Cover

Kurzbeschreibung:

Nach dem Tod seiner großen Liebe Giulia lebt der Maler Paul Handewitt allein. Er verschließt sich seinen Gefühlen gegenüber und widmet sich ganz der Malerei. Erst Jahre später begegnet er einer Frau, die die Wunden der Vergangenheit aufreißt und ihn zu einer Entscheidung zwingt. Der Maler Paul Handewitt verliert in Nepal auf tragische Weise seine große Liebe, die Italienerin Giulia. Ihren Tod kann er nur schwer verwinden, doch er beschließt, in Asien zu bleiben und nicht nach Deutschland zurückzukehren. Achtzehn Jahre später lernt der inzwischen international erfolgreiche Paul in Malaysia die junge Galeristin Julie kennen. Ihre Liebesbeziehung ist stürmisch, dennoch kann Paul die Vergangenheit nicht loslassen ...


Eine wunderschöne Geschichte von der Liebe und von der Hoffnung, die uns am Leben hält.


Titlepage

Teil 1


GIULIA

Mai 1981

1. Das Ende einer Reise

Giulia hatte nur ihr Ziel vor Augen, als sie sich mühsam die endlose Treppe hinaufkämpfte. Noch fünfzig Meter, schätzte sie. Keuchend vor Anstrengung blieb sie stehen, um Kraft für das letzte Stück zu sammeln. Sie legte den Kopf in den Nacken und beobachtete einen Raubvogel, der hoch über ihr seine Kreise zog, unberührt von der drückenden Hitze, während ihr selbst der Schweiß aus allen Poren rann. Sie beneidete ihn um die Leichtigkeit, mit der er am Himmel schwebte, bevor er ohne Abschied zu den kühleren Hängen des Himalajas davonflog.

Sie holte die Wasserflasche aus ihrer Umhängetasche hervor und schüttete sich die kühlende Flüssigkeit über Haare und Nacken; einen kleinen Rest sparte sie auf, mit dem sie ihr Gesicht befeuchtete. Nachdem sie die leere Flasche zurück in ihre gewebte Umhängetasche gestopft hatte, nahm sie das letzte Stück der Treppe in Angriff, zwei Stufen auf einmal, mit der für sie typischen Verbissenheit. Es dauerte nicht lange, bis sie den großen Stupa von Svayambhunath auf der Kuppe des Hügels erreicht hatte. Auf den oberen Teil des glockenförmigen Stupa waren die geschwungenen Augen des Buddha gemalt; schöne Augen, aber die Gleichgültigkeit, mit der sie in die Ferne blickten, enttäuschte Giulia. Nachdem sie sich bei brütender Hitze mehr als vierhundert Stufen heraufgequält hatte, stand ihr, so fand sie, mehr Aufmerksamkeit zu.

Sie wandte sich ab und setzte sich auf eine Mauer, unter ihr das weite Tal von Kathmandu. Die Luft war so diesig, dass sie die Stadt kaum sehen konnte. Von den schneebedeckten Siebentausendern im Norden waren nicht einmal die Umrisse auszumachen. Obwohl Giulia angesichts der herrschenden Wetterverhältnisse wenig Hoffnung gehabt hatte, den Hauptkamm des Himalaja zu sehen, war dies eine weitere Enttäuschung.

Es war kein guter Tag, und sie befürchtete, dass er noch richtig schlimm werden würde. Giulia Morosini fürchtete sich nicht vor Auseinandersetzungen, aber ihr graute davor, den Menschen zu verletzen, den sie am meisten liebte. Manchmal kam es ihr vor, als ob sie dazu bestimmt sei, auf ihrem Weg durchs Leben nichts als Trümmer zu hinterlassen.

Sie stöberte erneut in ihrer Tasche, bis sie die currygelbe Pappschachtel fand: einheimische Zigaretten der Marke Yak. Es war ihr egal, dass sie scheußlich schmeckten und der Rauch im Hals kratzte, solange sie damit ihre Nervosität bekämpfen konnte. Sie war nach Svayambhunath gekommen, um in der Abgeschiedenheit des Tempels nachzudenken und endlich die Entscheidung zu fällen, vor der sie sich seit Wochen drückte. Die lange Aschespitze ihrer Zigarette fiel herab und landete auf ihrer abgetragenen Baumwollbluse und dem dünnen Sarong. Sie war zu tief in ihre Gedanken versunken, um es zu bemerken.

Giulias Dickköpfigkeit und ihr überschäumendes Temperament hatten sie in der Vergangenheit regelmäßig in Schwierigkeiten gebracht und letzten Endes sogar dazu geführt, dass sie sich mit ihrer Familie überworfen und ihr Heimatland verlassen hatte. Doch achtzehn Monate in Asien hatten sie weicher und ruhiger gemacht. Ihre Sicht auf die Welt und ihre Rolle darin hatte sich verändert, sie war bereit, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen und wiedergutzumachen, was nach all der Zeit noch zu retten war. Leider musste sie, um ihren Frieden zu finden, zuerst einen Krieg anzetteln. Es war pure Ironie, dass ausgerechnet Paul, der einzige Unschuldige, das erste Opfer ihres persönlichen Kreuzzugs werden musste. Alle anderen hatten es nicht besser verdient.

Sie schnippte achtlos den glühenden Zigarettenstummel fort und tastete nach dem kleinen, mit ungeübter Hand aus einem Stück Knochen geschnitzten Walfisch, der an einem Lederband um ihren Hals hing. Ich liebe dich, Paolo, dachte sie. Hoffentlich kannst du mir vergeben, was ich dir antun werde.

 

Fast zwei Stunden saß Giulia reglos auf der Mauer und suchte verzweifelt nach einem Ausweg aus ihrem Dilemma, bis sie sich eingestehen musste, dass es keinen gab. Nach einer letzten Zigarette stand sie auf und ging zum Stupa hinüber. Buddhas Augen starrten noch immer unverwandt ins Leere. Giulia streckte die Hand nach einer der zahllosen Gebetsmühlen aus und setzte die zylinderförmige Bronzetrommel mit aller Kraft in Bewegung. Mit unbewegter Miene sah sie zu, wie die Rolle langsamer wurde und wieder zum Stillstand kam.

Giulia hatte keine Wahl, sie konnte nicht länger davonlaufen. Nachdem sie einmal um den Stupa herumgelaufen war, setzte sie sich auf die Stufen eines Nebentempels und stützte ihr Gesicht in die Handflächen. Aus dem Gebäude hinter ihr drang leise eine seltsam schrille Musik: dumpfe Hörner, Schellen und klagende Streichinstrumente. Giulia überlegte, ob sie einen Blick in den Tempel werfen solle, ließ es dann aber bleiben; stattdessen fischte sie einen zerkratzten Federhalter und ein Blatt Papier aus ihrer Tasche. Sie dachte nur kurz nach, bevor sie stockend zu schreiben begann. Die Musik im Tempel schwoll an, und je lauter sie wurde, desto schneller und entschlossener schrieb Giulia. Gerade als sie den Brief beendete, brach auch die Musik ab. Giulia lächelte in die Stille hinein und fragte sich, ob Buddha sie vielleicht doch zur Kenntnis genommen hatte und ihre Sorgen verstand. Wenn nicht, so war es zumindest ein schöner Zufall. Sie faltete das Papier sorgfältig zusammen und steckte es in einen Briefumschlag. Der erste Schritt war getan.

