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Paul und Max gewidmet, meinen Highlights

Anita Hermann-Ruess

Emotionale
Rhetorik

Mit Worten begeistern,
beeindrucken, berühren

Unter Mitarbeit von Max Ott

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Lektorat: Friederike Mannsperger, Ute Flockenhaus
Umschlaggestaltung: Martin Zech Design, Bremen, www.martinzech.de
Illustrationen: Maximilian Ott
Satz und Layout: Da-TeX Gerd Blumenstein, Leipzig, www.da-tex.de

©2014 GABAL Verlag GmbH, Offenbach
Das E-Book basiert auf dem 2014 erschienenen Buchtitel „Emotionale Rhetorik“ von Anita Hermann-Ruess, ©2014 GABAL Verlag GmbH, Offenbach.
Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages.

ISBN Buchausgabe: 978-3-86936-562-6
ISBN epub: 978-3-95623-084-4

www.gabal-verlag.de

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Inhalt

Vorwort

Teil I

Emotionale Rhetorik
Geheimnisse erfolgreicher Redner

1. Rhetorische Basis und Brillanz

2. Die 7 Geheimnisse der Excellent Speaker

3. Die Prinzipien emotionaler Verstärkung

4. Die Kraft positiver und negativer Emotionen

5. Emotional Brain: Alle Entscheidungen sind emotional

6. Die 8 wichtigsten Emotionsfelder für eine herausragende Rede

7. Die 3 Schritte zum Erfolg: Kernbotschaft, Highlight, Verstärkung

Teil II

Praxis der emotionalen Rhetorik
Begeistern mit 40 rhetorischen Highlights

1. Werte- und Emotionsfeld: Kraft, Stolz, Siegesgefühle

1. Highlight: Aufsehen erregende Zahl

2. Highlight: Powerrankings

3. Highlight: Success-Story

4. Highlight: VIP, Lob und Ehre

5. Highlight: Sieg-Effekte mit Zahlen-Charts

6. Highlight: Die Körpersprache des Experten

2. Werte- und Emotionsfeld: Ärger, Zorn

7. Highlight: Reizwörter

8. Highlight: Die Macht der Verschwendung

9. Highlight: Kampfrhetorik

10. Highlight: Die Körpersprache des Kämpfers

3. Werte- und Emotionsfeld: Ordnung, Sicherheit, Vertrauen

11. Highlight: Überzeugen mit Struktur

12. Highlight: Test und Demonstration

13. Highlight: Gelinggarantie und Zufriedenheitsgeschichte

14. Highlight: Szenario-Technik – die vernünftige Mitte

15. Highlight: Trust-Story – Geschichten mit Tradition

16. Highlight: Die Körpersprache der Sicherheit – die Eiche

4. Werte- und Emotionsfeld: Besorgnis, Angst

17. Highlight: Vorher Hölle – nachher Himmel

18. Highlight: Den Teufel an die Wand malen

19. Highlight: Mahnende Worte, Vergleiche, Geschichten

20. Highlight: Die Körpersprache des Mahners

5. Werte- und Emotionsfeld: Sympathie, Berührung, Verbundenheit

21. Highlight: Interaktion mit dem Publikum

22. Highlight: Mit Storytelling berühren, belehren und bewegen

23. Highlight: Gefühlvolle Bilder und Metaphern

24. Highlight: Personifizierung und Personenevokation

25. Highlight: Festival der Sinne

26. Highlight: Die Körpersprache des Schenkenden

6. Werte- und Emotionsfeld: Mitgefühl, Betroffenheit, Hoffnung

27. Highlight: Schicksalsstory

28. Highlight: Motivationsgeschichten

29. Highlight: Tröstende Metaphern

30. Highlight: Die Körpersprache des Betroffenen

7. Werte- und Emotionsfeld: Verblüffung, Spannung, Faszination

31. Highlight: Stellen Sie sich einmal vor, dass …

32. Highlight: Der mysteriöse Gegenstand

33. Highlight: Spannend wie einen Krimi präsentieren

34. Highlight: Science-Storys – verblüffende Studien und sensationelle Entdeckungen

35. Highlight: Quer, anders, unvergleichlich

