NORA GREEN

 

 

 

 

 

Wo ist der Bräutigam?

 

 

 

 

 

1. Auflage Juni 2015

 

Autor: Salim Güler

Lektorat: Christiane Saathoff, www.lektorat-saathoff.de

Covergestaltung: Book Dresses

Erstveröffentlichung: 2015 als E-Book

Copyright © 2015 by Salim Güler

 


  1. INHALTSVERZEICHNIS:

 

INHALTSVERZEICHNIS:

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Eine Bitte

Kleines Wörterbuch

  1. Kapitel 1

 

Der Tag der Hochzeit

Heute sollte es so weit sein. Mia konnte es noch immer nicht glauben. Nur noch wenige Augenblicke und sie würde Frau Tas werden. Wenn sie an die letzten Monate zurückdachte, war das alles andere als sicher gewesen ...

Vor nicht einmal vier Monaten, genauer gesagt an ihrem dreißigsten Geburtstag, hatte sie sich von Arda getrennt, weil er sie nicht heiraten wollte, und jetzt? Jetzt würde sie gleich ihr Vater abholen und sie würde mit ihm, ihrer Mutter und ihrer besten Freundin zum Schloss fahren, wo Arda sie bereits erwartete.

Die letzte Nacht hatte sie getrennt von ihm bei ihren Eltern verbracht. Sie hatte kein Auge zutun können, so nervös und glücklich zugleich war sie. Immer wieder waren ihr Blick und ihre Hand bei ihrem Handy, weil sie den Drang verspürte, Arda anzurufen, aber sie blieb standhaft. Schließlich wollte sie nichts heraufbeschwören, was Unglück bringen konnte.

Mia war auf seine Reaktion gespannt, wenn er sie das erste Mal in ihrem Brautkleid sehen würde.

Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätten sie in Las Vegas geheiratet, still und leise, ohne großes Aufsehen. Aber diesmal ging es nicht nach ihm, es war ihr großer Tag und sie wünschte sich eine echte Traumhochzeit. Eine, von der Frauen seit ihrer Jugend träumten. Und sie war eine absolut romantisch veranlagte Frau. Glücklicherweise hatte Arda nachgegeben, wobei sie natürlich bei der Planung der Hochzeit die Waffen einer Frau gekonnt und erfolgreich eingesetzt hatte.

Sicherlich hat da auch sein schlechtes Gewissen mitgespielt, überlegte sie schmunzelnd. So in Gedanken versunken, bekam sie nicht mit, dass ihre beste Freundin Steffi das Zimmer betreten hatte. Neben Arda und ihren Eltern war sie die wichtigste Person in ihrem Leben, hatte sie ihr doch bereits in manch schwerer Stunde beigestanden und ihre Tränen getrocknet. Steffi war eine echte kölsche Frohnatur und so hatten sie natürlich auch eine Menge Spaß zusammen.

»Süße, bist du bereit?«

»Ich bin zwar total durchgeschwitzt«, lachte Mia, »aber ja, ich denke, ich bin so weit.« Trotzdem klang noch ein wenig Unsicherheit in ihrer Stimme mit.

»Alles wird gut. Du bist wunderschön.« Steffi begutachtete anerkennend das strahlendweiße Kleid mit der eleganten Schleppe und Mias tadellose Frisur. Ihre glänzenden braunen Haare waren mit unauffälligen weißen Blüten im Nacken zusammengefasst und betonten ihr feines Gesicht.

»Danke. Ich hoffe, ihm gefällt mein Kleid.«

»Wenn nicht, hätte er keine Augen im Kopf.«

»Ach, was wäre ich nur ohne dich«, sagte Mia und gab ihr einen Kuss auf die Wange.

»Nur halb so gut vorbereitet, denke ich«, grinste Steffi und drückte ihr auch einen Kuss auf die Wange. »Hast du alles?«

»Ja, etwas Altes: Ohrringe meiner Mama, etwas Neues: mein Brautkleid, etwas Geliehenes: deine wunderschöne Halskette und etwas Blaues: einen blauen String«, grinste sie vielsagend. »Es kann nichts mehr schiefgehen.«

»Außer Arda.«

»Wie?«

»So verpeilt wie der ist, denkt er bestimmt, die Hochzeit ist morgen«, lachte Steffi.

»Sag so was nicht, ich kriege noch einen Herzinfarkt. Und sei nicht immer so gemein zu ihm.«

»Ich werde es versuchen«, erklärte Steffi gut gelaunt. »Genug gescherzt, Süße. Das ist heute dein Tag. Es wird alles perfekt werden.«

»Meinst du?«

»Ja klar. Komm.«

Beide verließen das Zimmer. Im Wohnzimmer warteten bereits Mias Eltern und ihr Gesichtsausdruck zeigte, dass sie von dem Auftritt ihrer Tochter begeistert waren. Ihre Mutter hatte Tränen in den Augen und ihr Vater schien ebenfalls mit den Tränen zu kämpfen.

»Du siehst wunderschön aus, Kind.«

»Danke, Papa«, antwortete Mia und wäre am liebsten schon jetzt und nicht erst bei der Trauung in Tränen ausgebrochen. Ihr wurde ganz warm und die Nervosität kam wieder zurück.

Ein kleiner Schluck Prosecco wäre jetzt nicht schlecht, dachte sie, wusste aber, dass das nicht ging, und folgte ihren Eltern zur schicken Limousine, die sie extra für diesen Tag angemietet hatten.

Keine dreißig Minuten später parkte der Wagen vor dem Grandhotel Schloss Bensberg. Die Eltern stiegen als Erste aus, dann Steffi, dann Mia.

Ihr Vater nahm sie in Empfang und gemeinsam begaben sie sich in das Gebäude.

»Ich bin so nervös, Papa«, flüsterte Mia.

»Alles ist gut, du siehst wunderschön aus und drinnen wartet Arda auf dich.«

»Ja, ich weiß, aber trotzdem.«

»Das ist auch gut so, Maus. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie nervös ich damals war, als deine Mama und ich geheiratet haben.«

»Das hast du mir nie erzählt«, stellte Mia pikiert fest.

»Das weiß auch niemand. Ich habe mir das für den heutigen Tag aufgehoben«, grinste er und Mia kicherte leise.