Sie schlüpfte in ihre billigen Plastiksandalen und machte sich an den Abstieg, vorbei an kleinen Schreinen und Dämonenfiguren, die sie auf dem Hinweg gar nicht bemerkt hatte. Vor einer verwitterten Buddhastatue blieb sie stehen und nickte ihr zu: Ein wenig Dankbarkeit konnte nicht schaden.

Die Straße nach Kathmandu war staubig und führte durch brachliegende Felder, deren von der Trockenheit aufgerissene Erde sehnsüchtig auf Regen wartete. Ende Mai war das ländliche Nepal in eine Starre verfallen, aus der es nur die Ankunft des Monsuns erlösen konnte. Sie war froh, als ihr eine Nepalesin in einem grünen Sari entgegenkam, und winkte ihr überschwänglich zu. Die Frau sah sie verständnislos an, grüßte aber zurück.

Erst als Giulia die Altstadt erreichte und in den Schatten der festungsartigen Häuser eintauchte, kam sie wieder unter Menschen. Mit jedem Schritt wurde die buntgekleidete Menge in den engen Gassen dichter. An einer Straßenecke geriet sie in einen Verkehrsstau, weil eine Kuh mitten auf der Straße stehengeblieben war, um, unbeeindruckt vom Hupen eines Lastwagenfahrers, einen monumentalen Fladen zu hinterlassen. Als Ihre Heiligkeit schließlich den Weg freigab und gemächlich in eine Seitengasse trottete, fuhr der klapprige Lastwagen an und hüllte Giulia in eine schwarze Abgaswolke. Hustend wich sie ein paar Schritte zurück und trat dabei aus Versehen einen blinden Bettler, der an eine Hauswand gelehnt im Dreck saß und seine Hand ausstreckte. Kaum hatte sie dem alten Mann zur Wiedergutmachung einen kleinen Geldschein zugesteckt, musste sie erneut zur Seite springen, weil ein barfüßiger, unterernährter Lastenträger, der unter dem zentnerschweren Gewicht seines Bündels fast zusammenbrach, sich mit lauten Warnrufen einen Weg durchs Gedränge bahnte. Aus der Ferne drang die schrille Blasmusik einer Hochzeitskapelle herüber.

Madonna mia, dachte Giulia: Was für eine Stadt, was für ein erfrischendes Chaos. Sie überquerte einen namenlosen Platz mit einem Tempel, auf dessen Treppen Händler Teppiche und Lederwaren ausgebreitet hatten. Während sie sich vergeblich nach einem Geschäft umsah, das Briefmarken verkaufte, trat sie in die Überreste einer überfahrenen Ratte. In den Straßen von Kathmandu wurde die kleinste Unachtsamkeit unverzüglich bestraft. Gleich neben dem Kadaver kauerten einige Bäuerinnen am Boden und boten auf groben Tüchern Äpfel und Orangen an. Giulia rieb die Sohle ihrer Sandale beiläufig auf dem Pflaster sauber und beugte sich zu einer der Frauen hinunter, um ihr einen Apfel abzukaufen. Sie wischte ihn nur flüchtig an ihrem Sarong ab und biss mit Appetit hinein. Das Leben in Asien hatte sie unempfindlich gegen Schmutz und mangelnde Hygiene gemacht.

Die Gasse mündete auf den Asan Tole, einen zentralen Platz mit zwei hinduistischen Tempeln, dem elefantenköpfigen Ganesha und Annapurna, der Göttin des Überflusses, geweiht. Giulia lehnte sich mit dem Rücken an eine Hauswand, um für eine Weile dem Treiben zuzusehen, die Farben und Gerüche in sich aufzunehmen. Es war ein weiter Weg, der sie aus dem venezianischen Palazzo ihrer Kindheit in diesen Teil der Welt geführt hatte. Asien war ihre zweite Heimat geworden und würde ihr sehr fehlen, aber ihre Zeit im Osten war um.

Sie stieß sich von der Wand ab und tauchte wieder ins Getümmel der Straßen ein. Zehn Minuten später trat sie durch einen niedrigen Durchgang in einen großen, sonnenüberfluteten Innenhof, wo Frauen ihre Wäsche trockneten, Gemüse putzten oder in Ruhe beisammensaßen, um ein Schwätzchen zu halten. Die Intimität und Gelassenheit der Szenerie erinnerten Giulia an die Piazza eines italienischen Dorfes, und der Gedanke an ihr Heimatland schnürte ihr die Kehle zu.

 

Am anderen Ende des Hofs saß Paul im Schatten eines Baums, in der rechten Hand eine Tuschefeder, auf seinen Knien ein Zeichenblock. Er war so in seine Arbeit vertieft, dass er Giulia nicht wahrnahm, bis sie vor ihm stand und ihn ansprach.

Ciao, Paolo.“

Ciao, Giulia“, grüßte er zurück und sah sie mit seinen strahlend blauen Augen an.

Sie kniete sich neben ihn hin und küsste ihn leicht auf den Mund. Wie dünn er geworden ist, seit wir Rom verlassen haben, dachte sie. Pauls Gesicht, in dem das Leben bisher kaum Spuren hinterlassen hatte, wirkte weich und jungenhaft, seine schulterlangen, gewellten Haare verstärkten diesen Eindruck noch. Der äußere Schein täuschte nicht: Ihr Geliebter war schwärmerisch, sensibel und oft zu schwach, um sich den Härten des Lebens zu stellen. Wie sollte er verkraften, was sie ihm zu sagen hatte?

„Ich habe den Tempel im Hof hinter mir gezeichnet und bin schon beim zweiten Bild“, sagte er. „Dazwischen habe ich noch eine Skizze von einer Mutter mit ihrem Kind gemacht. Nicht schlecht, oder?“

Sie betrachtete die Bilder. Auch nach all den Jahren staunte sie immer noch über Pauls Talent. Sie kannte einige vielversprechende Künstler, allen voran Luca Manzoni, einen ihrer alten Freunde aus Rom, aber keiner von ihnen konnte sich mit Paul messen. Wenn Begabung sich tatsächlich durchsetzte, stand ihm eine große Karriere bevor.

„Gefallen sie dir?“

„Sie sind gut.“

„Ja, sie sind gut“, stimmte er zu. „Was hast du den Vormittag über gemacht?“

„Ich war in Svayambhunath und wollte die Aussicht auf die Berge genießen, aber es ist viel zu dunstig. Wusstest du, dass man an klaren Tagen von Venedig aus die Alpen sehen kann?“

„Nein, das wusste ich nicht.“

Paul sah auf das Blatt Papier und entfernte mit dem kleinen Finger vorsichtig ein Haar von der Zeichnung.

„In letzter Zeit sprichst du häufig von Italien. Hast du Heimweh?“

„Heimweh? Nein, ganz bestimmt nicht.“

Sie setzte sich neben ihn auf den Boden. Ein alter Mückenstich in ihrem Nacken juckte, und sie kratze die Stelle ausgiebig.

