Cover

Kurzbeschreibung


Eine große Liebe zweier Menschen, die sich nie vergessen konnten


Ein Terroranschlag, der in New York verhindert wird. Eine herzzerreißende Liebesgeschichte, die in London beginnt und ein Hund, der zum Therapeuten und echten Lebensretter wird. Rosamund 'Rose' Harper liebt den älteren jüdischen Architekten Raphael Jaron Rosengarten. Sie ist schön, 20 Jahre alt, aus New Jersey (USA), mit deutschen Vorfahren und studiert Architektur in London. Sie lebt in der Portobello Road in Notting Hill und träumt von einer Karriere als Architekturfotografin. Ihre große Liebe Raphael ist alles für sie. Doch als Raphael eines Tages die Beziehung aus heiterem Himmel beendet, zerbricht eine Welt für Rose und ihre ganze Zukunft gerät ins Wanken ... 


Ein Liebesroman über die große Liebe. Über das Erwachsenwerden und die Selbstfindung einer jungen Frau, die immer wieder ein neues Kapitel in ihrem Leben beginnt.

Patrizia Joos

Mandarinen aus Jaffa

Eine Liebe erwachte in Notting Hill




Edel Elements

Letztes Kapitel

Jede Liebe, die von einer Sache abhängig ist, hört auf, wenn die Sache aufhört; die aber, die von keiner Sache abhängig ist, hört niemals auf.
Sprüche der Väter. 5,19 (aus dem Talmud)

Ein paar Monate später in Venedig

Rose öffnete einen weißen Briefumschlag. Ein Brief von Steven Scott befand sich darin:

Liebste Rose,

aus gesundheitlichen Gründen kann ich nicht als Gast bei Deiner und Raphaels Hochzeit in Venedig sein. Ich bin in Gedanken bei Euch. Ich habe Euch ein kleines Gedicht geschrieben, aber denkt daran, dass ich kein Poet, sondern ein Maler bin.

Für Rose & Raphael

Wenn man seine Liebe gefunden hat, ergibt alles plötzlich Sinn,

Die Sonne scheint heller,

das Gras leuchtet grüner,

das Meer rauscht blauer,

der Sandstrand wirkt weißer und der Himmel scheint klarer.

Wenn man seine Liebe gefunden hat, ergibt alles plötzlich Sinn.

Alles Liebe und viel Glück mit dem „Geflüchteten, der den Weg zurück noch kannte“. Manchmal muss man sich erst selbst finden, bevor die ewige Liebe zu einem zurückkehrt. Raphael und Du, ihr habt eine zweite Chance bekommen. Ich freue mich aufrichtig für Dich. Ich wünsche Euch alles Glück der Welt!

Alles Liebe aus Bibury,

Dein Steve Scott

Rose hatte Tränen in den Augen. Sie legte den Brief beiseite auf einen runden, eleganten Beistelltisch und betrachtete sich im Spiegel, der mit vielen Rosen und Tulpen umrahmt vor ihr stand im schönsten Zimmer des feinen Hotels in Venedig am Canal Grande. Ihr Kleid war ein eleganter Traum, geziert von feinsten Stickereien. Es schmeichelte ihrer Figur. Die hellen Haare waren elegant zurückgesteckt und betonten ihre Wangenknochen. Das Goldkreuz und der Perlenschmuck ließen sie aufleuchten. Sie trug Raphaels Schmuck. Seine Perlen, Diamanten, sein Gold und sein Silber. Nie hatte sie wirklich ganz aufgehört, seinen Schmuck zu tragen, nie hatte sie wirklich ganz aufgehört, ihn zu lieben. Rose war gehüllt in einen Duft von Rosen, Orchideen und Lilien. Das französische Parfum, das nach Kirschblüten duftete, zauberte ihr ein Lächeln auf das Gesicht. Schon als Kind hatte sie sich ausgemalt, wie es einmal sein würde. Als Kind und junges Mädchen war sie sehr oft auf Hochzeiten gewesen. Häufig spielte sie den Hochzeitsgesellschaften auf ihren Instrumenten etwas vor oder trug mit Gedichten oder Geschichten zur Erheiterung der Feier bei. Sie mochte glanzvolle Hochzeiten schon immer sehr, denn man traf dort die ganze Familie und viele Freunde. Es gab meist belebende und romantische Musik und alle waren prachtvoll gekleidet. Nachdem Raphael ihr mit zwanzig Jahren das Herz gebrochen hatte, war sie nicht mehr gerne zu Hochzeitsveranstaltungen gegangen. Sie hatte sich aufrichtig für diese Paare gefreut und sich auf diesen Hochzeiten amüsiert, aber immer wieder dachte sie an Raphael, wenn die Kirchenorgel in voller Pracht zum Einzug eines Paares gespielt wurde, und es versetzte ihr immer wieder aufs Neue einen Stich mitten in ihr Herz. Rose lächelte glückselig. „Das ist nun vorbei!“, sagte sie. Raphael, Grace, Portobello und sie waren nun eine kleine Familie und heute war ihr großer Tag. Der schönste und zauberhafteste Tag in ihrem Leben begann. Durch das geöffnete Fenster drangen der Duft und die Klänge der romantischen Stadt Venedig. „Möwen, Wellen, Boote und Schiffe – man kann selbst die Sonne riechen und ihre Strahlen hören“, so intensiv nahm es Rose an ihrem großen Tag wahr.

Raphael stand mit Roses Bruder Isaak und seinem besten Freund Richard auf der Dachterrasse des feinen alten Hotels am Canal Grande, auf der sie zur Basilica di Santa Maria della Salute hinüberschauen konnten. Sie tranken Champagner. Die Sonne flimmerte und es war ein wolkenloser Himmel. Der Duft von Meer, Salz und Rosen lag in der Luft.

Isaak, der ein junger Intellektueller war, strich sich durch seine dunkelblonden Haare und nahm seine runde dunkelbraune Brille von der Nase. Er trug einen Smoking und sprach zu Raphael: „Raphael, es freut mich sehr für euch. Ich wünsche euch nur das Beste. Aber ich warne dich. Ich bin vielleicht kein Boxkämpfer, aber wenn du Rose das Herz brichst, dann …“ Er lächelte dabei, aber tief in seinem Innersten meinte er es grundehrlich. Roses Vater betrat die Dachterrasse und Isaak sprach nicht weiter.