36. Highlight: Die Körpersprache des visionären Entertainers

8. Werte- und Emotionsfeld: Ironie, Zynismus, Provokation

37. Highlight: Paradoxes Brainstorming

38. Highlight: Ironische Hitparade

39. Highlight: Schein und Sein – „Die Wahrheit über …“

40. Highlight: Die Körpersprache des Provokateurs

Teil III

Emotionale Verstärkung durch rhetorischen Feinschliff 30 rhetorische Wirkfiguren

Übersicht

1. Alliteration (Stabreim)

2. Anadiplose (Verdoppelung)

3. Analogie (Ähnlichkeit von Verhältnissen)

4. Anapher (Wiederholung des Satzanfangs)

5. Antithese (Gegensatz)

6. Asyndeton (unverbundene Aufzählung)

7. Brevitas (Kürze)

8. Chiasmus (Überkreuzstellung)

9. Concessio (Scheinbewilligung)

10. Euphemismus (Beschönigung)

11. Evidentia (Veranschaulichung)

12. Exemplum (Beispiel)

13. Hyperbel (Übertreibung)

14. Imperativ/Slogan (Aufforderung)

15. Ironie (Verstellung)

16. Klimax/Antiklimax (positive/negative Steigerung)

17. Metapher (Übertragung)

18. Narratio (Erzählung)

19. Oxymoron (innerer Widerspruch)

20. Parallelismus (gleicher Satzbau)

21. Platzierung (Rangreihenfolge/Ranking)

22. Prolepsis (Vorwegnahme eines Einwandes)

23. Repetitio (Wiederholung)

24. Rhetorische Frage (Scheinfrage)

25. Spruch/Zitat

26. Symbolismus

27. Synekdoche (Ersetzung)

28. Trikolon (Dreierschritt)

29. Verzicht

30. Wortspiel und Wortwitz

Anhang

Rhetorische Analyse einer Rede von Barack Obama (Obamas Rede zur Amtseinführung)

Rhetorische Analyse einer Rede von Steve Jobs (Rede vor den Absolventen Stanfords 2005)

Rhetorische Kurzanalysen von herausragenden TED-Präsentationen

Die Autorin

Literaturverzeichnis

Vorwort

Liebe Leserin, lieber Leser!

Ich weiß nicht, was Sie beruflich machen, was Sie herstellen, was Sie verkaufen, was Sie konzipieren. Ich weiß jedoch, dass Sie Ihre Produkte, Ihre Meinungen und Ihre Konzepte anderen vermitteln wollen. Ich weiß, dass es für Sie wichtig ist, sich selbst und Ihre Leistungen so darzustellen, dass Ihr Kunde, Ihr Vorgesetzter oder Ihr Publikum davon beeindruckt sind.

Leistung in passende Worte kleiden

In meiner langjährigen Arbeit als Rhetorik-Trainerin habe ich oft erlebt, wie schwer es den meisten fällt, die richtigen Worte zu finden, kraftvolle Sätze zu formulieren, Menschen zu berühren und zu bewegen. Bemerkenswert ist auch die Tatsache, dass gerade denjenigen, die Top-Leistung bringen, die gute Produkte haben oder zukunftstaugliche Ideen – dass gerade denen das Verpacken und Verkaufen des Angebots besonders schwerfällt. „Soll doch die gute Leistung für sich sprechen“ – so ihr Tenor in den Rhetorik-Seminaren.

Ich habe dieses Buch für all diejenigen geschrieben, die wissen wollen, wie sie Menschen besser erreichen können, die genau erfahren wollen, wie sie Inhalte überzeugend formulieren, wie sie komplexe Sachverhalte auf den Punkt bringen, wie sie so vortragen, dass sie die Zuhörer in ihren Bann ziehen. Dabei ist es nicht wichtig, was Sie beruflich machen. Denn egal auf welcher Position Sie stehen: Mit guter Rhetorik kommen Sie auf jeden Fall immer einen Schritt weiter.

Botschaften beim Publikum verankern

Rhetorische Kompetenz ist eine Schlüsselkompetenz. Je austauschbarer die Inhalte werden, umso wichtiger wird die herausragende Inszenierung der Inhalte. Je mehr Botschaften täglich auf uns einprasseln, umso wichtiger wird es, die Botschaften so zu verankern, dass sie bleibenden Eindruck hinterlassen und positiv nachwirken.