„Ich habe lange nachgedacht. Über unser Leben hier in Asien.“

„Hast du keine Lust mehr zu reisen?“, fragte er alarmiert.

Er hatte Angst, sein Leben ändern zu müssen, sie konnte es in seinen Augen sehen. Wenn du wüsstest, was auf dich zukommt, dachte sie niedergeschlagen. Wie soll ich es dir beibringen, ohne alles kaputtzumachen? Es war nicht fair, dass er für ihre Lügen leiden musste, doch es ließ sich nicht vermeiden.

„Gefällt Asien dir nicht mehr?“, hakte er nach.

„Oh doch. Wie könnte es mir nicht gefallen? Ich bin glücklich hier, unter richtigen Menschen mit echten Gefühlen. Nicht wie meine Familie.“

Ihr Blick folgte einer vom Alter gebeugten Frau, die quer über den Platz ging, ein totes Huhn unter dem Arm. Giulia dachte an den Morgen, an dem sie in einem Dim-Sum-Restaurant in Penang aus Versehen Hühnerfüße bestellt hatten. Paul hatte sich geschüttelt, als er viel zu spät begriff, worauf er herumkaute. Inzwischen würde es ihm nichts mehr ausmachen.

„Ich werde nie vergessen, was für wunderbare Dinge wir gemeinsam erlebt haben“, sagte sie.

„Warum sprichst du in der Vergangenheit? Ist es denn schon vorbei?“

„Wir sind doch hier in Nepal. Wie könnte es vorbei sein?“

Paul lächelte. Typisch für ihn, dass er sich mit einer derart ausweichenden Antwort zufriedengibt, dachte sie. Er war erwachsener geworden in Asien, neigte aber immer noch dazu, Probleme einfach zu ignorieren. Sie legte sich auf den Rücken und schloss die Augen. Das Pflaster war angenehm warm, doch Giulia fröstelte, als sie an den Brief in ihrer Tasche dachte. Sie öffnete ihre Augen wieder und sah traurig zum Himmel. Er war grau und leer.

 

Der Nepali brachte zwei Teller mit dampfenden Momos, tibetischen Teigtaschen, die Paul so liebte, und stellte sie auf den wackligen Holztisch, an dem sie Platz genommen hatten. Paul machte sich über seine Portion her, als hätte er seit Tagen nichts zu essen bekommen. Giulia hingegen schob ihren Teller beiseite und sah zu, wie die Sonne hinter dem Rand des Tals unterging. Nicht mehr lange, und es würde dunkel sein. Als sie daran dachte, wie bald auch ihr freies, unbeschwertes Leben ein Ende finden würde, verlor sie den Appetit.

„Willst du meine Momos haben?“

„Ich dachte, du hast Hunger?“

„Dachte ich auch.“

„Was ist los mit dir?“

„Mir geht so vieles durch den Kopf.“

„Was denn zum Beispiel?“

Sie zuckte mit den Schultern. Wo sollte sie beginnen?

„Erinnerst du dich an Varanasi?“, fragte sie schließlich.

Bevor sie nach Kathmandu gekommen waren, hatten Giulia und Paul zwei Wochen in der heiligen Stadt am Ganges verbracht. Sie hatten in der Nähe des Ghats gewohnt, auf dessen breiten Treppen hinunter in den Fluss bei Tag und Nacht Leichen verbrannt wurden. Ständig hatte ein schwerer, süßlicher Geruch in der Luft gehangen, und manchmal hatte der Südwind klebrige Ascheflocken durch das geöffnete Fenster in ihr Zimmer getragen. Paul hatte den Anblick der Kranken und Sterbenden kaum ertragen und war erleichtert gewesen, als sie die Stadt endlich verließen. Auf Giulia hatte Varanasi eine ganz andere Wirkung gehabt. Obwohl sie zuvor noch nie einen Toten gesehen hatte, wohnte sie sogar freiwillig einer Einäscherung bei. Es hatte sie große Überwindung gekostet, zuzuschauen, wie der Leichnam des Mannes über Stunden hinweg vom Feuer verschlungen wurde, wie seine Knochen in der Hitze ächzten und knackten und schließlich der Schädel aufplatzte, aber gleichzeitig war das Erlebnis für sie eine Offenbarung gewesen.

„Wenn ich sterbe, möchte ich auch verbrannt werden“, sagte sie. „Es ist wie eine Reinigung, die einen von allen Sünden und Lügen befreit.“

„Ich dachte, du möchtest in Lamalera begraben sein?“

Paul nutzte die Gelegenheit, um das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken. Am liebsten hätte er Varanasi aus seinem Gedächtnis verbannt, das Elend, die Flammen und den Tod.

„Stimmt. Ich bin nie so glücklich gewesen wie in Lamalera. Dort würde ich meine Ruhe finden.“

„Wir können jederzeit wieder hinfahren, wenn du es möchtest.“

„Nein. Irgendwann werde ich dorthin zurückkehren, aber nicht jetzt“, sagte sie und verfiel in nachdenkliches Schweigen.

Nachdem Paul auch die zweite Portion aufgegessen hatte, wischte er sich mit dem Ärmel seines Hemdes den Mund ab.

„So, und was machen wir jetzt? Wollen wir nach Hause gehen?“

„Ja. Aber lass uns auf dem Weg noch ein paar Briefmarken kaufen.“

„Wem hast du geschrieben? Veronika?“

„Nein, Vincenzo. Ich möchte den Brief unbedingt heute noch einwerfen.“

 

Sie wohnten in der Annapurna Lodge, eine der besseren Unterkünfte in der Freak Street, Kathmandus alter Hippiehochburg. Die Decke ihres spartanisch eingerichteten Zimmers war so niedrig, dass Paul sich regelmäßig den Kopf am Türrahmen anschlug, dafür war es billig und hatte dicke Wände, die im Winter die Kälte und im Sommer die Hitze fernhielten.

Draußen in den Straßen war es still. Die Nacht war längst hereingebrochen, und Kathmandu ging früh schlafen. Giulia lag neben Paul auf dem Bett und rauchte bereits ihre zweite Zigarette.

„Was ist los? Macht Sex dich neuerdings nervös?“, scherzte er.

Sie drehte den Kopf zu ihm, ohne etwas zu sagen. Dann blickte sie wieder zur Decke.

„Bist du sauer? Hat es dir nicht gefallen?“

„Was soll der Blödsinn? Natürlich hat es mir gefallen“, sagte sie gereizt.

Als Paul betroffen schwieg, bereute sie ihren Ausbruch sofort.

„Ich bin traurig“, murmelte sie.

„Warum? Stimmt etwas nicht mit uns?“

„Nein, das ist es nicht. Zwischen uns ist alles in Ordnung, aber wir sind nicht allein auf der Welt. Es wird Zeit, dass wir erwachsen werden und die Verantwortung für unser Leben übernehmen.“

„Was meinst du damit?“

Giulia seufzte leise. Er hatte nicht die leiseste Ahnung, wovon sie sprach. Wie sollte sie anfangen? Sie setzte sich im Bett auf.