„Herrliches Wetter. Ich liebe Venedig“, strahlte Roses Vater und lief auf die Männer zu. „Männer, das wird ein Fest. Rose liebt Venedig. Wir sind früher immer mit der ganzen Familie angereist. Da waren die Kinder noch zu Hause bei uns in New Jersey.“ Roses Vater schaute wehmütig auf den Canal Grande. „Wenn ihr mal so alt seid wie ich, dann werdet ihr es verstehen. Wenn die Kinder aus dem Haus sind, beginnt ein ganz neues Leben!“

Die Männer lachten. „Nein, das ist die bittere Wahrheit. Es ist manchmal richtig traurig. Vor allem wenn man in die früheren Kinderzimmer geht und denkt, hier hatte man den Kindern Gute-Nacht-Geschichten vorgelesen.“

„Vater, wann hast du uns Geschichten vorgelesen? Das war Mummy. Du warst beruflich sehr beschäftigt. Und außerdem sind unsere früheren Kinderzimmer nun eine langweilige Bibliothek mit Minibar und Billardtisch“, witzelte Isaak. Die Männer lachten abermals.

„Ja, du hast recht. Das war deine Mutter. Aber ihr wisst, was ich meine. Ja, die Bibliothek. Dabei lese ich nur Autozeitschriften und Wirtschaftsmagazine. Und das auch noch alles am Laptop. Aber die Bibliothek eignet sich hervorragend, um eine Zigarre zu rauchen und dabei Schach gegen mich selbst zu spielen. Ich habe nun auch einen Kontrabass gekauft und übe dort täglich eine Stunde.“ Die Männer lachten wieder. Roses Vater hatte das Talent, Menschen zum Lachen zu bringen, auch mit Alltäglichem.

„Mum liest viel“, erwiderte Isaak.

„Ja, sie liest viel. Deshalb ist sie auch viel klüger als ich!“

Die Männer lachten wieder. „Für Mum ist die Bibliothek großartig! Dort kann sie sich gut vor mir und meinen langweiligen Selbstgesprächen über Aktien verstecken und sich in ihren Büchern verlieren“, scherzte Roses Vater. Die Männer lachten wieder.

Die Männer schauten auf den Canal Grande. Roses Vater umarmte Raphael und fragte: „Und? Bist du aufgeregt? Jetzt gibt es kein Zurück mehr.“ Aber er lächelte dabei.

„Ich heirate heute eine Traumfrau, meine Traumfrau. Ich hatte mich in Rose verliebt auf dem Portobello Road Market in London. Das ist nun ziemlich lange her. Ich habe jeden Tag an sie gedacht. Ich weiß, ich stehe nicht gut da in euren Augen. Aber ich habe es für sie getan. Zu jenem Zeitpunkt glaubte ich, sie müsse noch etwas sehen und erleben. Ich wollte ihre Zukunft nicht ruinieren. Versteht ihr? Ich wollte Rose nicht die Jugend stehlen. Sie war immer in meinem Herzen.“

Er fasste sich an sein Herz und für einen Moment blieb auf dieser Dachterrasse die Zeit stehen. Man hörte das Wasser des Canal Grande rauschen und Möwen flatterten über sie hinweg.

„Nicht nur sie hatte mich schmerzlich vermisst. Ihr könnt euch nicht ausmalen, wie häufig ich sie wieder zurückhaben wollte. Ich hätte es nicht übers Herz gebracht, ihr persönlich Lebewohl zu sagen. Deshalb hatte ich diesen Weg gewählt. Ich bin Michael Cunningham auf ewig zu Dank verpflichtet, denn ohne seine Ausstellung mit Rose hätte ich sie vielleicht nie mehr wiedergesehen.“

Isaak musterte Raphael. Der hatte Tränen in den Augen. Richard, sein bester Freund, war der Einzige auf der Dachterrasse, der wirklich wusste, wie schwer es Raphael tatsächlich fiel, über diese Zeit zu sprechen. Richard beobachtete die zwei Männer, die gerade dabei waren, Raphael in ihr Herz zu schließen, und sehnte sich plötzlich nach einer Frau.

‚Die Liebe ist unglaublich‘, sagte sich Raphael. ‚Sie ist wie das Leben und die Natur selbst. Sie findet immer einen Weg. Und auch wenn man sich noch so dagegen verschließt, findet die Liebe zu einem zurück‘. Er nahm einen Schluck aus seinem Champagnerglas und schaute auf das Wasser hinaus.

Lydi trat auf die Dachterrasse. Richard verschluckte sich. Sie lief stolz auf die Männer zu. Lydi war zehn Jahre älter als Rose, schlank und hatte zart gebräunte Haut. Dunkelblondes, schulterlanges Haar und stechend-grüne Augen. Sie trug ein elegantes kurzes schwarzes Etuikleid von einem französischen Designer. Auch ihr Parfum war französisch. Direkt nach ihrem Wirtschaftsstudium hatte sie an der New Yorker Börse angefangen zu arbeiten. Die Männerwelt, die sie in ihrem Alltag umgab, spürte man bei ihrem aparten und selbstsicheren Auftritt.

„Salve!“, sagte sie in die Männerrunde.

Sie schnappte sich ein Glas und goss sich Champagner ein. Ihr Vater schaute sie voller Liebe und Bewunderung an.

„Meine Kinder sind mein Ein und Alles. Und jedes von ihnen hat einen großartigen Lebensweg eingeschlagen! Ich platze manchmal fast vor Stolz!“

Alle lachten freudig.

„Du musst Roses kleine Schwester sein?“

Richard reichte ihr die Hand und versuchte ihr zu schmeicheln. Lydi lächelte und entgegnete: „Und du, bist du Raphaels Richard?“, und schaute zu Raphael.

