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Franz Ferstl

IM DIENST DER
ZUVERSICHT

Das Amt des Diakons

Entwicklungen · Erfahrungen · Perspektiven

Mit einem Nachwort von
Franz Weber

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Nachhaltige Produktion ist uns ein Anliegen; wir möchten die Belastung unserer Mitwelt so gering wie möglich halten. Über unsere Druckereien garantieren wir ein hohes Maß an Umweltverträglichkeit: Wir lassen ausschließlich auf FSC®-Papieren aus verantwortungsvollen Quellen drucken, verwenden Farben auf Pflanzenölbasis und Klebestoffe ohne Lösungsmittel. Wir produzieren in Österreich und im nahen europäischen Ausland, auf Produktionen in Fernost verzichten wir ganz.

Mitglied der Verlagsgruppe „engagement“

2019

© Verlagsanstalt Tyrolia, Innsbruck

Umschlaggestaltung: Tyrolia-Verlag

unter Verwendung eines Bildes von Leopold Washüttl

Layout und digitale Gestaltung: Tyrolia-Verlag

Druck und Bindung: FINIDR, Tschechien

ISBN 978-3-7022-3794-3 (gedrucktes Buch)

ISBN 978-3-7022-3820-9 (E-Book)

E-Mail: buchverlag@tyrolia.at

Internet: www.tyrolia-verlag.at

INHALT

Geleitwort von Kardinal Christoph Schönborn

Grußwort von Referatsbischof Anton Leichtfried

Einleitung

1.Versiegte Quellen freilegen – Diakonat von der Urkirche bis zum Zweiten Vatikanum

1.1Diakonie und Diakone im Neuen Testament

1.2Der Diakonat in der frühen Kirche

1.3Das Verschwinden des Ständigen Diakonats

1.4Lebendige Kirchengeschichte – selige und heilige Diakone

1.5Franz von Assisi – gelebtes Armutsideal

1.6Von Franz von Assisi bis zum Zweiten Vatikanum

1.7Neuentfaltung des Diakonats durch das Zweite Vatikanum

1.8Nach dem Konzil – ausführende Bestimmungen durch päpstliche Schreiben

2.Einführung und Weiterentwicklung des Ständigen Diakonats in der Weltkirche und im deutschsprachigen Raum

2.1Der Ständige Diakonat in der Weltkirche

2.2Wiedereinführung des Ständigen Diakonats in Deutschland

2.3Das Internationale Diakonatszentrum mit Sitz in Rottenburg

3.Der Anfang des Diakonats in Österreich

3.1Einheitliche Vorgangsweise

3.2Österreichweite Regelung der Ausbildung

3.3Einführung des Diakonats in Österreich

3.4Interdiözesane Kommission für den Ständigen Diakonat – erste Rahmenordnung 1988

3.5Neufassung der Österreichischen Rahmenordnung 2010

3.6Wiedereinführung des Ständigen Diakonats in den einzelnen österreichischen Diözesen

3.7Diözese Bozen-Brixen – ein Blick über die Staatsgrenze

4.Der „Sitz im Leben“ – der Ständige Diakon als Ehemann und Vater

4.1Ehesakrament und Weihesakrament

4.2Familie – erster Wirkungsort des Diakons

4.3Familie – Lernort und Rückzugsort

4.4Der verheiratete Diakon in seiner Familie – empirische Studien

4.5Gelebtes Sakrament – persönliche Erfahrungen

5.Der Diakon als Brückenbauer zwischen Kirche und Welt

5.1Diakone in einer Vielfalt von zivilen Berufen

5.2Beruf als pastorales Wirkungsfeld

5.3Erfahrungen von Diakonen im Zivilberuf

6.Berufung, Ausbildung und Weihe des Diakons

6.1Zulassungs- und Ausbildungskriterien

6.2Ausbildung als Vorbereitung auf das Dienstamt

6.3Dimensionen der Ausbildung zum Ständigen Diakon

6.4Zulassung zur Weihe

6.5Weiheliturgie

6.6Predigten (Auszüge)

7.Identität

7.1Geht auch ihr in meinen Weinberg

7.2Das Eigene des Diakons – Ständiger Diakonat, ein überflüssiges Amt?