Eigentlich hatte sich Mia immer gewünscht, in einer Kirche zu heiraten, mit Kutsche, weißen Tauben und sehr viel Kitsch. Da Arda aber nicht gläubig war, musste sie auf die kirchliche Trauung verzichten. Spaßeshalber hatte sie ihm angeboten, dass er doch einfach Christ werden und nach der Hochzeit wieder aus der Kirche austreten könnte, aber Arda hatte ihr diesen Gedanken sofort aus dem Kopf geschlagen. Er konnte über die Idee nicht so recht lachen.

Immerhin hatte sie ihn überreden können, die Kutsche und die weißen Tauben nicht abzulehnen. Schon bald würde sie mit ihrem Ehemann in der Kutsche sitzen und ihrem neuen Lebensabschnitt voller Freude entgegenfahren.

Die Tür zu dem Raum, in dem Arda, seine Familie und all ihre engen Freunde warteten und wo gleich die Trauung stattfinden sollte, war geschlossen.

»Sie warten auf dich«, flüsterte Steffi, der man nun auch ansah, dass sie richtig nervös war.

»Dann wollen wir mal«, antwortete Mia. Ihr Puls raste, ihre Hände schwitzten und die Vorfreude war unermesslich. Sie fragte sich, wie wohl ihr Schatz aussehen würde. Aber im Gegensatz zu den Frauen war das für Männer auch nicht so kompliziert. Sie mussten sich nur einen schwarzen Smoking kaufen. Das perfekte Hochzeitskleid zu finden, konnte dagegen schon ein ganzer Staatsakt sein, und warum hätte das bei Mia anders sein sollen?

Aber am Ende hatte sie es gefunden, das perfekte Outfit für den perfekten Tag. Die ersten Tränen kullerten ihre Wangen herunter. Sie wischte sie weg. Ihr Vater streichelte ihr die Schulter.

»Bist du so weit?«, fragte er sanft.

»Ja«, antwortete sie und ihre Knie zitterten.

Ihre Mutter öffnete die Tür. Sie und Steffi betraten den Raum, Mia und ihr Vater folgten ihnen. Im Raum wurde getuschelt. Als die Hochzeitsgäste die Braut sahen, wurde es ganz still und ein Raunen ging durch die Reihen, anscheinend gefiel ihnen das Hochzeitskleid, was Mia mit Wohlwollen aufnahm.

Ihre Augen suchten Arda, konnten ihn aber nirgends finden. Ihr Blick wanderte in jede Ecke, aber von Arda fehlte jede Spur. Er war nicht anwesend, dabei hätte er doch genau hier auf sie warten müssen und sie von ihrem Vater in Empfang nehmen sollen!

»Wo ist Arda?«, fragte sie mit zitternder Stimme.

 

 

  1. Kapitel 2

 

Einige Monate zuvor

 

»Bist du glücklich?«, fragte sie mit sanfter Stimme. Mia hatte ihren Kopf an Ardas Rücken gelehnt und schaute verträumt in die Weite.

»Ich könnte nicht glücklicher sein«, antwortete er, drehte sie zu sich um und gab ihr einen zärtlichen Kuss.

»Erinnerst du dich noch an unser Versprechen?«, fragte Mia und ihre Augen wurden feucht.

»Wie könnte ich es je vergessen: Meine Lippen sollen nur dir gehören ...« Auch Ardas Augen wurden feucht.

»… und die meinen nur dir«, vollendete sie ihr gemeinsames Versprechen, welches sie sich vor gut drei Jahren auf den Seychellen gegeben hatten.

Wenn Arda wollte, konnte er sehr romantisch sein. Engumschlungen standen sie am Strand und schauten dem Schauspiel der untergehenden Sonne zu. Für Mia war es mehr als nur ein Versprechen, es war ein Schwur, und niemals würde sie diesen Schwur brechen, dafür liebte sie ihn viel zu sehr und sie wusste, dass auch er sie liebte.

Denn es war die Liebe, die sie nach einer schweren Zeit voller Zweifel am Ende wieder zueinander geführt hatte. Und nun würden sie bald Mann und Frau sein.

Mia war mehr als überrascht gewesen, als er sie vor zwei Wochen gefragt hatte, ob sie kurzfristig noch freinehmen könne. Glücklicherweise bekam sie Urlaub, ansonsten hätte er sie nicht nach Playa del Carmen in Mexico entführen können.

Sie hatte natürlich nicht sofort zugesagt, sondern hatte erst ganz sichergehen wollen, dass ihre Schäferhündin Dina gut versorgt war. Dina hatte eine ganz besondere Bedeutung für Mia und Arda gewonnen, denn sie war eng mit ihrem Schicksal und ihrer Liebe verbunden. Als Straßenhund aus Antalya hatte sie den Weg in Mias Herz gefunden und im Sturm erobert. Nun lebte sie bei ihnen und Mia konnte sich ein Leben ohne sie nicht mehr vorstellen. Doch während des Urlaubs musste sie für ein paar Tage Abschied nehmen. Wo konnte Dina in dieser Zeit in besseren Händen sein, als bei ihren Eltern? Auch sie hatten die Hündin sehr schnell ins Herz geschlossen und wenn Mia bei der Arbeit war oder sie und Arda nicht zu Hause, passten die Eltern auf Dina auf.

Selbst im Restaurant ihrer Eltern war sie inzwischen der Liebling der Gäste. Ihre liebe Art machte es den Menschen nicht schwer, sie ins Herz zu schließen. Keiner der Gäste konnte aber wissen, welch Traurigkeit Dina umfing. Der Krebs!

Dina war in Behandlung bei Dr. Hagen und Mia besorgte alles, was er empfahl. Noch wollte Hagen nicht zur Chemokeule greifen, sondern den Krebs beobachten, dafür musste Dina alle zwei Wochen zu ihm. Seit es Dina nach ihrem abenteuerlichen Weg quer durch Europa auch körperlich wieder besser ging, schien der Krebs sich nicht mehr auszubreiten.