Ein inspirierendes Nachschlagewerk

Die meisten wissen, wie man einen Vortrag oder eine Präsentation hält. Die wenigsten wissen aber, wie man Zuhörer beeindruckt und wie man sie mitreißt. Und noch weniger trauen sich selbst Kreativität zu. Das Anliegen dieses Buches ist es, ein inspirierendes Nachschlagewerk zu schaffen, mit dem Sie in Sekundenschnelle Highlights für Ihre Rede oder Ihren Text finden. Sie erhalten kreative Ideen, praktische Tipps und Beispiele, um glanzvolle Akzente zu setzen.

Ich habe das zugrunde liegende Konzept „emotionale Rhetorik“ genannt. Emotionale Rhetorik wird der biologischen Tatsache gerecht, dass nur Emotionen Botschaften wirklich in uns verankern. So will es unser evolutionäres Programm. Was uns emotional nicht berührt, wird uns nie erreichen. Nur was uns emotional ergreift, hat eine Chance, unsere Aufmerksamkeit zu erlangen. Die Gehirnforschung beweist, was wir schon immer ahnten: Emotionen sind die wahren Entscheider und Lenker unseres Denkens und Handelns. Nur Botschaften, die zu einer starken Ausschüttung von Botenstoffen und Hormonen führen, haben eine Chance, uns zu erreichen, zu berühren und zu bewegen. Emotionale Rhetorik auf den Punkt gebracht bedeutet: Lass mit deiner Botschaft Botenstoffe sprudeln! Kurble mit deinen Worten die Produktion von Antriebs- und Glückshormonen an!

Rhetorische Highlights

Die rhetorischen Mittel, mit denen Sie diese Wirkung erzeugen, heißen in diesem Buch „Highlights“. Unter Highlights verstehe ich alle Zeichen und Botschaften in einer Rede, die die Treffsicherheit und Kraft haben, im Publikum die gewünschten emotionalen Reaktionen zu erzeugen. Fündig wurde ich auf der Suche nach den wirkungsvollen Mitteln erstens in der universitären Disziplin der Rhetorik, die ich studiert habe, mit ihren Sammlungen von Wirkfiguren von der Antike bis in die Gegenwart. Zweitens habe ich als Rhetorik-Trainerin und Redecoach schon viele Präsentationen und Vorträge gesehen, bewertet, optimiert, neu produziert und natürlich selbst gehalten. Im Training und Coaching habe ich die exklusive Möglichkeit, mit meinen Teilnehmern manchmal staunend zu erleben, welch große Wirkung kleine Änderungen haben. Ein treffenderes Wort, eine überzeugendere Demonstration, ein lebendigeres Körperbild – und die Wirkung potenziert sich. Und drittens saß ich oft als ganz normale Zuhörerin, im Publikum – mal gelangweilt, mal interessiert, mal fasziniert. Was mich erreichte, berührte, erfreute, begeisterte und überzeugte, fand Eingang in diese Sammlung der Highlight-Rhetorik-Tools. Sie erhebt keinen Anspruch auf wissenschaftliche Systematik, sondern soll ein praxisnaher und nützlicher Helfer sein für alle, die eine Rede halten und sicher sein möchten, dass sie wirklich beim Publikum ankommt.

Sind Sie bereit, eine neue Stufe in Ihrer rhetorischen Entwicklung mit mir gemeinsam zu gehen? Sind Sie bereit, Menschen emotional zu berühren und sie für Ihre Sache zu gewinnen? Dann freue ich mich, Sie auf dieser spannenden Reise in die Welt der Rhetorik zu begleiten. Die erste Station führt uns zu den Geheimnissen herausragender Redner und Rednerinnen.

Teil I

Emotionale Rhetorik

Geheimnisse erfolgreicher Redner

1. Rhetorische Basis und Brillanz

Eine wahre Geschichte von der Messe

Gemeinsam mit einem Kunden besuche ich eine Messe. Graues Nieselwetter, matschige Parkplätze und missgelaunte Gesichter empfangen uns bei unserer Ankunft. In den Hallen typische Messeatmosphäre. Die Besucher schlendern langsam durch die Gänge. Wir haben uns im Vorfeld auf einige Vorträge geeinigt, die uns interessieren. In freudiger Erwartung nehmen wir Platz, richten unsere Blicke gebannt auf den Redner und schalten unser Gehirn auf Top-Aufmerksamkeit. Wenige Minuten später hat das Bild sich komplett geändert. Vorne plätschert ein mittelmäßiger Vortrag mit vielen Folien dahin. Der Vortragende kennt die rhetorischen Basics. Er hat bestimmt Seminare besucht und Bücher gelesen. Aber der Funke will nicht überspringen. Er erreicht uns nicht wirklich. Er kann uns nicht emotional abholen.

