemangel

Diese Entwicklung berührt uns alle, doch lebenserfahrene Menschen sind davon ganz besonders betroffen. Während Unternehmen und politische Regelungen zu Beginn des 21. Jahrhunderts nicht mehr ganz junge Mitarbeitende massiv aus den Arbeitsverhältnissen drängten (etwa mit Vorruhestandsregelungen und dem »goldenen Handschlag«), halten Unternehmen heute eher an ihnen fest. Nicht aus Menschenfreundlichkeit, sondern weil die demografische Entwicklung zum Umdenken zwingt. Anders sieht es jedoch aus, wenn Lebenserfahrene einen neuen Job suchen. Mit Neueinstellungen von Menschen ab einem gewissen Alter sind viele Firmen immer noch zögerlich. Wie passt das zu dem häufig vernommenen Kassandra-Ruf, in Deutschland gebe es einen massiven Fachkräftemangel? Gar nicht!

Schauen wir uns das Thema Fachkräftemangel doch einmal genauer an. Zwar scheint Deutschland 30 Jahre nach der Wende geschafft zu haben, was es zuletzt in den »goldenen« Siebzigerjahren gab – es wurde nahezu Vollbeschäftigung erreicht. Die Arbeitslosenquote lag im Juli 2018 bei nur noch 5,1 Prozent (Agentur für Arbeit, 2018). Auch wenn es in den neuen Bundesländern immer noch weniger rosig aussieht, haben sie deutlich aufgeholt (Arbeitslosenquote Ost: 6,8 Prozent, West: 4,8 Prozent). Nicht nur die bisher gute Konjunktur, die sich inzwischen allerdings eintrübt, sondern auch die demografische Entwicklung hilft da kräftig mit.

So werden etwa die Hälfte der Mitarbeitenden die Deutsche Bahn in den nächsten zehn Jahren verlassen – altersbedingt. Und der Nachwuchs? Die Jahrgänge, die jetzt neu in das Berufsleben einsteigen, sind geburtenschwach. Deshalb sucht der Konzern händeringend Personal und gibt auch Quereinsteigern jeden Alters eine Chance zur Umschulung.

Festanstellung in einem Konzern, 40-Stunden-Woche, Urlaubsgeld – von solchen Sicherheiten träumen viele. Doch wie sehen die Beschäftigungsverhältnisse heute wirklich aus? 24 Prozent aller Anstellungen sind Teilzeitarbeit, weitere 13 Prozent Minijobs. Jeder zehnte Erwerbstätige arbeitet als Selbstständiger – nicht nur als Anwältin oder Zahnarzt, sondern oft in prekärer wirtschaftlicher Lage. Diese Menschen hangeln sich von Woche zu Woche – außerstande, für Auftragsflauten, längere Krankheiten und den Ruhestand vorzusorgen.

Mit ihnen gehören lebenserfahrene Arbeitssuchende zu einem riesigen Reservoir, aus dem die Firmen Fachleute gewinnen könnten. Warum tun sie es nicht? Nur selten werden hier die Karten offen auf den Tisch gelegt – welcher Arbeitgeber will sich schon Altersdiskriminierung vorwerfen lassen. Doch unausgesprochen wird Menschen ab der Lebensmitte pauschal unterstellt, sie seien für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts weniger geeignet als die »Digital Natives«. Das ist eine glatte Fehleinschätzung! Lebenserfahrene Menschen verfügen über ein Bündel wertvoller Kompetenzen, wie Sie im Kapitel 6 sehen werden.

Zudem ist die Fast-Vollbeschäftigung voraussichtlich nur ein vorübergehendes Hoch. Denn die Digitalisierung und ihre Schwestertechnologien wie Künstliche Intelligenz, Roboter und 3-D-Drucker mischen die Arbeitswelt mit rasanter Geschwindigkeit auf.

Gab es nicht auch in der Vergangenheit radikale technologische Umbrüche? Ja, immer wieder. Um nur einige zu nennen: Schon vor Jahrhunderten ersetzten selbsttätige Wind- und Wassermühlen die einfachen Mühlen, die mit Körperkraft von Menschen und Tieren betrieben wurden. Im 18. Jahrhundert verdrängten Webmaschinen die althergebrachten Webstühle, im 19. Jahrhundert revolutionierten dampfgetriebene Schiffe, die Eisenbahn und später das Automobil den Transport von Menschen und Gütern. In der Landwirtschaft machte die Mechanisierung nicht nur Pferde, sondern auch viele Bauern überflüssig, welche dann in den Fabriken der Städte neue Arbeit fanden.