„Ja, der bin ich. Der Trauzeuge und der alte Studienfreund aus New York. Ich bin letztes Jahr zurück nach New York gezogen. London, China und Spanien sind für mich passé. Du wohnst auch in New York?“

„Ja. Upper East Side. Ich liebe New York. Isaak und seine Frau wohnen ganz in meiner Nähe.“

„Dein Lachen ist ansteckend!“ Richard betrachtete sie ausgiebig und sagte dann: „Wir können ja mal zu Martin. Eine französische Brasserie – vermutlich ganz in deiner Nähe. Ich habe dort gerne Lunch. Das Essen ist ausgezeichnet!“

Lydi lächelte und nickte sichtlich angetan. Der Brautvater und Isaak verabschiedeten sich und verließen die sonnige Dachterrasse. Lydi und Richard scherzten noch ein wenig und berührten sich dabei wie ganz zufällig, aber auch wie aus einer Selbstverständlichkeit heraus, bis auch Lydi die Terrasse verließ. Sie drehte sich noch einmal zu Richard um und lächelte ihm zu.

„Warum hast du mir nie erzählt, dass Rose diese unglaublich kluge und interessante ältere Schwester hat?“

Richard schaute ihr hinterher, bis sie nicht mehr zu sehen war.

Raphael schmunzelte. „Das ist dein Tag, Richard!“

Die Männer stießen auf den Tag an.

„Ich will dir keine Angst einjagen, aber in zwei Stunden wirst du heiraten, mein Lieber!“

Sie nahmen sich in die Arme. Raphael hatte schon wieder Tränen in den Augen.

„Mein Herz ist weit geöffnet und ich stehe in Flammen. Ich kann es kaum erwarten, Rose endlich zu heiraten. Obgleich ich ein wenig Angst verspüre, denn wie du weißt, habe ich den allergrößten Respekt vor der Ehe“.

„Du hast noch keine Frau so sehr geliebt wie Rose. Du brauchst keine Angst zu haben, Raphael!“, beruhigte ihn Richard.

Auch den Segen seiner Eltern hatte er erhalten, was ihm sehr viel bedeutete.

„Die Ehe eines Juden mit einer Nichtjüdin hat nach unserem jüdischen Gesetz keine bindende Kraft und ist religiös nicht gültig, auch wenn sie von tausend Rabbinern gesegnet wurde“, hatte ein New Yorker Rabbiner zu Raphaels Mutter gesagt, als sie von der Verlobung einige Monate zuvor in Princeton erzählt hatte.

Dieses Verbot hatte seine Begründung in der Bibel. Eine Hochzeitsfeier von Raphael und Rose in der Synagoge wäre somit ausgeschlossen gewesen. Rose hätte zum Judentum übertreten müssen, um Raphael jüdisch rechtsgültig heiraten zu können. Von christlicher Seite sprach hingegen nichts gegen eine Hochzeit eines Paares mit unterschiedlichen Religionen. Rose wollte für Raphael zum Judentum übertreten. Er hingegen hatte zu ihr gesagt: „Tu es bitte nicht für mich. Es ist dein Leben. Ich möchte einfach nur dich!“ Deshalb entschied sie sich nach einigem Überlegen nun doch dagegen. Auch wenn sie wusste, dass ein jüdischer Vater sein Judentum nicht an die Kinder weitergeben könnte, wenn die Mutter keine Jüdin war. Da Raphael sehr liberal eingestellt war, stellte dies für ihn kein gravierendes Problem dar. Er wollte seine Rose heiraten und niemanden bekehren.

„Ein jüdischer Vater mit christlichen Kindern könnte interessant werden! Wir addieren einfach alle Feste zusammen. Das bedeutet somit für uns viele Feste, anders als bei einer gewöhnlichen Familie“, hatte er in Princeton zu seiner Mutter gesagt und dabei geschmunzelt.

Die Hochzeitszeremonie fand im Hotel auf der Terrasse statt. Ein italienischer Freund der Familie Rosengarten war aus New York angereist, um die Hochzeitszeremonie durchzuführen und die beiden zu trauen. Es war keine jüdische und keine christliche Hochzeit. Raphael und Rose hatten sich für eine freie Hochzeit entschieden unter freiem Himmel. Man konnte von der Terrasse aus vorbeifahrende Schiffe und Boote beobachten. Dies taten vor allem die Kinder, die sich während der Zeremonie eher vom Wasser, den Booten und den Möwen angezogen fühlten als von der Zeremonie selbst. Sie kicherten und fütterten die Möwen. Das Wasser des Canal Grande reflektierte die Sonnenstrahlen und es roch nach Meer, Sonne und großen Gefühlen. „Klein und nur mit Familie und allen Freunden“, hatte Rose gesagt. Dass Rose so eine große Familie hatte, war Raphael zuvor nicht bewusst gewesen. Aber er fand es großartig.

„Kommt ganz New Jersey?“, hatte er sie bei der Planung liebevoll, aber etwas erstaunt gefragt. Aber Rose wollte es so und er liebte sie dafür. Lydi war die Trauzeugin von Rose und Richard der Trauzeuge von Raphael. Sie standen direkt neben dem Brautpaar und schauten sich während der Zeremonie immer wieder tief in die Augen. Eine Violine spielte und die Möwen flogen über die Terrasse hinweg. Grace reichte Rose und Raphael die Ringe, die sich auf einem bordeauxfarbigen Samtkissen mit einer Rose befanden. Rose sprach:

„Raphael Jaron Rosengarten, ich liebe dich so, wie du bist, und dafür, dass ich bei dir so sein kann, wie ich wirklich bin. Von diesem Tage an möchte ich voller Freude dein Leben mit dem meinem verbinden. Ich werde dich begleiten, egal wohin du gehen wirst. Was auch immer dir widerfahren wird, wird auch mir widerfahren. Ich gehöre dir. Ich werde dich immer umsorgen, wenn es dir schlecht gehen sollte. Ich werde dir die Freude zeigen, wenn du traurig sein solltest. Ich bin in Gänze dein und werde es immer sein. Für immer. Du bist mein Partner fürs Leben und ich möchte dir all das geben. Du machst mich zur glücklichsten Frau auf Erden. Ich schenke dir mein Leben und werde mich keinem anderen hingeben.“

Beide hatten sie nun Tränen in den Augen. Raphael küsste Rose. Sie nahm den Ring und schob ihn über Raphaels Ringfinger. Eine Gesangsstudentin namens Franzy Jones begann das Ave Maria von Schubert zu singen. Viele waren den Tränen nahe.