„Lass uns spazieren gehen“, bat sie. „Ich habe dir einiges zu sagen.“

 

Der Durbar-Platz war still und menschenleer. Über dem alten Königspalast hing ein großer, ausgeblichener Mond und tauchte die mittelalterlichen Gebäude in weiches Licht. Giulia allerdings nahm die Romantik des Orts nur gedämpft, wie aus weiter Ferne wahr. Sie ergriff Pauls Hand und zog ihn hinter sich her, auf die unterste Stufe des zentralen Tempels.

„Habe ich mich sehr verändert, seit wir Rom verlassen haben?“, fragte sie.

„Und ob. In Rom hast du allein für den Friseur mehr Geld ausgegeben, als du jetzt zum Leben brauchst.“

Seine oberflächliche Antwort enttäuschte sie. Merkte er denn nicht, wie wichtig es ihr war? Manchmal hatte sie den frustrierenden Eindruck, dass seine Ernsthaftigkeit allein der Malerei vorbehalten war.

„Ich meine innerlich, Paolo. Als Mensch.“

Er schwieg lange, bis er die richtigen Worte gefunden hatte.

„Du bist viel ruhiger geworden, und toleranter. Du freust dich über Dinge, die dir früher nichts bedeutet haben. Du hast gelernt, Unannehmlichkeiten hinzunehmen, ohne dich zu beschweren. Und du bist anderen Menschen gegenüber freundlicher geworden.“

Giulia verzog den Mund und studierte gedankenverloren die Hornhaut an ihren Füßen. Seit sie nach Asien gekommen war, ging sie viel barfuß.

„Stimmt das wirklich? Dann muss ich früher abscheulich gewesen sein“, sagte sie tonlos.

„So habe ich es nicht gemeint.“

„Entschuldige dich nicht für die Wahrheit. Ich bin heilfroh, dass du nicht so verlogen bist wie meine Familie.“

Sie trat nach einem Kieselstein. Er sprang davon und scheuchte eine Ratte auf, die in wilder Flucht quer über den Platz davonhuschte.

„Oder wie ich“, fügte sie hinzu und stand auf. „Komm, gehen wir weiter.“

Er folgte ihr schweigend durch die nächtliche Stadt, bis sie in ein ärmliches, ihnen unbekanntes Viertel kamen. Vor ihnen öffnete sich ein Platz mit einem hohen Tempel in der Mitte, dessen Umrisse sich scharf im hellen Mondlicht abzeichneten. Am Rand des Platzes entdeckte Giulia einen Briefkasten. Kurz entschlossen nahm sie den Brief aus ihrer Tasche und warf ihn ein, dann lehnte sie sich mit dem Rücken an die Hauswand daneben, verschränkte die Arme vor der Brust und holte tief Luft.

„Ich muss zurück nach Italien“, sagte sie.

„Nach Italien?“, fragte Paul ungläubig. „Was willst du denn da? Hast du kein Geld mehr?“

„Das ist es nicht.“

„Dann sag mir endlich, was es ist“, drängte er gereizt. „Den ganzen Tag schon redest du um den heißen Brei herum, während ich wie ein Trottel hinter dir herlaufe.“

Giulia nickte stumm. Paul hatte recht: Es war an der Zeit, ihm endlich die Wahrheit zu sagen.

„Ich habe einen Scherbenhaufen hinterlassen, als wir aus Italien weggegangen sind. Damals war es mir gleichgültig, aber jetzt ist es nicht mehr so. Auf unserer Reise habe ich eingesehen, wie wichtig Ehrlichkeit ist. Ich will endlich ein aufrichtiges Leben führen.

„Ich verstehe immer noch nicht, worauf du hinauswillst.“

Natürlich nicht, dachte sie und brach in Tränen aus. Wie solltest du auch, nachdem ich dich die ganze Zeit belogen habe?

„Ich habe mich gedrückt, Paolo“, schluchzte sie. „Vor der Wahrheit und ihren Konsequenzen.“

„Ich kann nicht zurück nach Italien! Hast du das vergessen?“

„Nein, ich habe es nicht vergessen“, flüsterte sie, am ganzen Körper zitternd. Wenn es möglich gewesen wäre, hätte sie alles bereits Gesagte zurückgenommen, doch das Messer war angesetzt, es gab kein Zurück.

„Verlass mich nicht. Das würde ich nicht aushalten.“

Paul war kreidebleich, als er ihre Hand nahm und drückte. Angst überzog ihn wie eine zweite Haut.

„Ich will dich nicht verlassen“, versicherte sie. „Im Gegenteil: Ich brauche deine Hilfe. Falls du mir verzeihen kannst.“

„Was soll ich dir verzeihen?“

„Lass uns dort hinaufgehen“, bat sie mit einem Blick auf den Tempel. „Ich muss mich setzen.“

Paul ging voran, Giulia folgte ihm mit unsicheren Schritten die steilen Stufen hinauf. Wie üblich gab es kein Geländer. Kurz bevor sie die obere Plattform erreicht hatten, wurde die Tür des Tempels von innen aufgestoßen und ein schmächtiger Mann trat heraus. Mit gesenktem Kopf hastete er zur Treppe, schnurstracks auf Paul zu, der abwehrend die Hände ausstreckte.

„Immer schön langsam“, rief Paul, „sonst fallen wir am Ende noch die Treppe hinunter.“

Der Mann, ein Europäer um die vierzig, fuhr erschrocken zusammen, als er die beiden erblickte. Wie ertappt stolperte er einen Schritt zurück, und Giulia sah, dass er ein in Stoff gewickeltes Bündel an die Brust gepresst hielt. Auch sein Gesicht war im Schein des Mondes gut zu erkennen: der schmale Oberlippenbart, eine scharf geschnittene Nase und wässrige, nervös flackernde Augen.

„Was wollen Sie von mir?“, rief er auf Englisch. Er hatte einen ausgeprägten britischen Akzent.

„Gar nichts“, sagte Paul und hob beschwichtigend die Hände. „Wir machen nur einen Spaziergang.“

„Dann sehen Sie zu, dass Sie sofort hier verschwinden und mich in Ruhe lassen“, zischte er mit der Verzweiflung eines in die Ecke gedrängten Nagetieres.

„Sie haben mir gar nichts zu sagen“, fauchte Paul zurück. „Was haben Sie da eigentlich im Arm? Geraubte Tempelschätze?“

Giulia wusste, dass Paul den Mann nur provozieren wollte und es nicht ernst meinte, doch der Engländer schnappte hörbar nach Luft und erbleichte. Im nächsten Moment machte er einen Satz nach vorn und versetzte Paul, der noch immer auf der vorletzten Stufe stand, einen heftigen Stoß vor die Brust. Der Angriff kam so überraschend, dass Paul das Gleichgewicht verlor und wild mit den Armen rudernd nach hinten fiel. Giulia versuchte ihn aufzufangen, aber er riss sie mit sich, und sie stürzten rückwärts die steile Treppe hinunter.

Der kurzen Schwerelosigkeit des Falls folgte eine harte Landung. Giulia schrie gellend auf, als die Wucht des Aufpralls ihre rechte Schulter zerschmetterte. Bruchteile einer Sekunde später landete Paul auf ihr. Sie spürte noch, wie das Gewicht seines Körpers ihren Hals über die Kante einer Treppenstufe zurückbog, dann waren die Schmerzen vorüber.