Blasse Bilder, kraftlose Sätze und langweilige Formulierungen

Seine Bilder sind blass, seine Sätze kraftlos und seine Formulierungen langweilig. Die Zuhörer sinken in ihre Stühle, die Blicke werden glasig. Einige verlassen dezent mit einem entschuldigenden Blick auf die Uhr das lauwarme Geschehen. Wir schließen uns dieser Gruppe an und hoffen in Halle 3 auf Besserung, schließlich kündigt der Katalog den Redner als „exzellenten Keynote-Speaker“ an. „Er ist nicht schlecht. Er ist aber auch nicht wirklich gut!“, flüstert mein Kunde mir zu, während wir eine PowerPoint-Folie nach der anderen anschauen. Gut gemachte natürlich. Der Keynote-Speaker wirkt neben den großen Folien ganz klein dort oben auf dem Podium. Immerhin hören wir ihm zu, wir nicken auch hin und wieder – doch heute, während ich diese Zeilen schreibe, weiß ich nicht mehr, wer er war und worum es ging. Viele andere, ähnlich gut gemachte Vorträge haben seinen überlagert. Es gab nichts Herausragendes, kein Aha-Erlebnis, kein „Wow – wer hätte das für möglich gehalten?“. Nichts, womit er unser wählerisches und anspruchsvolles Konsumentengehirn verführen konnte. Immerhin bleiben wir bis zum Schluss, wir klatschen … und wir ziehen weiter. Der Vortrag hat keine Spuren hinterlassen. Er hat uns nicht verändert und nicht bewegt. Der Referent hat trotz guter Inhalte und solider Präsentation sein Ziel verfehlt.

Eine virtuose Rednerin

Plötzlich hören wir viele lachende Menschen, wir hören eine dynamische und sympathische Stimme, wir hören spontanes Klatschen. Da müssen wir hin! Endlich Freude, Lebendigkeit und Aktion. Wir betreten Halle 4 und sehen eine riesige Menschentraube um einen winzigen Stand. Die Rednerin ist vor lauter Zuhörern nicht zu sehen. Immer mehr Menschen kommen und recken ihre Hälse, um auch nur ein Zipfelchen von dieser euphorischen Stimmung mitzubekommen. Die Gesichter der Zuhörer strahlen, ihre Augen leuchten und ihre Körper sind der Rednerin zugewandt und aufgerichtet. Wie Schwämme saugen sie ihre Worte auf. Alle sind ganz im Hier und Jetzt. Mal steigert die Rednerin ihre Glaubwürdigkeit durch Zahlen, Studien und interessante neue Inhalte, um dann wieder die Seelen ihrer Zuhörer zu berühren mit nachdenklichen Passagen und leisen Tönen.

Die Klaviatur der Gefühle und Stimmungen

Das Publikum ist Teil ihres Vortrags. Steife Messebesucher ziehen ihre Jacketts aus, probieren die Botschaften selbst aus, tauschen sich mit ihren Nachbarn über das Erlebte aus. Mal leise, dann laut, mal lustig, dann nachdenklich, mal besorgt, dann ermutigend spielt die Rednerin auf der Klaviatur der Gefühle und Stimmungen. „Fühlen Sie das auch?“, fragt mich mein Kunde. „Das hier ist eine ganz andere Energie!“ Der Applaus zum Schluss ist tosend, und keiner will gehen. Noch lange nach Ende ihres Vortrags stehen die Zuhörer in kleinen Grüppchen in bester Stimmung an ihrem Stand. Sie tauscht sich angeregt mit ihnen aus, viele fragen nach ihrer Visitenkarte und etliche sogar nach Terminen.

Mit minimalen Mitteln maximalen Ertrag

Dieser Messeauftritt hat sich nachhaltig gelohnt. Die Anbieterin hat mit minimalen Mitteln das Maximum herausgeholt. Es gab keinen teuren Stand, keine teure Rednergebühr, keine teuren Beamer, kein teures Notebook, kein teures Businesskostüm, keine teuren Broschüren. Sie hat sich ganz auf die Macht ihrer Worte verlassen und darauf, dass sie die Menschen mit ihnen erreichen und gewinnen kann. Ein Vortrag, der nichts kostet, hat die Köpfe und Herzen ihrer Zielgruppe erreicht. Die Anbieterin hat sich auf das konzentriert, was maximalen Erfolg bringt. Sie hat sich auf einen rhetorisch brillanten Auftritt konzentriert. Und der Coup ist ihr gelungen.