„Rose, Rosamund Harper, ich liebe dich seit unserer allerersten Begegnung. Ich möchte für den Rest meines Lebens morgens in deine Augen schauen und darin lesen. Ich möchte deine Nähe spüren und mich um dich kümmern, wenn es dir gut geht, aber auch, wenn es dir nicht gut geht. Du bist mein Glück und ich weiß nicht, wie ich so lange ohne dich habe leben können. Ich liebe dich, Rose, mehr als du dir vorstellen kannst. Ich habe dich immer geliebt und werde dich immer lieben. Du bist mein Traum. Du bist mein. Wo immer du auch hingehen wirst, ich werde dich begleiten. Was auch immer dir passieren wird, es wird auch mir passieren. Ich bin nun dein und du bist mein. Für immer und ewig. Mein Herz gehört nun dir.“

Sie küssten sich und konnten ihr Glück kaum fassen. ‚Nun sind wir vereint. Für immer‘, dachten sie beide. Raphael nahm den Ring und schob ihn zärtlich über Roses Ringfinger. Sie schauten sich dabei tief in ihre Augen. Sie spürten sich gegenseitig und spürten, dass sie von diesem Tage an für den Rest ihres Lebens eine Einheit bildeten. Sie lächelten sich an.

Roses Eltern und Raphaels Eltern waren so gerührt, dass auch sie die Tränen nicht zurückhalten konnten. Obwohl beide Elternpaare auf eine jeweils rein-religiöse Hochzeitszeremonie gehofft hatten, waren sie beim Anblick des Brautpaares überglücklich und verstanden nun ihre Kinder.

Als Rose in Raphaels Augen schaute, konnte sie seine ganze Seele darin lesen. Was du liebst, lass frei. Kommt es zurück, gehört es dir – für immer, das Zitat von Konfuzius fiel ihr in diesem Moment wieder ein. Sie dachte an ihre allererste Begegnung auf dem Portobello Road Market. Sie dachte an die Mandarinen aus Jaffa, die sie zusammengeführt hatten, und schloss die Augen, um Raphael dann zu küssen. Die Hochzeitsgesellschaft applaudierte. ‚Ich bin die glücklichste Frau auf der Welt. Was für ein schöner Tag‛, dachte Rose in diesem Moment.

Portobello bellte aufgeregt und rannte im Kreis um das Brautpaar herum. „Ein Bild wie gemalt!“, sagte Roses Vater. Raphael und Rose strahlten und schauten sich glücklich an. Die Kinder der Großfamilie und von Freunden von Rose bewarfen das Brautpaar mit Blumenblüten. Die Mädchen trugen wunderschöne Sommerkleider und hatten sichtlich Freude dabei. Die Jungs mit ihren kleinen Anzügen taten es eher aus Pflichtbewusstsein, denn sie fanden es ein wenig albern und zogen heimlich Grimassen.

Rose dachte an ihre eigene Kindheit. Als sie noch ein Kind war, waren Paare für sie schon immer zusammen. Als wären sie zusammen geboren worden. Sie erinnerte sich daran, wie sie im Kindergartenalter erfuhr, dass ihre Eltern sich erst mit zwanzig Jahren kennengelernt hatten. Das war unvorstellbar für Rose gewesen und sie erinnerte sich, wie sie damals ihre Mutter fragte: „Aber was hast du bis dahin ohne den Daddy gemacht? Warst du da alleine?“ Ihre Mutter war von den Worten ihrer Tochter damals sehr gerührt gewesen, hatte sie fest in den Arm genommen und geantwortet: „Nein, alleine war ich nicht. Aber durch deinen Vater bin ich noch glücklicher geworden.“

Und nun schaute sie auf die Kinder, die Blüten auf sie und Raphael warfen, als sie zu ihrem Platz gingen und eine Violine spielte. ‚In den Augen dieser Kinder sind wir nun auch so ein Paar, das schon immer als Paar existierte. Nur Grace ist ein Kind, das zuerst nur eine Mutter hatte und nun auch einen Vater. Den besten Vater der Welt‘, dachte sich Rose, als sie Raphael beseelt anschaute. Grace und Raphael hatten sich schon nach kürzester Zeit gegenseitig ins Herz geschlossen. Gemeinsamkeiten entdeckt und sich aneinander erfreut, als würden sie sich schon sehr lange kennen.

Die Hochzeitsgesellschaft tanzte auf der Dachterrasse bis in die frühen Morgenstunden. Auch die Großeltern tanzten vergnügt, als gebe es nur diesen Abend. „In dieser Nacht ist so viel Liebe auf einem kleinen Flecken mitten in Venedig am Canal Grande zu spüren, man kann es gar nicht glauben!“, sagte Raphaels Mutter zu ihrem Mann und nahm ihn glücklich in ihre Arme. Die Sterne am Himmel rahmten das Geschehen in eine Art Gemälde. Und der Duft Venedigs und der Wein gaben der Atmosphäre der Hochzeitsgesellschaft ihren ganz eigenen Zauber.

Später in der Nacht waren Raphael und Rose alleine in ihrem Hochzeitszimmer, das gefüllt war mit Blumen, Mandarinen aus Jaffa, venezianischen Pralinen und guten Weinen sowie dem besten Champagner, den es in Venedig gab. Das Fenster, das zum Canal Grande gerichtet war, war weit geöffnet. Die Klänge Venedigs und die Düfte des Meeres waren vereint in diesem Hotelzimmer. Die Lichter am Canal leuchteten in dieser sternenklaren Nacht besonders hell.

Raphael war im Badezimmer und Rose schrieb die letzten Zeilen in ihr Tagebuch. Sie lag in weißer Seidenwäsche auf dem Bett, trug ihre Brille, hatte die Beine übereinander geschlagen und notierte folgende Zeilen:

es war der schönste Tag in meinem Leben. Wir sind nun die Familie Rosengarten. Rose & Raphael Rosengarten. Und auf dem Schild unseres Hauses wird stehen:

Hier wohnen Rosamund, Grace, Portobello und Raphael ROSENGARTEN.