»Sie ist eine erstaunliche Hündin«, sagte Dr. Hagen bewundernd und Mia stimmte ihm zu, schließlich konnte sie sich ausmalen, welche Strapazen Dina hinter sich haben musste, nachdem sie ihre beschwerliche und gefährliche Reise von Antalya nach Köln bewältigt hatte. Wie gefährlich dieser Trip gewesen war, sagten ihr Dinas Wunden. Vor allem eine große, die sorgfältig behandelt wurde und somit gut verheilte.

Hagen vermutete, dass die große Wunde von einem Kampf mit einem Wolf stammte und dass jemand ihr geholfen haben musste, die Wunde war desinfiziert und versorgt worden. Wer immer dieser Mensch gewesen war, Mia dankte ihm von ganzem Herzen. Diese Person hatte ihrem Schatz das Leben gerettet.

Ein Leben ohne Dina war für sie unvorstellbar und sie betete jeden Tag dafür, dass der verdammte Krebs sie ihr nicht nehmen würde.

Auch Arda hatte Dina in sein Herz geschlossen. Jeden Morgen joggte er mit ihr und kümmerte sich rührend um sie. Da er noch bis zum 1. August Urlaub hatte, hatte er reichlich Zeit, die er sehr gerne mit Dina verbrachte.

Alles schien perfekt, zu perfekt, fürchtete Mia manchmal.

Auch dieser Moment, wo sie dem Sonnenuntergang zusahen, war einfach zu schön, sodass sie fürchtete, es könnte alles nur ein Traum sein, aus dem sie erwachen und dann vor den Scherben ihres Lebens stehen würde.

»Es ist sehr schön hier«, flüsterte sie und knabberte zärtlich an seinem rechten Ohr.

»Mit dir ist es überall schön.«

»Auch in Alaska?«, fragte sie herausfordernd.

»Auch in Alaska«, antwortete er grinsend und gab ihr einen Kuss, da er die Andeutung verstand. Arda hasste kaltes Wetter und bis jetzt hatten sie noch nie gemeinsam einen Urlaub im Schnee verbracht. Er wollte Sonne und schönes Wetter um sich haben, Ski-Urlaub war für ihn ausgeschlossen.

»Sehr schön, dann suche ich uns eine nette Hütte in den Bergen. Da könnten wir doch unsere Flitterwochen verbringen«, grinste sie und kniff ihn in den Bauch. Arda musste lachen, er war sehr kitzelig.

»Witzig«, antwortete er und kitzelte sie zurück. Kitzelnd und lachend fielen sie auf den weichen Sandstrand. Er zog sie an sich und legte sich auf sie.

»Was wird das?«, fragte sie grinsend und leicht erregt.

»Nicht, was du denkst«, gab er mit vielsagender Stimme von sich.

»Warum nicht? Es ist niemand da.« Beide schauten sich um, und tatsächlich war niemand am Strand. Sie hatten sich extra einen Abschnitt des langen Strandes ausgesucht, wo kein Mensch war. Er lag geschützt zwischen Palmen, sodass sie auch niemand sehen konnte, der plötzlich vorbeikam.

»Du Ferkel«, grinste er und da berührte Mia auch schon sein erregtes Glied und streichelte es durch die Badehose. Er griff zwischen ihre Beine, schob die Bikinihose zur Seite und berührte sanft ihre Klitoris mit zwei Fingern.

Mia verkniff sich ein Stöhnen, aber ihr Körper bebte und sie sehnte sich nach seinem Prachtstück. Ihre Küsse wurden immer intensiver.

Sie öffnete seine Badehose, genauer gesagt den Knopf im Schrittbereich, und dann half sie ihm, in sie einzudringen.

Mia stöhnte kurz auf. Er hielt ihr den Mund mit der Hand zu. »Nicht so laut, babe«, flüsterte er, während er sie mit gefühlvollen Stößen nahm, und auch sein Atem fing an, schneller zu werden.

Das Gefühl war unbeschreiblich. Sie wusste nicht, ob es der Kick war, entdeckt zu werden, oder die Situation, aber am liebsten hätte sie vor Freude und Geilheit ihre Lust der ganzen Welt entgegengeschrien, doch stattdessen krallten sich ihre Fingernägel in Ardas Rücken.

Ihre Lust steigerte sich, die Stöße wurden heftiger, der Atem immer schneller, beide schwitzten und dann entlud er sich in ihr.

Er umarmte sie und überschüttete sie mit Küssen.

»Ich liebe dich«, sagte er zärtlich.

»Ich dich auch«, antwortete sie. »Du wirst alt«, fügte sie hinzu.

»Wieso?«, fragte er.

»Du schwitzt«, grinste sie und strich ihm zärtlich den Schweiß von der Stirn.

»Haha, bei 90 Prozent Luftfeuchtigkeit«, versuchte er sich zu verteidigen und wischte auch ihr den Schweiß vom Gesicht. Beide grinsten und lagen sich noch eine ganze Weile in den Armen und wieder musste Mia daran denken, dass alles zu schön war, um wahr zu sein.

»Was machen wir morgen?«, fragte sie.

»Ich dachte, wir besuchen Chichén Itzá.«

»Ist das weit?«

»Knapp drei Stunden.«

»Oh, dann sind wir ja den ganzen Tag unterwegs.«

»Ist das schlimm?«

»Na ja, wir sind doch nur eine Woche hier und ich will ja auch ein bisschen braun werden. Sag, dass wir keine anderen Besichtigungen machen«, sagte Mia und drückte ihm einen Kuss auf die Lippen.

Im Gegensatz zu Arda konnte sie mit alten Kulturschätzen nicht viel anfangen. Aber ihm zuliebe machte sie diese Touren mit. Letzten Endes waren es irgendwelche alten Gebäude, die man kurz sah, fotografierte und dann wieder ging. Am Ende stand der Zeitaufwand, den man hatte, um diese alten Stätten zu besuchen, in keiner Relation zu dem, was man dort vorfand.

Das jedenfalls war ihre feste Meinung, viel lieber hätte sie die Zeit am Strand verbracht, bei einer romantischen Bootsfahrt oder beim Shoppen, stellte sie wieder einmal schmunzelnd fest.

Aber so war das in einer Beziehung, frau musste auch Kompromisse eingehen.

»Weil ich ja weiß, wie gerne du mit mir Sehenswürdigkeiten anschaut, habe ich für jeden Tag eine Tour organisiert«, grinste Arda.