Gute Rhetorik ist kostenlos und extrem wirkungsvoll. Gute Rhetorik unterscheidet sich von mittelmäßiger dadurch, dass sie Menschen emotional berührt.

„Wer die Herzen der Menschen gewinnt“, so ein weises Sprichwort, „der hat es mit den Köpfen leicht.“ Gute Rhetorik dringt durch die Schichten von Zerstreutheit, Widerstand, Desinteresse in tiefere Regionen unseres Seins vor. Sie erreicht unser Innerstes, rüttelt uns wach, bewegt uns, zwingt uns, unsere Meinung infrage zu stellen, öffnet unseren Geist für neue Sichtweisen, nimmt uns die Angst und macht uns Mut.

Scheinbar Rationales ist hoch emotional

„Meine Kunden und meine Zuhörer sind rationale und nüchterne Zahlenmenschen, die wollen nicht mit Emotionen konfrontiert werden!“, höre ich Sie jetzt vielleicht einwenden. Doch schauen wir uns mal die Realität der sogenannten Zahlenmenschen an. Wollen sie wirklich die nackte Zahl oder das technische Detail? Nein, gewiss nicht. Auch sie wollen die guten Emotionen, die durch diese Zahlen und Fakten entstehen. Sie wollen sich stolz und mächtig fühlen angesichts des Gewinn versprechenden Angebots, sie wollen das sichere Gefühl, die Kontrolle zu haben angesichts der präzisen Details, sie wollen das Gefühl, wichtig zu sein und wertgeschätzt zu werden angesichts einer knappen und sachlichen Präsentation, die ihren eigenen Werten von „Zeit ist Geld!“ entspricht.

Andere Zuhörer schätzen andere Gefühle. Vielleicht wünschen sie sich das anregende Prickeln, das sich immer dann einstellt, wenn wir etwas Neues und Unerwartetes erfahren. Vielleicht wünschen sie sich das Gefühl der Nähe, das entsteht, wenn sie das Gefühl haben, im Innersten verstanden zu werden. Vielleicht schätzen sie es, aufgerichtet und ermutigt zu werden, um hoch motiviert und gestärkt ihren Alltag zu bewältigen. Oder sie sehnen sich danach, dass ihnen die Angst genommen wird vor Veränderungen, vor Chaos, vor dem Unberechenbaren.

Emotionen bestimmen die Welt

Emotionen bestimmen die Welt. Menschen sind süchtig nach Emotionen. Nicht alle bevorzugen die gleichen Emotionen. Aber alle versuchen, negative Emotionen zu vermeiden und positive zu verstärken. Warum das so ist, erfahren Sie in dem Kapitel „Emotional Brain“.

Erfolg und Einfluss durch hervorragende Auftritte

Das Pareto-Prinzip

Kennen Sie das Pareto-Prinzip? Es besagt, dass wir mit 20 Prozent unserer Leistung 80 Prozent unserer Ergebnisse erreichen. Das ist das Geheimnis erfolgreicher Menschen. Sie arbeiten und leben nach dem Pareto-Prinzip und konzentrieren sich nur auf die 20 Prozent, die sie mit Riesenschritten zu Erfolg und Zufriedenheit bringen.

Was aber sind diese 20 Prozent? Was genau sind die Tätigkeiten, die uns mit Riesenschritten voranbringen? Ist es die fleißige Arbeit am Schreibtisch? Ist es die geniale Idee? Ist es das beharrliche und zuverlässige tägliche Tun? Auch wenn wir uns alle wünschen, es wäre anders, so lehrt uns doch die Lebenserfahrung, dass Fleiß allein uns nicht weiterbringt. Sie können die beste Leistung, das hochwertigste Produkt, das aufregendste Konzept und die vernünftigste Meinung haben, es wird Ihnen nichts nützen, wenn Sie es nicht schaffen, andere davon zu überzeugen und zu begeistern. Zu diesen 20 Prozent gehört es also, die eigenen Ideen und Leistungen den Entscheidern – Vorgesetzten, Kunden, der Presse, der Öffentlichkeit – so zu vermitteln, dass diese von Ihnen beeindruckt sind.