7.3Der Diakon als Bewährungshelfer im Glauben

7.4Menschen auf dem Weg der Menschwerdung solidarisch beistehen

7.5Verzicht auf geistliche Macht

7.6Diakon – einer, der Anteil nimmt am Gebrochen-Sein des Menschen

8.Der Diakon in der Ausübung der Grunddienste in der Kirche

8.1Diakonie der Verkündigung

8.2Diakonie der Liturgie

8.3Grunddienst Caritas – der Diakon als Anwalt der Armen

9.Auf dem Weg zu einer diakonalen Gestalt der Kirche

9.1Im dreifachen Weiheamt verankert

9.2Kernauftrag des Diakons – Repräsentant des Dienens in der Gemeinde

9.3Diakonische Pastoral ist nachhaltig

9.4Diakonische Spiritualität als Weg zu einer lebendigen Kirche

10. Diakonat – ein altes Amt in einer sich wandelnden Kirche

10.1Ein flexibles und zukunftsfähiges Amt

10.2Zeuge des Wachstums

10.3Unser Ort – mitten unter den Menschen

10.4Ehe und Weihe – Plädoyer für eine doppelte Sakramentalität

10.5Die Zeichen der Zeit erkennen

10.6Diakonische Ausblicke unter Papst Franziskus

Nachwort von Franz Weber

Ein Amt, das in die Zukunft weist

Anhang 1: Interview mit Zeitzeuge Pius Zeßner-Spitzenberg

Anhang 2: Chronik

Statistik

ZUM GELEIT

50 Jahre „Ständiger Diakonat“ in Österreich. Was sind Diakone? Es sind Männer, die ihre – eheliche oder zölibatäre – Berufung in vollem Umfang leben, die jedoch auch in vollem Umfang die Arbeits- und Berufswelt leben. Sie bringen also etwas von der Welt der Familie und von der Arbeitswelt in den Klerus. Sie bringen sowohl die Dimensionen der Schönheit und der Erfahrung mit, aber auch die Mühen und manchmal auch Wunden.

Diakone sind „nicht halbe Priester und halbe Laien“, wie Papst Franziskus betonte (25. März 2017). „Das Diakonat ist eine spezifische Berufung, eine familiäre Berufung, die zum Dienst ruft“, wie der Papst weiter ausführte. „Es ist das Sakrament des Dienstes an Gott und den Brüdern.“ Das Zweite Vatikanische Konzil hatte nach langen Diskussionen über die Wiedereinführung dieses alten Dienstes entschieden und mit dem Motu Propio „Sacrum Diaconatus ordinem“ vom 18. Juni 1967 von Papst Paul VI. verfügt. Seither gehört der Diakonat zu den hoffnungsvollen Bereichen der Kirche auf allen Kontinenten. In Österreich sind derzeit rund 750 Diakone meist ehrenamtlich tätig.

Die Glaubwürdigkeit des Dienstes als Diakon geschieht im Alltag, im täglichen Dienst. Ihr oft stiller Dienst der Nächstenliebe geschieht Tag für Tag in den sozialen Einrichtungen. Das ist die wahre Glaubwürdigkeit. Das wird nicht plakativ öffentlich kundgetan. Es muss auch nicht von allen gesehen werden, was Gutes geschieht. Aber es ist wichtig, dass es geschieht. Und wir müssen uns nicht zuerst darum kümmern, ob die Kirche glaubwürdig ist, sondern ob wir glaubwürdig leben, ob wir glaubwürdig das Evangelium leben.

Diakone sind berufen, in der Person Christi als Diener in der Kirche zu wirken. Sie sollen sich mit all ihren Fähigkeiten, ihrer Lebenserfahrung, ihrer Berufs- und Familienerfahrung einbringen und sich ganz dem Heiligen Geist zur Verfügung stellen, damit er die Menschen berühren kann. Das erfordert zuerst den persönlichen Umgang mit dem Wort Gottes, das von ihm Durchdringen-Lassen, um dann aus der Freude des Wortes Gottes zu schöpfen.

Stephanus, der erste Diakon, war ein Mann mit einem mächtigen Wort, glaubwürdig, überzeugend. Das zeigt uns etwas für die Nachfolge Christi, in die die Diakone in ihrem Dienst gestellt sind. Der karitative Dienst und der Dienst der Verkündigung sind zwei wesentliche Elemente des Diakonats.

Eine Nächstenliebe ohne Verkündigung oder eine Verkündigung ohne Nächstenliebe geht nicht. Die ersten Diakone zeigen uns sehr mächtig und eindrucksvoll, wie sehr von Anfang an die Diakonie, der Dienst an den Notleidenden, den Armen, den Kranken untrennbar verbunden ist mit der Verkündigung des Evangeliums. Der heilige Franziskus hat dieses wunderbare Wort gesagt: Verkündet allen Menschen das Evangelium, wenn notwendig auch mit Worten. Natürlich ist die überzeugendste Verkündigung die des Lebens. Das ist der wahre Dienst der Diakone: zuerst das überzeugende Zeugnis des eigenen Lebens.