»Witzig«, tat Mia pikiert und drehte ihm den Rücken zu. Inzwischen saßen sie beide im Sand.

»Nein, so verrückt bin ich nicht, ich weiß ja, was für eine Kulturbanausin ich zur Frau habe.«

»Das stimmt doch gar nicht. Wir können gerne mal in die Oper gehen«, berichtigte Mia ihn.

»Damit ich einschlafe ...«

»Siehst du, du magst irgendwelche leer stehende Gebäude, mit denen ich nichts anfangen kann, dafür kannst du nichts mit klassischer Musik oder Opern anfangen. Außerdem, wo du das schon ansprichst, wir müssen uns auch noch Gedanken um die Hochzeit machen.«

Seit dem Heiratsantrag hatten sie sich noch nicht wirklich über die weiteren Abläufe unterhalten, geschweige denn einen Hochzeitstermin gefunden, weil Dina und der Alltag sie voll in Beschlag genommen hatten. Allerdings waren auch erst einige Wochen seit seinem rührenden Antrag vergangen. Dennoch wollte Mia nicht allzulange warten, schließlich musste der Termin auch beim Standesamt in Köln zur Verfügung stehen, was nicht von heute auf morgen geschehen würde.

»Wenn du willst, können wir diese Woche heiraten«, grinste Arda.

»Das ist nicht witzig«, rügte sie ihn in ernstem Ton.

»Nein, ich meine das vollkommen ernst. Wir buchen uns einen Flug nach Vegas und heiraten dort. Ich als Elvis und du als Lisa Marie, oder wir heiraten hier«, lachte er.

»Das kannst du vergessen. Ich heirate nicht ohne meine Familie!«

»Warum eigentlich nicht? Weißt du, was das für ein Stress ist, so eine Hochzeitsfeier zu organisieren? Und stell dir mal vor, wie groß die Überraschung wäre, wenn wir als Mann und Frau zurückkämen. Ich finde die Idee echt gut.«

»Pah! Typisch Mann! Ärgere mich nicht. Ich will nicht so eine unromantische Hochzeit haben. Ich will eine Kutsche, ich will, dass mein Vater mich in die Kirche führt, wo du auf mich wartest ...«

»Stopp!«, holte Arda sie aus ihren Träumen zurück.

»Ich meine das ernst.«

»Kutsche, in Weiß, deine Familie, ich verstehe das alles. Können wir gerne so machen ...«

»Gut, aber?«

»Aber keine kirchliche. Du weißt, dass ich kein Christ bin.«

»Du könntest dich taufen lassen und nach der Hochzeit wieder aus der Kirche austreten.«

»Du spinnst!«

»Wenn du mich liebst, würdest du das tun«, schmollte sie gespielt. Arda schien das gar nicht lustig zu finden und verdrehte die Augen.

»Ich mach doch nur Spaß. Jetzt weißt du aber, wie ich mich fühle, wenn Du mir eine heimliche Hochzeit in Vegas vorschlägst.«

»Das kann man doch gar nicht vergleichen«, versuchte er den Unterschied zu erklären.

»Oh doch. Wir Mädchen wünschen uns halt eine kitschig-romantische Hochzeit im Kreis unserer Liebsten und nicht so eine 08/15-Hochzeit in Vegas.«

»Na gut. Aber du weißt nicht, worauf du dich da einlässt.«

»Und ob. Was soll daran so schwierig sein? Ich dachte so an die vierzig Leute, Steffis Hochzeit war doch sehr schön«, versuchte sie ihn wieder milde zu stimmen.

»Sie hat auch keinen Türken geheiratet«, erklärte er.

»Ja und?«

»Nix und. Ich bin der einzige Sohn meiner Eltern. Meine Eltern werden wahrscheinlich nicht erwarten, dass wir eine große Hochzeit feiern, aber die Verwandten werden es erwarten.«

»Was heißt groß?«, fragte Mia skeptisch.

»Mindestens fünfhundert Leute.«

»Fünfhundert? Du meinst doch nicht so eine Hochzeit wie damals die von Tuncay, die in der Sporthalle.«

»Doch, genau so eine«, grinste nun Arda.

»Das ist nicht lustig! Ich will bestimmt nicht so eine Hochzeit, wo ich neunzig Prozent der Gäste nicht kenne und wir Döner mit Pommes von Plastikgeschirr essen.«

»Türken haben nun mal einen großen Bekanntenkreis«, lachte Arda und jetzt war es Mia, die einschnappte.

»Nein, Arda. Das will ich nicht. Ich träume schon so lange davon, da müssen wir eine Lösung finden«, sagte sie in ernstem Ton.

»Las Vegas«, antwortete er knapp.

 

  1. Kapitel 3

 

Arda war bewusst, dass die Hochzeit für Mia mit sehr vielen Emotionen verbunden war und dass sie, wie die meisten Frauen, diesen Tag zu einem ganz besonderen Tag werden lassen wollte. Dass sie sich dabei unnötig unter Druck setzte, konnte er ihr nicht sagen, weil sie das nicht verstanden hätte. Das hatte ihm die gestrige Diskussion gezeigt.

Er war da viel pragmatischer. Er wollte sie heiraten, daran bestand kein Zweifel. Die Angst vor der Ehe spürte er nicht mehr. Der alte Seemann Deniz und die treue Schäferhündin Dina hatten ihm auf ihre Art und Weise klarmachen können, was wirklich im Leben zählte: Liebe und Familie. Mia war die Liebe seines Lebens, also gab es keinen Grund, sie nicht zu heiraten und irgendwann auch Kinder zu bekommen. Nicht sofort, aber in den nächsten Jahren, schließlich war er mit einundvierzig auch nicht mehr der Jüngste.

Den Vorschlag mit Las Vegas hatte er wirklich ernst gemeint und naiverweise gehofft, dass sie darauf eingehen würde, was sie leider nicht tat. So sah er sich gezwungen, ihr zu sagen, dass er Vegas nur vorgeschlagen habe, weil er keine große türkische Hochzeit wolle.

Dieser letzte kleine Strohhalm, nach dem er griff, entpuppte sich als komplettes Eigentor. Mia reagierte ganz anders, als er erhofft hatte. Sie wollte ihre Traumhochzeit, da gab es keinen Spielraum, sodass er die Scharade beendete und sie sich einigten, dass jeder von ihnen maximal fünfundzwanzig Personen einladen durfte.