Ich liebe ihn. Raphael ist und bleibt und war immer schon die große Liebe meines Lebens. Ich wünsche mir, dass alle Menschen auf dieser Erde das Glück haben werden, so eine Liebe zu finden. Ob mit oder ohne Heirat – Liebe bleibt Liebe.

Für die Welt bist du irgendjemand, aber für irgendjemand bist du die Welt.

Rose schaute zu der feinen Holztür, die zum Badezimmer führte, in dem sich Raphael befand. Sie lächelte und konnte ihr Glück kaum fassen. Sie schloss das Tagebuch und legte es auf den Nachttisch, auf welchem ihr Buch Zwei Liebende am Südpol lag. Im Raum duftete es nach Rosen und Lilien. Es war das Buch, das Raphael durch einen Bekannten in New York bei einem Mittagessen in die Hände bekam und darin ein Zeichen sah. Er erkannte sich und Rose darin wieder und wollte sie um jeden Preis zurückbekommen. Raphael hatte es geschafft. Er hatte sie zurückgewonnen.

Raphael öffnete die Tür und kam nackt auf sie zu. Er lächelte einladend und schaute sie glückselig mit seinen treuen Augen an. ‚Oh Gott, wie habe ich diesen Raphaelblick vermisst – all die Jahre‘, dachte sie.

Roses Herz pochte. Raphael legte sich langsam auf das Bett. Die Satinbettwäsche fühlte sich kühl und zart an. Sie schauten sich liebend in die Augen. Er bewegte sich langsam auf sie zu, nahm ihr zärtlich die Brille ab und fing an, Rose liebkosend zu küssen. Rose bekam eine Gänsehaut an ihrem ganzen Körper. Ihr Atem wurde schneller und ihr Herz pochte stärker. Er küsste ihren Hals liebevoll und leidenschaftlich zugleich. Er küsste zärtlich das Goldkreuz, das ihren feinen Hals zierte, und jede einzelne Perle ihres Perlenschmucks. Seine Hand berührte sanft ihr Herz und wanderte bis zu ihrer Taille. Er schaute sie tief an. Er küsste zärtlich ihren Bauchnabel und ihre Schenkel. Ihre Knie und ihre Fesseln streichelte er behutsam. Liebevoll küsste er ihre Füße und jeden einzelnen Zeh.

Rose fühlte sich wie in einem ihrer Träume. ‚Nur dieses Mal ist er wirklich hier. Raphael ist hier mit mir. Raphael ist nun mein Mann. Mein Raphael. Und ich seine Rose‘, dachte sie vergnügt. Sie lächelten sich an und schlossen sich ganz zärtlich in die Arme. Eine Gondel mit einem spanischen Gitarristen fuhr unten auf dem Canal Grande am Hotel vorbei und die Klänge drangen durch das weit geöffnete Fenster ihres Zimmers hinein.

Er spürte sie und sie spürte ihn, wie in ihrer allerersten Nacht. Sie liebten sich die ganze Nacht und dachten an seinen Springbrunnen im Garten seines früheren Londoner Hauses, auf dem vor langer Zeit die Vögel saßen, daraus tranken und sich Geschichten erzählten.

„Rose, ich liebe dich. Ich werde dich nie verlassen. Bis dass der Tod uns scheidet.“

Rose nahm ihn nun noch fester in den Arm.

„Ich liebe dich, Raphael. Ich werde dich nie verlassen. Bis dass der Tod uns scheidet.“ Sie küssten sich innig und zärtlich und waren sich so nah wie noch nie in ihrem Leben.

„Aber heute wird nicht gestorben. Heute beginnt ein neues Leben. Unser Leben!“, flüsterte Raphael in Roses Ohr. Sie küssten sich. „Und morgen beim Frühstück auf der Terrasse werden wir der Familie sagen, dass Grace und Portobello ein Geschwisterchen kriegen werden“, flüsterte Rose in Raphaels Ohr. Er schaute sie überrascht an und dann begann er sie wieder zärtlich zu küssen.

„Ich liebe dich, Raphael. Ich liebe alles an dir“, hauchte Rose und Raphael antwortete: „Ich liebe dich, Rose. Meine schöne Rose!“

Der Atem des Meeres drang durch das Fenster und sie schliefen fest umschlungen ein. Die Nacht war klar und Raphael und Rose fanden einen tiefen Schlaf.

Ewig dein, ewig mein, ewig uns.

Der Brief „Unsterbliche Geliebte“ von Ludwig van Beethoven wird zitiert nach:

https://www.beethoven.de/hallo-beethoven/extern/ug-orginaltext.pdf

In Kapitel 4 wird zitiert aus The V&A A Souvenir, 2015, Victoria and Albert Museum, London

Die beiden Briefe Napoleon Bonapartes werden zitiert nach der Briefsammlung „Liebesbriefe großer Männer. Ewig dein, ewig mein, ewig uns“, hrsg. von Sabine Anders und Katharina Maier. Wiesbaden: marixverlag 2012

Der Anfang von Roses Vortrag über die byzantinische Geschichte ist ein Zitat aus:


http://www.osa.fu-berlin.de/byzantinistik/beispielaufgaben/byzantinische_geschichte/

Für meine Familie
&
Elisa, Anna, Anja, Isabell & Mira

Für die Welt bist du irgendjemand, aber für irgendjemand bist du die Welt.

Erich Fried

Prolog

The peoples of this world must unite or they will perish-
J. Robert Oppenheimer (amerikanischer Physiker)

++ Terroristischer Anschlag in New York verhindert ++

Die Meldung verbreitete sich wie ein Lauffeuer in den sozialen Netzwerken. Die ganze Welt schaute an diesem Tag nach New York und die Menschen waren sichtlich erleichtert, dass niemand getötet worden war. Die Menschen, die beinahe ihr Leben verloren hatten, wurden fotografiert und von sämtlichen TV-Sendern interviewt.