 

Es dauerte mehrere Minuten, bis Paul wieder zu sich kam. Er war beim Sturz mit dem Kopf aufgeschlagen und hatte das Bewusstsein verloren. Sein gesamter Körper schmerzte, und als er vorsichtig seinen Hinterkopf betastete, fasste er in warmes Blut. Die Erinnerung kehrte nur langsam zurück. Warum hatte der Mann ihn gestoßen? Und wo war Giulia? Mühsam richtete Paul sich auf und sah sich um. Sie lag etwas über ihm, regungslos, und ihr Kopf hing in unnatürlichem Winkel über eine Stufe hinab. Ein heftiges Stechen fuhr durch seine Hüfte, als er aufstand und mühsam zu ihr hinaufhumpelte. Giulias Augen waren offen, im hellen Mondlicht konnte er sogar die goldenen Sprenkel darin erkennen, die sie so einzigartig gemacht hatten. Paul berührte erst sacht ihre Schulter, dann rüttelte er sie, aber sie rührte sich nicht, sondern starrte ausdruckslos durch ihn hindurch.

„Giulia!“, flüsterte er. „Hörst du mich? Hörst du mich?“

Sie hörte ihn nicht. Vorsichtig nahm Paul ihren Kopf zwischen seine Hände. Ihr Gesicht war warm und noch feucht von den vor kurzem vergossenen Tränen, doch sie zeigte kein Lebenszeichen. Als er sie anhob, hing ihr Körper schwer und schlaff in seinen Armen.

Giulia war tot. Gestorben in einem fremden Land, in das ihre Liebe zu ihm sie verschlagen hatte. Er heulte auf wie ein gequältes Tier, das nicht begreifen konnte, warum es Schmerzen leiden muss.

 

Später hatten zwei Polizisten ihm Giulias Leiche entrissen und sie in ein Auto geladen. Er hatte wie von Sinnen geschrien, als der Wagen abfuhr, danach verlor sich seine Erinnerung in unbestimmter Dunkelheit. Nun saß er seit Stunden im Polizeipräsidium von Kathmandu und beantwortete die Fragen des kleinen, gedrungenen Inspektors mit den schweren Augenlidern. Sein Englisch war gut, und er strahlte die Ruhe langjähriger Erfahrung aus. Er hatte sich den Täter von Paul beschreiben lassen und umgehend eine Großfahndung nach ihm eingeleitet. Wie sich herausstellte, hatte der Mann nicht nur eine Ausländerin getötet, was dem Fall allemal genug Brisanz verlieh, sondern auch noch eine vom Volk verehrte Statue aus dem Tempel gestohlen.

Paul hatte grauenhafte Kopfschmerzen. Er konnte kaum einen klaren Gedanken fassen, als der Inspektor ihn aufforderte, alles noch einmal von vorn zu erzählen und an jedes kleinste Detail zu denken. Wie oft hatte er seine Aussage bereits wiederholt? Fünfmal? Achtmal? Zwölfmal? Am liebsten wäre er aufgesprungen und hätte den Inspektor angebrüllt, dass er ihn in Ruhe lassen solle, aber ihm fehlte die Kraft zu einer Auseinandersetzung, also fügte er sich und erzählte alles noch einmal von vorn. Es kam ihm vor, als würde er eine vor langer Zeit in einem Buch gelesene Geschichte nacherzählen, ohne jeden Bezug zu ihm selbst.

Der Morgen dämmerte bereits, als der Inspektor endlich sein Notizbuch zuklappte und ihn mit einem aufmunternden Schulterklopfen entließ. Ein junger Polizist fuhr ihn mit dem Auto zur Annapurna Lodge und ließ sich dort seinen Reisepass aushändigen. Paul beschwerte sich nicht. Es wäre ihm auch egal gewesen, wenn sie ihn eingesperrt hätten. Giulia war tot, und was mit ihm und dem Rest der Welt geschah, war jetzt gleichgültig.

 

Wider Erwarten gelang es Paul, in den Schutz des Schlafs zu entkommen, aber als er am frühen Nachmittag die Augen aufschlug, holte die Realität ihn sofort wieder ein. Giulia war eine Treppe hinabgestürzt und hatte sich das Genick gebrochen. Es war kein Traum gewesen, aus dem er erwachen konnte, und alles war wieder gut. Nichts würde jemals wieder gut sein.

Als er sich aufrichtete, spürte er jeden Knochen in seinem Leib. Er ignorierte die Schmerzen und zog sich an. Giulias Eltern mussten erfahren, dass sie tot war. Auch wenn sie kein gutes Verhältnis zueinander gehabt hatten, blieb sie doch ihre Tochter.

Auf der Treppe merkte er, wie schwach seine Beine waren. Seit den Momos am Nachmittag zuvor hatte er nichts mehr gegessen, und allein der Gedanke an ein Frühstück verursachte ihm Übelkeit. Später, sagte er sich, irgendwann.

Im Postamt herrschte Hochbetrieb, und er reihte sich in die lange Schlange der Wartenden ein, um das Gespräch nach Italien anzumelden. Während er auf einer Holzbank saß und darauf wartete, dass es durchgestellt wurde, kehrten die Kopfschmerzen zurück. Paul fand es angemessen, dass er Schmerzen hatte. Es war gerecht und erfüllte ihn sogar mit einer gewissen Befriedigung. Nach zwanzig Minuten rief ein Schalterbeamter seinen Namen und wies ihm eine der engen Telefonzellen zu.

Pronto?“

„Signore Morosini, hier spricht Paul Handewitt.“

„Was wollen Sie?“, fragte eine abweisende Stimme.

„Etwas Schreckliches ist passiert.“ Paul stockte. „Giulia ist gestorben.“

Lange Zeit herrschte Stille. Paul fürchtete, dass die Verbindung unterbrochen war, doch dann sprach Giulias Vater wieder.

„Deshalb hätten Sie nicht anrufen müssen. Für mich ist sie schon lange tot.“

Nach einem kurzen, eisigen Schweigen klickte es, und die Leitung war still. Paul war fassungslos. Wie konnte Giulias Vater mit derart kalter Gleichgültigkeit reagieren? Seine Tochter war gestorben! Musste nicht die ganze Welt um ihren Verlust trauern? Stumm hielt er den Telefonhörer umklammert und war unendlich einsam.

 

An die nächste Zeit hatte Paul nur vage Erinnerungen, als hätte er sie im Fieber oder unter schweren Drogen verbracht. Er sehnte sich nach Ruhe und wollte unbedingt allein sein, aber vorher hatte er noch eine Aufgabe zu erfüllen, der er sich weder entziehen konnte noch wollte: Giulia einen würdigen Abschied von dieser Welt zu schenken. Es war das Mindeste, was er ihr schuldete.