Arda bekam Bauchschmerzen bei diesem Gedanken, schließlich war er der einzige Sohn seiner Eltern und die Verwandtschaft wollte natürlich dabei sein, wenn der einzige Sohn der Tas‘ heiratete.

Dennoch war er gewillt, die Abmachung mit Mia einzuhalten. Es sollte Mias großer Tag werden und alles sollte so werden, wie sie es wollte, daher war er auch froh, als sie sagte, dass sie einfach selbst die komplette Planung übernehmen werde. Je weniger Arda tun musste, desto angenehmer war es für ihn. Natürlich würde er für alle Kosten aufkommen.

Das Einzige, worum er sich kümmern musste, war, die türkische Seite einzuladen. Er hatte auch schon einige Namen der Personen gesammelt, die auf der Hochzeit nicht fehlen durften, vor allem die Geschwister von seinen Eltern, aber das waren schon mehr als zwanzig Personen, also musste er einigen von ihnen absagen. Einem konnte er allerdings nicht absagen: seinem Onkel in der Türkei.

Bei dem Gedanken an ihn musste er schmunzeln. Und es gab noch zwei weitere Personen, die er unbedingt dabeihaben wollte: Elke und Deniz. Ob er jedoch Deniz jemals wiedertreffen würde, dahinter machte er ein großes Fragzeichen, schließlich konnte dieser freundliche, alte Seemann überall und nirgendwo sein.

Facebook oder ein Handy besaß er nicht, schmunzelte Arda, der noch immer tief berührt war von der Begegnung mit ihm und ihn in sein Herz geschlossen hatte.

Arda konnte Mia das Versprechen abringen, dass sie während des Urlaubs nicht weiter über die Hochzeitsvorbereitungen sprechen, sondern wirklich Urlaub machen würden. Sobald sie zu Hause wären, würden sie gemeinsam einen Hochzeitstermin finden und dann könnte Mia sich komplett um die Hochzeitsvorbereitungen kümmern. Sie schien glücklich und das kleine Gewitter, das gestern noch über ihnen schwebte, war vorbeigezogen.

Arda hatte bereits in Deutschland die Tour nach Chichén Itzá gebucht, da er von diesem Ort schon immer fasziniert gewesen war, bis jetzt aber noch keine Gelegenheit gefunden hatte, ihn zu besuchen. Die Pyramiden in Kairo hatten ihn schon gefesselt und Gleiches erwartete er auch von dieser bedeutenden Stätte aus der Zeit der Maya.

Er fand es unglaublich, wie Menschen solche Wunderwerke bauen konnten, ohne Maschinen, nur mit ihren Händen. Dass tausende von ihnen dabei ihr Leben lassen mussten, blendete er aus, die Geschichte ließ sich nicht zurückdrehen.

Pünktlich um 7 Uhr morgens wurden sie von ihrem privaten Guide in der Lobby des RIU Palace Mexico abgeholt, der sie ohne Umwege nach Chichén Itzá fuhr. Arda hatte sich bewusst für eine privat geführte Tour entschieden, da er Massenausflüge nicht mochte. Er hatte einmal so eine große Tour in Ägypten gebucht.

Ihr Hotel war damals in Hurghada und von dort sollte es nach Luxor gehen. Angeblich sollte die Fahrt drei Stunden dauern, am Ende wurden daraus fünf Stunden, weil verschiedene Hotels angesteuert wurden und neben den eigentlichen Stätten standen noch verschiedene Souvenirläden auf dem Programm, wo versucht wurde, den naiven Touristen Souvenirs »Made in China« als original »Handmade in Egypt« zu verkaufen. Am Ende waren sie erst gegen 23 Uhr wieder im Hotel gewesen und seitdem buchte er nie wieder solche Touren, da ihm seine Zeit zu kostbar für Werbeveranstaltungen war.

Ihr jetziger Tourguide hieß Miguel, war Mexikaner und hatte Geschichte studiert, davon sogar zwei Semester in Deutschland, in Bonn, und konnte sich somit gut verständigen.

Da er in Mexico keinen Job in einem Museum oder in einer Bildungseinrichtung fand, bot er Touren an, und wie es schien recht erfolgreich. Sicherlich halfen ihm dabei auch seine smarte Art, seine guten Deutschkenntnisse und sein hervorragendes historisches Wissen.

Mit 1,60 Meter war er recht klein, aber Arda stellte fest, dass die Menschen in Mexico im Allgemeinen eher klein waren. Miguel war dreiunddreißig Jahre alt, hatte vier Kinder und war wie die meisten Mexikaner streng katholisch, dennoch erlaubte er sich den einen oder anderen Scherz auf Kosten der Kirche.

Mit Miguel war er absolut zufrieden, da er es bestens verstand, archäologisches Wissen leicht und verständlich zu vermitteln, selbst Mia schien nicht gelangweilt und schaltete sich immer wieder in die Diskussion ein.

Kurz vor zehn Uhr erreichten sie ihr Ziel und jetzt verstand auch Mia, warum sie so früh aufgebrochen waren. Es waren erst wenige Touristen vor Ort, sodass sie in aller Ruhe die Stätte besichtigen konnten, die viel größer war, als Arda gedacht hatte. Die aufdringlichen Souvenirverkäufer ließen sie in Ruhe, da Miguel ihnen nicht von der Seite wich.

Arda sah an Mias Blick, dass sie ebenfalls beeindruckt war, auch wenn sie es nicht zugeben wollte. Wahrscheinlich soll ich nicht auf dumme Gedanken kommen und noch ein paar mehr Touren mit ihm buchen, stellte er belustigt fest. Er teilte ihr diesen Gedanken natürlich nicht mit. So war es eben in einer Beziehung, manchmal grinste man einfach in sich hinein und behielt seine Gedanken für sich.

Durch Miguel erfuhren sie, dass Chichén Itzá der späten Maya Kultur angehörte und dass die offizielle Gesamtfläche des Fundortes 1547 Hektar betrug. Die Ruinenstätte gehörte mit Recht zu den neuen sieben Weltwundern.