Mit Worten magnetisch auf Zuhörer wirken

Wenn Sie Menschen mit Worten begeistern, berühren und bewegen können, wenn Sie im richtigen Moment die richtigen Worte finden – dann haben Sie einen gewaltigen Wettbewerbsvorteil gegenüber denjenigen, die sich ausschließlich auf Leistung und Inhalte verlassen. Wir alle sind im Grunde Verkäufer: als Führungskraft, die ihr Team für ihre Ziele gewinnen will, als Unternehmer, der Kunden und Geschäftspartner überzeugen möchte, als Experte, der seine Ideen und Konzepte einer breiten Öffentlichkeit bekannt machen will. Wir müssen uns, unsere Produkte, unsere Ideen so inszenieren, dass sie magnetisch auf unsere Kunden, Zuhörer und Zielgruppen wirken.

Die Wirkkraft der Rhetorik

Seit 2.500 Jahren beobachtet man in der Rhetorik Menschen dabei, ob und wie sie mit Sprache Ziele erreichen. Man beobachtet, was funktioniert und was nicht funktioniert. Das, was hervorragend funktioniert, wird archiviert. So ist ein Kanon von rhetorischen Regeln entstanden, durch die Jahrhunderte bewährt und von unglaublicher Wirkkraft. Das Kernstück der Sammlung sind die rhetorischen Wirkfiguren. Rhetorische Wirkfiguren sind machtvolle Sprachmuster, die aus langweiligen, nichtssagenden Formulierungen Powersätze machen, aus weitschweifigem Geplänkel treffende Pointen zuspitzen und aus Wortungetümen anschauliche Höhepunkte machen. Sie sind so wertvoll wie Diamanten, denn sie geben Ihrer Rede den letzten Schliff, sie machen Ihre Rede glanzvoll und einzigartig. Sie werten Ihren Vortrag auf, verwandeln langweilige Passagen in spannende, eintönige in abwechslungsreiche, biedere in faszinierende, gewöhnliche in außergewöhnliche.

Wir erleben im Moment eine Wiederentdeckung der Rhetorik. Lange Zeit hat die Technik unsere Vortragssäle beherrscht. PowerPoint war der Star und Mittelpunkt eines jeden Events. Wir haben uns auf die coole Technik verlassen und nicht auf die bewegende Kraft unserer Worte und Gesten. Wir standen mit dem Rücken zum Publikum, in den Händen ein Laserpointer, und lasen blutleere Sätze von kalten Wänden ab. Das Publikum musste den Gewaltakt leisten, gleichzeitig zu lesen und zuzuhören. Die guten Gefühle blieben auf der Strecke. Die Zuschauer fühlten sich im schlimmsten Fall verwirrt, gelangweilt oder unverstanden.

Vorträge heute: multimedial und multisensorisch

Der heutige Vortrag ist multimedial und multisensorisch. Worte, Bilder und Gefühle verschmelzen zu einer kunstvollen Einheit. PowerPoint wird bildhafter eingesetzt, um das Gesagte emotional zu verstärken, um Emotionen zu transportieren mit passenden Grafiken, Fotos, Filmen, Animationen. PowerPoint wird zum Stilmittel, zur kunstvollen Inszenierung, zum optischen Kunstwerk. Es wird nicht mehr genutzt, um Thesen und Argumente aufzuzählen, sondern um sie anschaulich zu machen.

Heutige PowerPoint-Präsentationen unterstützen den Redner und bieten eine emotionale Stütze für das Publikum, aber sie ersetzen den Redner nicht.

Auf Highlights setzen

Verlassen Sie sich bitte nicht auf PowerPoint alleine. Es ist nur eine Möglichkeit, Ihren Vortrag zu inszenieren. Es gibt noch so viele bessere, passendere, lebendigere Alternativen. Eine gut erzählte Geschichte, eine griffige Demonstration, eine einleuchtende Skizze am Flipchart sind oft viel überzeugender, wenn es darum geht, Menschen für sich zu gewinnen. Nutzen Sie wieder die Kraft der Rhetorik. Setzen Sie auf Highlights in Ihrer Rede. Nutzen Sie die Sammlung in diesem Buch sowohl für Ihre Vorträge als auch um eine herausragende PowerPoint-Präsentation zu halten.

