Cover

Wyatt Earp
– Box 11 –

E-Book 56-60

William Mark

Impressum:

Epub-Version © 2019 KELTER MEDIA GmbH & Co. KG, Sonninstraße 24 - 28, 20097 Hamburg. Geschäftsführer: Patrick Melchert

Originalausgabe: © KELTER MEDIA GmbH & Co.KG, Hamburg.

Internet: https://ebooks.kelter.de/

E-mail: info@keltermedia.de

Dargestellte Personen auf den Titelbildern stehen mit dem Roman in keinem Zusammenhang.

ISBN: 978-3-74095-419-2

Weitere Titel im Angebot:

Cover

Crystal

Roman von Mark, William

Asphaltgrau spannte sich der Himmel über die Savanne. Es war früher Morgen, fünf Uhr.

John Elliot trat aus dem Blockhaus und reckte seine Glieder. Fern im Südwesten konnte er die Desert Hills erkennen, hinter denen die große Salzwüste lag. Hier oben auf dem Plateau wehte ein scharfer Wind und bog die Gräser.

Elliot wischte sich durchs Gesicht und ging mit schleppenden Schritten zum Brunnen hinüber.

Während er die zwanzig Yards vom Haus zu dem ummauerten Wasserloch durchmaß, dachte er das, was er jeden Morgen dachte: Es ist ein scheußliches Land, dieses Nevada.

John Elliot war unzufrieden – trotz seiner neunzehn Jahre. Sein Leben als Cowboy gefiel ihm nicht, obgleich er es sich selbst ausgesucht hatte. Er war drüben in Loroy auf die Welt gekommen, in einer Stadt, die sich für John nur darin von anderen Städten des Westens unterschied, daß sie noch kleiner, noch armseliger und noch langweiliger war.

Die Mutter, eine sehr fleißige gute Frau, hatte in der Mainstreet von Loroy eine Wäscherei. Sie war nicht mehr die jüngste, und Jonny, ihr einziges Kind, hätte ihr helfen können, hätte alles haben können, aber er wollte es nicht. Er verabscheute das Stadtleben, die Arbeit in dem von tausend Gerüchen erfüllten Dampf der Waschstube – er hatte Cowboy werden wollen.

Drei Jahre war Elliot nun schon auf der Ranch. Seit einem Jahr hockte er hier auf dem Vorwerk, einer Weidestation, die der sparsame Miller immer nur mit einem Mann besetzt hielt.

Damned! Wie der Bursche dieses fade langweilige Leben haßte.

Damals hatte man von Dodge City erzählt, von dem wilden Leben in der alten Treibherdenstadt, von den Kämpfen – und dann war es plötzlich sehr still um den Namen Dodge City geworden. Wyatt Earp hatte mit eisernem Besen in der Stadt aufgeräumt.

Wyatt Earp! Welch ein Mann. Jonny hatte das undeutliche Bild des Marshals aus der Zeitung geschnitten, damals, als er von den Revolverkämpfen in Dodge gelesen hatte.

Aber diese Zeit war vergangen. Ein neues Land, eine neue Stadt, machten seit zwei Jahren von sich Reden, zogen den Schwerpunkt der ›gefährlichen Westernwelt‹ auf sich.

Das Land Arizona und die Stadt Tombstone!

Elliot träumte von diesem Namen. Eines Tages würde er seinen Braunen satteln und nach Arizona reiten.

Man braucht nur den richtigen Anstoß, den Mut zu dem Ritt, sagte John sich immer wieder.

Als er sich über den Brunnenrand beugte, sog er den frischen Duft des Wassers tief ein. Dann spülte er sich das kühle Naß über Gesicht und Nacken.

Noch triefte das Wasser von seinem Schädel, als er in der zitternden Oberfläche des Brunnens einen zweiten Kopf sah.

Für einen Augenblick war John Elliot steif vor Schreck. Dann, als sich der Wasserspiegel glättete, erkannte er das Gesicht Raine Porters.

Elliot richtete sich auf. »He, du hast wohl auch nichts Gescheiteres im Kopf, he?«

Der Cowboy grinste seinen Kameraden an.

»Was denn, wenn du hier rumplantschst, kannst du ja auch eine Horde von Shoshones nicht hören, die dir ins Genick springt.«

Elliot wischte sich das Wasser ab. »Was willst du hier, Raine?«

»Du sollst auf die Ranch kommen.«

»Weshalb? Wer hat das gesagt?«

»Jim.«

Elliot warf das schmutzige Handtuch auf die Bank neben der Blockhaustür.

»Was ist los?«

Porter zog die Schultern hoch. »Keine Ahnung.« Dann ging er auf sein Pferd zu und löste die Sattelgurte.

Elliots Gesicht hatte sich verfinstert. Wie er dies alles haßte! Wie er es verabscheute, daß ihn der Rancher einfach hin und her schieben konnte wie einen morschen Weidepfahl!

Ohne Hast machte er sich fertig, holte den Gaul von der Koppel, sattelte ihn auf und ritt grußlos davon.

Elliot erreichte die Ranch am späten Nachmittag.

Kläffend sprang ihm der große graue Hund des Ranchers entgegen. Elliot trieb ihn mit einem Fußtritt zur Seite.

Drüben am Sägebock standen Jeff Haggar und Olde Henderson und quälten sich mit einem mannsdicken Baumstamm ab. Links an der Pferdetränke plantschte der sechsjährige Ray Miller, der jüngste Sohn des Ranchers, herum. Jenny, die fünfzehnjährige Tochter Millers, nach der sich die ganze Crew bereits den Kopf verrenkte, hing hinten zwischen der Scheune und dem Mannschaftshaus Wäsche auf.

Mit verschlossenem, mürrischem Gesicht ritt der Cowboy an die Veranda heran, rutschte aus dem Sattel und warf die Zügelleinen über den Querholm.

»He, Jonny!«

Elliot blickte sich um.

Drüben in der Tür des Geräteschuppens stand der Vormann.

Langsam ging der Cowboy auf ihn zu. »Sie haben mich rufen lassen, Jim?«

Der Vormann nickte. »Yeah – das heißt, der Boß will mit Ihnen sprechen.«

»Mit mir?«

»Ja, gehen Sie hinüber, er ist im Corral irgendwo bei den Pferden.«

John Elliot stakste auf die Pferch zu, in der die Pferde standen. Er sah die massige Gestalt des Ranchers drüben an den Boden gebeugt, um das Fußgelenk eines Falben zu untersuchen. Neben ihm stand Harry, der auch Cowboy auf der Ranch war.