Die von Bildern sehr bekannte Kukulkán Pyramide bildete dabei nur einen kleinen, aber sehr bedeutenden Teil der Stätte, die ursprünglich eine Maya Siedlung war. Und wie so oft bei den Maya war auch die Geschichte Chichén Itzás voller Widersprüche.

Die Wissenschaftler waren sich bis heute nicht einig, ob die Stätte 2000 Jahre alt war oder erst um das Jahr 500 n. Chr. gegründet wurde. Weitestgehend einig war man sich, dass spätestens 1400 die Stätte verlassen wurde, die Gründe blieben der Wissenschaft bis heute verborgen, es gab nur Gerüchte.

Miguel teilte ihnen mit, dass das Herzstück, die Pyramide und der Tempelbau, dem Maya Gott Kukulkán geweiht war. Aus jeder Himmelsrichtung führte je eine Treppe mit 91 Stufen empor. Zählte man die oberste Plattform der Pyramide dazu, ergab das mit 365 Stufen genau die Tagesanzahl eines Jahres. Somit konnten die Maya schon weit vor den Europäern und anderen Zivilisationen die Erdumlaufbahn berechnen, was bis heute bei den Mexikanern dazu führte, dass Legenden rund um die Maya entstanden. Legenden, die besagten, dass sie Außerirdische seien.

Arda war sehr empfänglich für solche Dinge, da er es sich einfach nicht vorstellen konnte, dass sie die Einzigen im Universum waren, aber er war auch Realist genug, um zu wissen, dass er niemals einen Außerirdischen treffen würde.

Der Besuch der gesamten Stätte nahm den ganzen Tag in Anspruch. Miguel erklärte ihnen jedes Bauwerk und jeden Brauch, auch das Observatorium, und er machte deutlich, dass die Maya hervorragende Astronomen waren und dass ihr Kalender der genaueste der Welt sei. Auch erzählte er, dass der heilige Brunnen, Cenote Sagrado, vermutlich auf einen Meteoriten zurückzuführen sei und dass die Maya hier ihren Gottheiten Menschenopfer darboten. Chichén Itzá verdankte seinen Namen diesem heiligen Brunnen, denn übersetzt bedeutete es nichts anderes als »Brunnen der Itzá«.

Arda schoss jede Menge Fotos mit seiner Digicam.

Miguel schloss seine Führung mit der Geschichte der Entdeckung Yucatáns im Jahr 1517 durch den Spanier Hernándes de Córdoba ab, was auch gleichzeitig der Beginn für die Vernichtung der Maya durch die Spanier war.

Kurz bevor sie zum Wagen zurückgehen wollten, wurden sie von einer alten Dame angesprochen.

»Hola«, sagte die alte Frau.

»Hola«, antwortete Miguel auf Spanisch und fügte hinzu: »Was willst du, alte Frau? Meine Freunde hier sprechen kein Spanisch.«

»Verzeih einer alten Frau, aber ich habe einen Schatten gesehen.«

»Einen Schatten?«

»Ja, einen Schatten. Sind sie Mann und Frau?«

»Sie wollen bald heiraten.«

»Gut, sehr gut, der Bund der Ehe wird diese Geister fernhalten, ansonsten wird der Schatten nach ihnen greifen und großes Unglück bringen, sehr großes Unglück, sage es ihnen bitte. Mit dem Schatten ist nicht zu spaßen.«

»Danke, matrona. Ich werde es ihnen sagen.«

»Por favor«, sagte die alte Dame, nahm aus ihrer Tasche zwei kleine Holzkreuze und gab das erste Arda.

»Gracias«, sagte er und nahm es an. Als sie seine Hand hielt, sagte sie auf Spanisch: »Ein anderes Schicksal ist mit deinem sehr eng verbunden.«

Er versuchte freundlich zu schauen, aber die Art, wie sie die Worte aussprach, die er nicht verstand, bereitete ihm eine Gänsehaut und in dem Moment, in dem ihre Hand die seine berührte, war es, als würde ein angenehmer, warmer Strom durch seinen Körper fließen.

Danach gab sie das zweite Holzkreuz Mia.

»Gracias«, sagte auch sie und reichte ihr ebenfalls die Hand. Bei Mia ließ sie die Hand nicht gleich wieder los, sondern legte noch ihre andere auf Mias Hand, sodass sie ganz umschlossen war.

Mias Gesichtsausdruck sagte ihm, dass sie nervös war, aber die Berührung nicht missbilligte. Er hätte es mit Unsicherheit umschrieben.

»Du musst auf dich aufpassen, als Mama trägst du nun Verantwortung für ein anderes Leben«, sagte die alte Dame, was Mia nicht verstand.

»Adios«, sagte Miguel, der anscheinend das Gespräch mit der alten Dame beenden wollte.

Arda griff nach seinen Mexikanischen Pesos und fragte Miguel: »Was bekommt sie für die Glücksbringer?«

»No, no, Señor ... das ist ein Geschenk«, sagte sie auf Spanisch und schüttelte ihren Kopf.

Miguel schien überrascht über die Worte, so dass Arda fragte: »Was hat sie gesagt?«

»Dass es ein Geschenk ist und sie kein Geld will.«

»Gracias«, sagte Arda erstaunt und schenkte ihr ein Lächeln, das sie erwiderte. Ihre Blicke trafen sich und er sah sehr viel Weisheit und Mitgefühl in ihren Augen, aber auch Trauer und Angst. Es bereitete ihm noch einmal eine Gänsehaut wie kurz zuvor, als sie ihm etwas gesagt hatte, das er nicht verstand.

»Adios«, sagte sie lächelnd und entfernte sich mit langsamen Schritten unter Zuhilfenahme eines Holzstockes, den sie in der rechten Hand hielt.

»Warum hat sie uns die Sachen geschenkt?«, fragte Arda.

»Ehrlich gesagt bin auch ich überrascht. Ich dachte, es ist ihre Masche, Souvenirs an Touristen zu verkaufen. Sie wissen ja, dass Mexico ein armes Land ist und die meisten von ihnen leben vom Tourismus.«

»Was hat sie Ihnen erzählt?«, fragte Mia.

Miguel überlegte kurz, bevor er antwortete. Anscheinend wog er ab, ob er es ihnen sagen sollte oder nicht.