Ein älterer Mann mit weißem Haar sagte vor laufender Kamera mit Tränen in den Augen: „Ich bin so dankbar. Ich könnte die ganze Welt umarmen. Ich werde nun anders durchs Leben gehen. Es fühlt sich an, als wäre ich noch einmal geboren worden. Wir hatten heute großes Glück. Allen Menschen auf der Welt möchte ich mitteilen, dass mich dieses Ereignis eines gelehrt hat: Ich möchte nie mehr wieder Streit mit meinen Liebsten haben. Ich bin dankbar für mein Leben und für alles, was ich habe. Seit heute bin ich der glücklichste Mensch auf Erden. Ich bin siebzig Jahre alt und liebe die ganze Welt. An alle, die ich jemals verletzt haben sollte: Es tut mir aufrichtig leid. Verzeiht mir. Verzeihen wir uns und lasst uns dankbar sein für alles, was wir haben. Gott sei Dank ist uns nichts passiert. Liebe ist stärker als Hass. Hören wir auf, uns gegenseitig zu bekriegen! Glauben wir an die Liebe! Wir sehnen uns alle tief in unseren Herzen nur nach Liebe und Frieden. Wir wollen alle leben. Ob Jude oder Christ, Moslem oder Atheist, Buddhist oder Hindu. Wir sind alle Menschen. Menschen dieser Erde. Ich bin ein einfacher alter Mann aus Minnesota, aber das habe ich heute gelernt. Geben wir uns eine Chance! Ich will zu meiner Frau! Gott, ich danke dir! Und beschütze dieses frisch verlobte Paar aus Gate 16. Ich wünsche ihnen ein glückliches Leben. Dieser Hund hat uns alle gerettet. Der Friede beginnt in uns!“

Kapitel 1

Du und ich: Wir sind eins. Ich kann dir nicht wehtun, ohne mich zu verletzen.
Mahatma Gandhi

Einige Jahre zuvor in Notting Hill, London

Wieder ging ein wunderbares, malerisches Wochenende in Notting Hill zu Ende. Die beiden liebten sich tief und sehnsüchtig. Ein unsichtbares Band zwischen ihnen war vor längerer Zeit entstanden. Sie waren einander verfallen und konnten ihre Gefühle kaum in Worte fassen. Als wären sie füreinander bestimmt. Manchmal konnten sie ihr Glück kaum begreifen. Es fühlte sich für beide vollkommen an. Wie ein formvollendetes Mosaik, ein fertiges Kunstwerk. Nun verstanden sie die Liebesromane und Filme, die sie beide schon in ihrer jeweiligen Jugendzeit so sehr gemocht hatten, noch intensiver – auf einer erwachseneren und tieferen Ebene. Nun erlebten sie ihre eigene sinnliche Geschichte hautnah. Es waren keine Bücher mehr, keine Erzählungen oder Filme. Es war ihre gemeinsame Geschichte. Ihr gemeinsames Buch. Ihr gemeinsamer Liebesrausch. Die zauberhafte Liebesgeschichte von Rosamund – Rose – Harper und Raphael Jaron Rosengarten im edlen London.

Rose stand in der Dusche und wusch sich ihre langen honigblonden Haare, die bis zu ihrer Brust reichten. Reine Natur – keine Haartönung – und weich wie Seide. Sie wusste, dass Raphael dies an ihr liebte. Raphael betrat das große Badezimmer mit den hohen Wänden und beobachtete sie dabei, wie sie ihren Körper und ihre Haare pflegte. Ihr Herz schlug vor Freude schneller, denn sie spürte, dass er im Raum war. Mit geschlossenen Augen und einem Lächeln, das sie nicht verstecken konnte, genoss sie diese Situation und spürte ihn ganz nah bei sich. Sie wusste, dass auch er sie genoss, und dieses Wissen erfreute sie. Ihre Seele sehnte sich nach ihm. Langsam und feminin bewegte sie sich unter dem Wasserstrahl. Sie wollte ihm gefallen, ihm ein schönes Bild schenken mit ihrer sonnenverwöhnten feinen Haut.

„Die eleganten Linien“, flüsterte er leise, denn genau so hatte er Roses Figur in ihrer ersten gemeinsamen Nacht zärtlich genannt. Ihre Augen waren immer noch geschlossen, obwohl sie seine Stimme vernommen hatte. Es gehörte zu ihrem gemeinsamen Spiel. Weißer, duftender Schaum lief über ihren Körper – jede Dusche war für sie ein sinnliches Erlebnis. Das Badezimmer war in einen Duft aus Lavendel und Rosen gehüllt. Blütendüfte liebte sie seit ihrer Kindheit. Mit geschlossenen Augen stellte Rose die Temperatur auf kalt. Ihre Haut zog sich zusammen. Sie riss ihre Augen auf und blickte Raphael, der vor ihr stand, direkt in die Augen.

„Ich beobachte dich wie ein Künstler sein Kunstwerk. Du schönes Gemälde. Du schöne Violine“, flüsterte Raphael. Ihr Herzschlag beschleunigte sich vor Freude erneut. Sie lächelte sanft. „Du blühende Amaryllis!“, hauchte er und zog seinen cremefarbenen, seidigen Bademantel aus, ohne dass sie dabei ihren tiefen Augenkontakt verloren, und legte ihn einladend auf das dunkelbraune Holzregal, welches er einst von einer Afrika-Expedition zuerst mit nach New York und dann mit in sein Haus nach London gebracht hatte.