Und so sprechen Optimisten davon, dass bisher jeder Automatisierungsschub – sprich der Ersatz menschlicher Arbeitskraft durch Technik – einen Arbeitskräftebedarf auf neuen Gebieten erzeugt habe. Doch die Frage ist: Kann das in Zukunft so weitergehen? Während bei früheren technologischen Revolutionen Profitstreben und unbegrenztes Wachstum neue Wirtschaftszweige antrieben, haben wir inzwischen längst die Grenzen der Belastungsfähigkeit der Erde erreicht (Ripple et al., 2017), (Raworth, 2018). Das heißt: Weiteres ökonomisches Wachstum gefährdet unsere Existenz. Deshalb wird es deutlich schwieriger, wegfallende Jobs durch neue zu kompensieren.

Doch nicht nur das. Rasante Veränderungen wie die digitale Transformation erschweren es vielen Menschen, rechtzeitig mitzuhalten und die eigene Beschäftigungsfähigkeit zu sichern und auszubauen. Deshalb könnte ein wahrscheinliches Szenario so aussehen: selektiver Fachkräftemangel auf bestimmten Gebieten (Digitaltechnologien, Handwerk, Pflege) bei gleichzeitiger struktureller Arbeitslosigkeit von Menschen mit geringer oder nicht aktualisierter Ausbildung.

Technologien, die die Welt verändern

Welches sind die Digitaltechnologien, die in schwindelerregendem Tempo die Arbeitswelt ummodeln und unser gesamtes Leben tönen? Vier Stars führen die Technologien an, die vor allem Industrieunternehmen in den nächsten Jahren massiv einsetzen werden: mobiles Hochgeschwindigkeits-Internet, Künstliche Intelligenz (KI), Big Data Analytics und Cloud-Technologien (World Economic Forum, 2018). Dazu gesellen sich das Internet der Dinge (IoT) und die Robotik, die schon seit einigen Jahren im Aufwind sind.

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Abb. 3
Digitale Schlüsseltechnologien

Wie Sie in der Abbildung sehen können, hängen diese Technologien miteinander zusammen. Wie? Die Grundlage für fast alles bildet das Hochgeschwindigkeits-Internet. Stellen Sie es sich vor wie das Rückgrat der Digitaltechnologien. Mit seiner Hilfe verknüpft die Cloud Menschen mit Internet-Servern und digitalen Diensten – und letztlich miteinander. Vom Internet der Dinge (IoT) erzeugte Daten werden nicht nur lokal für die Automatisierung genutzt. Einige davon werden auch über das Internet (oder das unternehmenseigene Intranet) übertragen, um beispielsweise ein dringend benötigtes Ersatzteil zu ordern.

Von Big Data haben Sie ganz sicher schon gehört. Sowohl das Internet der Dinge als auch die Cloud erzeugen riesige Datenmengen. Mehr noch: Wussten Sie, dass auch Sie Big Data füttern? Ob Sie nach einem Begriff googeln, eine Smartphone-App nutzen, auf Facebook unterwegs sind oder ein Fitness-Armband tragen – all das landet in dem riesigen Pool der Massendaten. Weil solche Datenmengen chaotisch und unüberschaubar sind, gleichen sie unbearbeiteten Rohdiamanten – im ungeschliffenen Zustand kann kein Mensch etwas mit ihnen anfangen. Deshalb werden sie mit Big Data Analytics ausgewertet, zu sinnvollen Informationen verdichtet und visualisiert. Neben Menschen nutzen auch Systeme der künstlichen Intelligenz und der Robotik diese Ergebnisse. Wollen Sie noch etwas mehr zu den Stars der Digitaltechnologien erfahren? Dann lade ich Sie zu sechs Wissenshappen ein. Falls Ihnen das im Moment zu viel ist, blättern Sie einfach weiter.

Haben Sie bis hierher durchgehalten? Ich gratuliere Ihnen!

Digitalfachkräfte treffen den Kollegen Roboter

Was bewirken diese Technologien am Arbeitsplatz? Dreierlei. Erstens ermöglichen sie die Entwicklung ganz neuer Produkte und Dienstleistungen. Zweitens ändern sie die Art und Weise, wie Menschen in den Unternehmen miteinander sowie mit den Maschinen und Algorithmen zusammenarbeiten. Und drittens erzeugen die Digitaltechnologien eine gewaltige Nachfrage an ganz bestimmten Arbeitskräften.