Elliot schob sich zwischen den Pferden hindurch.

Der Rancher sah ihn nicht. Harry machte ihn auf John aufmerksam.

Da erhob sich Miller und strich sich eine widerborstige Strähne seines grauen Haares aus der wetterbraunen Stirn. »Jonny, da sind Sie ja.«

Elliot legte den Kopf ein wenig auf die Seite und lauschte dem sonderbaren Klang in der Stimme des Viehzüchters nach. He, da stimmte doch etwas nicht! Der Boß war sonst keineswegs so weich.

»Sie haben mich rufen lassen, Mister Miller?«

»Yeah – eh, kommen Sie mit, wir gehen rüber ins Haus und werden einen Whisky zusammen trinken.«

Da schluckte der Cowboy Jonny Elliot. Damned, jetzt war er überzeugt, daß tatsächlich etwas faul war. Bisher hatte der Boß noch nie einen Drink mit ihm genommen.

Sie gingen hinüber ins Ranchhaus.

Miller warf seinen Hut auf einen Wandhaken, ging zum Schrank und holte den Kentucky Dry heraus mit zwei Gläsern.

Nachdem sie getrunken hatten, meinte er: »Wann waren Sie eigentlich das letzte Mal zu Hause, Jonny?«

Elliot stellte das Glas mit einem harten Ruck auf den Tisch. Er glaubte verstanden zu haben.

»Hat meine Mutter Ihnen geschrieben? Damned, ich habe ihr erst im vergangenen Jahr einen Brief geschickt, worin ich sie bat, mich zufrieden zu lassen. Ich habe schließlich keine Zeit. Und…«

Da stellte auch der Rancher sein Glas mit einem harten Ruck auf den Tisch. Rauh erklärte er: »Sie werden keinen Grund mehr haben, Elliot, sich über Ihre Mutter zu beklagen. Sie ist tot.«

Wie versteinert stand der Bursche da. Nichts in seinem Gesicht verriet, was er jetzt dachte und empfand.

Miller nahm die beiden Gläser und stellte sie auf das Schrankbrett.

»Sie können sofort reiten«, sagte er rauh.

»Reiten?«

»Yeah.«

»Wohin?« knurrte der Cowboy.

Da warf der Rancher seinen massigen Schädel herum. »Wohin? – Well, Elliot, wenn Sie das nicht wissen, dann weiß ich es auch nicht.«

John Elliot setzte seinen Hut auf und wandte sich um. Mit starrem Gesichtsausdruck verließ er das Ranchhaus. Als er sich in den Sattel setzen wollte, sah er plötzlich die Augen Jim Honolkas vor sich. Es waren harte graue Weidereiteraugen.

»Wo wollen Sie hin, Jonny?«

Der Cowboy schwieg. Zwischen seine Brauen hatte sich eine steile Falte gegraben.

Da meinte der Vormann: »Wann sind Sie zurück?«

Auch darauf schwieg Elliot.

Da schob sich Honolka den verschwitzten Hut aus der Stirn.

»Sie können sich Zeit lassen, Jonny. Und…, es tut uns allen sehr leid.« Dann griff er in die Hemdtasche und nahm ein Bündel Geldscheine heraus, das er dem Reiter hinhielt.

Jonny schob es achtlos in die Tasche.

Das war dem Vormann denn doch zuviel.

»He, Boy, wenn Sie Ihre Kröten schon nicht nachzählen, so wäre es vielleicht ganz gut, wenn Sie wissen, daß wir bei den Boys gesammelt haben, um einen anständigen Sarg für Ihre Mutter auf die Beine zu bringen. Der Boß hat die Hälfte allein dazugegeben.«

In den Mundwinkeln des Cowboys zuckte es, dann nahm er die Zügelleinen hoch und trabte grußlos aus dem Hof.

Mit gespreizten Beinen und in die Hüfte gestemmten Armen stand der Vormann da und sah ihm nach. »Verdammter Kanacke!«

Wußte der Junge denn nicht, wie wenig die Cowboys verdienten, und wie schwer es ihnen gefallen sein mußte, von ihrem kargen Lohn auch noch einige Dollars pro Mann für den Sarg der Mutter ihres Kameraden zu stiften?

Oben in der Tür erschien der Rancher. »Was machen die neuen Hacken, Jim?« fragte er heiser.

Honolka, der seinen Boß genau kannte, knurrte:

»Die werden heute abend fertig sein, Boß. – Und der da«, er deutete mit dem Kinn hinter dem Reiter her, »der kommt nicht wieder.«

*

John Elliot war nach Norden geritten. In Cabre hielt er vor dem Railway-Saloon an und rutschte aus dem Sattel.

Auf dem Vorbau stand ein großer schlaksiger Mensch mit vorgebeug-

ter Haltung, in ledernem Zeug und Schlapphut mit zerfranster Krempe.

Sein Gesicht war ledern und von scharfen Falten zerschnitten. Dreißig war er vielleicht, höchstens fünfunddreißig, doch sah er bedeutend älter aus.

Es war der Wildpferdjäger Jack An-drew. Ein wenig angenehmer Bursche, der alle Vierteljahr in der Stadt auftauchte, um seine Mustangs an den Mann zu bringen, der dann sein Geld anschließend an den Wirt der Eisenbahnschenke brachte, an die blonde Jenny Clingford und an Kartenhaie, die gerissener waren als er.

Bei eben diesem Punkt war der Wildpferdjäger jetzt angelangt, und wie stets war er dann schlechter Laune.

»He, Cowpuncher«, krächzte er und verstellte dem Weidereiter den Weg. »Wie sieht’s aus, kannst du einen armen Horsecatcher nicht zu einem kleinen Drink einladen?«

Elliot sah ihn aus seinen kalten schiefergrauen Augen an, schob ihn dann mit der Linken beiseite und ging auf die mit Glaspapier beklebte Tür der Kneipe zu.

Da wurde er von hinten gepackt und herumgerissen. Er blickte in das scharfe Gesicht des Pferdejägers.