Wien, am 26. Juni 2019

+ Christoph Kardinal Schönborn,
Erzbischof von Wien

GRUSSWORT

Die Diakonie – also die gelebte Nächstenliebe in verschiedensten Formen und Situationen – ist ein wesentliches Merkmal und grundlegender Auftrag der Kirche. Die Diakone verstärken die Diakonie durch ihr Leben und ihre kirchlichen und liturgisch-sakramentalen Dienste.

Seit 50 Jahren sind mittlerweile Diakone in der Kirche von Österreich im Einsatz. Ihre Zahl ist seither erfreulicherweise auf 750 angewachsen! Zu diesem besonderen Anlass sei ihnen ein großer Dank ausgesprochen für ihre Dienste in vielen verschiedenen kirchlichen Situationen und menschlichen Nöten!

An dieser Stelle sage ich auch einen besonderen Dank an den Autor dieses Buches, Franz Ferstl, für sein großes Engagement als Vorsitzender der ARGE der Diakone Österreichs!

Zum Jubiläum wünsche und erbitte ich allen Diakonen viel Freude und reichen Segen!

+ Anton Leichtfried

Referatsbischof

EINLEITUNG

Die Sozialgestalt der Kirche ist radikalen Veränderungen unterworfen. Ihre Glaubwürdigkeit steht auf dem Prüfstand. Die Aufarbeitung von Missbrauch und schuldhaftem Verhalten nimmt viel Energie in Anspruch. Kirchenaustritte, der Rückgang des sonntäglichen Gottesdienstbesuchs und des Sakramentenempfangs sowie das spürbare Misstrauen in die Kirchenleitung sind Fakten, die sich nicht wegdiskutieren lassen. Andererseits sind in neuerer Zeit viele neue geistliche Bewegungen entstanden, eine noch immer treue Schar ehrenamtlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist zu verzeichnen, eine starke Solidarität in der Aufnahme und Betreuung der vor Kriegen und Terror geflüchteten Menschen, die bei uns eine neue Heimat suchen, gibt Hoffnung. Die Zahl der Ehrenamtlichen hat sich ebenso erhöht wie die Anzahl der Kräfte im Sozialbereich und die Bereitschaft, in der Caritas mitzuwirken. Die Bereitschaft zur Mitverantwortung im organisatorischen Bereich ist ebenfalls stabil. Die Entwicklung der letzten 50 Jahre nach dem Zweiten Vatikanum hat viel Positives und Erfreuliches aufzuweisen. Trotzdem ist es auch ein Zeichen der Zeit, dass die Zahl der Berufungen zum Priester- und Ordensberuf trotz intensiver Gebetsaufrufe weiter im Schrumpfen ist. Auch die sozialen Orden verzeichnen stark zurückgegangene Zahlen, sodass so manche Dienste, wie sie z. B. in den Ordensspitälern geleistet wurden, heute selbstverständlich von Laienkräften erbracht werden. Die Zahl der Berufungen zum Ständigen Diakonat ist hingegen stark gestiegen.

Es ist eine sehr erfreuliche Tatsache, dass sich so viele bewährte Männer zum Diakonat berufen fühlten und ihre Kräfte und Charismen in diesem Dienstamt einbrachten und einbringen. Innerhalb der ersten 50 Jahre ist die Zahl der Berufungen zum Diakonat österreichweit auf über 750 aktive Ständige Diakone angewachsen. Wenn auch derzeit leider nur auf Männer beschränkt, hat sich hier ein ursprünglich aus der Not der Missionsländer neu eingeführtes Dienstamt bei uns entfaltet und ist in den Diözesen zu einem fixen Bestandteil des pastoralen Personals geworden. Umgelegt auf die Anzahl der Pfarren ist – unbemerkt und sehr erfreulich – in jeder vierten Pfarre ein Ständiger Diakon tätig und prägt das Leben der Pfarre diakonal mit. Die Entwicklung des Ständigen Diakonats in Österreich und in der Weltkirche seit der Wiedererweckung dieses Dienstamtes in den letzten 50 Jahren ist Gegenstand der ersten Kapitel dieses Buches.