Obwohl Giulias Familie keinen Anspruch erhob, gab es bürokratische Verwicklungen um die Freigabe der Leiche, weil Paul mit Giulia weder verwandt noch verheiratet war. So verbrachte er einen vollen Tag damit, zwischen dem Polizeipräsidium, der italienischen Botschaft und dem Leichenschauhaus zu pendeln, doch wie sehr er auch um Hilfe bat, drohte, fluchte oder flehte, er kam keinen Schritt voran. Abends setzte er sich in ein billiges Restaurant und trank ein Bier nach dem anderen. Er wollte vergessen, aber es gelang ihm nicht. Später wurde ihm von dem Alkohol so schlecht, dass er sich in seinem Zimmer übergeben musste und noch elender fühlte.

Am nächsten Morgen saß er beim Frühstück und überlegte, was er tun konnte, als ein Signore Bignami, Angehöriger der italienischen Botschaft, in der Annapurna Lodge anrief und nach ihm fragte. Nach internem Hin und Her sei Giulias Akte auf seinem Schreibtisch gelandet, und er versprach, sich für eine schnelle Lösung des Problems einzusetzen. Bignami stamme wie Giulia aus Venedig und nähme die Sache daher persönlich.

Am späten Nachmittag des gleichen Tages stand Paul samt Totenschein und der Genehmigung zur Kremation in einen kleinen Saal mit weiß gefliesten Wänden. Vor ihm auf einer Bahre lag Giulias Leichnam. Sie sah fremd aus. Kleiner und schmaler, als er sie im Leben gekannt hatte, und sehr blass. Vorsichtig berührte er ihr Gesicht und schrak zurück. Kalt und leblos wie Stein. Er ließ sich gegen die Wand sinken und schloss die Augen; in seinen Ohren rauschte das Blut. Dies ist nicht Giulia, dachte er und versuchte ihre Wärme und Lebendigkeit heraufzubeschwören: die goldenen Sprenkel in den hellbraunen Augen und die gekräuselten Linien auf dem Ansatz ihrer schmalen Nase, wenn sie lachte. Der widerspenstige Mund, der ihre Neigung zum Widerspruch verriet, ihr stets etwas zu lautes Lachen – alles war verloren. Wo immer Giulia sein mochte, in diesem trostlosen Raum war sie nicht.

Trotzdem hatte er eine Pflicht zu erfüllen. Er gab sich einen Ruck und nahm das weiße Kleid aus seiner Tasche, das er am Nachmittag gekauft hatte. Die Tote anzukleiden war eine traurige und schwere Arbeit, und obwohl der Raum kühl war, stand ihm der Schweiß im Gesicht. Als er fertig war, legte er Giulia einen Kranz aus weißen Blüten um den Kopf und trat zurück.

Kann ich es tun?, fragte er sich. Oder ist es geschmacklos? Paul dachte an die lange Tradition der Totenmasken in Europa und sagte sich, dass er im Grunde nichts anderes vorhatte. Nachdem er sich versichert hatte, dass niemand in der Nähe war, holte er Zeichenpapier und Bleistift hervor und begann die Tote zu skizzieren. Er arbeitete konzentrierter und sorgfältiger als je zuvor. Die erste Zeichnung war naturalistisch, akkurat wie ein Foto, aber Paul war nicht zufrieden damit. Er wollte etwas anderes darstellen.

Beim zweiten Bild versuchte er über das Sichtbare hinauszugehen, die Oberfläche mit seiner Liebe, Trauer und Sehnsucht zu durchdringen, bis sie die Zeichnung ganz ausfüllten und ihr die Bedeutung und den Ausdruck gaben, die er sich wünschte. Paul zeichnete mit dem Herzen, unter Tränen, bis er den düsteren Boden seiner Seele erreicht hatte. Völlig erschöpft zog er den letzten Strich. Als er das fertige Bild in den Händen hielt, wusste er, dass er nichts Besseres hätte schaffen können. Mehr hatte er Giulia nicht zu geben. Zum Abschied drückte er seine Lippen leicht auf ihre eiskalte Stirn.

„Ich liebe dich, Giulia. Morgen früh komme ich wieder und bringe dich an einen besseren Ort“, versprach er.

Als Paul gehen wollte, wurde er in ein kleines Büro gebeten, wo ihm ein Paket mit Giulias Kleidung und den Dingen, die sie zum Zeitpunkt ihres Todes bei sich getragen hatte, ausgehändigt wurde. Nachdem er den Erhalt auf einem Formular mit ihm unverständlichen Schriftzeichen quittiert hatte, nahm Paul das Paket unter den Arm und verließ das Leichenschauhaus. Auf dem Weg in die Freak Street dachte er daran, dass der Mörder immer noch frei herumlief. Trotz intensiver Nachforschungen und verstärkter Grenzkontrollen gab es keine Spur von dem Engländer. Nicht einmal dieser Trost blieb ihm.

In seinem Zimmer angekommen, öffnete er das Paket und breitete den Inhalt auf dem Bett aus: Die Überbleibsel eines verloschenen Lebens. Spontan griff er nach dem Lederband mit dem Walfisch und legte es sich um den Hals, dann kauerte er sich in einer Ecke des Zimmers auf den Boden und wartete, dass die Zeit verging.

 

Es war noch dunkel, als Paul aus einem kurzen, unruhigen Schlaf erwachte. Er blieb im Bett liegen und rauchte eine Zigarette, während draußen die Hähne krähten. Sobald das erste Licht der Dämmerung am Himmel erschienen, stand er auf und putzte sich die Zähne. Sein Spiegelbild zeigte einen unrasierten jungen Mann mit hohlen Wangen und schwarzen Schatten unter den Augen. Er sah furchtbar aus, aber was machte es schon? Das Leben war furchtbar.

Signore Bignami hatte auf Kosten der Botschaft zwei Helfer für den Transport der Leiche angeheuert. Als Paul zur Leichenhalle kam, hockten die beiden Nepalis bereits neben dem Eingang auf dem Boden und erwarteten ihn. Wenige Meter weiter stand ein hochrädriger Karren, vor den ein müde wiederkäuender Ochse gespannt war. Die Männer erhoben sich, um ihn mit ernsten Gesichtern zu begrüßen.

Sie klingelten, und ein alter Mann öffnete die Tür. Er ließ sich den Empfang der Leiche schriftlich bestätigen und humpelte dann voran zu dem gefliesten Raum. Paul schnürte es die Luft ab, als er ihm durch die dunklen, klaustrophobischen Gänge folgte. Ein ganzer Felsen lag auf seiner Brust und erstickte ihn. Das ist mehr, als ich ertragen kann, dachte er. Warum durfte ich nicht mit dir sterben? Sein Blick verschwamm, und die Wände begannen zu schwanken, aber er ging verbissen weiter. Ich muss, dachte er, ich muss es durchstehen. Als er stolperte, fing der Alte ihn auf und stützte ihn.

You okay?“, fragte er besorgt.

Okay“, antwortete Paul, obwohl sich alles um ihn herum drehte. „I am okay, no problem.“

Er lehnte sich an die Wand, um Kraft zu sammeln, als seine Beine plötzlich nachgaben und er zu Boden sackte. Der Alte ging neben ihm in die Hocke, was ihm mit seinem steifen Bein nicht leichtfiel, und legte fürsorglich seine Hand auf Pauls Schulter. Er schien beruhigt, als er sah, dass der junge Mann bleich, aber bei Bewusstsein war.