»Ich hatte dich etwas gefragt, Cowpuncher. Ich habe es gar nicht gern, wenn ich nicht wenigstens eine Antwort kriege.«

Die Antwort bekam er sofort. Jonny Elliot hieb ihm die rechte Faust an den Schädel, daß er um seine eigene Achse gewirbelt wurde und zurück gegen einen der dünnen Vorbaupfeiler taumelte.

Rasend schnell spielte sich dann alles Weitere ab.

Andrews Gesicht war wutverzerrt. Seine Rechte riß den Colt aus dem Halfter und stieß ihn vor.

Der Cowboy John Elliot drückte um den Bruchteil einer Sekunde früher ab. Er hatte gar nicht gewußt, daß er so schnell war.

Als habe ihn ein Keulenschlag getroffen, so brach der Wildpferdjäger in sich zusammen. Stumm und reglos lag er auf den Vorbauplanken. Mit harten Augen blickte der Cowboy auf ihn nieder.

Drüben aus dem Sheriffs Office sprang der breitschultrige Ernest Formby und stürmte heran. Er hatte den Revolver in der Hand.

»Ist er tot?«

»Yeah.«

»Damned! Mann, Sie haben ihn erschossen!«

Da trat aus der Kneipe ein untersetzter Mann mit einem breiten Bullbeißergesicht. Er trug einen gelben Melbahut, ein gelbes Halstuch, ein gelbliches Hemd und eine gelbliche Weste. Auch Hose und Stiefel waren gelblich. Sogar sein Gesicht und seine Augen schienen eine gelbliche Tönung zu haben.

»Augenblick, Sheriff. Es war Notwehr.«

Der Gesetzesmann blickte den ›Gelben‹ an.

»Haben Sie das beobachtet, Philby?«

»Mister Philby, wenn ich bitten darf. – Yeah, ich stand gerade am Fenster und sah, wie der Horsecatcher ihn angriff. Es war einwandfreie Notwehr, Sheriff.«

»Well, wenn Sie es bezeugen können.«

»Ich kann es bezeugen«, erklärte Philby.

Der Gesetzesmann musterte ihn noch einen Augenblick, dann bückte er sich, um den Toten aufzuheben.

»Vielleicht hilft mir einer von Ihnen, Andrew hinüberzutragen ins Totenhaus.«

Philby lehnte die Aufforderung mit einem häßlichen Grinsen ab, und der Cowboy wandte sich einfach um und ging wortlos in die Schenke.

Philby folgte ihm. An der Theke holte er ihn ein und lehnte sich neben ihn.

Elliot beachtete ihn nicht.

Philby stützte sich mit den Ellbogen auf die Thekenkante auf und sagte: »War ein guter Schuß, Mister.«

Der Cowboy antwortete nicht darauf. Statt dessen gab er dem Keeper einen Wink und bestellte einen Whisky.

Im Schädel des Cowboys John Elliot herrschte ein seltsames Durcheinander. Er hatte soeben einen Menschen erschossen, eine Tatsache, die nicht recht in den Vordergrund seines Denkens zu rücken vermochte.

Der Wildpferdjäger Jack Andrew war der erste Mensch, dessen Leben John Elliot ausgelöscht hatte. Vernichtet, mit einem einzigen Schuß. Das Geschehen tat ihm nicht etwa leid – andererseits war er auch nicht froh darüber oder stolz darauf.

Elliot warf ein Geldstück auf die Theke und ging hinaus.

Da trat Philby ihm in den Weg. Während er die Zähne fletschte, erklärte er feixend: »Hallo, Mister, ohne mein Dazwischentreten hingen Sie jetzt höchstwahrscheinlich an einem schönen luftigen Ast.«

Er wies mit dem Daumen über die Schulter. »Hören Sie sich das da draußen an. Das sind wenigstens zwei Dutzend Männer. Die haben sich inzwischen hier eingefunden. Jack An-drew haben sie alle gekannt. Niemand aber kennt Sie. Wäre neugierig, was Sie den Leuten erzählen wollten, wenn Ole Philby nicht dazugekommen wäre.«

Da wandte der Cowboy dem anderen das Gesicht zu und sagte mit heiserer Stimme: »Ich habe Sie nicht um Ihre Hilfe gebeten, Mister Philby, also haben Sie jetzt auch kein Recht, Dank von mir zu fordern.«

»Dank? Aber Mister, wer fordert denn das?«

»Was wollen Sie denn?«

Philby hakte die Daumen hinter den Waffengurt. »Vielleicht hatte ich die Absicht, Ihnen einen Job anzubieten.«

»Ich suche keinen Job.«

»Er wird gut bezahlt.«

»Trotzdem…«

Philby lächelte wieder sein süffisantes Lächeln.

»Ich bin Ole Philby. Wenn Sie länger in der Gegend wären, hätten Sie schon von mir gehört.«

»Es ist mir völlig einerlei, wer Sie sind, Mister. Lassen Sie mich zufrieden.«

»Schade. Sie hätten sich mein Angebot wenigstens anhören sollen.«

Da mischte sich der Salooner ein.

»Yeah, Stranger, Mister Philby hat recht. Ihm gehört das große Sägewerk am Ende der Stadt. Wenn einer einen Job zu vergeben hat, dann er. Und ich höre immer wieder, daß man bei Philby gut verdient.«

Elliot starrte verbissen vor sich hin. Nein, er hatte weiß Gott nicht die Absicht, in einer Sägemühle zu arbeiten. Aber wenn es von hier nach Tomb-

stone hinunter über sechshundert Meilen waren, dann brauchte er Geld. Mehr Geld, als er besaß.

Daß knapp vierzig Meilen von hier eine alte Frau seinetwegen an Kummer gestorben war, hatte er fast vergessen. Aber die Arbeit in einer Sägemühle war weit schlimmer als das Weidereiterhandwerk.

»Ich werde es mir überlegen.«

Ole Philby strich sich schmunzelnd über den Schnurrbart.

»Na also, Sie kommen noch zur Vernunft. Ich wußte es ja. Mit den jungen Kälbern muß man nur Geduld haben.«

Aus den Augen Elliots schoß ein Blitz.