Ich war persönlich schon sehr früh durch meinen Beruf als Sekretär von Weihbischof Florian Kuntner mit der Entwicklung und Begleitung des neuen Dienstamtes konfrontiert und wurde von ihm vor dreiunddreißig Jahren zum Diakon geweiht. So ist es mir ein Anliegen, die Anfänge des Diakonats in Österreich zu dokumentieren. Von Kardinal Schönborn im Jahr 2003 als Leiter des Diakoneninstituts der Erzdiözese Wien berufen, durfte ich die wachsende Gruppe von Ständigen Diakonen im Auftrag des Bischofs begleiten und die Aus- und Weiterbildung gemeinsam mit meinem Freund und Kollegen, Ausbildungsleiter Mag. Johannes Fichtenbauer, mitgestalten. Meine Aufgabe sah ich darin, der wachsenden Gruppe von Ständigen Diakonen Unterstützung und Begleitung anzubieten, damit diese in den Pfarren und in kategorialen Bereichen ihren diakonalen Dienst gut und mit Freude wahrnehmen konnten. Österreichweit war ich durch Weihbischof Florian Kuntner schon 1988 in die Erstellung und Ausformulierung der ersten Österreichischen Rahmenordnung eingebunden und darf nun schon einige Jahre als Leiter der Arbeitsgemeinschaft der Diakone Österreichs die Kontakte unter den Diözesen koordinieren. So habe ich mit allen von der Bischofskonferenz für den Ständigen Diakonat berufenen Referatsbischöfen zusammengearbeitet und konnte hiermit wie ein Brückenkopf zwischen den Vertretern der Diakone und den zuständigen Bischöfen vermitteln.

Am 22. Dezember 2019 wird das 50. Jahr seit der ersten Weihe eines Ständigen Diakons in Österreich eingeläutet. Aus diesem Anlass möchte ich meine langjährigen Erfahrungen als Diakon und als Sprecher der Ständigen Diakone Österreichs einbringen und sie allen sich in der Ausbildung befindlichen Kandidaten, ihren Familien, den Seelsorgerinnen und Seelsorgern in den Pfarren und in den verschiedenen Bereichen der Gemeinde- und Sozialpastoral zur Verfügung stellen.

So gehe ich in Demut und Dankbarkeit an den Versuch, ein lebendiges Bild von den vielen, oft in Stille und Bescheidenheit wirkenden Mitbrüdern ins Licht zu stellen und aufzuzeigen, welcher Schatz an kreativer Mitwirkung durch den Ständigen Diakonat als Teil des Klerus vom Konzil gehoben wurde. Die im Konzil festgelegte Neuausrichtung der Pastoral und die Präsenz der Kirche in der Gesellschaft wurden durch die Wiedererrichtung des Ständigen Diakonats verstärkt. Die aus dem Volk erwählten und zu Ständigen Diakonen geweihten Männer sind mit ihrem familiären und beruflichen Hintergrund auf der Basis ihrer Erfahrung und Kompetenz dort, wo sie stehen, und in ihren Pfarren Brückenbauer eines gelebten Glaubens. Weiterhin in ihrem Beruf tätig oder in der bereits angetretenen Pension, bringen sie ihre berufliche Kompetenz ein. Als Teil der Familie, als Ehepartner und Väter oder Großväter versuchen sie, durch ihr Zeugnis Kirche in der Lebenswelt der Menschen präsent zu machen. Durch ihre gelebte, „geerdete Spiritualität“ sind Diakone in ihrer lebenslangen Bindung im Zusammenwirken mit dem Bischof und seinem Priesterkollegium ein Weihestand, der viel familiären Geist in die Kirche einbringt und auch manche Fehlentwicklung innerhalb der Kirchengemeinschaft bewusst machen kann.

Im zweiten Teil des Buches soll die Bedeutung der doppelten Sakramentalität von Ehe und Weihe dargelegt werden, wo einerseits Erfahrungen mit dem „verheirateten Klerus“ und andererseits auch die Sicht der durch die Weihe betroffenen Ehefrauen aufgezeigt werden. Die Priester werden von der Kirche besoldet und sind sozial durch die Diözese oder den Orden abgesichert. Hier unterscheiden sich die Ständigen Diakone durch ihre weltlichen Arbeitgeber und die Eigenversorgung durch Gehalt und Pension. Durch den Kirchenbeitrag ist die Bezahlung des hauptamtlichen Personals noch gesichert, aber wie es in Zukunft sein wird – ob es weiterhin genügend Finanzen geben wird, um vor allem auch die Mittel für die notwendigen Laienkräfte sichern zu können –, bleibt offen. Da den Ständigen Diakonen nur in Form einer Aufwandsentschädigung Kosten, die aus der pastoralen Arbeit entstehen, vergütet werden, sind sie willkommene Mitarbeiter in den vielen zu leistenden sozialen und pastoralen Diensten. Die Ständigen Diakone machen durch ihr Ehrenamt der Kirche nicht nur das Geschenk ihrer beruflichen Kompetenz, sie könnten vielleicht auch ein Modell für zukünftige, vielleicht nur mehr teilzeitlich angestellte oder ehrenamtlich angestellte Priester sein.