Er öffnete vorsichtig die Glastür und stellte sich zu ihr unter die Dusche. Rasch zog sie ihn zu sich heran und drehte den Hahn schlagartig auf Heiß, denn sie wusste, dass er heißes Wasser liebte. Er nahm sie sanft in seine Arme und sie fingen an, sich liebevoll zu küssen. Sie hielten sich fest umschlungen, wie wertvolle Schätze. Als wollten sie sich nie mehr wieder loslassen. Sie spürte sein Herz, er das ihre. Sie liebte dieses angenehme Gefühl, welches sie schon in ihrer allerersten Nacht mit ihm erlebt hatte. Seinen betörenden Körper, seine wohlgeformten Hände, seine lebendigen Lippen. Seine gepflegte Haut und seinen natürlichen, weltmännisch edlen Duft. Die feine Art, wie er sie küsste, ließ sie schweben. Schweben wie eine Möwe, die frei über den Canal Grande in der Hafenstadt Venedig segelte. Seine wolkenlosen klaren Augen, seine mondänen und gleichzeitig natürlich wilden Haare – alles, sie liebte alles an ihm. Den anregenden Geschmack seines Körpers und den einzigartigen Duft seiner Haut. Sie hielt ihn fest umschlossen. Das Wasser glitt über ihre Körper und bildete eine Art Springbrunnen. Ein Springbrunnen wie jener, der in seinem Rosengarten stand. Auf den sich im Frühjahr die Vögel setzten und ihnen in der Früh ein Ständchen sangen. Sie spürte seine langsamen, behutsamen Liebkosungen an ihrem Körper, an jeder Stelle ihres Wesens. Ihre Haut glühte. Sie spürte ihn auf eine tiefe und sinnliche Weise und küsste ihn tiefer und leidenschaftlicher. Sein Körper versetzte sie in einen fliegenden Zustand. Rose stellte sich auf ihre Zehenspitzen und drückte sich, so fest es ging, an ihn. An seinen Körper. ‚An meinen‘, dachte sie sich. ‚Dieser Körper gehört mir. Raphael gehört mir. Er ist mein und wird es immer sein. Für immer und ewig Raphael.‘

Der Wecker klingelte. Sie erwachten. Ein neuer Tag in Notting Hill war angebrochen. Sie schaltete ihn auf Wiederholung und drehte sich schlaftrunken wieder zu Raphael. Er zog sie behutsam zu sich heran. Sie küssten sich und schauten sich dabei in die Augen. „Guten Morgen. Schalom, beautiful Rose“, sagte er zu ihr und lächelte dabei. Sie lächelte zurück und hauchte mit einem französisch-amerikanischen Akzent: „Bonjour, Schalom, mein Sonnengott!“

Raphael war ein liberaler Jude, der sehr amerikanisch lebte, aber gewisse jüdische Traditionen in seinen Alltag integrierte. Rose war fasziniert davon und fand es herrlich aufregend. Es waren Kleinigkeiten wie Sprichwörter, Angewohnheiten oder auch kleine Rituale. Wenn sie sich nach dem Abendessen zärtlich in den Armen hielten, las er ihr Gedichte und Erzählungen von jüdischen Dichtern und Schriftstellern vor. Das gehörte zu ihren Abendritualen, die sie sich gemeinsam in seinem Schlafzimmer bei Kerzenschein und angenehmer Klaviermusik gönnten. Sie lauschte dabei seinen Worten und stellte sich manchmal vor, wie er wohl als kleiner Junge gewesen war. Oder auch in seiner Jugend. ‚Was für Musik hörte er wohl, als er das erste Mal in ein Mädchen verliebt war, damals in der Schule?‘, fragte sie sich ab und an.

Rose schaute Raphael an. Sie mochte sein zerknittertes Gesicht kurz nach dem Aufwachen sehr. Ihm gefiel ihr ungekämmtes Haar, das an eine zärtliche Nacht voller Liebe erinnerte und nach wilden Rosen duftete, das war ihr bewusst und damit spielte sie gerne. Sie waren durstig nacheinander. Sie küssten sich zärtlich. Ihr Herz schlug schneller. Wenn sie sich liebten, hielt sie sein Herz und er hielt ihres. Sie waren so tief miteinander verbunden. Durch ihren Kopf schwirrten Farben, Klänge und das Rauschen eines Meeres – gemischt mit dem Gezwitscher der Vögel in seinem Garten. Ihre Augen waren geschlossen. Rose drückte sich stärker an ihn. Spürte seine charmante Leidenschaft und fühlte seine Haut an ihrer. ‚Es fühlt sich an wie ein Sommergewitter‘, dachte Rose. Sie spürte ihn auf eine anmutige Weise an ihrem ganzen Körper.

Sie atmete tief aus und blickte ihm in seine blauen Augen und spürte ihr Herz pochen. Es pochte gegen ihre Rippen. Ihr Körper vibrierte und verband sich so mit dem seinen, als wären sie ein einziger Organismus. Verschmolzen in der Ewigkeit. Sie küssten sich sinnlicher und tiefer. Sie spürte seine weichen Lippen an ihrem ganzen Körper – als wolle er direkt in ihr Herz eindringen. Sie spürte seine liebevollen Küsse an ihrem Hals. Zärtlich küsste er das Goldkreuz, welches sie immerzu um ihren Hals trug. Sie liebten sich zärtlich und leidenschaftlich auf einer Ebene tiefer Verbundenheit. Sie fühlte sich wie auf einem Schiff auf hoher See. Die Wellen brachen über das Schiff herein und die Sonne strahlte und brannte. Als sie sein tiefes Ausatmen vernahm, dachte sie – und gewiss auch er – an seinen barocken Springbrunnen im Garten. Die Vögel zwitscherten. Sie strich über seinen Brustkorb, inhalierte seinen kultivierten Duft, der sie in höchstem Grade anregte, und deckte sich und ihn mit der großen, leichten dunkelblauen Decke zu. Rose empfand wie am ersten gemeinsamen Morgen, damals in seinem Haus in New York.

‚Was bin ich nur für eine glückliche Frau‘, dachte sie sich – und in diesem Augenblick ertönte das erneute Rasseln des Weckers. Sie blinzelte Raphael an. Er küsste ihre Stirn und sagte mit seinem Ostküstenakzent: „Ich habe so gut geschlafen.“ Und drehte sie wie einen Kreisel um ihre eigene Achse, stieg aus dem Bett und riss die Balkontür auf. „Schau, die Vögel am Brunnen.“

Sie sah vom Bett aus zu ihm hinüber und lächelte glückselig. Wie er den Brunnen und den Garten betrachtete und studierte. Sie liebte seinen Körper und die Art, wie er sich bewegte und die Welt studierte.