»Wenn Sie irgend etwas mit mir vorhaben, dann drücken Sie sich klarer aus. Ich liebe kein Gerede um den heißen Brei herum.«

Philby blickte amüsiert in das Gesicht des Cowboys.

»Sie gefallen mir, Mann. Wie heißen Sie?«

»Elliot«, kam es mürrisch zurück.

»Nur Elliot?«

»John Elliot.«

»Well, Jonny«, meinte Philby und reichte dem Weidereiter die Hand. »Ich bin ein alter Fuchs. Ich habe sofort erkannt, auf welchem Trail Sie reiten…«

»Auf welchem Trail reite ich denn?«

»Sie suchen irgend etwas. Da dachte ich mir, der Junge sucht einen Job. Auf jeden Fall braucht er einen Job. Einen guten Job.«

Eine Stunde später saßen sie im Büro der Sägemühle.

Der Betrieb hatte schon Feierabend gemacht. Und es war still in dem zweigeschossigen hohen Haus. So still, daß der Cowboy sich darüber wunderte.

Elliot, der kein Freund vom langen Herumreden war, meinte: »Raus mit der Sprache, Philby. Um was für einen Job handelt es sich. Was springt dabei heraus?«

Philby ließ sich auf der Tischkante vor dem Cowboy nieder.

»Sie brauchen doch Geld, Jonny.«

»Natürlich, wer braucht kein Geld?«

»Der Job, den ich Ihnen zu bieten habe, bringt Ihnen mehr Bucks ein, als Sie ein ganzes Jahr auf der Weide gemacht haben, Junge.«

Elliot schickte ihm einen mißtrauischen Blick zu.

Da meinte Philby: »Ich habe Sie tatsächlich beobachtet, vorhin vorm Railway-Saloon. Sie haben eine verdammt schnelle Hand, Elliot. Viel zu schnell für einen Cowboy.«

»Was wollen Sie eigentlich, Philby?«

Der Sägewerkbesitzer ließ sich jetzt in einem Sessel nieder. »Well, ich will mit offenen Karten spielen, Elliot. Aber vorher möchte ich Ihnen noch sagen, daß Sie keine Chance haben werden, irgendwelches Kapital aus dem zu schlagen, was ich Ihnen jetzt sage – wenn Sie nicht mitmachen wollen.«

Mitmachen wollen? Jetzt fiel auch in dem etwas primitiven Hirn des Cowboys die Klappe. Aber er schwieg.

»Es ist eine verdammt mühselige Geschichte, Holz an den Mann zu bringen. Erst muß man es kaufen, und dann verarbeiten, und dann muß man wieder jemanden suchen, der es kauft. Das ist ziemlich anstrengend, Elliot. Ich habe mir die Sache durch den Kopf gehen lassen. Es gibt eine Möglichkeit, die Geschichte erheblich zu beschleunigen.

Vierunddreißig Meilen von hier gibt es eine andere Sägemühle. Der Mann ist eines Tages auf den dummen Gedanken gekommen, die fertigen Bretter in die Städte zu liefern. Auch hierher liefert er. Sie müssen zugeben, daß das unfair ist, weil er mir das Geschäft kaputt macht.«

»Unfair?« knurrte der Cowboy. »Weshalb denn? Er kann seine Bretter doch verkaufen, wo er will. Und wenn Ihr Holz gut ist, werden Sie höchstwahrscheinlich hier in der Stadt genug finden, die es kaufen.«

Philby kniff ein Auge zu.

»Sie sehen das nicht richtig, Junge. McPherson verkauft die Bretter zu einem erheblich niedrigeren Preis, wie ich sie verkaufen kann.«

Das war eine Lüge. Die Sache lag ganz einfach so, daß der Holzhändler Ole Philby gar nicht daran dachte, ernsthaft zu arbeiten.

Er hatte im Gegenteil nicht mehr und nicht weniger vor, als einen Überfall auf den Brettertransport. Und dieser junge Bursche sollte ihm dabei helfen.

Als der Cowboy erfuhr, was Philby also tatsächlich von ihm wollte, nahm er seinen Hut und ging zur Tür.

»Tut mir leid, Mister Philby. Das ist kein Job für mich. Ich habe keine Erfahrung darin. Und dreihundert Bucks, die Sie mir dafür geboten haben, entsprechen keineswegs einem Jahresverdienst eines Cowboys.«

Damit wollte er zur Tür.

Das knackende Geräusch eines Revolverhahns ließ ihn stehenbleiben.

Ganz langsam wandte er sich um.

Ole Philby hatte sich erhoben und hielt in der Rechten einen gespannten Colt vom Modell Peacemaker.

»Nicht so hitzig, Junge. Ich sagte dir doch, daß du keine Chance haben würdest, Kapital aus der Gechichte zu schlagen. Das ist eben dein Risiko.«

»Was soll das heißen, Philby?«

»Daß ich dich jetzt über den Haufen schießen werde, Cowboy, und dem Sheriff dann die betrübliche Mitteilung machen muß, daß du hier einen Überfall auf mich starten wolltest. Ich habe also dann in reiner Notwehr gehandelt. Wie du vorhin vor der Schenke.«

»Sie sind ein ganz verdammter Erpresser, Philby«, keuchte der Bursche. »Sie verlangen von mir, daß ich die zwei Fuhrleute niederschieße, damit Sie in den Besitz einer Doppelladung Bretter kommen.

Sie können mir nichts vormachen. Ich weiß ziemlich genau, was Holz wert ist und kostet. Die beiden großen Wagenladungen bringen Ihnen mehrere tausend Bucks ein. Und mich wollen Sie mit schäbigen dreihundert Dollar abspeisen? Obendrein verlangen Sie von mir einen zweifachen Mord.«

»Aber, aber, Jonny«, suchte der Sägewerkbesitzer einzulenken. »Wer wird denn gleich solche Ausdrücke benutzen.«

»Ich bin kein Mörder!« schrie der Weidereiter. Und plötzlich hatte auch er seinen Revolver in der Hand.

Philby war so verblüfft, daß er stutzte.

Dann lachte er röhrend los. »Du bist gut, Junge. Ich habe es ja gesagt, daß du gut bist.«

»Nehmen Sie den Revolver herunter«, zischte der Cowboy.

Philby zog die linke Schulter hoch.