People die, always sad“, sagte er. „But young lady die, very much sad. My job, I know.“

Paul blickte in die trüben, weisen Augen des alten Nepali, die vermutlich mehr Elend gesehen hatten, als er sich vorstellen konnte. Ohne darüber nachzudenken, schlang er seine Arme um den Alten, zog ihn fest an sich, als würde er ihm den Halt geben können, nach dem Paul sich sehnte, und fing an zu schluchzen. Der Nepali ließ ihn weinen.

Nach einigen Minuten hatte Paul sich soweit gefangen, dass er weitergehen konnte. Er stand auf und half auch dem Alten wieder auf die Beine.

I’m sorry“, sagte er und wischte sich die letzten Tränen aus dem Gesicht. „I’m so sorry.“

No problem. You okay now?“

Yes, I’m okay now.“

Als sie den gekachelten Saal erreichten, öffnete der Alte das Fach, in dem Giulia lag. Die beiden Helfer legten sie vorsichtig auf die Holztrage; dabei rutschte ihr der Blütenkranz vom Kopf und fiel zu Boden. Paul bückte sich, um ihn aufzuheben, aber die weißen Blüten waren über Nacht welk geworden, und er ließ sie liegen. Draußen hoben seine Helfer die Trage mit dem Leichnam auf den Karren und warteten auf Pauls Zeichen. Giulia war bereit für ihre letzte Reise.

Die Nepalis führten den Ochsen schweigend durch die erwachende Stadt in Richtung Osten, während Paul verloren hinter dem Karren hertrottete. Kaum jemand beachtete die armselige Prozession. In Nepal war der Tod keine große Sache.

 

Pashupathinath war die wichtigste hinduistische Kultstätte des Landes und lag ein Stück außerhalb der Stadt am heiligen Fluss Bagmati. Auch Nepals Könige wurden nach ihrem Tod an seinem Ufer verbrannt, natürlich auf eigens dafür vorgesehenen Ghats. Manche Privilegien überdauern selbst den Tod.

Giulia hingegen wurde von den nepalischen Helfern zu den Plattformen für das einfache Volk, südlich der Brücke, getragen. In einer schäbigen Halle kaufte Paul das Holz für die Einäscherung, danach hockte er sich auf den nackten Steinboden und beobachtete, wie die Nepalis den Scheiterhaufen aufschichteten und Giulias Leiche darauf betteten.

Als sie fertig waren, zündete der ältere der beiden eine Fackel an und überreichte sie Paul. Dann verabschiedeten sie sich mit einem Kopfnicken und gingen. Er war allein. Niemand war da, um ihm Trost zu spenden oder bei seiner schwierigen Aufgabe beizustehen.

So fühlt sich also wahre Einsamkeit an, dachte er. Ohne Giulia war sein Leben sinnlos. Was sollte er mit den vielen, sich feindlich und leer vor ihm dehnenden Jahren anfangen? Er stand auf und trat mit der Fackel zum Scheiterhaufen. Alles um ihn herum verschwamm, bis nur noch Giulias Gesicht unruhig vor ihm tanzte. Vergib mir, dachte er und schloss die Augen. Dann streckte er seinen Arm aus, um Feuer an das trockene Holz zu legen. Das gierige Knistern des brennenden Strohs verriet ihm, dass es getan war. Etwas in Paul zerriss, und er wusste, dass diese Wunde niemals heilen würde.

Ein Windstoß fuhr durch das enge Tal des Bagmati und ließ die Flammen auflodern. Paul sah zu, wie die Haut in Giulias Gesicht sich schwarz verfärbte und zersprang. Der Anblick war unerträglich, und doch konnte er den Blick nicht abwenden. Er wollte sehen und sich für immer einprägen, wie seine große Liebe vor seinen Augen zu Asche verbrannte. Seine einzige Liebe.

„Ich schwöre, dass ich dich niemals vergessen werde“, flüsterte er. „Du wirst immer bei mir sein.“

Dichter schwarzer Rauch stieg vom Scheiterhaufen in den Himmel auf und verbreitete einen beißenden Geruch. Paul wurde übel, und als der Leichnam sich unter der Macht der Hitze zu winden begann, packte ihn das Grauen. Giulia hatte von Reinigung und Befreiung gesprochen, aber er spürte nichts dergleichen. Nur Elend, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit.

Es dauerte Stunden, bis der Scheiterhaufen vollständig niedergebrannt war. Die Nepalis streuten die Überreste ihrer Toten in den Bagmati, damit sein Wasser sie weiter in den Ganges trug, aber Paul hatte andere Pläne. Er kniete sich auf den harten Stein und füllte Giulias Asche sorgfältig in eine mitgebrachte Urne.

 

Teil 2


XUE LIAN

Januar bis Juli 1999

1. Weiße Blüten

Leise chinesische Musik drang in den Garten, als Julie die Tür öffnete und auf die Veranda trat. Sie sog den süßlichen Duft von Jasmin und Frangipani ein, der aus dem Dunkel herüberwehte, und blickte zum Himmel. Eine Nacht voller Sterne dehnte sich über dem von alten Bäumen umstandenen Bungalow, den ein englischer Kolonialbeamter in den dreißiger Jahren am Fuß des Penang Hill hatte bauen lassen, um dort Zuflucht vor der Hitze und dem Schmutz der Stadt zu finden. Er hätte sich nicht träumen lassen, dass wenige Generationen später eine junge Chinesin sein Haus bewohnen würde.

Sie trug einen dunkelblauen Qipao, ihr Lieblingsstück, von einem Spezialisten für traditionelle chinesische Gewänder in Georgetown maßgefertigt. Sein Schnitt betonte ihre schmale Taille, und sie liebte das leise Rascheln der Seide, wenn sie sich bewegte.

Julie ging zurück ins Haus und setzte sich vor den Schlafzimmerspiegel, um ihr pechschwarzes, bis zu den Hüften reichendes Haar zu bürsten. Als sie mit seinem Glanz zufrieden war, legte sie die Bürste beiseite und steckte die Haare zu einer komplizierten Frisur auf, in der sie zum Abschluss einen Kamm aus Elfenbein befestigte. Bevor sie sich schminkte, betrachtete sie ihr Spiegelbild und fragte sich wieder einmal, woher wohl die für ihre Familie untypisch ausgeprägten Wangenknochen stammen mochten. Die ausdrucksstarken Augen jedenfalls hatte sie eindeutig von ihrer Mutter, ebenso die feinen, halbmondförmigen Brauen.

Ein Blick auf die Uhr erinnerte sie daran, dass sie sich beeilen musste. Routiniert trug sie Wimperntusche und einen dezenten Lidschatten auf. Nur mit der Wahl des Lippenstifts hatte sie wie üblich ein Problem. War das Rot zu stark, zu auffällig? Sie starrte in den Spiegel und zögerte. Mit ihren vollen Lippen und makellosen Zähnen konnte sie sich die kräftige Farbe leisten, andererseits scheute sie sich, die natürliche Sinnlichkeit ihres Mundes noch zu betonen und damit eventuell einen falschen Eindruck zu erwecken.