»Sie müssen wissen, wir Mexikaner sind nicht nur sehr gläubig, sondern abergläubisch, vor allem die alte Landbevölkerung.«

»Verstehe, und was hat sie gesagt?«, fragte Arda, der spürte, dass Miguel sich schwertat, mit der Sprache herauszurücken.

»Dass Sie heiraten sollen.«

»Echt? Warum?«, fragte Mia sichtlich überrascht.

»Um die bösen Geister abzuwenden.«

»Böse Geister?«

»Ich sagte Ihnen ja, dass wir Mexikaner sehr abergläubisch sind«, grinste er.

»Was hat sie noch gesagt?«, fragte Arda, dessen Neugier stieg.

»Dass Ihr Schicksal mit dem Schicksal einer anderen Person verknüpft sei.«

Arda runzelte die Stirn, da er diese Andeutung nicht verstand.

»Nehmen Sie das bitte nicht allzu ernst. Sagen Sie, sind Sie schwanger?«, fragte er Mia.

»Nein, wie kommen Sie darauf?«

»Sehen Sie. Sie meinte, dass Sie schwanger seien. Ich sagte Ihnen ja, nehmen Sie bitte nicht alles so ernst.«

 

 

  1. Kapitel 4

 

Auf dem Rückweg machten sie noch einen kleinen Abstecher nach Valladolid, einer sehr schönen und gut erhaltenen Kolonialstadt, in deren Zentrum eine alte Kathedrale alles überragte. Miguel erzählte ihnen, dass der spanische Conquistador Francisco de Montejo die Stadt im Mai 1543 gegründet und sie nach der damaligen spanischen Hauptstadt Valladolid benannt habe.

In einem netten Restaurant unweit der Kathedrale aßen sie zu Mittag, um danach noch durch die Stadt zu laufen und sich die koloniale Architektur und andere Sehenswürdigkeiten anzuschauen.

Gegen 20 Uhr setzte Miguel sie in ihrem Hotel ab. Arda gab ihm 50 US-Dollar als Trinkgeld, bedankte sich für die perfekte Tour und versprach, ihn weiterzuempfehlen.

Mia und er begaben sich danach zum Büfett. Sie aßen unter freiem Himmel und unterhielten sich über den Tag, nur die geheimnisvolle alte Dame war kein wirkliches Gesprächsthema. Zum Abschluss wollte Arda für sie beide noch ein Glas Rotwein bestellen, um den schönen Abend ausklingen zu lassen, doch Mia wollte lieber nur ein Wasser.

Arda war erstaunt, sprach es aber nicht an, da Mia eigentlich Rotwein mochte. So bestellte er nur für sich ein Glas. Da beide durch den Trip sehr müde waren, fielen sie kurz nach 22 Uhr hundemüde ins Bett.

Miguels Rat, die Worte der alten Dame nicht ernst zu nehmen, war leichter gesagt als getan. Unbewusst beschäftigte sich Arda die ganze Nacht mit der alten Dame, sodass ihm ein schlechter Schlaf vergönnt war.

»Was machen wir heute?«, fragte Arda mit einem Grinsen, als sie am nächsten Morgen beide beim Frühstück saßen. Die Kellner kannten das verliebte junge Pärchen inzwischen, grüßten sie freundlich und wiesen ihnen einen schönen Platz zu.

»Braun werden, nachdem du mich gestern den ganzen Tag so gequält hast«, antwortete Mia mit aufgesetzter Miene.

»Na komm, so schlecht fandest du das auch nicht.«

»Vielleicht«, grinste sie und fügte hinzu: »Das bedeutet aber nicht, dass du mich jetzt von Tour zu Tour schleppen darfst.«

»Vielleicht«, antwortete Arda verschwörerisch.

»Wie hast du geschlafen?«, wollte Mia wissen.

»Ehrlich gesagt nicht gut.«

»Warum?«

»Nicht lachen, okay?«

»Na, so schlimm wird das schon nicht sein. Hattest du einen Ständer, mein Liebling?«, grinste sie.

»Schatz!«, tadelte er sie schmunzelnd. »Nein, schön wär‘s, dann hätte ich dich geweckt.«

»Das hast du schon lange nicht mehr gemacht, mich im Schlaf genommen.«

»Maus, psst ... was sollen die Leute denken?«

»Sind doch kaum Deutsche hier«, grinste Mia, dabei ließ sie ihre Stimme erotisch klingen und befeuchtete mit ihrer Zungenspitze die Lippen.

Arda wusste, dass sie das absichtlich machte, weil er es nicht mochte, wenn sie in der Öffentlichkeit Sex zum Gesprächsthema machte, da war er noch sehr altmodisch. Sex gehörte ins Schlafzimmer und nicht an den Frühstückstisch in einem Urlaubshotel. Jedoch musste er zugeben, dass ihn ihre Art sehr erregte. Das wollte er ihr aber lieber nicht zeigen, also widmete er sich intensiv seinem Rührei und würdigte Mia keines Blickes.

»Schnapp doch nicht ein, war nur Spaß«, grinste sie und gab ihm einen kleinen Kuss auf die Lippen, anscheinend hatte sie durchschaut, dass er nur so tat, als sei er pikiert.

»Warum hast du denn schlecht geschlafen?«, wechselte sie das Thema.

»Wegen der alten Frau.«

»Wegen ihr? Echt, warum?«

»Ich weiß nicht, aber ich musste an ihre Worte denken, dass mein Schicksal an das Schicksal einer anderen Person gebunden ist.«

»Vielleicht meinte sie mich ja«, grinste Mia, die ihn anscheinend nicht ernst nahm.

»Du brauchst gar nicht so zu tun, oder warum wolltest du gestern Abend keinen Rotwein trinken?«

»Ertappt«, sagte sie mit ernster Miene.

»Na, das ist aber Unsinn, das ist dir hoffentlich klar, oder?«

»Ja, eigentlich schon. Es ist unmöglich, dass ich schwanger bin. Aber so, wie sie es gesagt und mich dabei angesehen hat, habe ich eine richtige Gänsehaut bekommen. Obwohl ich sie nicht verstand, fühlte ich etwas in dieser Art.«

»Wie meinst du das?«, fragte Arda, der ihr nicht folgen konnte.