»Well, aber das wird dir auch nicht viel nützen, Boy. Ich werde nämlich zu dem Sheriff gehen und sagen, daß ich etwas richtigzustellen hätte.«

Elliot wurde blaß. »Was haben Sie richtigzustellen?«

»Sehen Sie, Elliot, ich könnte dem Sheriff sagen, daß ich vorher mit An-drew gepokert habe und mich über ihn geärgert hätte. Er war ein ziemlich übler Falschspieler. Das weiß jeder in der Stadt.«

Philby hatte seinen Revolver längst weggeschoben.

Und jetzt ließ auch Elliot die Waffe sinken. »Sie haben genau gesehen, daß der Mann zuerst zum Revolver gegriffen hat. Ich wollte ihn ganz gewiß nicht erschießen, aber er hat mich dazu gezwungen.«

Philby ließ sich wieder in seinen Sessel nieder. »Ich finde, du machst zuviel große Worte, Cowboy. Dreihundert Bucks sind eine schöne Stange Geld.«

Elliot schob den Revolver ins Halfter zurück. »Es hat keinen Zweck, Philby. Die Sache gefällt mir nicht. Ganz und gar nicht.«

Philby grinste. »Muß ein ziemlich unangenehmes Gefühl sein, wenn man den hanfenen Strick um seinen Hals gelegt und zugezogen bekommt. Das macht ein paarmal knacks, knacks. Dann kommt der große Todeskampf.«

John Elliot wirbelte herum. Er hatte den Revolver in der vorgestreckten Faust.

»Du hast dich verrechnet, Philby. Und zwar ganz gewaltig. Ich habe den Pferdejäger nicht ermordet. Aber dich, dich werde ich jetzt niederschießen. Und ich werde mir nichts dabei denken, denn ich weiß ja, daß ich nur das Leben eines Banditen ausgelöscht und damit gleichzeitig das Leben zweier braver Fuhrleute gerettet habe.«

Philby fletschte wieder sein gelbes Gebiß. Völlig ruhig sagte er:

»Auch das ist kein Ausweg für dich, Elliot. Der Salooner weiß, daß du mit mir zusammen die Schenke verlassen hast. Das reicht vollkommen aus. Wenn du hinzunimmst, daß der Sheriff und vor allem die Leute in der Stadt deinen Todesschuß auf den Wildpferdjäger nicht vergessen haben, kannst du dir leicht ausrechnen, was dir blüht. Du bist geliefert, John Elliot.«

Krachend fiel die Tür hinter dem Cowboy ins Schloß.

Philby lauschte seinen Schritten nach. Dann erhob er sich, nahm seinen Hut vom Wandhaken und folgte ihm.

Nur wenige Yards vorm Sheriffs Office überholte er den Weidereiter. John Elliot starrte entgeistert auf Philbys breiten Rücken.

Elliot rannte los, packte Philby an der Schulter und riß ihn herum. »Bleib stehen!« keuchte er.

Im fahlen Dämmerlicht schimmerten die Augen des Sägewerkbesitzers noch gelblicher. »Du bist also bereit, Jonny?«

Der Bursche nickte mit gesenktem Kopf.

Dann gingen sie zurück zum Sägewerk.

*

Es war in der Morgenfrühe des darauffolgenden Tages. Die Sommersonne zeichnete ein flammendes Orangerot über den Horizont, vor dem sich die Konturen der Toano Mountains scharf abzeichneten.

Die Reiter hatten den Weg ins Go-shute Valley eingeschlagen.

Zu Elliots größter Verwunderung hatten sich kurz vorm Abritt im Hof des Sägewerks noch zwei weitere Männer eingefunden. Joe Marlowe und Ed Perkins.

Obgleich Elliot wenig Erfahrung im Umgang mit Menschen und fast überhaupt keine Menschenkenntnis besaß – daß diese beiden Männer Desperados waren, sah er sofort.

Philby ritt voran. Elliot mußte ihm folgen, da die beiden anderen keinen Zweifel daran gelassen hatten, daß sie den Schluß bilden würden.

Der Cowboy blickte über das Land nach Norden. Irgendwo da oben lag Loroy, die kleine braune Stadt, in der seine Mutter jetzt im Totenhaus lag.

Für den Bruchteil eines Augenblicks krampfte sich das Herz des Burschen zusammen bei diesem Gedanken. Weshalb war er nicht nach Loroy geritten?

Jetzt ritt er statt dessen bei Aufgang der Sonne mit einer Verbrecherbande ins Goshute Valley, in dem sein eigener Vater vor fünfzehn Jahren noch Wildpferde gefangen und mit den Shoshones gekämpft hatte. Wie irrsinnig diese Welt doch war.

Es gab keine Shoshones mehr, jedenfalls hatten sie sich seit Jahren hier im County nicht mehr sehen lassen. Und Wildpferde, die gab es vielleicht noch, aber auch nur vereinzelt. Wer von ihrer Jagd leben wollte, der kroch ständig am Rande des Hungertodes dahin.

All dies wußte der Cowboy John Elliot.

Elliot ritt jetzt nur eine viertel Pferdelänge hinter Philby. Er warf einen raschen Seitenblick auf dessen hartes, verkniffenes Gesicht. Da hatte ihn dieser Bandit doch in die Zange genommen, aus der er keinen Ausweg mehr gefunden hatte.

Er hatte ja rausgewollt aus seiner geordneten Welt, aus seinem langweiligen Dasein eines Nevada Cowboys, der ein paar Rinder auf einer dürren Weide zu bewachen hatte. Er hatte ja das heiße Leben und damit auch die Gefahr gesucht. Viel schneller als er es sich gewünscht hatte, war er mitten in dieses Leben hereingekommen.

Philby hatte ihm genaueste Anweisungen gegeben, was er bei dem Überfall zu tun hatte. Elliot hatte nur schweigend zu allem genickt.

Und erst in der Nacht, als er mit sich allein in einer winzigen Dachkammer der Sägemühle war, die Philby gemei-nerweise von außen zugesperrt hatte – da war ihm klargeworden, daß der gerissene Philby ihm so gut wie alles aufgehalst hatte. Er selbst würde in sicherer Deckung stecken. Von den beiden anderen war gar nicht die Rede gewesen. Und der Cowboy war sich, als er sie zu Gesicht bekommen hatte, sofort darüber im klaren gewesen, daß auch sie ihre Haut in Sicherheit bringen würden, wenn es soweit war.