Nur wenige Menschen konnten sich Julie Lins Schönheit entziehen, was sie nicht selten als Fluch empfand, denn ihr selbstsicheres Auftreten täuschte darüber hinweg, dass sie im Umgang mit Männern schüchtern und unerfahren war. Sie stellte hohe Ansprüche, und bis auf einen einzigen, vor langer Zeit, hatte bisher kein Mann ihren Vorstellungen entsprochen. Seitdem hatte sie gelernt, das Alleinsein jedem faulen Kompromiss vorzuziehen.

Es klingelte an der Tür. Harry war da. Ohne Eile steckte Julie ihre Perlenohrringe an, bevor sie zum Abschluss in ein Paar High Heels schlüpfte. Die Absätze waren zu hoch, um perfekt zum Qipao zu passen, aber sie brachten ihre langen Beine perfekt zur Geltung. Diese kleine Eitelkeit gönnte sie sich.

Vor der Tür stand ein untersetzter, etwa dreißig Jahre alter Chinese mit fast kahl rasiertem Schädel. Aus seinem runden Gesicht blickten wache Augen.

„Himmel, du siehst umwerfend aus. Wie lange hast du dafür gebraucht?“

„Ziemlich lange“, gestand sie lächelnd.

Julie schloss die Tür ab und folgte ihm zu seinem Wagen. In ihren Schuhen überragte sie ihn um ein gutes Stück, doch damit musste Harry leben.

 

„Ich habe nicht die geringste Lust, auf diese Party zu gehen“, klagte er, als sie an der Pferderennbahn vorbei nach Norden fuhren. „Was sollen wir da?“

„Tan Chee Wah hat viel für mich getan. Wir brauchen nicht lange zu bleiben, aber ich kann seinen Geburtstag unmöglich ignorieren.“

„Du weißt, dass meine Mutter auf uns wartet.“

Harrys Drängeln missfiel Julie, aber da er nur ihretwegen mitkam, beschwerte sie sich nicht. Später waren sie noch bei seinen Eltern eingeladen, und sie hoffte, dass er ihre Zustimmung zu diesem gemeinsamen Essen nicht zum Anlass für Erwartungen nahm, die sie weder erfüllen konnte noch wollte.

Sie ging seit einem halben Jahr mit Harry aus, weil er aufmerksam, amüsant und ein intelligenter Gesprächspartner war. Das Problem bestand darin, dass er sich in sie verliebt hatte, sie seine Gefühle aber nicht erwiderte. Trotzdem suchte sie weiterhin seine Gesellschaft, solange er akzeptierte, dass sie alle körperlichen Annäherungsversuche zurückwies. Sie mochte ihn, und außerdem hatte sie nicht viele Freunde in Malaysia.

Der blaue Toyota rollte langsam durch den vornehmen Villenvorort Taman Jesselton, westlich der Inselhauptstadt Georgetown, bis sie das hell erleuchtete Haus gefunden hatten. Hinter dem gepflegten Garten zog sich tropisches Grün den Berg hinauf: die beste Lage im teuersten Wohngebiet der Insel.

 

Tan Chee Wah war ein unscheinbarer, schmächtiger Chinese mit schütterem Haar. Man hätte ihn für einen Rentner halten können, der seine Tage damit verbrachte, im Garten zu sitzen und die Goldfische im Teich zu füttern; stattdessen leitete er ein Familienimperium, mit Umsicht und, falls nötig, gnadenloser Härte. Sein Erfolg beruhte auf der Fähigkeit, Tradition mit moderner Geschäftsführung zu verbinden.

Julie sorgte für Aufsehen, als sie, ihrer schwindelerregenden Absätze zum Trotz, mit elegantem und sicherem Gang den Salon betrat. Der hautenge, beidseitig hoch geschlitzte Qipao schmiegte sich an ihren Körper und enthüllte bei jedem Schritt ihre schlanken Beine; dennoch war es das kühle Weiß ihres Gesichts und der nackten Arme, das unter den anwesenden Chinesinnen den größten Neid erregte.

„Guten Abend, Mr Tan“, grüßte sie den Gastgeber.

„Julie! Schön, dass Sie gekommen sind.“

„Das hätte ich mir nicht nehmen lassen. Entschuldigen Sie, dass wir so spät dran sind. Es ist meine Schuld, fürchte ich.“

„Sie hat stundenlang gebraucht, um sich herauszuputzen“, ergänzte Harry.

„Und es hat sich gelohnt“, stellte Chee Wah fest. „Wie geht das Geschäft?“

„Ich kann nicht klagen, wenn ich bedenke, wie hart es am Anfang war. Sie haben mir sehr geholfen, mich trotz der Wirtschaftskrise zu etablieren.“

„Sie haben hart gearbeitet, und wenn harte Arbeit sich mit Verstand paart, zahlt sich das immer aus. Ich freue mich, wenn ich Ihnen hin und wieder helfen kann. Möchten Sie etwas trinken?“

„Sehr gern“, meinte Harry. „Ein Scotch auf Eis wäre schön.“

„Für mich bitte auch“, sagte Julie.

Chee Wah winkte einen der für den Abend angeheuerten Kellner heran und gab ihre Wünsche weiter. Als die Drinks kamen, sah der Chinese Julie wohlwollend an. Seine große Leidenschaft war die Kunst, und er gefiel sich in der Rolle ihres Förderers. Er hatte nicht nur als Erster in ihrer Galerie Bilder gekauft, sondern auch ihren Namen weitergetragen und andere bedeutende Klienten an sie vermittelt. Julie verdankte dem alten Mann viel und machte kein Geheimnis daraus.

„Mir imponieren die Zielstrebigkeit und Energie, mit der Sie Ihre Galerie aufgebaut haben. Leider vermisse ich diese Eigenschaften heutzutage bei den meisten jungen Leuten“, seufzte er und stieß mit ihr an. „Auf gute Geschäfte und ein langes Leben.“

„Und die Freundschaft“, fügte sie hinzu.

Chee Wahs Schwester bat ihn zu sich, und er ließ die beiden allein. Julie nippte an ihrem Whisky und blickte aus einem Fenster in den dunklen Garten, wo an einem Tisch zwei Personen ins Gespräch vertieft dasaßen.

„Wie sieht es aus? Können wir jetzt verschwinden?“, fragte Harry.

„Schon? Wir sind doch gerade erst gekommen.“

„Meine Eltern warten.“

„Ich muss noch mit einigen Leuten reden, bevor ich gehe. Es sind Kunden von mir da, und ich darf niemanden verprellen. Kontaktpflege. Das hast du vorher gewusst.“

„Na gut, auf eine Viertelstunde kommt es nicht an“, sagte Harry und ließ sich mit säuerlicher Miene in einen Sessel fallen, während Julie so gelassen auf die Gruppe um Chee Wah zusteuerte, als hätte sie sich ihr ganzes Leben inmitten der gesellschaftlichen Elite Penangs bewegt.

 

Zwanzig Minuten später, nachdem sie alle Bekannten gegrüßt und mit jedem einige Worte gewechselt hatte, wurde Julie von einer ihr unbekannten Frau abgefangen und in ein belangloses Gespräch verwickelt. Sie fragte sich, was die grässlich überschminkte Chinesin von ihr wollte, als ein sonnengebräunter Mann zu ihnen trat und sich als Neffe der Unbekannten vorstellte.