Ein weiterer Abschnitt befasst sich mit der derzeitigen Praxis der Auswahl und der Ausbildung der Bewerber zum Ständigen Diakonat. Die Weihe von Frauen zu Ständigen Diakoninnen sollte nicht mehr lange auf sich warten lassen. Die Ordination von Frauen wird inzwischen nicht nur von Theologinnen und Theologen gefordert, sondern auch von einigen Bischöfen für möglich gehalten. Nach meiner Meinung – und der Meinung fast aller Ständigen Diakone – wäre sie zweifelsohne eine Antwort auf die Zeichen der Zeit. Das Kapitel geht im Folgenden der Frage nach, was das Besondere, die Identität des Diakons und seine gelebte Spiritualität ausmacht.

In den folgenden Abschnitten wird – ausgehend von der derzeitigen Struktur von Pfarren und anderen gemeinschaftlichen sozialen Gefügen – aufgezeigt, welchen Stellenwert ein „diakonischer“ Schwerpunkt für die Lebendigkeit und Anziehungskraft der Kirche haben kann. Eigentlich ist es zu wenig, von einer diakonischen Ausrichtung der Kirche zu sprechen – die Kirche selbst ist „Diakonie“, das heißt Zeichen und Sakrament der Liebe Gottes. Als Ausblick auf die weitere Entwicklung des erst 50 Jahre jungen Ständigen Diakonats kommen u. a. Personen zu Wort, die eine Vision für einen Diakonat der Zukunft haben. Dazu gehört wesentlich, was Papst Franziskus der diakonischen Kirche mit auf den Weg gibt.

Als roten Faden für die Dokumentation der Geschichte, die Reflexion der Entwicklung und die Ausgestaltung des Ständigen Diakonats in Österreich und der Weltkirche habe ich das Bild der versickerten Quelle gewählt. Das Verschwinden des Ständigen Diakonats im fünften Jahrhundert und die Neuentdeckung dieser Quelle durch das Zweite Vatikanum ist für mich ein ermutigendes Bild für die Entwicklung des Diakonats in der Kirche heute. Gerade in Zeiten, in denen der Klimawandel neue Wüsten entstehen lässt und die Menschen zur Schöpfungsverantwortung aufgerufen sind, sind wir eingeladen, den geistlichen Quellen nachzugehen, diese für die Gegenwart zusammenfließen zu lassen und fruchtbar zu machen. Das Wiederentdecken dieser Quellen ist wesentlich für eine Kirche, die nicht nur für sich selbst sorgt, sondern ihren Auftrag des Hineinwirkens in die Gesellschaft erfüllt. Dazu braucht es einen klaren Blick auf das, was diese neu entdeckte Quelle fruchtbar machte und wodurch sie neu lebendig werden kann. Das Bild der Quelle bietet sich an, um Gewachsenes zu dokumentieren, Vorhandenes zu reflektieren und Richtung und Wege in die Zukunft aufzuzeigen.

Das Zeugnis für die Lebendigkeit dieser Quelle verdanke ich den vielen Begegnungen mit meinen Mitbrüdern im Diakonat und deren Familien, den Bischöfen und Priestern, die mich auf diesem Weg begleitet haben. Ich danke den Freunden und Familien, denen ich als Diakon auf dem Weg des Glaubens und in der Vorbereitung und Feier der Sakramente die liebende Zuwendung Gottes vermitteln durfte. Ich danke meinen Mitbrüdern aus den Diözesen Österreichs und im deutschsprachigen Raum, mit denen ich im Austausch beschenkt und motiviert wurde, meine Erfahrungen wie Quellwasser zu sammeln und sie Freunden und auch Kritikern des Diakonats in Buchform zur Verfügung zu stellen. Ermutigt erlebe ich mich durch das lebendige Beispiel und das diakonale Wirken von Papst Franziskus, dem es ein Herzensanliegen ist, die innere Not der Menschen in der heutigen Zeit aufzudecken und seine Mitarbeiter im pastoralen Dienst für ein persönliches Verschenken ihrer selbst als Zeugen der selbstlosen Liebe Gottes zu motivieren. Was könnte besser für unseren Dienst werben als sein Beispiel, als er als Papst bei der Fußwaschung an jungen Menschen im Gefängnis die Diakonenstola als „Wahrzeichen“ trug? Dieser Rückenwind durch Papst Franziskus ermutigt mich und viele Diakone, unsere Erfahrungen und Visionen von einer diakonalen Kirche mit anderen zu teilen.

Besonders danke ich meiner Frau Maria für ihre liebevolle und wachsame Unterstützung und wertschätzend-kritische Ermutigung, meinem Freund P. Franz Weber, Pastoraltheologe und Bischöflicher Beauftragter für die Diakone in der Diözese Innsbruck, für seine kompetente Begleitung und Beratung, für die theologische und pastorale Fundierung, die Erfahrungen, Einsichten und visionären Anfragen in seinem Schlusskapitel. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Tyrolia-Verlags danke ich für die professionelle Umsetzung des Projekts.