Philby hatte ihm, da er kein eigenes Gewehr besaß, eine Spencer Rifle vom Kaliber 45 gegeben. Es ist ein ausgezeichnetes Gewehr, hatte er erklärt. Siebenschüssig, aus dem Jahre 68, da baute man doch erstklassige Waffen…

John Elliot senkte den Blick und starrte auf den Kolben des Schießeisens, das an dem Lederschuh rechts vor seinem Bein hin und her baumelte.

Philby wandte plötzlich den Kopf zu ihm herum. »Jetzt sind es noch drei Meilen, Jonny…«

Elliot starrte auf seinen Sattelknauf.

Philby lachte blechern. »Mach dir nichts draus, Jonny. Es muß eben sein. Und es geht ja vorbei. Was kann dir schon passieren? Du bist ein großartiger Schütze. Vergiß nicht, was ich dir gesagt habe. Den Gunman, der mit der Flinte den vorderen Wagen begleitet, holst du mit der Spencer vom Bock. Den anderen läßt du sitzen, den Driver, bis er nahe genug ist.

Die Gäule werden durch den Schuß zusammenschrecken und dann höchstwahrscheinlich nach vorn ausbrechen. Es ist fast ausgeschlossen, daß sie versuchen werden, in der engen Passage zu wenden. Sie kommen also praktisch an dir vorbei. Dann erst holst du den Driver mit einem sicheren Revolverschuß herunter. Es ist zwar ein Vierergespann, aber sehr schnell werden die Gäule nicht durch die gewundene Enge kommen, schon deshalb nicht, weil der geizige Schotte noch einen zweiten Wagen hinten angehangen hat…«

Da warf Elliot plötzlich den Kopf hoch.

»Und woher wissen Sie das alles, Philby?«

»Tja, siehst du, Junge, das ist mein Geheimnis, und es bleibt bei mir am besten aufgehoben.«

Immer höher ging es ins Tal hinein. Rechts und links traten die Hügelkämme näher an den kaum befahrenen Weg heran.

Und dann hob Philby auf einmal den Arm.

»Wir sind da«, rief er ungeniert so laut, daß man es mühelos auf fünfzig Yards hin hören konnte. Er mußte sich seiner Sache absolut sicher fühlen.

Elliot wurde von ihm hinter einen halbhohen Stein postiert. Das Pferd nahm er mit. Perkins und Marlowe dirigierte er ein Stück zurück, ebenfalls auf der linken Wegseite.

Einen Fehler machte der Bandit. Weder ihm selbst noch einem seiner ›Leute‹ kam der Gedanke, daß es unumgänglich war, auch auf die andere Seite des Passes einen Mann zu postieren. Ole Philby war sich seiner Sache zu sicher.

In dem Augenblick, als John Elliot, der zwangsweise gedungene Heckenschütze, sich hinter dem Felsstein niederkauerte, schaukelte das Gefährt mit der Holzlast noch in einer Entfernung von zwei Meilen das Valley hinunter.

Die Zeit kroch im Schneckentempo dahin.

Und plötzlich drang das Rumpeln an das Ohr des Weidemannes.

Er spannte die Rechte fester um die Spencer und kauerte sich tiefer hinter den Stein.

»Der Tanz geht gleich los!« hörte er aus etwa zwanzig Yards Entfernung die Stimme Ole Philbys. Dann vernahm er, daß sich hastige Schritte entfernten.

Philby brachte sich also außer Schußweite. »Gauner!« zischte der Bursche unten am Weg.

Hell and devils! Wie hatte es dahin kommen können? Vorgestern noch war er der Weidereiter John Elliot. Ein Mann, dem niemand etwas anhaben konnte. Und nun lag er hier und lauerte auf ein Holzfuhrwerk, bereit zu morden.

Irrsinn! Alles Irrsinn! Eine namenlose Wut auf Ole Philby überkam ihn.

Das Fuhrwerk mußte jeden Augenblick die Passage zwischen den Steinen erreichen.

Da sprang Elliot plötzlich hoch und lief um den Stein herum.

»Bist du verrückt?« hörte er es oben vom Hügelkamm zischen.

»Nein, Philby – ich werde es nicht tun! Ich kann es nicht. Es ist doch Irrsinn! Ich…«

Da pfiff eine Kugel an seinem Schädel vorbei.

Elliot ließ sich hinter den Stein fallen, aber so, daß er dem Weg den Rücken zudrehte.

Aus drei Waffen wurde ihm glühendes Blei zugeschickt.

Und der Driver Kid Lumbace, den der alte McPherson mit dem Holz nach Cobre gesandt hatte, stemmte seine großen Füße sofort mit aller Gewalt gegen das Stiefelbrett und riß die Zügelleinen zurück.

Die vier Füchse standen sofort.

Sein Begleiter sah ihn entgeistert an. »Was ist los?«

»Da vorn wird geschossen! Bist du vielleicht taub, Boy? Dann taugst du nicht für den Job.«

Der Driver schlang die Zügel um den Bremshebel und sprang vom Wagen.

Der Gunman folgte seinem Beispiel mit bleichem Gesicht und zitternden Beinen. Als sie hinter dem Wagen kauerten, keuchte er: »Ist das… ein Überfall?«

Der Driver rieb sich mit dem rechten Handrücken das Kinn. »Eine Hochzeit wird da vorn jedenfalls nicht gefeiert, soviel steht fest.«

Elliot kauerte hinter seinem Stein und spannte die Hände um die Spencer.

»Du bist ja wahnsinnig, Philby!« schrie er.

»Das werde ich dir zeigen!« brüllte der Sägewerkbesitzer zu ihm hinunter. »Wir machen jetzt Schalenholz aus dir, Boy! Wir sind zu dritt, du hast nichts zu bestellen.«

»Die Leute McPhersons werden…«

Da sprang Philby hoch und zielte mit seiner Sharpsflinte.

Hart klatschte das Geschoß auf der Steinkante dicht über dem Schädel des Cowboys auf.

Philby kalkulierte richtig, wenn er sich sagte, daß die McPhersons-Leute sich hüten würden, in die Schießerei einzugreifen.