Denn: Roboter müssen gewartet werden, die Algorithmen für Big-Data-Analysen schreiben sich nicht von allein, und selbst Systeme mit künstlicher Intelligenz müssen entworfen, programmiert, trainiert, getestet und überwacht werden. Deshalb boomen bereits bekannte und neu entstehende Digitaljobs. Unternehmen fahnden fieberhaft nach technisch orientierten Fachkräften wie Software- und Anwendungsentwicklerinnen, Social-Media- und E-Commerce-Managern, Daten-Analytikerinnen und KI-Profis. Dazu gesellt sich inzwischen auch eine wachsende Nachfrage an Fachkräften, die zwar über grundlegendes Digital-Know-how verfügen, aber vor allem mit Menschen zu tun haben. Beispielsweise sind das Spezialistinnen für Organisationsentwicklung und Training sowie für Innovation, Marketing und Kundendienst.

Gleichzeitig lösen Maschinen und Algorithmen an vielen Stellen menschliche Arbeit ab. Die Folge: Die Grenze zwischen menschlicher und Maschinenarbeit verschiebt sich deutlich. Während Menschen 2018 noch 71 Prozent aller Industrie-Arbeitsstunden verrichteten, schrumpft dieser Anteil bereits 2022 auf ca. 58 Prozent, meint das World Economic Forum. Extrapoliert man diese Zahlen auf die nächsten Jahre, werden Maschinen, Algorithmen und KI bereits 2025 mehr als die Hälfte aller Arbeitsstunden in der Industrie übernehmen. Was für ein gewaltiger Umbruch!

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Abb. 4
Arbeitsteilung Mensch-Maschine in der Industrie (als Anteil an den Gesamt-Arbeitsstunden). Quelle für 2018, 2022: (World Economic Forum, 2018). 2025: extrapoliert.

Die Jobs der Mittelschicht schrumpfen

Dieser Umbruch in der Industrie strahlt inzwischen auch auf ganz andere Branchen aus wie die Banken, das Verkehrs- und das Gesundheitswesen.

Während in den letzten Jahrzehnten Technologien vor allem gering qualifizierte manuelle Tätigkeiten ablösten (Stichwort: Automatisierung), »fressen« digitale Technologien heute vor allem tendenziell besser bezahlte Jobs von Menschen aus der traditionellen Mittelschicht. Welche Jobs sind das? Nicht nur selbstfahrende Taxis und Busse werden in wenigen Jahren auf Menschen am Steuer verzichten. Auch viele Fachkräfte aus Banken, Versicherungen und Administrationsbereichen werden ihren Arbeitsplatz verlieren. Das betrifft administrative Tätigkeiten, die ohne viel Aufwand digitalisierbar sind. Längst sind Bankkauffrau, Versicherungskaufmann, Steuerberaterin oder technischer Kundendienstmitarbeiter keine zukunftssicheren Berufe mehr. Schon heute werden im Internet Immobiliendarlehen angeboten, die von Computerprogrammen vergeben oder verweigert werden. Auch Meldungen über Aktienkurse oder Wetterberichte werden zunehmend von Algorithmen zusammengestellt. Doch wussten Sie, dass inzwischen sogar solche Experten-Berufe wie Mediziner, Jurist und Lehrer auf dem Prüfstand stehen? Digitaltechnologien wie Mustererkennung, maschinelles Lernen und Künstliche Intelligenz (KI) werden bald schon Tätigkeiten übernehmen, die heute noch menschliches Expertenwissen erfordern. So waren KI-Systeme nach einer Lernphase in der Lage, Hautkrebs ähnlich treffsicher zu diagnostizieren wie Dermatologen. Nicht alles ist digitalisierbar, doch zumindest Teiltätigkeiten der Weißkittelberufe wie Diagnostik, Auswertung von Daten und reine Wissensvermittlung sind es. Was bleibt uns Menschen? Nicht nur die oben genannten Digitalberufe, sondern in den traditionellen Berufen all die Teiltätigkeiten, die Kreativität, Empathie und zwischenmenschliche Beziehungen erfordern.

Stochern im Nebel: Wie viele Arbeitsplätze gehen verloren?