Wiener Neustadt, Pfingsten 2019

Diakon Franz Ferstl

* Wegen der einheitlichen Schreibweise findet sich in den hier zitierten Textauszügen der Werke und Dokumente, die vor 2006 entstanden sind, die neue Rechtschreibordnung.

1. VERSIEGTE QUELLEN FREILEGEN – DIAKONAT VON DER URKIRCHE BIS ZUM ZWEITEN VATIKANUM

Im Laufe der Kirchengeschichte haben sich viele geistliche Quellen aufgetan, andere wiederum sind versiegt. Aufgrund der Einsicht, dass durch eine steigende Zahl der Gläubigen die Versorgung der Armen nicht gesichert sei, wurden in der Gemeinde in Jerusalem nach Gebet und Wahl Männern nach dem Zeugnis die Hände aufgelegt und sie mit einer Sendung ausgestattet, damit allen die Frohbotschaft verkündet und bezeugt werden konnte.

In späterer Zeit haben die Nachfolger der Apostel Konzilien einberufen, um in wichtigen Glaubensfragen Klarheit zu schaffen und um sich von Irrwegen abzugrenzen. Sie haben Antworten auf die Nöte der Menschen gesucht und sich neu den Herausforderungen der Kirche in der Gesellschaft gestellt. Oft sind die durch Konzilien eingeleiteten Reformen aber durch geschichtliche Entwicklungen nicht zu Ende geführt und die mutig von den verantwortlichen Päpsten begonnenen Reformen nicht umgesetzt worden. Doch Gott schreibt die Geschichte seiner Kirche auch auf krummen Zeilen und er wirkt durch die von ihm Erwählten das Heil aller Menschen. Es zeigt sich, dass es Gott darum geht, ob im Volk Gottes die Not der Menschen gesehen und von den vom Heiligen Geist bestellten Zeugen wahrgenommen und gewendet wird, und nicht in erster Linie um die Erhaltung von Strukturen und Einrichtungen.

Die Entwicklung des frühchristlichen Diakonats ist wesentlich mit der Bildung und Gestaltung der Strukturen der drei kirchlichen Ämter Bischof, Presbyter und Diakon in den ersten fünf Jahrhunderten verbunden. Der Diakonat hatte einen wichtigen Stellenwert in Verbindung mit dem Bischof, wurde später aber auf die Vorstufe zur Priesterweihe reduziert.

Das Augenmerk liegt nicht auf der Selbsterhaltung eines Amtes, sondern auf der Erfüllung des Auftrages der Sendung in die Welt. Gott hört die Schreie der Menschen und sieht, was ihnen zum Heil fehlt. Überall, wo menschliche Macht über andere ausgenützt wird, steht Gott auf der Seite der Schwachen und Ausgegrenzten. Gott beruft Menschen, die die Not der Mitmenschen erkennen und durch ihre Berufung die Not wenden und Heil schenken, wie es das Magnifikat ausdrückt. Er beruft in seiner Kirche Menschen, Heilige und Sünder, um seinen Willen zu erfüllen und die Not der Menschen zu wenden. So ist auch das Auf und Ab des Diakonates sein Weg, um das Dienstamt nicht zur Selbstbestätigung, sondern zum Nutzen und zur Auferbauung des Volkes Gottes zu verstehen. Wie Gott durch Menschen auf die Hilfeschreie anderer Menschen antworten kann, ob das durch erweckte Heilige, die entstehenden Orden oder durch ein mutiges Zweites Vatikanum geschieht – die Wege und Zeiten eines Aufbruches dürfen wir Gott überlassen.

1.1 Diakonie und Diakone im Neuen Testament

Diakonia ist ein Wesensmerkmal und Kennzeichen aller Jünger Jesu. „Für die frühen christlichen Gemeinden war die gegenseitige Dienstbeziehung ein Kriterium der Christlichkeit. Jedes Mitglied der Gemeinde war für die diakonale Praxis der Kirche verantwortlich. (…) Der Begriff Diakonia wurde auf jeglichen Dienst angewandt, dessen Ziel das Heil ist.“1

Im Griechischen ist ein Diakon in der allgemeinen Wortbedeutung jemand, der in Person einen Dienst leistet. So ist das Dienen ein Wesensmerkmal christlichen Lebens und mit dem verbunden, was christliches Leben im Kern ausmacht, denn es gründet in Jesus Christus selbst. „Er, der Kyrios aller, ist zugleich der Diakonos aller. Christus wurde den Menschen gleich, er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod am Kreuz (vgl. Phil 2,7f). Die machtvolle Tat der Erlösung ist nicht eingekleidet in die imperiale Selbstherrlichkeit, sondern findet in der dienenden Selbsthingabe des Sohnes an den Vater ihre Erfüllung. (…) So wie Jesus Christus selbst an seinen Jüngern den Sklavendienst verrichtet, so begegnen wir Christen darin unserer eigenen Wesensbestimmung: Christliche Existenz ist Anteilnahme an der Diakonia, die Gott selbst in Jesus Christus an den Menschen geleistet hat, und damit der Verweis auf das, was Erfüllung und Vollendung des Menschen bedeutet.“2 Für die Gemeinde in Jerusalem bezeugt der Verfasser der Apostelgeschichte:

„In diesen Tagen, als die Zahl der Jünger zunahm, begehrten die Hellenisten gegen die Hebräer auf, weil ihre Witwen bei der täglichen Versorgung übersehen wurden. Da riefen die Zwölf die ganze Schar der Jünger zusammen und erklärten: Es ist nicht recht, dass wir das Wort Gottes vernachlässigen und uns dem Dienst an den Tischen widmen. Brüder, wählt aus eurer Mitte sieben Männer von gutem Ruf und voll Geist und Weisheit; ihnen werden wir diese Aufgabe übertragen. Wir aber wollen beim Gebet und beim Dienst am Wort bleiben. Der Vorschlag fand den Beifall der ganzen Gemeinde und sie wählten Stephanus, einen Mann, erfüllt vom Glauben und vom Heiligen Geist, ferner Philippus und Prochorus, Nikanor und Timon, Parmenus und Nikolaus, einen Proselyten aus Antiochia. Sie ließen sie vor die Apostel hintreten, und diese beteten und legten ihnen die Hände auf.“ (Apg 6,1–6)

Das Charisma der Sieben entsprach den jeweiligen Bedürfnissen der Gemeinde. Ihre Geistesgabe der Armenpflege brauchte keine besondere Beauftragung. Sie waren schon in der christlichen Gemeinde tätig, bevor „die faktische Existenz des charismatischen Diakonats“ von den Aposteln „durch Handauflegung bestätigt“ wurde.3

1.2 Der Diakonat in der frühen Kirche

In der Hippolyt von Rom († 235) zugeschriebenen Kirchenordnung „Traditio Apostolica“ sind die Regeln der Weihe des Bischofs, des Presbyters und des Diakons festgelegt. Bei der Weihe des Diakons legt der Bischof den Kandidaten die Hände auf, „weil er (der Diakon) nicht zum Priestertum geweiht wird, sondern zum Dienst für den Bischof, um das zu tun, was dieser ihm aufträgt.“4

Die darin festgelegte Bindung an den Bischof ermöglicht diesem, die Verantwortung für die Bedürftigen wahrzunehmen. So „soll sich (jeder Diakon) ständig an den Bischof halten. Er benachrichtige auch den Bischof, wenn irgendwelche Personen krank sind, damit der Bischof, wenn es ihm beliebt, die Kranken besuche.“ Die „Didascalia Apostolorum“, eine kirchenrechtlich-liturgische Sammlung aus der ersten Hälfte des dritten Jahrhunderts, spricht vom hohen Ansehen der Diakone, da diese mit Christus selbst verglichen werden, die Presbyter jedoch „nur“ mit den Aposteln.5

Erstmals werden als Träger eines Gemeindeamtes „Diakone“ in der Grußanrede des Philipperbriefes, um das Jahr 55 geschrieben, genannt: „an alle Heiligen in Christus Jesus, die in Philippi sind, mit ihren Bischöfen (Episkopen) und Diakonen“ (Phil 1,1). Als Mahnschreiben der römischen Gemeinde an die Korinther gilt der um das Jahr 96 verfasste erste Clemensbrief, in dem auf dem Hintergrund der Absetzung von Amtsträgern begründet wird, „deren Einsetzung sei Ausdruck gottgewollter Ordnung und nicht menschlicher Verfügung“ und sie „nach Prüfung im Geiste“ (1 Clem 42,1–5) zu Episkopen und Diakonen berufen wurden.6

In den Pastoralbriefen (1 Tim und Tit) werden die Leitungsstrukturen der Kirche mit den Ämtern des Bischofs, des Presbyters und des Diakons genannt. Im dritten Kapitel des ersten Briefes an Timotheus werden sowohl ein Aufgabenkatalog für einen Kandidaten für das Bischofsamt als auch ein Anforderungsprofil für die Diakone angeführt:

„Ebenso müssen Diakone sein: achtbar, nicht doppelzüngig, nicht dem Wein ergeben und nicht gewinnsüchtig; sie sollen mit reinem Gewissen am Geheimnis des Glaubens festhalten. Auch sie soll man vorher prüfen, und nur, wenn sie unbescholten sind, sollen sie ihren Dienst ausüben. Ebenso müssen Frauen ehrbar sein, nicht verleumderisch, sondern nüchtern und in allem zuverlässig. Diakone sollen Männer einer einzigen Frau sein und ihren Kindern und ihrem eigenen Haus gut vorstehen. Denn wer seinen Dienst gut versieht, erlangt einen hohen Rang und große Zuversicht im Glauben an Christus Jesus.“ (1 Tim 3,8–13)

Aus der Didache, jener frühesten Kirchenordnung, die noch vor 130 in Syrien verfasst wurde, ist von der Wahl der Episkopen, nicht aber der Presbyter die Rede. Die zu Amtsträgern Erwählten sollen „wahrheitsliebend und erprobt sein, denn sie sind es, die euch den Dienst der Lehrer und Propheten versehen“ (Did 15,1f). Ignatius von Antiochien († um 110) schreibt an die Gemeinde von Smyrna:

„Folgt dem Bischof wie Jesus Christus dem Vater und dem Presbyterium wie den Aposteln; die Diakone aber achtet wie Gottes Gebot! Keiner soll ohne den Bischof etwas, was die Kirche betrifft, tun. Jede Eucharistiefeier gelte als zuverlässig, die unter dem Bischof oder einem von ihm Beauftragten stattfindet. Wo der Bischof erscheint, dort soll die Gemeinde sein, wie da, wo Christus Jesus ist. Ohne Bischof soll man weder taufen noch das Liebesmahl halten; was aber jener als gut findet, das ist auch Gott wohlgefällig.“7

1.3 Das Verschwinden des Ständigen Diakonats

Bis zum Ende des 4. Jahrhunderts erlebte der Diakonat als kirchliches Amt einen ständigen Aufschwung und seine Blütezeit. Ab dem fünften Jahrhundert veränderte sich jedoch das kirchliche Leben insofern, dass der Dienst der Priester an Bedeutung gewann und viele Tätigkeitsfelder der Diakone nun von Priestern übernommen wurden. Der Diakonat wurde benachteiligt und allmählich auf eine Übergangsstufe zum Presbyterat reduziert.8

War es die eigene Überheblichkeit des Diakonenstandes, die sich darin zeigte, dass die eigentlichen Kernaufgaben und Dienste des Diakons nicht mehr wahrgenommen oder anderen übertragen wurden? War es der Neid anderer Kleriker, die sich von den Diakonen entmachtet fühlten, weil diese an der Seite der Bischöfe großen Einfluss hatten? War es die Titelsucht und die Machtausübung durch Kardinalsdiakone, die die Verantwortlichen für ganze Stadtteile waren? Der laufende Niedergang des Diakonats ab dem siebten Jahrhundert wird von Kirchenhistorikern auch oft damit begründet. Sie nennen als einen der Gründe für den Niedergang des Diakonats, dass die Diakone an der Seite der Bischöfe zu mächtig und so innerhalb des Ordo im gemeinsamen Wirken mit den Presbytern zurückgedrängt wurden. Sie hatten oft die Güter der Bischöfe zu verwalten und so kam ihre eigene Bestimmung als Helfer der Armen zu kurz. Daher sei, so die Annahme, diese Quelle versiegt und war bis zur Wiedererweckung durch das Zweite Vatikanische Konzil verschwunden.9 Bei genauerem Hinsehen und Erforschen der Geschichte des Diakonates muss aber auch auf die vielen Diakone hingewiesen werden, die trotz dieser Versuchung zu Macht und Einfluss ihr Amt bis zur Hingabe ihres Lebens in Treue ausgeübt haben.

1.4 Lebendige Kirchengeschichte – selige und heilige Diakone

Die Geschichte der Wiederbelebung des Ständigen Diakonats durch das Zweite Vatikanische Konzil gleicht der Wiederentdeckung versiegter Quellen. Die langjährige Tradition des Weihestandes der Diakone in der frühen Kirche versiegte im fünften Jahrhundert. Eigentlich dürfte es bei kirchlichen Diensten nicht um die Personen und nicht um den Bestand oder Nichtbestand einer Klerikergruppe gehen, sondern darum, ob der Dienst am Volk Gottes und an den Menschen wahrgenommen wird, die, weil sie arm oder ausgegrenzt sind, zu den bevorzugten Freunden Gottes zählen. Kardinal Schönborn formuliert in Bezug auf die derzeit entstehenden neuen kirchlichen Gemeinschaften: „Gott gibt durch seine Berufungen für jede Zeit eine Antwort auf die Not der Zeit.“ So stellt sich die Frage, wie im Volk Gottes die Not der Menschen wahrgenommen wird und warum das Zweite Vatikanum als Zeichen der Zeit die Wiedereinführung des Ständigen Diakones beschlossen hat.