»Als sie mich berührte, war es, als würde ein warmer Strom durch meinen Körper fließen, als könnte sie durch mich hindurchsehen ...«

»Vielleicht hattest du Angst?«, unterbrach sie Arda, dabei hatte er den gleichen warmen Strom gespürt.

»Nein, nein. Ich hatte keine Angst. Es war etwas sehr Positives, Herzliches. So als würde sie mich mit ihrer Liebe berühren ... ich kann es nicht erklären, so was Intensives habe ich noch nie erlebt.«

»Nicht mal mit mir?«, tat Arda beleidigt.

»So meinte ich das doch nicht. Ich kann es dir einfach nicht erklären. Was, wenn sie recht hat?«

»Deswegen hast du nichts getrunken? Aber du hast doch gesagt, dass du unmöglich schwanger sein kannst.«

»Stimmt ja auch«, sagte sie und zögerte kurz, bevor sie den Satz beendete, »nach meiner Rechnung jedenfalls ist es unmöglich, meine fruchtbaren Tage sind erst nächste Woche«, grinste sie. »Aber vielleicht hat sie ja auch in die Zukunft geblickt und wollte damit sagen, wir sollen nächste Woche ein Kind machen?«

»Bitte! Wir haben doch beschlossen, dass wir dieses Jahr heiraten und nächstes Jahr dann ans Kindermachen denken.«

»Und warum habe ich dann die Pille abgesetzt?«, fragte sie gekränkt.

»Weil du mich dazu gedrängt hast. Von mir aus kannst du sie weiter nehmen.«

»Ja, aber du weißt, man soll die Pille eine ganze Zeit absetzen, ansonsten kann es schwierig sein mit einer Schwangerschaft. Du bist ja nicht mehr der Jüngste und wer weiß, wie flott deine kleinen Arda-Spermien sind?« Jetzt war sie es, die grinste und Arda derjenige, der beleidigt war.

»Touché. Der Punkt ging an dich, aber sei ohne Sorge, meine kleinen Ardas erreichen ihr Ziel«, sagte er entschlossen, da er keine Diskussion mit ihr starten wollte, schließlich war er froh, dass er sie dazu hatte überreden können, erst nächstes Jahr über Nachwuchs nachzudenken.

Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätten sie schon längst welchen gezeugt. Aber Arda wollte zunächst die Hochzeit hinter sich bringen.

Das Babymachen würde ihm nicht weglaufen und so alt fühlte er sich nun auch nicht. Außerdem würde er Anfang August seine neue Stelle antreten, das bedeutete, das erste Jahr Vollgas geben, da käme ein Baby zur komplett falschen Zeit.

»Na ja, in einem hatte die alte Frau jedenfalls recht«, sagte Mia.

»Und womit?«

»Dass wir heiraten sollen«, lächelte sie und Arda gab das Lächeln zurück, beugte seinen Kopf über den Tisch und gab ihr einen Kuss.

»Ich liebe dich«, flüsterte er ihr ins Ohr.

»Ich dich auch«, antwortete sie und gab ihm einen Kuss.

»Ehrlich gesagt kam es mir so vor, als hätte Miguel uns nicht alles erzählt, was die Frau gesagt hat.«

»Was meinst du?«

»Ich weiß nicht recht. Aber ich meine, das Wort sombra gehört zu haben und sombra bedeutet doch Schatten.«

»Keine Ahnung, ich kann kein Spanisch.«

»Warte«, sagte Arda, nahm sein Smartphone und öffnete den Spanisch-Übersetzer.

»Siehst du, sombra.« Er reichte ihr das Handy.

»Gut, aber was soll das bedeuten?«

»Keine Ahnung. Ich frage mich nur, warum Miguel uns das nicht übersetzt hat?«

»Vielleicht weil es in einem anderen Zusammenhang etwas anderes bedeutet, wie bei uns das Wort Bank. Oder weil es nicht wichtig war, er meinte doch, dass die Mexikaner sehr abergläubisch seien. Ich weiß es nicht. Wir sollten uns nicht verrückt machen.«

»Wahrscheinlich hast du recht«, antwortete Arda, aber innerlich fühlte er sich alles andere als zufrieden. Die alte Frau beschäftigte ihn mehr, als er zugeben wollte.

»Und nächstes Mal, wenn du nicht schlafen kannst, kannst du mich gerne wachvögeln«, grinste sie und nahm einen Schluck von ihrem Cappuccino.

Nach dem Frühstück begaben sie sich an den Strand, da ab Mai in Playa del Carmen Nebensaison herrschte, war das Hotel im Juni nur zur Hälfte ausgebucht und somit gab es am Strand reichlich freie Auswahl.

Wieder war ihnen ein sonniger Tag bei mäßigem Wind vergönnt, obwohl offiziell die Regenzeit begonnen hatte. Das Wasser war mit 27 Grad sehr angenehm und hatte die typischen Farben der Karibik. Arda war froh, dass Mia so spontan zugesagt hatte, was keine Selbstverständlichkeit war. Schließlich waren sie jetzt auch für Dina verantwortlich, die er zwar auch in sein Herz geschlossen hatte, aber Mia war geradezu fanatisch, was ihre Pflege anbelangte.

Manchmal dachte er, dass sie Dina für ihr Kind hielt, jedenfalls danach zu urteilen, wie sie sich um sie kümmerte. Dina bekam nicht irgendein Hundefutter, sondern eigens für sie zubereitetes Futter, welches entweder beim Schlachter oder in einem Spezialitätenladen für Hunde gekauft wurde. Bis zu dem Tag hatte Arda nicht einmal gewusst, dass es für Hunde einen Spezialitätenladen gab, wo man Hundenahrung kaufen konnte, die teurer war als das, was Menschen zu sich nahmen.

Er bezweifelte stark, ob das Dina in irgendeiner Weise bemerkte oder zu schätzen wissen konnte, schließlich war sie ein Hund und kein Gourmet. Aber diese Diskussion mit Mia wollte er sich nicht antun, so verrückt war er nicht, also öffnete er großzügig die Geldbörse.

Selbst im Urlaub rief Mia jeden Tag bei ihren Eltern über Skype an, um zu erfahren, wie es ihrem Hund ging.