Wie viele Arbeitsplätze wegbrechen und wie schnell das geschehen wird, ist umstritten. Die Zukunftsforscher liegen in ihren Prognosen weit auseinander, wie das Institut für Technikfolgeabschätzungen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften herausfand (Sinozic et al., 2017). Laut seiner Metastudie prognostizieren einige Optimisten unter den Trendforschern lediglich geringfügige negative oder sogar positive Auswirkungen der Digitalisierung auf den Arbeitsmarkt, weil die wegfallenden Jobs durch neue Jobs in Digital- und Dienstleistungsbranchen kompensiert werden könnten. Andere Trendforscher erwarten jedoch, dass der digitale Wandel mittelfristig deutlich mehr Arbeitsplätze vernichten als neue schaffen wird. Beispielsweise prognostiziert eine Studie von Bertelsmann und dem unabhängigen Millennium-Think-Tank: Die weltweite Arbeitslosigkeit wird voraussichtlich von 6 Prozent (2018) auf etwa 24 Prozent (2050) steigen. Dabei lagen die Schätzungen der befragten Experten umso höher, je besser diese mit neuen Technologien und disruptiven Veränderungsprozessen vertraut waren (Daheim & Wintermann, 2016).

Wie auch immer – selbst wenn die Gesamtzahl der Arbeitsplätze in etwa gleichbleiben sollte, können wir uns nicht zurücklehnen, denn es droht eine brisante gesellschaftliche Spaltung. Warum? Bei hoch qualifizierten Digital-Jobs wie auch bei Jobs mittlerer Qualifikation im Handwerk und im Pflegebereich (die bisher oft noch nicht ihrer Wertschöpfung entsprechend bezahlt werden) trifft eine explodierende Nachfrage auf zu wenige Bewerber mit den nötigen Kompetenzen. Hier herrscht also echter Fachkräftemangel. Dagegen sind Menschen mit veralteter oder niedriger Qualifikation gefährdet, bei Umstrukturierungen nicht nur ihren Arbeitsplatz zu verlieren, sondern auch keinen neuen mehr zu finden, was zu struktureller Arbeitslosigkeit führen kann. Als wichtigste Gegenmaßnahme verlangen Wissenschaftler wie Gewerkschaften eine Qualifizierungsoffensive in den Unternehmen (Fraunhofer Institut, 2019). Flankiert werden sollte sie durch politische Maßnahmen wie das Recht auf Bildungsgeld für alle Beschäftigten, das diese auch jenseits vom Unternehmen für ihre Weiterbildung oder Umschulung nutzen können. Jedoch sollten wir uns in dieser Frage weder auf die Politik noch auf unser Unternehmen verlassen. Deshalb werden Sie an späterer Stelle erfahren, wie Sie durch selbstbestimmte Qualifizierung Ihre berufliche Zukunft sichern können.

Was bleibt uns Menschen?

Wenn uns digitale Systeme und Roboter immer mehr Arbeit abnehmen, welche Möglichkeiten der Erwerbsarbeit bleiben uns Menschen dann noch? Antwort: alles, was mit zwischenmenschlichen Beziehungen, individuellen Dienstleistungen, Kreativität und den Mensch-Maschine-Schnittstellen zu tun hat. Hier werden viele der neuen Tätigkeiten entstehen. Und natürlich auch in der Digitalbranche, wie oben bereits erwähnt.

Die Zukunft der Arbeit ist schon Realität: selbstorganisierte Teams, digitale Experten und Clickworker

Wie sehen die digitalen Arbeitsplätze der Zukunft aus? Das Dreierbüro mit Frau Schneider und Herrn Wolf oder das Chefbüro mit Vorzimmer – Schnee von gestern? Immer mehr Menschen arbeiten in agilen Projektteams, die sich weitgehend selbst steuern. Manchmal sitzen sie, wie früher üblich, mit anderen im Büro, doch immer häufiger sind sie mit ihrem Laptop allein – im Homeoffice oder als »digitale Nomaden« irgendwo auf der Welt.

Sie arbeiten weitgehend selbstverantwortlich und stark vernetzt. Zunehmend bearbeiten sie zeitlich begrenzte Projekte verschiedener Auftraggeber in Virtuellen Teams (siehe z. B. Bright Solutions, 2018). Wie stimmen sie sich mit den anderen Projektbeteiligten ab? Brainstormings und Abstimmungen finden per Skype oder Zoom