‚Ein wohlgewachsener und wohlgebildeter Mann‘, dachte sie sich. Ein Mann, der alles detailgenau inspizierte und beobachtete. Raphael wollte wissen, was sich dahinter verbarg. Hinter allem. Dieser durchdringende und einnehmende Blick war es, was sie bei ihrer allerersten Begegnung in London so faszinierend gefunden hatte. Sie nannte ihn Raphaelblick. Sie liebte seine Haare, die in gesunden Wellen, wie ein rauschendes Meer, bis zu seinen Ohren wuchsen. Seine Augenbrauen waren dunkel und mächtig und wuchsen wild über seinem dunklen Wimpernkranz. Seine Nase erinnerte an eine antike Statue, stolz und aufrecht stand er am Balkon. Seine Lippen waren die Lippen eines sinnlichen und erfahrenen Mannes. Weich und tiefrot. Sein Wesen und seine Erscheinung erinnerten sie an Helios, den Sonnengott. So nannte sie ihn seit ihrer ersten Begegnung. Ein kräftiger und sinnlicher Körper zugleich. So war auch sein Wesen. Sinnlich und kraftvoll. Sie liebte ihn mehr als sich selbst.

Raphael drehte sich zu ihr. Seine Blicke und die Sonnenstrahlen spürte sie auf ihrem Körper. Er öffnete die Balkontür und verließ das Schlafzimmer. Sie beobachtete seinen Gang, bis er für sie nicht mehr sichtbar war.

So wie sie für ihn empfand, empfand er für sie. Er blickte auf seinen Garten hinaus und dachte an die letzte Nacht. An das glückliche Gefühl, das er hatte, wenn er mit ihr zusammen war, sie in den Armen hielt und sie küssen durfte. In seinen Beschreibungen war sie immerzu zart, aber auch gleichzeitig stark und feminin. „Eine Augenweide. Ein Frühjahrsgedicht“, sagte er leise vor sich hin. Er versank tiefer in seinen Gedanken. Wann immer er Gedanken fassen wollte, musste er sie aussprechen. Leise fing er an in Richtung des Rosenstrauchs an der Hauswand zu sprechen: „Rose, ich kenne so viele Facetten an dir. Ich weiß nicht, ob ich dich jemals fangen und begreifen kann. Wenngleich wir eine so tiefe Verbundenheit haben und Seelenverwandte sind, erinnerst du mich an ein junges Mädchen und gleichzeitig wieder an eine gereifte Frau mit langer Lebenserfahrung. Ich liebe dich. Du bist noch eine junge Blüte. Blütenjung. Blutjung. Du hast noch nicht viel gesehen von dieser Welt. Du bist keine Frau mit langer Lebenserfahrung. Uns trennen Jahrzehnte.“ Plötzlich überkam ihn eine tiefe Angst. Er atmete tief ein und ging wieder zurück in die Richtung seines Schlafzimmers. Er blickte noch einmal zurück auf den Rosenstrauch und verließ dann den Balkon.

Rose machte ihre morgendlichen Beinbewegungen auf dem großen Bett mit dunkelblauer Satinbettwäsche und schaute dabei lächelnd zu Raphael, der ins Schlafzimmer zurückkehrte. Sie spürte, dass er mit schattigen Gedanken beschäftigt war, und wollte ihn aufheitern. „Schau, kannst du das auch?“, fragte sie ihn und lachte aus vollem Herzen. Er betrachtete ihren Körper. „Nein. Das kann nur Rose. Mit ihren wohlgeformten Beinen und feinen Füßen“, antwortete er und lächelte liebevoll zurück.

„Du wirkst heute so fidel und jung!“, flüsterte er in ihre Richtung und lächelte sanft dabei. Sie lächelte zurück.

Er ging zurück auf seinen Balkon und atmete tief ein und aus. Traurig betrachtete er den Rosenstrauch und fragte ihn mit ernster Miene: „Soll ich diese Liebe beenden? Diesem fidelen Spiel mit Rose ein Ende setzen? Noch an diesem Tag? Sie liebt mich und ich liebe sie, aber ich habe bereits meinen Rucksack des Lebens an und trage meine Vergangenheit mit mir. Jeden Tag. Jede Nacht. Jede Stunde. Jede Minute und jede einzelne Sekunde. Wir können unsere Vergangenheit nicht einfach löschen – wie eine Nachricht oder einen Tafelaufschrieb in der Schule. Die Vergangenheit gehört zu uns und prägt uns. Jeder Mensch lebt in seiner eigenen Realität. Geschaffen durch die Erlebnisse.“ Er schaute zur Schlafzimmertür. „Ich muss die Verantwortung übernehmen“, flüsterte er leise, „sie ist noch so jung. Eine zarte Rose. Jeder Mensch hat sein Päckchen.“ Mit einem unguten Gefühl kehrte er zurück ins Schlafzimmer.

Rose beobachtete, wie er zurückkam, stieg freudestrahlend aus dem Bett, ohne den Blickkontakt zu ihm zu verlieren, bewegte sich auf ihn zu und stand nackt vor ihm und schaute ihm direkt in die Augen. „Ich bin die glücklichste Frau auf dieser Welt“, sagte sie in diesem Moment, um seinen schattigen Blick zu erhellen. „Ich liebe dich, Raphael. Die Sonne scheint für alle umsonst. Ich mache mir einen Kaffee. Willst du einen Tee?“, fragte sie und küsste ihn auf den Mund. Er atmete ihren Atem tief ein und drückte sie zärtlich an sich. Ihre Düfte vermischten sich ein weiteres Mal. Rose stellte sich auf ihre Zehenspitzen und drehte sich wie eine Balletttänzerin um ihre Achse. Sie lief in Richtung Küche.

„Nein, danke. Ich gehe nachher frühstücken. Zu Paul. Ich brauche einen frisch gepressten Orangensaft und ein Croissant mit einer französischen Schokolade. Eine Stärkung française“, antwortete er.

Sie rief aus der Küche: „Eine sehr gute Idee. Es ist wirklich schade, dass ich zur Universität muss. Ich würde gerne mitkommen. Mon Dieu,