»Wir werden den Kleinen in die Zange nehmen, Junge!« bellte Philby seinen Gehilfen Perkins und Marlowe zu. »Vorwärts, Joe, du rutscht da links den Hang hinunter. Und du, Ed, schiebst dich hier links dem Weg entgegen.«

Elliots Lage war jetzt höllisch geworden. Wenn Marlowe noch drei oder vier Yards weiter vorwärtskroch, als er sich schon vorgewagt hatte, mußte er den Platz hinter dem Stein mit seinem Revolver bestreichen können.

Und Perkins drang Stück um Stück weiter vor, um in seinen Rücken zu kommen.

»Yeah, Elliot, jetzt hast du verspielt«, höhnte der Sägewerkbesitzer frohlockend, »jetzt ist es gleich vorbei. Mach dir nichts draus, Boy, wenn du zur Hölle fährst. Du taugst nichts für diese Le…«

Marlowe hatte zwei Schüsse abgegeben.

Hart preßte sich Elliot gegen den Stein. Er wußte, daß die nächste Kugel ihn treffen mußte.

Sie kam von Perkins und traf ihn. Aber es war nur eine heiße Schramme links auf der Wange.

John Elliot hätte aufschreien mögen vor Verzweiflung.

Da röhrte drüben von der gegen-überliegenden Hügelkuppe her eine Winchester auf.

Ole Philby schrie auf. Die Sharps-flinte wurde ihm aus der Hand geschleudert.

»Joe«, schrie er, »drüben auf dem Kamm ein Mann! Holt ihn runter. Hundert Bucks, dem, der ihn auslöscht!«

Aber Joe Perkins kam nicht dazu, sich diese Bucks zu verdienen. Ein zweiter Schuß aus der Winchester riß ihm den Revolverarm hoch. Heiser flog der Schrei von seinen Lippen.

Philby stand wie erstarrt da und blickte auf den Mann hinüber, der drüben auf dem sandigen Hügelkamm stand.

Es war ein großer, breitschultriger, schmalhüftiger Mensch mit wetterbraunem Gesicht und hellen Augen. Schwarz sah das Haar unter der Krempe des dunklen Hutes hervor.

Er trug eine dunkle Hose, eine dunkle Weste und ein graues Kattunhemd, das oben am Hals von einer schwarzen Samtschleife zusammengehalten wurde.

Er hatte die Winchester noch immer im Anschlag.

Ed Marlowe hing völlig ungedeckt für den Fremden am Hügelhang.

Da kreischte Philby.

»Schieß doch endlich, Ed, du dreckiger Feigling!«

Aber Edward Marlowe schoß nicht.

»Laß deinen Revolver fallen, Brother!« rief der Fremde Marlowe mit einer harten, metallischen Stimme zu.

Marlowe öffnete die Hand, und der Colt fiel auf den Boden.

John Elliot lehnte noch in der verkrampften Haltung, in der ihn Perkins Kugel getroffen hatte, am Stein und starrte zu dem Mann hinauf, der in allerletzter, wirklich allerletzter Minute eingegriffen hatte.

Langsam kam der Mann näher.

»Vorwärts, Elliot, kommen Sie zu sich, Mister!« forderte ihn der Fremde auf. »Nehmen Sie die Waffen der Gentlemen an sich…«

Philby, Perkins und Marlowe rührten sich angesichts der drohend auf sie gerichteten Winchester des Fremden nicht.

Mit staksigen steifen Schritten war der Cowboy erst auf Perkins zugegangen und hatte dessen Waffen an sich genommen. Dann holte er Marlowes Revolver. Schließlich ging er mit finsterem Gesicht auf Ole Philby zu. Er riß ihm den Revolver aus dem Halfter, nahm ihn hoch und ließ ihn krachend auf den Schädel des Sägewerkmannes niedersausen.

»He, Elliot, wer hat davon etwas gesagt?« rief ihm der Fremde verweisend zu.

Elliot starrte auf den gefällten Gegner nieder. Dann wandte er sich hastig um.

»Dazu braucht mir niemand etwas zu sagen«, entgegnete er trotzig. »Dieser Mann wollte mich zum Doppelmörder machen. Er hatte mich erpreßt. Ich werde ihn an den Galgen bringen, ich werde…«

Der Fremde hatte Perkins bereits an den Händen gefesselt.

Marlowe wollte die Gelegenheit nutzen und davonstürmen. Da fauchte ein Revolverschuß hinter ihm her und riß ihm einen Absatz auf.

Langsam wandte sich der Bandit um. Er sah in der Linken des Fremden einen großen Revolver, aus dessen Mündung sich noch der Rauchfaden zog.

»Komm zurück, Amigo, sonst geht’s dir so wie deinem Absatz.«

Marlowe kam zurück.

Und der Fremde fesselte auch ihn.

Sie wurden alle drei auf ihre Gäule gebunden.

Philby war inzwischen wieder zu sich gekommen. Mit haßerfüllten Augen sah er den Fremden an.

»Was fällt Ihnen ein? Wie kommen Sie dazu, sich hier in unsere Angelegenheiten zu mischen, Mann? Ich verspreche Ihnen, daß Sie dafür den Kopf in den Dreck stecken werden…«

»Nimm das Maul nicht so voll, Gelbgesicht, sonst gibt’s Ärger«, entgegnete der Fremde kühl. Dann sah er Elliot an. »Sie werden die Halunken in die Stadt zum Sheriff bringen. Ich komme gleich nach; ich will nur die Leute mit dem Fuhrwerk informieren.«

Kid Lumbace hatte seinen Platz hinter dem Wagen längst verlassen und kauerte direkt vorn an der Wegenge, von wo aus er die Szene beobachtet hatte.

Er kam jetzt aus seinem Versteck heraus und meinte: »Nicht nötig, Mister. Wir sind im Bilde. Und was den Abtransport dieser Männer betrifft, dafür werden wir mit sorgen. Der Mann, den Sie da gestellt haben, ist ein Bursche, auf den wir schon lange scharf sind. Ole Philby hat eine Sägerei in Cobre – und eine Menge Dreck am Stecken.«

»All right!«

Der Fremde stieg den Hügel hinauf, holte drüben hinter einem Gebüsch einen Rapphengst hervor, zog sich in den Sattel und ritt nach Südosten davon.