Inszenierungen der Extraklasse für ein medial verwöhntes Publikum

Auch aus den Medien, aus der Werbung und vor allem aus dem Event-Marketing können und müssen wir lernen, wenn wir heute auf der Bühne bestehen möchten. Das Publikum vergleicht unseren Auftritt unbewusst mit den professionellen Inszenierungen der Medien. Die Reizschwelle, wann wir etwas langweilig finden, ist extrem gesunken. Wer mit iPhone, YouTube und Twitter lebt, will schnelle Schnitte, rasante Wechsel und kurze, bildhafte Sequenzen.

Ein Festival der Sinne bieten

Paradoxerweise sind diese Social Media auch gleichzeitig Ihre größte Chance. Denn Sie bieten mit Ihrem Vortrag die Kostbarkeit der realen Begegnung in einer zunehmend virtuellen Welt. Echte, lebendige Menschen treffen auf ein echtes, real anwesendes Publikum. Die Chance liegt darin, Ihrem Publikum ein Festival der Sinne zu bieten: Lassen Sie es riechen, hören, schmecken, sehen, fühlen, sich austauschen, spüren, anfassen; lassen Sie es lachen und staunen; integrieren Sie mit Ihren Worten den Einzelnen in eine Einheit, bieten Sie ein gemeinsames, unvergessliches Erleben – schaffen Sie ein Wir. Nutzen Sie die Chance, die in dieser echten Begegnung steckt. Heben Sie sich ab von der virtuellen, zweidimensionalen Welt! Die Chance der heutigen Rhetorik liegt darin, einerseits die uralten evolutionären Programme in uns anzusprechen und archetypische Muster, Motive, Symbole zu nutzen und gleichzeitig auf der Höhe medialer Inszenierungskunst zu sein.

Auch virtuell emotional präsentieren

Wenn Sie virtuell präsentieren, benötigen Sie die emotionale Rhetorik noch notwendiger. Gleichen Sie die Abwesenheit des Körpers und des Raumes mit den vorgestellten Rhetorik-Highlights aus. Fesseln Sie Ihr Publikum an dem Bildschirm, indem Sie lebendig, spannend und mitreißend reden. Im Vergleich zu Präsenzpräsentationen gilt für virtuelle Präsentationen: Sie benötigen viel mehr Abwechslung, deshalb sollte mindestens alle 1 bis 2 Minuten das Chart wechseln. Webinar-Charts sollten bildreich, emotional und anziehend sein, Textfolien sind für Webinare nicht geeignet. Sie benötigen viele Highlights – alle 3 bis 5 Minuten sollte ein spannendes rhetorisches Highlight die Aufmerksamkeit der Zuhörer fesseln (vgl. Hermann-Ruess/Ott, 2014: Das gute Webinar).

2. Die 7 Geheimnisse der Excellent Speaker

Warum hören wir manchen Präsentierenden gebannt zu, während wir bei anderen das Ende der Präsentation nicht erwarten können? Warum sind wir bei manchen Rednern regelrecht gefesselt, während wir uns bei anderen nur mühsam wach halten können? Und warum werden uns bei manchen Vortragenden auch schwierigste Inhalte sofort klar, während wir bei andern rätseln und vergeblich nach dem Sinn suchen? Dieses Kapitel verrät Ihnen die sieben Geheimnisse von Top-Präsentatoren und Excellent Speakern.

1. Geheimnis:
Sie spielen auf der Klaviatur der Emotionen

Die alljährliche Weihnachtsansprache

Wir alle kennen Weihnachtsansprachen. Entweder weil wir sie selbst jedes Jahr aufs Neue halten oder weil wir jährlich als Zuhörer in den Genuss derselben kommen. Es gibt Vorgesetzte, die mit ihrer Weihnachtsansprache berühren, bewegen, motivieren. Und solche, nach deren Rede man sich enttäuscht, frustriert und abgewertet fühlt. Aus meinen Beratungen weiß ich, dass in beiden Fällen eine positive Absicht hinter der Weihnachtsrede stand. Beide haben die Intention, den Mitarbeitern zu danken, sie zu motivieren, ihnen Mut zu machen. Doch die zweite Gruppe von Vorgesetzten macht sich zu wenig Gedanken über die emotionale Auswirkung ihrer Worte. Diese Führungskräfte meinen, mit nüchternen Fakten, nackten Zahlen und strammen Zielen sei es getan. Und sie wundern sich dann, wenn ihre Mitarbeiter „steif wie Mumien“ dastehen – Originalton einer Führungskraft im Coaching. Sie wissen gar nicht, welche Emotionen jetzt wichtig wären, sie wissen nicht, wie man sie erzeugt und in Worte fasst.

Die emotionale Auswirkung von Vorträgen

Erfolgreiche Redner und Rednerinnen konzentrieren sich auf die emotionale Auswirkung ihrer Vorträge. Alle Vortragstools (Inhalte, Argumente, Inszenierungen, Belege, Unterlagen, Folien, Medien, Kleidung, Gesten usw.) sind nur Mittel zum Zweck. Sie sind ausgerichtet auf die Frage: „Welche Gefühle erzeuge ich mit genau diesem Argument, mit genau dieser Folie, mit genau dieser Technik beim Publikum?“ Exzellente Redner fragen sich zuallererst: „Welche Emotion wäre jetzt förderlich? Wie sollen sich meine Mitarbeiter fühlen nach dieser Weihnachtsansprache? Sollen sie sich stolz fühlen, in meinem Unternehmen zu arbeiten und mich als Vorgesetzten zu haben? Sollen sie stolz auf die eigene und auf die gemeinsam geleistete Arbeit sein? Sollen sie mit einem sicheren Gefühl nach Hause gehen, da sie jetzt Klarheit haben über die Zukunft, auch wenn diese vielleicht hart sein wird? Sollen sie sich freuen über meine Dankbarkeit und Anerkennung? Sollen Sie sich heiter und leicht fühlen, indem wir gemeinsam schmunzeln oder lachen? Sollen sie sich stark fühlen, weil sie spüren, dass sie in einer starken Gemeinschaft gut aufgehoben sind?“ Nach einer Rede, die sich an diesen Fragen orientiert, fühlen sich die Mitarbeiter hoch motiviert und sind bereit, sich für gemeinsame Ziele einzusetzen.

Auf der Klaviatur der Emotionen spielen

Erfolgreiche Redner beherrschen also die Klaviatur der Emotionen. Sie spielen jedoch nicht nur auf den weißen, hellen, sondern auch auf den dunklen, schwarzen Tasten virtuos und erzielen wie ein Klavierspieler ein harmonisches Ganzes. Emotionale Rhetorik lebt nicht allein von positiven Emotionen. Der exzellente Redner anerkennt, dass der Regen genauso wichtig ist wie der Sonnenschein, die Nacht wie der Tag, die Schwere wie die Leichtigkeit. Er weiß, dass Menschen sich nicht allein von leuchtenden Zielbildern und positiven Gefühlen leiten lassen; er weiß, dass der Schmerz, der Zorn, die Angst, manchmal der Schock wirksame Mittel sind, um Menschen aufzurütteln und zu bewegen.

2. Geheimnis:
Sie haben Mut zum eigenen Stil

Sind gute Redner Naturtalente?

Nun könnten Sie einwenden, dass erfolgreiche Redner Naturtalente seien, die einen fantastischen Zugang zu ihren Emotionen haben und aus dem Bauch heraus packend und fesselnd sprechen. Nach dem Motto: „Als Redner wird man geboren. Man hat’s oder man hat’s nicht! Man ist nun mal ein emotionaler Mensch oder nicht!“

Meine Erfahrung ist: Wir sind zwar alle emotional und können Emotionen hervorrufen. Es kommt jedoch darauf an, diese gezielt einzusetzen. Dabei können es ganz unterschiedliche Arten emotionaler Wirkungen sein, die beabsichtigt sind. Ich kenne hervorragende Redner, die mit zutiefst beeindruckender Klarheit und Präzision sprechen. Sie punkten mit messerscharfer Logik statt mit berührenden Geschichten, spitzen mit knappen Antithesen die Dinge zu, kommen ohne Abschweifungen und schmückende Beiwörter auf den Punkt. Die emotionale Wirkung ihrer Reden ist Klarheit, Kraft und Coolness. Ihr Stil ist prägnant, ihre Formulierungen sind griffig, ihre Aussagen plakativ. Ihre Nüchternheit wirkt machtvoll.