Niemand folgte ihm, niemand fragte ihn nach dem Namen.

Und niemand hatte ein Wort des Dankes für ihn gehabt: Weder die beiden Fuhrleute noch John Elliot, den er doch aus einer geradezu mörderischen Situation gerettet hatte.

Wieder einmal – wie so oft – hatte das rätselhafte Schicksal den Marshal Earp aus Dodge City genau zu dem Augenblick an einen Ort geführt, in dem Hilfe am dringendsten war. Unerkannt ritt er davon.

*

Philby wurde zu sieben Jahren Zwangsarbeit im Camp II des Straflagers Sescattewa, oben in Colorado, verurteilt. Marlowe und Perkins bekamen je drei Jahre Straflager.

Elliot hatte nicht auf die Verhandlung gewartet. Nachdem er seinen Widersacher im Jail wußte, hatte er das Protokoll des Sheriffs unterschrieben und war weitergeritten. Seinem fernen Ziel entgegen.

Er ritt an der großen Salzwüste entlang, an den berüchtigten Gold Hill vorbei hinunter in die Utahstadt Callao.

Das war eine langgezogene Stadt mit fünfhundert Einwohnern, sieben Saloons, zwei Mietställen und mehreren Geschäften. Im Generalstore war gleichzeitig das Post Office untergebracht.

Callao war seit einigen Jahren eine berüchtigte Spielerstadt. Es wimmelte von Abenteurern aus aller Herren Länder.

Elliot sah sich mit großen Augen nach allen Seiten um.

Vor einem schmalbrüstigen Boardinghouse hielt er an, rutschte aus dem Sattel und band seinen Braunen an der Halfterstange an.

»Yeah«, meinte der bebrillte Mann, der ihm an der Tür entgegenkam, auf seine Frage nach einem Quartier. »Sie können ein Zimmer haben, Mister, aber es wird bei uns vorher bezahlt.«

»Wieviel?«

»Zwei Dollar.«

Elliot wich einen Schritt zurück. »Zwei Dollar? Mann, sind Sie wahnsinnig? Zwei Dollar für eine Nacht? Das kann doch nicht Ihr Ernst sein.«

Es war dem Boardinghouser aber ernst.

Und Elliot nahm seinen Gaul am Zügel und trottete weiter.

Als er nach einer halben Stunde zurückkam, hatte er alle anderen Quartiershäuser durch. Die nahmen drei Dollar pro Nacht.

Knurrend betrat der Cowboy wieder das Haus des bebrillten Alten.

»Well, ich werde die Bude also mieten für eine Nacht.«

Der andere feixte. »Da haben Sie Pech, Junge, das Zimmer ist bereits vergeben.«

Elliot zog die Brauen zusammen.

»Sie wollen mich wohl für dumm verkaufen, Mensch!«

»Keineswegs, Boy. Und reden Sie gefälligst nicht so laut mit mir, sonst muß ich Sie auf die Straße werfen lassen.«

Blitzschnell schoß Elliots Faust vor und krallte sich in die Westenaufschläge des Alten.

»So redest du nicht mit mir, Grandpa! Ich bin John Elliot! Merk dir das!« Damit stieß er ihn hart zurück und gegen das Rezeptionspult und warf die Haustür donnernd hinter sich ins Schloß.

Er hatte noch nicht die zweite Vorbaustufe erreicht, als die Tür des Boardinghouses aufgerissen wurde.

Elliot wirbelte herum, in seiner Rechten blinkte der Revolver.

Und oben stand ein junger Mensch mit wächsernem Gesicht. Er hatte ein Gewehr in der Linken.

»Nimm die Knarre runter, Boy«, zischte Elliot heiser, »sonst gibt’s Ärger.«

Der Bursche in der Tür ließ das Gewehr fallen und hob die Hände.

»Sind Sie gemütskrank, Cowboy?« hörte Elliot da hinter sich eine rostige Stimme.

Er fuhr herum. Mitten auf der Straße stand ein untersetzter schwerer Mann mit eisgrauen Augen und kantigem Stierschädel. Er trug ein blaues Hemd, eine graue Hose und eine graue Weste, auf deren linker Seite ein silberner Fünfzack blitzte.

Langsam schob John Elliot seinen Revolver ins Halfter zurück.

Der Sheriff stemmte seine prankenartigen Fäuste in die Hüften.

»Sie müssen bedeutend ruhiger werden, Cowboy«, meinte er bärbeißig und wandte sich ab, um mit stampfenden Schritten auf eine Schenke zuzugehen, aus der plötzlich ein wüster Lärm drang.

Es war etwas los in Callao; und John Elliot war diesem Leben ganz sicher nicht gewachsen.

Er nahm seinen Gaul und trottete in einen Mietstall. Ein vierzehnjähriger Junge nahm das Pferd in Empfang und rümpfte seine Nase, als er kein Trinkgeld bekam.

Elliot aß in Lewtons-Speisehaus und machte dann einen Rundgang durch sämtliche Schenken.

In einem großspurig angelegten Spiel-Room stieß ihn ein hochgewachsener Mann plötzlich an.

Elliots Hand lag sofort auf dem Revolverkolben.

Aber er sah in ein freundlich grinsendes pockennarbiges Gesicht, aus dem zwei bernsteinfarbene Augen listig hervorblickten.

»Ich würde mich hier nicht niederlassen, Boy. Dafür verdienst du deine Bucks zu sauer.«

»Was geht es Sie an, wo ich mich niederlasse? Kümmern Sie sich gefälligst um Ihren eigenen Dreck.«

»Ich hatte schon recht, Junge, du hättest bei deinen Kühen bleiben sollen«, kam es rostig aus der Kehle des Pockennarbigen.

Flammende Zornesröte überflutete das Gesicht des Cowboys. »Was bildest du dir ein, Mensch?«

Er hatte es laut gesagt, mit der Absicht, diese Bemerkung möge dem Pockennarbigen Ärger in der Bar eintragen. Aber nichts dergleichen ge-schah. Nur still wurde es im Schankraum rund um die Spieltische.

Elliot, der immer noch nicht begriffen hatte, knurrte: »Menschen gibt’s, einfach verrückt. Ich bin hergekommen, weil ich pokern will. Und da meint dieser Bursche da, das wär hier nichts für mich.«